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Kommentar: Spielen Institutionen in Putins Russland eine Rolle? | Russland-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Spielen Institutionen in Putins Russland eine Rolle?

Robert Orttung D.C.) Washington Robert Orttung (George Washington University

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Vor dem Hintergrund der kürzlich angestoßenen institutionellen Reformen, lohnt es sich einen Blick auf die Rolle von Institutionen in Putins Russland zu werfen. Welche Bedeutung wurde ihnen traditionell beigemessen? Was verändert sich nun mit Putins angestrebter Verfassungsreform?

Bei einer Sitzung der russischen Staatsduma wird die Verfassungsreform thematisiert, über die die Parlamentarier des Unterhauses am 23. Januar 2020 abgestimmt haben und die einstimmig angenommen wurden.

(© picture alliance / AP Photo)

Die von Wladimir Putin am 15. Januar 2020 verkündeten Pläne für eine Änderung der Verfassung Russlands wie auch verschiedener Institutionen, durch die das politische System in Russland definiert wird, bieten eine gute Gelegenheit, sich vom alltäglichen Strom der Ereignisse zu lösen und zu fragen, inwieweit Institutionen in der russischen Politik eine Rolle spielen und inwieweit sie den Gang der Ereignisse gestalten und politisches Verhalten zügeln. Die kurze Antwort lautet: Institutionen sind wichtig, aber nur im Kontext ihres ständigen Wandels. Dass sich die Institutionen in Russland ständig verändern, bedeutet, dass sie weniger Bedeutung haben, als sie in stabilen demokratischen Ländern haben würden.

Was die höchste Ebene anbelangt, so liefert Putins Rede ein überzeugendes Argument dafür, dass Institutionen im russischen Staatssystem wenig praktische Bedeutung haben. Präsident Boris Jelzin hatte Putin 1999 zu seinem Nachfolger erwählt, und der ist seitdem an der Macht. Putins Position an der Macht wird sich wohl über 24 Jahre und mehr erstrecken, und zwar ungeachtet der klaren Absicht der damaligen Verfassung, Präsidentschaften auf zwei Amtszeiten von je vier Jahren zu begrenzen.

Putin ließ Dmitrij Medwedew von 2008 bis 2012 als Präsident dienen, um die durch die Verfassung vorgeschriebene Begrenzung auf zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten umgehen zu können. Medwedews größte Leistung im Amt war es, die Verfassung dahingehend zu ändern, dass der Präsident zwei Amtszeiten von jeweils sechs Jahren regieren kann. Putin befindet sich jetzt in der Mitte seiner zweiten Amtszeit. Der Umstand, dass er jetzt eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt hat, die vermutlich seinen Verbleib an der Macht über diese zusätzlichen 12 Jahre hinaus legitimieren werden, deutet darauf hin, dass die Verfassung seinem Handeln nur wenig Beschränkungen auferlegt.

Dass Putin all diese Veränderungen vornehmen muss, dass er Verfassungsänderungen ankündigt, um die Macht zwischen Präsident, Parlament und Staatsrat zu verschieben, ist paradoxerweise den Regeln der Verfassung geschuldet. In diesem Sinne spielen Institutionen eine Rolle, und sie prägen die Art und Weise, in der sich die Politik in Russland in den kommenden Jahren entwickeln wird. In dieser Zeit wird Putin nach einem Weg suchen, um an der Spitze zu bleiben und die Institutionen nach seinen aktuellen Bedürfnissen neu zu organisieren. Einem autoritären Führer stehen zwar andere Instrumente zur Verfügung als seinen demokratischen Kollegen, doch sieht er sich ständig der Gefahr von Rivalen gegenüber, die ihn ablösen wollen. Um zu überleben, muss er jenen, die sich gern als Führer sehen würden, stets einen Schritt voraus sein.

Die einzige Konstante des derzeitigen Systems in Russland besteht darin, dass Putin nicht vorhat, die politische Bühne zu verlassen. Da Putins Regime in hohem Maße korrupt ist, würde er seine persönliche Sicherheit gefährden, sollte er die Macht an einen neuen Präsidenten übergeben, der ihn dann unter Anklage stellen könnte. Falls es irgendwelche Überlegungen in dieser Richtung gegeben haben sollte, so dürften die durch die jüngsten Ereignisse in Kirgistan weggewischt worden sein. Dort hatte Präsident Almasbek Atambajew (2011–2017) als Nachfolger Sooronbaj Dscheenbekow ins Amt gehievt. Dieser wendete sich bald nach seinem Machtantritt, als Atambajew ihn zu kritisieren begann, gegen seinen ehemaligen Förderer und ließ ihn im August 2019 wegen "grober Verletzung der Verfassung" verhaften.

Im Hinblick auf die Institutionen in Russland muss immer beachtet werden, dass sie auch deshalb nur begrenzt funktionieren, weil sie ständig abgerissen und wiederaufgebaut werden. Dieses Problem tritt am deutlichsten bei der Wahlgesetzgebung zu Tage. Nach jeder Wahl zieht die Regierung Bilanz darüber, welche Schwachstellen beim jüngsten Urnengang aufgetreten sind, die ihren ungehinderten Machterhalt beeinträchtigen könnten. Dann wird das Wahlgesetz neu justiert, um die eigene Position zu stärken und die Opposition zu überrumpeln. Bei diversen Parlamentswahlen ist entweder der Anteil der Direktmandate oder jener der Listenmandate erhöht worden, je nachdem, wie die Wahlkalkulation der politischen Elite gerade aussah. Angesichts der derzeitigen Unbeliebtheit der kremltreuen Partei "Einiges Russland" wird diskutiert, ob nicht alle Abgeordneten über Direktwahlkreise gewählt werden sollten, weil dort die Parteizugehörigkeit weniger wichtig ist. Letztendlich wird das Wahlgesetz, nach dem die Parlamentswahlen 2021 stattfinden werden, die Kalkulation der Elite widerspiegeln, wie die Institutionen im Sinne ihrer Interessen am besten zu gestalten wären.

Putin wird die Kontrolle über die Legislative gewiss nicht aufgeben und riskieren, dass das Parlament seine Macht einschränkt. Der damalige georgische Präsident Micheil Saakaschwili hatte 2013, als seine zweite und letzte Amtszeit dem Ende zuging, sein Land aus einer präsidialen in eine parlamentarische Republik verwandelt, um auch danach an der Macht bleiben zu können. Dieser Versuch scheiterte jedoch, weil Saakaschwili die Parlamentswahl verlor und aus dem Land fliehen musste, um einer Verhaftung zu entgehen. Putin wird nicht zulassen, dass ihm so etwas passiert.

Die Antwort auf die Eingangsfrage lautet also: Ja, Institutionen bestimmen den tagtäglichen Lauf der Dinge in der russischen Politik. Sie erlegen einem Führer, der gewillt ist, die Institutionen im Sinne seiner persönlichen Interessen und nicht der des Landes zu gestalten, kaum Beschränkungen auf.

Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder

Fussnoten

Robert Orttung ist Forschungsprofessor für Internationale Angelegenheiten an der Elliott School of International Affairs der George Washington-Universität.