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Analyse: Public-Private Partnership in der Russischen Föderation - Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen im Kontext der Wirtschaftskrise | Russland-Analysen | bpb.de

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Analyse: Public-Private Partnership in der Russischen Föderation - Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen im Kontext der Wirtschaftskrise

Ilya Levin

/ 7 Minuten zu lesen

Seit mehreren Jahren wird in der Russischen Föderation der Versuch unternommen, alternative staatliche Beschaffungsinstrumente zu implementieren, die auf einer Kooperation mit privaten Strukturen beruhen. Die aktuelle Wirtschaftskrise kann als eine Chance für die verschiedenen Kooperationsformen bedeuten.

Durch ein Public-Private-Partnership ist diese moderne Autobahn in der Nähe von St. Petersburg entstanden. (© picture-alliance/dpa)

Einleitung

Die Frage des Einsatzes alternativer Beschaffungsinstrumente beherrscht seit mehreren Jahren zahlreichen Ländern die öffentliche Diskussion. Während in Europa das gemeinsame Arbeiten öffentlicher und privater Akteure bei der Verwirklichung von Gemeinwohlprojekten im Zuge der allgemeinen Marktliberalisierung bereits in den 1980er Jahren begann, blieb Public- Private Partnership (PPP) in Russland lange Zeit weitgehend unbeachtet. Erst Ende der 1990 Jahre wurde das Phänomen von der Wissenschaft am Beispiel westeuropäischer Projekte analysiert und diskursiv implementiert; Mitte der 2000er Jahre wurde auch die Politik darauf aufmerksam. Was verbirgt sich hinter dem Kürzel PPP, was sind Chancen und Risiken und wie sind die Aussichten für PPP in der Russischen Föderation?

Was ist Public Private Partnership?

Das öffentliche Beschaffungswesen ist durch Verwendung verschiedener Einkaufsmodelle und -instrumente gekennzeichnet. Neben dem seit Mitte des 19 Jahrhunderts bekannten direkten "klassischen" Erwerb von Gütern und Dienstleistungen existieren neue, von Befürwortern als "innovativ" bezeichnete Modelle zur Deckung des staatlichen Beschaffungsbedarfs. Hintergrund dieser Entwicklung ist die Krise der öffentlichen Haushalte (insbesondere auf kommunaler Ebene) sowie der gestiegene Bedarf an privatem Know-How. Eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungsmöglichkeiten wird unter dem Begriff Public-Private Partnership (PPP) zusammengefasst. Die Kernelemente des Phänomens können dabei wie folgt zusammengefasst werden:

Gemeinwohlbezug

Die Beteiligten verwirklichen ein Projekt das zumindest überwiegend im öffentlichen Interesse steht. In der Regel handelt es sich entweder um Infrastrukturprojekte (Straßenbau, Versorgungsnetze) oder um innovative Projekte, die ein besonderes privates Know-How erfordern (z. B. innovative IT-Lösungen für die öffentliche Verwaltung).

Langfristigkeit und Lebenszyklusansatz

PPP-Projekte zeichnen sich durch ihre Langfristigkeit aus. In der Regel beträgt die Projektdauer zwischen 10 und 30 Jahren und erfasst damit sämtliche Lebenszyklen des konkreten Vorhabens (Planung, Finanzierung, Errichtung, Betrieb).

Effektive Risikoallokation

Die Verwirklichung von Projekten basiert auf dem Grundsatz der Risikoallokation, d. h. Projektrisiken werden demjenigen Akteur zugewiesen, der sie am besten beherrschen kann. In der Regel verbleiben unternehmerische Risiken damit beim privaten Partner, während regulative, nicht wirtschaftliche Risiken, den öffentlichen Projektpartnern zugewiesen werden. Durch entsprechende Risikoallokation erhofft man eine Maximierung von Synergieeffekten und damit eine größere wirtschaftliche Effizienz von PPP-Projekten.

Chancen und Risiken des Public-Private Partnership

Wie bereits angedeutet, ist die Bedeutung von PPP im öffentlichen Beschaffungswesen umstritten. Kritiker werfen dem Instrument mangelnde wirtschaftliche Effizienz vor. Durch die Langfristigkeit des Projekts würden öffentlichen Auftraggebern erhebliche Zusatzkosten entstehen, die bei Verwendung klassischer Beschaffungsvarianten deutlich geringer ausfallen würden. Gewiss existieren Vorhaben bei denen – insbesondere aufgrund unlauterer Einwirkungen auf staatliche Entscheidungsträger – wirtschaftlich unvorteilhafte Entscheidungen getroffen werden. Allerdings steht damit nicht fest, dass Korruptionsrisiken bei anderen Beschaffungsformen deutlich geringer ausfallen. Schließlich darf nicht außer Acht bleiben, dass eine Kostenoptimierung als Folge der arbeitsteiligen Projektverwirklichung sowie die Erzeugung von Synergieeffekten stattfindet.

