10. April 2018
Zur aktuellen Diskussion um das europäische Pipeline-Projekt Nord Stream 2 äußert sich der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Büchele wie folgt:
"Nord Stream 2 ist ein Projekt europäischer Energieunternehmen, das auf einer klaren unternehmerischen Kalkulation basiert: Die Wege zu den neuen Fördergebieten im Norden Sibiriens sind kürzer und die Transportkosten langfristig geringer, als über die bestehenden Routen durch die Ukraine. Auch im Vergleich zu LNG-Gas, das aufwändig verflüssigt werden muss, ist die Umweltbilanz besser und die Kosten sind niedriger.
Unser Gasimportbedarf wächst infolge rückläufiger Förderung und steigender Nachfrage in Europa, nicht zuletzt im Zuge der Energiewende, in der Gas als wichtige Brückentechnologie fungiert. Gerade erst haben die Niederlande angekündigt, die Erdgasförderung in Europas größtem Gasfeld ab 2022 deutlich zurückzufahren. Energieversorger befürchten dann drohende Engpässe.
Nord Stream 2 hilft dabei, zusätzliche Gasmengen nach Westeuropa zu bringen, was angesichts wachsenden Importbedarfs für stabile Preise für die Endverbraucher und die europäische Industrie sorgen wird. Damit wird auch die langfristige internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gewährleistet. Russisches Gas ist Teil eines diversifizierten europäischen Energiemixes, zu dem auch LNG-Gas gehören kann. Die Verbraucher können und sollen unter den marktwirtschaftlich günstigsten Alternativen auswählen können.
Die beteiligten Firmen haben im Vertrauen auf Rechtssicherheit bereits über vier Milliarden Euro investiert. Gesetzliche Grundlagen im Nachhinein aus politischen Gründen zu ändern, würde das Vertrauen in die Rechtssicherheit in der EU beschädigen.
Durch den erhöhten Energieimport-Bedarf in der EU wird nach Meinung von renommierten Experten das Pipeline-System der Ukraine auch weiterhin für den Transit benötigt. Gazprom hat seinerseits bereits angekündigt, die Ukraine auch in Zukunft als Transitland für Gaslieferungen zu nutzen. Dazu muss allerdings eine Modernisierung des aus der Sowjetzeit stammenden ukrainischen Pipelinenetzes erfolgen.
Die Energiebeziehungen zwischen Russland und der Ukraine bergen ein permanentes Konfliktpotenzial. Alternative Transportwege können dazu beitragen, die gegenseitige Abhängigkeit beider Länder und damit das Potenzial für politische Spannungen zu reduzieren und das unternehmerische Risiko zu minimieren.
Die Ukraine, die bereits heute vollständig mit Gas aus Richtung der EU beliefert wird und nicht mehr auf direkte Lieferungen aus Russland angewiesen ist, kann von einem höheren Gasangebot in Europa in Form sinkender Preise profitieren. Dies erhöht auch die Versorgungssicherheit der Ukraine, die selbstverständlich gewährleistet werden muss."
Wir bedanken uns beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e. V. für die freundliche Erlaubnis zum Nachdruck.
Die Redaktion der Russland-Analysen