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Analyse: Russlands "Gastarbajtery". Einwanderung und Migrationspolitik in der Russischen Föderation | Russland-Analysen | bpb.de

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Analyse: Russlands "Gastarbajtery". Einwanderung und Migrationspolitik in der Russischen Föderation

Alexander Maier

/ 10 Minuten zu lesen

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich Russland zu einem Hauptziel für Arbeitsmigranten aus der früheren Sowjetunion entwickelt. Insbesondere aus Zentralasien zieht es jährlich Millionen Menschen auf der Suche nach Arbeit in die Russische Föderation. Die politische Reaktion der russischen Regierung auf diese Entwicklung fällt jedoch widersprüchlich aus.

Gastarbeiter in einer Zeltstadt vor dem ehemaligen Tscherkizowsky-Markt in Moskau. (© picture-alliance/dpa, ITAR-TASS)

Einwanderung als Problem

Nicht nur in der EU stehen migrationspolitische Fragen weit oben auf der politischen Agenda, auch in Russland hat sich die rasant zunehmende Einwanderung zum Politikum entwickelt. Von der obersten Staatsführung bis hinab zu Lokalpolitikern wird hitzig diskutiert, wie man in Russland mit dem Thema Immigration umgehen soll. Angesichts der Dimensionen der Zuwanderung verwundert dies kaum, befinden sich doch laut Schätzungen der Vereinten Nationen rund 11 Millionen Immigranten auf dem Gebiet der Russischen Föderation – eine Zahl, die weltweit nur von den USA übertroffen wird. Der bei weitem größte Teil dieser Einwanderer kommt aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, allen voran den zentralasiatischen Republiken Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan. Ausgelöst wurde diese Migrationswelle dadurch, dass nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zwischen den Nachfolgestaaten ein Großteil der zu sowjetischer Zeit wirksamen Umzugsbeschränkungen wegfiel. Denn wo früher der sowjetische Staatsapparat die freie Wahl des Wohnorts stark einschränkte oder Umsiedlungen gar zwangsweise anordnete, sind die Grenzen heute weitestgehend durchlässig. Ein gültiger Ausweis ist alles, was es braucht, um aus einem tadschikischen Dorf ins 4.000 Kilometer entfernte Moskau zu gelangen. Angesichts dieser niedrigen Hürde verwundert es kaum, dass immer mehr Menschen, vor allem junge Erwachsene, aus der postsowjetischen Peripherie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und ihr Glück in Russland versuchen. Dieser Artikel soll sich mit den politischen und sozialen Dimensionen dieser Entwicklung befassen.

Migration seit dem Ende der UdSSR

Der weitgehende Verzicht auf Einreisebeschränkungen und Visumspflicht innerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) war zum Zeitpunkt ihrer Gründung ein bewusstes Kalkül der beteiligten Regierungen. Ein Großteil der Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist multiethnisch, und insbesondere für die russische Regierung war politisch ausschlaggebend, dass sich ein nennenswerter Teil der "Landsleute" mit einem Schlag außerhalb des eigenen Staatsgebiets befand. Diesen sollte durch offene Grenzen eine möglichst unkomplizierte "Rückkehr" nach Russland ermöglicht werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich der scheinbare Widerspruch verstehen, dass die Grenzen zwischen den früheren Sowjetrepubliken trotz ihrer rechtlichen Aufwertung von rein administrativen Trennungslinien zu offiziellen Grenzen souveräner Staaten de facto durchlässiger wurden. In den neunziger Jahren waren es in der Tat größtenteils ethnische Russen, die es wegen der in vielen Nachfolgestaaten der UdSSR oft trüben ökonomischen Aussichten oder wegen der dort mehr oder minder stark schwelenden ethnischen Konflikte nach Russland zog. Gegen Ende des Jahrzehnts allerdings wurde diese Migrationsbewegung langsam aber stetig schwächer, und es stieg der Anteil derer, die es auf der Suche nach Arbeit nach Russland verschlug.

Diese Arbeitsmigration stieß auf russischer Seite auf mehr als rege Nachfrage. Denn zeitgleich mit dem von den Öl- und Gasreserven angefeuerten wirtschaftlichen Boom in Russland wurde zunehmend absehbar, dass die Überalterung der russischen Gesellschaft und die niedrige Geburtenrate für ernsthafte Engpässe auf dem Arbeitsmarkt sorgen würden. Arbeitskräfte gerade in arbeitsintensiven Bereichen wie dem Baugewerbe wurden rar, während die parallel stattfindende Ausdehnung der urbanen Mittelschichten dazu führte, dass für schlecht bezahlte, gefährliche oder wenig angesehene Jobs kaum mehr russische Staatsbürger zu finden waren. Auf der anderen Seite sorgte der wirtschaftliche Zusammenbruch in weiten Teilen Zentralasiens dafür, dass viele Usbeken, Tadschiken und Kirgisen ihre Anstellung im krisengeschüttelten Industriesektor verloren, während zeitgleich infolge stark angestiegener Geburtsraten eine ganze Generation auf den Arbeitsmarkt drängte, für die schlichtweg keine Arbeitsplätze vorhanden waren. Arbeitsmigration nach Russland wurde so gerade in ländlichen Gebieten Zentralasiens die einzig erfolgversprechende Option, für die Familie zu sorgen.

