Russlands Behörden wollen Memorial verbieten. Die Staatsanwaltschaft begründet dies damit, dass Memorial gegen das Gesetz über "ausländische Agenten" verstoßen habe. Das juristische Verfahren ist eine Farce. Tatsächlich geht es um eine politische Entscheidung. Der Angriff auf die älteste Menschenrechtsorganisation Russlands, die das wichtigste unabhängige Zentrum zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur ist, zielt auf die Enthauptung der russischen Zivilgesellschaft. Memorial ist seit seiner Gründung mit der DGO verbunden. Führende Mitglieder wie Arsenij Roginskij, Irina Ščerbakova oder Nikita Petrov sind Autoren von Osteuropa. Wir dokumentieren den Fall und bieten Hintergründe zur Arbeit von Memorial.
Quelle: Zeitschrift Osteuropa, 2021, Externer Link: https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/themenschwerpunkt/fokus-memorial/
Warum Russland "Memorial" verbieten will
"Memorial aufzulösen ist das gleiche, wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu verbieten."
Eine Diskussion mit Elena Zhemkova, Direktorin von Memorial International, Grigorij Ochotin, Mitglied des Rates des Menschenrechtszentrums von Memorial, Gründer von OVD-Info, Dr. Stefan Meister, Leiter des Programms Internationale Ordnung und Demokratie, DGAP
Moderation: Dr. Volker Weichsel, Redakteur der Zeitschrift Osteuropa
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., 23.11.2021, Externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=zLsLHjJ6J1c
Kampagne gegen Memorial
Zur Zerstörung von Memorial setzt das Putin-Regime drei Mittel ein: das Recht in Form des diskreditierenden Gesetzes über "ausländische Agenten"; Repression in Gestalt von Schlägertrupps, die begleitet von TV-Kameraleuten Memorial-Veranstaltungen sprengen und von der Polizei unbehelligt bleiben, und schließlich Propaganda in den Staatsmedien. Deren Form und Stil sind in Deutschland unbekannt. Am 15.11.2021, vier Tage nach der Bekanntgabe des Antrags der Generalstaatsanwaltschaft, Memorial zu "liquidieren", strahlte NTV in seiner Nachrichtensendung einen 3:33-Minuten langen Beitrag aus. Journalistische Mindeststandards wie das Wahrheitsgebot, Objektivität, Unschuldsvermutung kennen die Autoren nicht. Ihr Grundton ist zynisch, sie arbeiten mit Unterstellungen, Verdrehungen und etwa der Diffamierung, dass Menschenrechtler Terrorismus Vorschub leisteten. Wir dokumentieren dieses Muster der Perfidie mit deutschen Untertiteln.
Quelle: NTV, 15.11.2021, Externer Link: https://drive.google.com/file/d/14GTkUoTU2O91Y3zh699vLvFf4DlUm4lq/view
Memorial: "Der russische Staat nimmt uns in Geiselhaft"
Am 11.11. hat die russische Generalstaatsanwaltschaft beim Obersten Gericht die Auflösung von Memorial International beantragt. Gleichzeitig soll das Menschenrechtszentrum Memorial verboten werden. Im Podcast von Memorial Deutschland spricht die Memorial-Mitbegründerin Irina Ščerbakova über die politischen Hintergründe dieses Vorgehens.
Quelle: Podcast Memorial Deutschland, 20.11.2021, Externer Link: https://www.podcast.de/episode/587650444/folge-14-der-russische-staat-nimmt-uns-in-geiselhaft
Antrag der Generalstaatsanwaltschaft der Russländischen Föderation auf Auflösung von Memorial International
Der vollständige Antrag in deutscher Übersetzung im Fokus Memorial der Zeitschrift OSTEUROPA:
Zeitschrift Osteuropa, 12.11.2021,
Staatsanwaltschaft Moskau fordert Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial
Die Staatsanwaltschaft Moskau hat beim Moskauer Stadtgericht die Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial beantragt. Der Antrag stammt vom 8.11.2021, am heutigen 12.11.2021 ist der vollständige Antrag Memorial zugestellt worden. Aus ihm geht hervor, dass das Menschenrechtszentrum Memorial nicht nur "die Mitteilung unterlässt, dass es in der Funktion eines ausländischen Agenten auftritt", sondern dass in seinen Schriften auch Anzeichen der Rechtfertigung von Extremismus und Terrorismus vorlägen.
