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Interview: Aber wir sind am Leben…! | Russland-Analysen | bpb.de

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Chronik: 03. – 20. Oktober 2023 LGBTQ und Repression (30.09.2023) Analyse: Russlands autoritärer Konservativismus und LGBT+-Rechte Analyse: Russlands Gesetz gegen „Propaganda für Homosexualität“ und die Gewalt gegen LGBTQ-Personen Statistik: Gewalt gegen LGBTQ+-Menschen und Vertrauen in Polizei und Gerichte unter LGBTQ+-Menschen in Russland Dokumentation: Diskriminierung von und Repressionen gegen LGBTQ+-Menschen in Russland Kommentar: Wie sehr geht es bei der strafrechtlichen Verfolgung von "Rehabilitierung des Nazismus" um politische Repressionen? Von der Redaktion: Ausstellung: "Nein zum Karpfen" Chronik: 31. Juli – 04. August 2023 Chronik: 07. – 27. August 2023 Chronik: 28. August – 11. September 2023 Technologische Souveränität / Atomschlagdebatte (20.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause, на дачу – und eine Ankündigung Analyse: Die Sanktionen machen sich bemerkbar: Trübe Aussichten für die russische Chipindustrie Analyse: Kann Russlands SORM den Sanktionssturm überstehen? Kommentar: Russisches Nuklearroulette? Die Atomschlagdebatte in der russischen Think-Tank-Fachöffentlichkeit Dokumentation: Die russische Debatte über Sergej Karaganows Artikel vom 13. Juni 2023 "Eine schwerwiegende, aber notwendige Entscheidung. Der Einsatz von Atomwaffen kann die Menschheit vor einer globalen Katastrophe bewahren" Umfragen: Die Einstellung der russischen Bevölkerung zu einem möglichen Einsatz von Atomwaffen Chronik: 13. Juni – 16. Juli 2023 Chronik: 17. – 21. Juli 2023 Wissenschaft in Krisenzeiten / Prigoshins Aufstand (26.06.2023) Kommentar: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine – Ein "Virolog:innen-Moment" für die deutsche Osteuropaforschung? 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Mai 2023 Auswanderung und Diaspora (10.05.2023) Analyse: Politisches und soziales Engagement von Migrant:innen aus Russland im Kontext von Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Ukraine-Krieg: Bislang nur wenig humanitäre Visa für gefährdete Russen Statistik: Asylanträge russischer Bürger:innen in Deutschland Analyse: Emigration von Wissenschaftler:innen aus Russland: Kollektive und individuelle Strategien Dokumentation: Schätzungen zur Anzahl russischer Emigrant:innen nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Chronik: 01. März – 23. April 2023 Sanktionen (27.03.2023) Analyse: Die Wirkung von Krieg und Sanktionen auf Russlands Volkswirtschaft im Jahr 2022 Statistik: Russlands Wirtschaft Analyse: Russische wirtschaftliche Anomalie 2022: Ein Blick aus Unternehmensperspektive Umfragen: Wahrnehmung von Sanktionen durch die russische Bevölkerung Chronik: 01. – 28. Februar 2023 Feminismus / Kriegswahrnehmung / Gekränktes Imperium (13.03.2023) Analyse: Feminist_innen machen in Russland Politik auf eine andere Weise Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Analyse: Nicht Befürworter:innen und nicht Gegner:innen: Wie verändert sich bei der Bevölkerung in Russland mit der Zeit die Wahrnehmung des Krieges in der Ukraine? dekoder: Die imperiale Formel ist: Russland hat keine Grenzen Repression und stiller Protest / Die Botschaft des Präsidenten (06.03.2023) Analyse: "Nein zum Karpfen": Stiller Protest im heutigen Russland Dokumentation: Repressionen wegen Antikriegs-Akten in Russland seit 2022 dekoder: Die Schrecken des Kreml Analyse: Ein langer Krieg und die "Alleinschuld des Westens". Präsident Putins Botschaft an die Föderalversammlung am 23. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Kirchen im Ukrainekrieg (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Eliten (16.02.2023) Analyse: Ansichten der russischen Eliten zu militärischen Interventionen im Ausland Analyse: Zusammengeschweißt und gefesselt durch Illegitimität Ranking: Die politische Elite im Jahr 2022 Meinungsumfragen im Krieg (02.02.2023) Kommentar: Sind Meinungsumfragen im heutigen Russland sinnvoll? Kommentar: Diese vier Fragen sollten Sie sich stellen, bevor Sie Meinungsumfragen darüber lesen, was Russ:innen über den Krieg denken Kommentar: Es gibt noch immer keine öffentliche Meinung – der Krieg in der Ukraine und die Diktatur in Russland lassen uns das besser erkennen Kommentar: Die Meinungsumfragen des Lewada-Zentrums auf der Discuss Data Online-Plattform. Zur Diskussion um die Aussagekraft der Daten Kommentar: Telefonische Umfragen im autoritären Russland: der Ansatz von Nawalnyjs Stiftung für Korruptionsbekämpfung Kommentar: Annäherungen an eine Soziologie des Krieges Kommentar: Methodologische Probleme von russischen Meinungsumfragen zum Krieg Kommentar: Befragungen von Emigrant:innen: Herausforderungen und Möglichkeiten dekoder: "Die öffentliche Meinung ist ein Produkt von Umfragen" Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: 01. – 31. Januar 2023