Die Situation in der Russischen Föderation

Während in westeuropäischen Ländern die Mechanismen von PPP "Löcher" in öffentlichen Haushaltskassen stopfen sollten, war der russische Weg − nicht unüblich − von einer anderen Motivation getragen.

In den 2000er Jahren stiegen die Ölpreise und damit auch die Haushaltseinnahmen, während gleichzeitig der Anteil maroder Infrastruktur weiter zunahm. Das Zusammentreffen beider Faktoren begünstigte das Interesse an alternativen Beschaffungsmethoden. Dieser vor allem regional zu beobachtende Trend verstärkte sich und wurde auf die föderale Ebene übertragen als der neu gewählte russische Präsident Dmitrij Medwedew 2008 seine Modernisierungsagenda verkündete. Diese implizierte eine weitgehende Modernisierung der existierenden Infrastruktur (vor allem der Bau neuer, dem gestiegenen Bedarf und technischen Herausforderungen gerechten Straßen) sowie eine Erneuerung sozialer Einrichtungen. Für die Verwirklichung solch ambitionierter Vorhaben war neben privaten Finanzmitteln auch privater Sachverstand erforderlich. PPP schien damals das geeignete Mittel zu sein.

Wie es bei der Regulierung neuer Phänomene üblich ist, rückte PPP in den Fokus rechtlicher und legislativer Debatten. Regionale Parlamente arbeiteten an der Verabschiedung verschiedener Gesetze, zahlreiche wissenschaftliche Tagungen wurden zu diesem Thema veranstaltet. Zum damaligen Zeitpunkt (2008–2010) war man einhellig der Auffassung, dass neue Gesetze für einen Zuwachs an privaten Investitionen und Know-How sorgen werden. Der Diskurs war von Begriffen wie "Investitionsklima" und "quality of governance" geprägt.

Diese Annahmen haben sich nur bedingt als richtig erwiesen. Viele regionale Gesetze litten an erheblichen regulativen Defiziten und konnten dementsprechend nur bedingt bei der Umsetzung der präsidialen Agenda von Nutzen sein. Insbesondere wurden die Gesetzestexte des Öfteren von aufgeladener politischer Symbolik, langen, die Bedeutung alternativer Beschaffungsinstrumente betonenden Präambeln und recht vagen Beschreibungen potentieller Modelle überlagert.

Ein weiteres Problem, das sich auch auf der föderalen Ebene eingeschlichen hatte, beruht auf der Verkennung des notwendigen wirtschaftlichen Hintergrunds für PPP. Entsprechend der alten sowjetischen Tradition ging der Staat immer davon aus, dass jegliche Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Akteuren streng zu reglementieren sei und Zugangshürden dementsprechend hoch sein müssen. Dass eine solche Herangehensweise, und die damit einhergehende regulative Umsetzung als Anreiz für gesteigerte private Investitionen, kontraproduktiv sein könnten war vielen Abgeordneten nicht klar.

So sah die erste Fassung des Föderalen Konzessionsgesetzes, des bisher einzigen föderalen PPP-Gesetzes, das nur eine der möglichen Kooperationsformen regelte, eine Hinterlegungspflicht im Umfang von 30 % der Auftragssumme (?) für die Teilnahme am Vergabeverfahren vor; eine solche Hürde schreckte mögliche Investoren unweigerlich ab. Außerdem durfte das Konzessionsobjekt nicht als Sicherheit für Fremdfinanzierung verwendet werden, was Investoren ebenfalls nicht unbedingt anlockte.

Allerdings gab es auch positive Praxisbeispiele. Als nach wie vor vorbildlich gilt das PPP-Gesetz in St. Petersburg, auf dessen Grundlage zahlreiche Infrastrukturvorhaben realisiert und mit dessen Hilfe wichtige logistische Probleme gelöst wurden.

Als Paradebeispiel eines gelungenen PPP-Projekts gilt der Bau des westlichen Teils der städtischen Autobahn in Sankt-Petersburg ("Sapadnyj skorostnoj diametr"). Die Gesamtlänge der sechs- bis achtspurigen neuen Autobahn beträgt 48,9 km. Fast die Hälfte der Errichtungskosten sollten vom privaten Partner eingebracht werden, der im Gegenzug das Recht erhielt, Nutzungsgebühren zu erheben um dadurch seine Investitionen zu refinanzieren. Das Vergabeverfahren wurde im November 2006 eröffnet. Vier verschiedene Unternehmensgruppen beteiligten sich am Verfahren; der Zuschlag ging dabei an das Unternehmen "Sapadnyj skorostnoj diametr – Newskij meridian", einem Gemeinschaftsunternehmen von "Bouygues", "Hochtief", "Egis" und der Petersburger "Mostootrjad-19". Der erste Abschnitt wurde im Oktober 2010 eröffnet. Bisher wurden drei der vier geplanten Abschnitte fertiggestellt.