"Gastarbajtery" in Russland

Diese Situation erinnert zunächst stark an Entwicklungen, die sich in Westeuropa im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs nach Ende des Zweiten Weltkrieges vollzogen. Auch hier sorgte der ökonomische Boom für eine stark gestiegene Nachfrage nach ungelernten Arbeitskräften, die zunächst im süd- und später im außereuropäischen Ausland angeworben wurden. Und in der Tat enden die Gemeinsamkeiten nicht hier, denn das Wort, das im Russischen benutzt wird, um die Arbeitsmigranten aus Zentralasien zu beschreiben, ist das dem Deutschen entlehnte "gastarbajter". Diese Analogien sollten allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der historische und politische Kontext sich grundlegend unterscheidet. Denn während die Gastarbeiter in Westeuropa im Rahmen staatlich organisierter Anwerbeprogramme gezielt rekrutiert wurden, gibt und gab es in Russland zu keiner Zeit vergleichbare Anwerbemaßnahmen. Das Gros der Einwanderer aus Zentralasien findet sowohl Anstellung als auch Unterkunft allein mit Hilfe von Freunden, Nachbarn, Verwandten oder Menschen aus ihrer Community, die bereits in Russland ansässig sind. Diese Netzwerke sind von zentraler Bedeutung, gerade auch während des Aufenthalts im Ausland, und ihre Wurzeln gehen auf Migrantengruppen aus Zentralasien zurück, die schon zu sowjetischen Zeiten im Handelsgewerbe und auf Märkten in Russland tätig waren. Mit dem Wegfall der Migrationsbeschränkungen nach dem Ende der UdSSR war es deren Mitbürgern aus Zentralasien nicht nur möglich, unkompliziert eine Anstellung in Russland zu finden, sie konnten auch anschließend problemlos wieder in ihre Heimat zurückkehren. Viele Migranten aus Zentralasien gehen dementsprechend saisonaler Arbeit nach: Im Frühjahr und Sommer, wenn insbesondere im Baugewerbe und auf den Märkten der Bedarf an Arbeitskräften am größten ist, befinden sich die meisten Arbeitsmigranten in Russland, während viele für die Wintermonate nach Zentralasien zurückkehren.

Da diese Einwanderung – anders als die Anwerbung von Gastarbeitern in Westeuropa – nicht staatlich initiiert war, fehlte für eine lange Zeit ein entsprechender rechtlicher Rahmen. Das den Aufenthalt von Ausländern in Russland regelnde Gesetz datierte zurück aus dem Jahr 1981, und es war lange Zeit unklar, inwieweit es sich überhaupt auf die "neuen" Ausländer aus anderen Nachfolgestaaten der UdSSR anwenden ließe. Wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen erschien der russische Staat in den neunziger Jahren auch auf dem Gebiet der Migrationspolitik überfordert. Mit Beginn der Präsidentschaft Putins wurde jedoch ein neuer Weg eingeschlagen. Die Lösung für dieses Problem wurde, wie in vielen anderen Bereichen auch, in einem Wiedererstarken des Staates und der Zentralisierung staatlicher Macht gesehen.

Reform der Migrationspolitik

Das erste offizielle politische Dokument, das sich explizit dem Thema Einwanderung widmete, ist die im Jahr 2003 verabschiedete "Konzeption zur Regulierung der Migrationsprozesse in der Russischen Föderation". Geprägt von den Ereignissen des 11. September 2001 sowie vom Krieg in Tschetschenien, stellen die Autoren Masseneinwanderung sowie die Präsenz großer Immigrantengruppen aus Zentralasien als potentielles Sicherheitsrisiko dar. Hauptziel des in diesem Papier formulierten Konzepts ist die Bekämpfung (formal) "illegaler" Einwanderung und die Wiederherstellung der staatlichen Kontrolle über Migrationsprozesse. Da unkontrollierte Immigration eine Gefahr sowohl für die nationale Sicherheit als auch den russischen Arbeitsmarkt darstelle, müsse der Staat eine aktive Rolle in der Begrenzung von Einwanderung übernehmen.