Interview: Aber wir sind am Leben…! Russland-Analysen Nr. 427

Robert Latypov

/ 3 Minuten zu lesen

Der Friedensnobelpreis für Memorial ist ein Vertrauensvorschuss; ein Mandat, das in Russland unmöglich zu ignorieren ist und für die Umgestaltung der russischen Gesellschaft genutzt werden kann.

Oleg Orlov, Vorstandsmitglied von Memorial International nach einer Gerichtsanhörung am 7.10.2022, den Tag der Verkündung des Friedensnobelpreises für Memorial. (© picture-alliance/AP, Alexander Zemlianichenko)

Russland-Analysen: Memorial stellt seiner organisatorischen Struktur nach einen Verband gleichberechtigter Organisationen dar. So gibt es zum Beispiel das Wissenschafts- und Informationszentrum Memorial St. Petersburg, Memorial International und Memorial Perm, dessen Leiter Sie sind. Das Menschenrechtszentrum Memorial wurde im Dezember 2021 vom russischen Staat aufgelöst. Wie sieht Ihre Arbeit nach dem Dezember 2021 und nach dem 24. Februar 2022 aus? Kann die Arbeit noch auf die alte Weise fortgeführt werden?

Robert Latypov: Zu einem gewissen Maße wird die Tätigkeit der Organisationen fortgeführt. Ein Teil des Teams ist zwar ausgewandert, setzt die Arbeit aber aus der Ferne fort.
Einige Projekte, die auf öffentliche und Präsenzveranstaltungen abzielen, mussten natürlich eingestellt werden (die Behörden hätten das einfach nicht zugelassen). Andere Projekte sind aber geblieben. Beispielsweise machen wir in der Region Perm mit dem Verleih unserer mobilen Ausstellungen zur Geschichte der politischen Repressionen weiter. Man muss verstehen, dass diese Arbeit, weil sie nach außen gerichtet ist, sehr sensibel ist; sie erfolgt unter ständigen Gefahren und Risiken.

Russland-Analysen: Vor einigen Wochen war der Gedenktag für die Opfer der politischen Repressionen, am 30. Oktober. Memorial hat es geschafft, in Russland verschiedene Veranstaltungen zu organisieren, bei denen die Menschen öffentlich Namen von Opfern verlasen. Es gab eine Reihe von Online-Veranstaltungen und Streams auf YouTube. Es wurden auch subtilere Aktionen durchgeführt. Welche Bedeutung hat Memorial heute für die Menschen in Russland und in anderen Ländern?