Ein weiteres Beispiel ist die Renovierung des Flughafens Pulkowo in St. Petersburg. Dieses Vorhaben umfasst eine Erweiterung der bestehenden Flughafeninfrastruktur um ein weiteres Terminal sowie die Renovierung des vorhandenen Flughafengebäudes samt dazugehöriger Flughafeninfrastruktur. Der PPP-Vertrag sieht die Übertragung der Betriebsrechte auf eine private Projektgesellschaft (mit den Hauptinvestoren "VTB Capital", "Fraport" und "Copelouzos"), die 30 Jahre lang sämtliche Errichtungs- und Betriebskosten trägt und sich dazu verpflichtet 11,5 % der jährlichen Gesamteinnahmen an die Stadt St. Petersburg als Eigentümer zu zahlen. Im Dezember 2013 wurde der erste Bauabschnitt des neuen Terminals für Passagiere eröffnet.

Ein föderales Gesetz über Public-Private Partnership?

Trotz der intensiven öffentlichen Debatten lässt eine einheitliche föderale Gesetzgebung nach wie vor auf sich warten. Dies ist ein hinderlicher Umstand, denn gerade der föderale Haushalt verfügt über umfangreiche Finanzmittel , die für die Realisierung von Gemeinwohlprojekten in Form von PPP-Projekten mittels klarer und transparenter Regeln schnell und effizient eingesetzt werden könnten. Doch föderale PPP-Projekte bleiben nach wie vor die Ausnahme. Es stellen sich weiterhin wichtige Fragen, wie z. B. die der Anwendbarkeit bestimmter Vergabeverfahren, der Abgrenzung zu anderen Beschaffungsinstrumenten, der Erstellung von Musterverträgen. Bislang ist vieles ungeregelt und lässt somit nicht nur potentielle Investoren sondern auch Fachministerien vor neuen Projekten zurückschrecken.

Public-Private Partnership in der Krise

Der russische Staatshaushalt blieb von der ersten, spürbaren, die Stabilität der gesamten Volkswirtschaft erschütternden Wirtschaftskrise seit 1998 nicht verschont. Die umfangreichen Sozialprogramme werden mittlerweile zurückgefahren, neue Projekte auf Eis gelegt oder verschoben. Unter diesen Bedingungen stellt sich die Frage, wie es um die Zukunftsaussichten des PPP in Russland bestellt ist.

Auf den ersten Blick spricht in erster Linie die wirtschaftliche Situation gegen neue Projekte. Dem staatlichen Haushalt fehlen (im Rahmen des eigenen Finanzierungsbeitrags) notwendige finanzielle Ressourcen sowie die Risikobereitschaft für neue Projekte. Wer soll in eine Ökonomie investieren, die mit essentiellen Problemen wie Sanktionen, Währungsschwankungen, der Abhängigkeit von einem fluktuierenden Ölpreis und mit Korruption zu kämpfen hat?

Diese Sicht ist jedoch nur bedingt zutreffend. PPP kann auch als Chance gesehen werden die nationale Konjunktur anzukurbeln. Bisher hat der Staat das private Know-How eingekauft und dabei keine Kosten gescheut. Mit schwindenden Öleinnahmen muss das bestehende Modell überdacht werden, Prioritäten neu gesetzt werden und neue, effizientere Modelle zum Einsatz kommen. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass existierende Projekte kritisch evaluiert werden, indem neue wirtschaftliche Kalkulationen angestellt werden, so dass ein Teil der Kosten auf potentielle Nutzer umgelegt wird bzw. bestehende Tarife erhöht werden. Dabei handelt es sich um eine Entwicklung, die mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist.

Fazit

PPP stellt eine attraktive Alternative für die Verwirklichung von Gemeinwohlprojekten dar, indem der Staat das Know-How von privaten Akteuren akquiriert und vorhandene Ressourcen effizient bündelt. Allerdings sind noch einige Hürden zu bewältigen. Neben der Bekämpfung allgemeiner Phänomene (Korruption, selektive Rechtsanwendung, politisierte Judikative) mangelt es an einem effektiven rechtlichen Rahmen, der einen Teil dieser Risiken reduzieren würde. Die derzeitige Wirtschaftskrise kann auch als eine Chance für PPP betrachtet werden.

Lestipps

  • Weikum-Groß, Angelique: Public Private Partnership in der Russischen Föderation. Bestandsanalyse und Rechtsvergleich zum deutschen Recht, Hamburg 2013.

  • Levin, Ilya: Olympische Winterspiele in Soči. Staatlich-private Bewältigung eines Mega-Projekts in einem reichen Staat, Berlin 2014.

  • Manssen, Gerrit, Antje Himmelreich, Elena Gricenko (Hrsg.): Public-Private-Partnership im kommunalen Bereich. Deutsche und russische Erfahrungen, Frankfurt a.M. 2015.

Fussnoten

Ilya Levin ist Rechtsreferendar am Kammergericht Berlin und war bis April 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Russisches Recht und Rechtsvergleichung an der Humboldt-Universität zu Berlin.