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Kommentar: In der Wagenburg – Putins Russland nach der Präsidentschaftswahl | Russland-Analysen | bpb.de

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Kommentar: In der Wagenburg – Putins Russland nach der Präsidentschaftswahl

Stefan Meister

/ 3 Minuten zu lesen

Trotz der aus Sicht Putins reibungslos verlaufenen Präsidentschaftswahl bahnt sich eine wenig entspannte Amtsperiode an: Steigende Ölpreise stehen dem ungelösten Konflikt in der Ukraine und wachsenden Spannungen mit dem Westen gegenüber. Was bedeutet das für Deutschland und die EU?

In der Wagenburg? Russlands Präsidentschaftswahl ging einher mit wachsenden Provokationen gegenüber dem Westen. (© picture-alliance/AP)

Wladimir Putins Wiederwahl

Wladimir Putins Wiederwahl fand vor dem Hintergrund einer umfassenden Kontrolle und Durchorganisation der Wahl statt. Dazu zählte die Nichtzulassung von Alexej Nawalanyj, dem einzigen Kandidaten mit einem echten Wahlkampf und echten Themen, dem es über soziale Netzwerke gelungen war, vor allem junge Russen auf die Straßen zu bringen. Als Erfahrung aus den Massendemonstrationen vor der Wahl 2012 wurde dieses Mal nichts dem Zufall überlassen. Einzige Herausforderung in einer Wahl ohne Wahl: Die Wähler überhaupt an die Wahlurnen zu bringen, um so die Legitimierung Putins als nationale Führungsfigur abzusichern. Mit einem Anreiz- (Gewinnspiele) und Bestrafungssystem (Druck auf Studenten und öffentliche Angestellte ihre Wahl zu dokumentieren) ist das bei einer Wahlbeteiligung von 67 Prozent und einer Zustimmung für Putin von 76 Prozent gelungen, auch wenn die unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation Golos von einer Vielzahl von Verstößen berichtete. Zwar wünschen sich, wie das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Lewada zeigt, die Russen mehrheitlich Veränderung, doch sind sie nicht bereit, dafür auf die Straße zu gehen oder gar etwas von ihrem Wohlstand abzugeben. Das ist anders als 2011/12 als die inzwischen geschrumpfte Mittelklasse bereit war, für den Wandel zu demonstrieren.

Beziehungen nach außen und im Inneren

Einher ging diese Wiederwahl mit wachsenden Provokationen gegenüber dem Westen. Zur Verschlechterung der Beziehungen trugen neben fehlenden Kompromissen in der Ostukraine zur Schaffung eines Waffenstillstandes und der brutalen Bombardierung einer der letzten Rebellenhochburgen in Syrien in Ost-Ghuta, vor allem Putins Drohung mit neuartigen Waffen in seiner Rede zur Lage der Nation Anfang März sowie der Giftgasanschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter in Salisbury bei. Wer glaubt, dass sich nach der Wahl eine Entspannung anbahnen wird, irrt. Wie Umfragen von Lewada zeigen, hat sich die Beliebtheit Putins von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes seit der Krim-Annexion 2014 abgekoppelt. Bestand bis dahin ein Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Auf- und Abschwüngen und der Beliebtheit des Präsidenten, so bleibt Putin gleich populär trotz seit Jahren sinkenden Wohlstandes.

Weiterhin haben die steigenden Ölpreise dem Regime wieder ökonomische Spielräume beschert, die neben der militärischen Modernisierung auch etwas Geld für Sozialleistungen übrig lassen werden. Die erfolgreiche makroökonomische Politik der letzten Jahren mit geringer Inflation, Stabilisierung der Banken und einem Abbau bürokratischer Hindernisse gehen einher mit einer Neuausrichtung des Wachstumsmotors nach innen. Dabei soll die Abhängigkeit vom Rohstoffsektor durch einen Bauboom für Wohnungen und Infrastruktur sowie der Förderung des Dienstleistungssektors abgeschwächt werden. All das lässt nichts Gutes ahnen für die Einflussmöglichkeiten des Westens und die Kompromissbereitschaft von Wladimir Putin in den nächsten 6 Jahren.

Jegliche Kritik an Putins Russland aus dem Ausland wird inzwischen durch die immer gleichen Argumente wie Russophobie, Diffamierung von Russland oder Doppelmoral abgewiesen. Wladimir Putin ist es egal, ob ihn der Westen kritisiert, im Gegenteil, er scheint daraus innenpolitisch Kapital zu schlagen. Schafft er es, Russland ökonomisch weiter von den Rohstoffpreisen abzukoppeln, militärische Machtdemonstrationen fortzusetzen und die Mehrheit der Russen hinter seiner aggressiven Rhetorik zu vereinen, dann kann er die geringen Wachstumsraten in den nächsten Jahren gut wegstecken. Zu viel Wachstum erscheint aus russischer Führungsperspektive sowieso nicht gut, da es die russische Mittelschicht wieder wachsen lassen würde und die Gesellschaft vom Krisen- auf den politischen Beteiligungsmodus umstellen könnte.

Schlussfolgerung für uns

Was bleibt für Deutschland und die EU? Nicht hysterisch auf russische Aggressionen reagieren, wie das Theresa May im Kontext des Giftgasanschlages kürzlich tat, sondern sich mittelfristig im Klaren sein, dass aggressive Rhetorik sowie Kompromisse ohne Gegenleistungen nur Putins Position stärken werden. Hausaufgaben machen und die Einflussmöglichkeiten Russlands in Europa und zentralen Krisen weltweit beschränken. Gleichzeitig militärisch jede Provokation so abzusichern, dass sie zu teuer für Putin wird. Hierbei geht es auch darum, der russischen Führung nicht die Eskalationsdominanz in Konflikten und Kommunikationsoberhoheit über bestimmte Entwicklungen zu geben. Weiterhin sollte langfristig auf einen gesellschaftlichen Wandel in Russland gesetzt werden, denn Putins Politik ist nicht nachhaltig. Stagnation für Stabilität wird vor allem der jungen Generation nicht ewig reichen. Nicht nur mit den Liberalen in Russland reden, sondern auch mit Nationalisten und Patrioten, die eher die Zukunft Russlands prägen werden. Es sollte mehr in den Kontakt zur russischen Gesellschaft investieren (z. B. über Visaerleichterungen, Schüler und Studentenaustausche), damit die Wagenburg sich nicht schließt und unser Bild von Russland ausschließlich von Wladimir Putin geprägt wird.

Eine frühere Fassung dieses Artikels ist am 19.03.2018 im Handelsblatt erschienen.

Fussnoten

Stefan Meister leitet das Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.