Robert Latypov: Memorial bleibt nach wie vor für viele Menschen eine sehr angesehene Organisation. Es stimmt: Die russische Regierung versucht, uns zu zerstören, zu verbieten, und die propagandistischen Medien setzen viel daran, uns in den Augen der Russ*innen zu marginalisieren und zu stigmatisieren. Aber wir sind am Leben, und die Menschen reagieren nach wie vor auf die Dinge und Aktionen, zu denen wir sie einladen und aufrufen.

Russland-Analysen: Ein Teil der Organisationen hat das Land verlassen und arbeitet an verschiedenen Projekten im Ausland. Welche Unterstützung erhalten sie dort, was ist wichtig, was ist vonnöten?

Robert Latypov: Das ist eine schwierige Frage. Man sollte dem "Genossen Major" [den Sicherheitsbehörden; Anm. d. Red.] wohl kaum dadurch helfen, dass derlei sensible Informationen veröffentlicht werden.

Russland-Analysen: Memorial hat zusammen mit Ales Bjaljazkij aus Belarus und dem ukrainischen Zentrum für bürgerliche Freiheiten den Friedensnobelpreis erhalten. Gibt es eine Verbindung zwischen Ihnen dreien, außer dem Umstand, dass Sie sich für Menschenrechte einsetzen?

Robert Latypov: Es gibt eine ganz direkte Verbindung, nämlich den Kampf für Menschenrechte im weiteren Sinne, und insbesondere den Widerstand gegen den Krieg, für die Hilfe für politische Häftlinge und Flüchtlinge, die menschenrechtliche Bildungsarbeit, bürgerschaftliche Bildung…

Russland-Analysen: Was bewirkt der Friedensnobelpreis? Bedeutet er mehr als ein Symbol oder eine finanzielle Spende nach einer Versteigerung der Medaille?

Robert Latypov: Neben den Dingen, die Sie genannt haben, besteht der Wert des Preises darin, dass er ein Vorschuss für die Zukunft ist.

Zum einen, damit unsere Arbeit weitergeht. Denn nicht nur das Bestreben der Aktivist*innen von Memorial ist von Bedeutung, sondern auch die Solidarität von außen ist vonnöten. Und dieser Preis ist eines der klaren Zeichen einer solchen Solidarität und Unterstützung.

Zweitens hilft der Preis dabei, das internationale Ansehen zu erhöhen und die Anerkennung für Memorial in einem Land zu stärken, das einen Krieg angezettelt hat, der aber irgendwann beendet sein wird. Und in diesem Land werden Institutionen wie Memorial gebraucht, Organisationen, die jetzt und später helfen, die sich in einem gewissen Maße für eine Überwindung der Folgen dieses Krieges einsetzen. Der Friedensnobelpreis ist ein öffentliches und deutliches Mandat des Vertrauens für unsere Organisation, für ihre Stimme heute und in der Vergangenheit. Es ist ein Mandat, das in Russland für die Einen unmöglich zu ignorieren ist, und das aus der Sicht von anderen für das hehre Ziel eine Umgestaltung der russischen Gesellschaft genutzt werden kann. Der Friedensnobelpreis als Vorschuss ist gewissermaßen ein Vertrauensvorschuss. Bei all den Risiken, die sich aus den Geschehnissen ergeben, aus menschlichen Faktoren, aus all der Ungewissheit usw., bedeutet das ein hohes Maß an Vertrauen.

Aber das ist natürlich nur meine persönliche Wahrnehmung.

Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder

Fussnoten

Weitere Inhalte

Robert Latypov leitete die Organisation Memorial Perm bis zu deren formaler Auflösung durch die russischen Behörden. Er ist Mitglied der Delegation, die am 10. Dezember 2022 in Oslo anwesend sein wird, wenn Memorial der Friedensnobelpreis überreicht wird.