Kurze Zusammenfassung des Antrags im Fokus Memorial der Zeitschrift OSTEUROPA in deutscher Sprache: Externer Link: https://zeitschrift-osteuropa.de
Memorial unter Druck
Irina Ščerbakovas Beitrag frei zugänglich auf der Webseite der Zeitschrift OSTEUROPA:
Ščerbakova, I. (2020): Memorial unter Druck. In: OSTEUROPA, 3-4,2020, S. 215–228. Externer Link: https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/memorial-unter-druck/#_ftnref5
Memorial und seine Geschichte
Evgenija Lezinas Beitrag frei zugänglich auf der Webseite der Zeitschrift OSTEUROPA: Lezina, E. (2014): Memorial und seine Geschichte. In: OSTEUROPA, 11-12/2014, S. 165–176. Externer Link: https://zeitschrift-osteuropa.de/hefte/2014/11-12/memorial-und-seine-geschichte/
Agentenjagd
Grigorij Ochotins Beitrag frei zugänglich auf der Webseite der Zeitschrift OSTEUROPA:
Ochotin, G. (2015): Agentenjagd. In: OSTEUROPA, 1-2/2015, S. 83–94. Externer Link: https://zeitschrift-osteuropa.de/hefte/2015/1-2/agentenjagd/
Streiflichter
Leben und Lebenswerk des 2017 verstorbenen russischen Historikers und Memorial-Mitgründers Arsenij Roginskij sind Schwerpunkt des OE-Bandes "Streiflichter. Der Terror, die Wahrheit und das Recht". Geleitet von der Erkenntnis, dass das historische Gedächtnis der Nation und die tägliche Verantwortung des einzelnen Bürgers unabdingbar zusammengehören, haben Roginskij und seine Mitstreiter Entscheidendes zur Aufarbeitung der Geschichte des Stalinismus und des staatlichen Terrors während der gesamten 70 Jahre der kommunistischen Herrschaft in der Sowjetunion geleistet. Der Band dokumentiert zentrale Texte von Arsenij Roginskij aus verschiedenen Jahren.
Quelle: Zeitschrift OSTEUROPA, 11-12/2017. Externer Link: https://zeitschrift-osteuropa.de/hefte/2017/11-12/
"Die Demonstranten sind keine Kinder!"
Seit der Verhaftung von Aleksej Naval'nyj am 17. Januar 2021 gibt es in ganz Russland Proteste für seine Freilassung. Die Behörden reagieren mit Repressionen. Über zehntausend Menschen wurden verhaftet. Die Hintergründe der Verhaftungen sowie den Missbrauch des Rechts analysiert Grigorij Ochotin. Der Gründer von OVD-Info unterstreicht: Versammlungsfreiheit ist ein Menschenrecht.
Quelle: Ochotin, G. (2020): "Die Demonstranten sind keine Kinder!" – Russlands Unrechtsstaat und seine Gegner. In: OSTEUROPA, 12/2020, S. 35–40. Externer Link: https://zeitschrift-osteuropa.de/hefte/2020/12/die-demonstranten-sind-keine-kinder/
Der Memorialgründer Arsenij Roginskij, 30.12.2017
Historische Wahrheit und Menschenrechte
Der Historiker und Vorsitzende der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial ist am 18. Dezember 2017 nach langer, schwerer Krankheit verstorben. Seit den 1970er Jahren hat sich Arsenij Roginskij wie kaum ein zweiter um die Aufklärung der stalinistischen Verbrechen in der Sowjetunion verdient gemacht. Geboren 1946 im Gebiet Archangelsk, wohin sein Vater verbannt worden war, studierte Roginskij 1962–1968 an der Universität in Tartu und veröffentlichte ab 1965 Studien zur Geschichte der russischen Befreiungsbewegung im 19. Jahrhundert. Von 1968 bis 1981 lebte er in Leningrad, arbeitete in der Saltikov-Ščedrin-Bibliothek, unterrichtete gleichzeitig Russisch und Literatur und widmete sich eigenen historischen Forschungen. Sein Interesse galt der frühen Sowjetgeschichte, insbesondere der Zerschlagung der Partei der Sozialrevolutionäre. Dem Gedanken einer unabhängigen historischen Forschung verpflichtet, gab er im Samizdat die historische Reihe "Pamjat'" (Gedächtnis) heraus. 1981 versuchten die sowjetischen Behörden, Roginskij in die Emigration zu drängen. Im gleichen Jahr wurde er zu vier Jahren Lagerhaft verurteilt. 1988 gründete er gemeinsam mit dem Nobelpreisträger Andrej Sacharov und anderen die Gesellschaft Memorial, deren Vorsitzender er seit 1998 war. Roginskij und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter haben Grundlegendes zur Geschichte des Stalinismus und des Gulag geleistet. Sie haben Millionen Opfern ihre Namen und ihnen damit ein Minimum an menschlicher Würde zurückgegeben. Alleine die Konfrontation mit der historischen Wahrheit – dies war Roginskijs unerschütterlicher Glaube – würde es ermöglichen, dass sich in Russland mündige Bürger zu einer freien Gesellschaft zusammenschließen.
Arsenij Roginskij war für uns Autor, Projektpartner, Anreger und Freund. Mit seinem Tod verlieren wir einen inspirierenden Intellektuellen, dessen Gewissen so klar wie sein Herz groß war. Wir sind dankbar, dass wir mit ihm zusammenarbeiten konnten.
Berlin, 18.12.2017 Manfred Sapper, Volker Weichsel, Redaktion Osteuropa
Quelle: Zeitschrift OSTEUROPA, 2017, Externer Link: https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/zum-tod-von-arsenij-roginskij/
Stand der Dokumentation: 07. Dezember 2021