Diese politischen Ziele schlugen sich in rechtlichen und institutionellen Reformen nieder. Der Föderale Migrationsdienst (FMS), die für Einwanderungsangelegenheiten zuständige Behörde, wurde von Grund auf umstrukturiert. Während der Migrationsdienst ursprünglich eine rein administrative Rolle innehatte, wurde die Arbeit der Behörde im Zuge der Reformen durch die Überstellung in den Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums aufs Engste mit den Strafverfolgungsbehörden verzahnt. Der Migrationsdienst erhielt weiterhin die Zuständigkeit für Visum- und Ausweisangelegenheiten, und sowohl Budget als auch Personal wurden erheblich ausgeweitet. Auch die russische Gesetzgebung wurde von Grund auf überarbeitet. Das lang erwartete Gesetz "Über den rechtlichen Status ausländischer Staatsangehöriger auf dem Territorium der Russischen Föderation" vom 25. Juli 2002 ersetzte das überholte Gesetz von 1981, doch statt für rechtliche Klarheit zu sorgen und zur Regulierung der Lage von Millionen Einwanderern aus der früheren Sowjetunion beizutragen, verkomplizierten die Reformen die Situation und drängten noch mehr Arbeitsmigranten in die Illegalität. Die im reformierten Gesetz verankerte Registrierungspflicht schreibt vor, dass Ausländer innerhalb von 72 Stunden nach Ankunft in Russland den Behörden ihren Wohnsitz mitzuteilen haben. Zusätzlich müssen Ausländer eine Arbeitsgenehmigung erwerben, um bezahlter Arbeit nachgehen zu können.

"Illegale" Migration

Aufgrund des restriktiven Charakters der Reformen war das Resultat paradoxerweise kein Rückgang, sondern eine Zunahme "illegaler" Migration. Auch nachdem 2006 die Frist für die Registrierung auf sieben Tage ausgeweitet wurde, ist es für viele Immigranten weiterhin unmöglich, der Registrierungspflicht nachzukommen. Gerade in Großstädten weigern sich viele Wohnungseigentümer wegen des bürokratischen Aufwands, ihre Mieter ordnungsgemäß anzumelden, gerade wenn es sich bei diesen nicht um Bürger Russlands handelt. Zudem teilen sich Migranten wegen der hohen Mieten in Moskau und St. Petersburg häufig eine Wohnung mit mehreren Bekannten, was rechtliche Probleme bei der Registrierung mit sich bringt. Gerade unter Arbeitsmigranten, die saisonal im Baugewerbe tätig sind, ist es inzwischen üblich, unmittelbar auf der Baustelle in Container und Baracken zu hausen. Da dies keine offiziellen Wohnungen sind, ist es unmöglich, sich dort registrieren zu lassen.

Aufgrund dieser vielfältigen Schwierigkeiten mit der Registrierungspflicht ist eine blühende Schattenwirtschaft entstanden, in der mit gefälschten oder auf unlautere Art und Weise erworbenen Anmeldedokumenten gehandelt wird. Ein weit verbreitetes Phänomen sind die sogenannten "Gummiwohnungen". Das sind Adressen, unter denen häufig mehrere Dutzend Migranten gemeldet sind, ohne dort tatsächlich zu wohnen. Die Wohnungseigentümer verkaufen die Anmeldedokumente für diese Wohnungen mit hohen Aufpreisen auf dem Schwarzmarkt an Neuankömmlinge, die auf keinem anderen Wege an diese Dokumente gelangen können. Da diese Masche den Polizeibehörden wohlbekannt ist, müssen die Migranten bei Kontrollen durch die Polizei oder den Migrationsdienst häufig Bestechungsgelder zahlen, um höhere Bußgelder oder gar eine Ausweisung zu vermeiden.

Ähnlich verfänglich ist die Situation mit den Arbeitsgenehmigungen. Seit 2007 werden diese nach Quoten für die entsprechenden Herkunftsländer vergeben. Da diese allerdings nicht nach wirtschaftlichen Kriterien sondern nach politischen Gesichtspunkten festgelegt werden, sind die Quoten häufig schon nach wenigen Monaten für den Rest des Jahres ausgeschöpft. Im Jahr der Einführung der Quotenregelung wurden sechs Millionen Arbeitsgenehmigungen erteilt, doch schon im Folgejahr wurde die Ziffer um nahezu drei Viertel auf 1,8 Millionen reduziert. Da die Quoten in nahezu allen Regionen Russlands bereits im Mai aufgebraucht waren, sah sich die Regierung jedoch gezwungen, die Quoten aufzustocken. Für 2009 wurde die Quote auf vier Millionen festgesetzt, doch Ministerpräsident Putin halbierte diese Zahl über Nacht auf zwei Millionen, um den heimischen Arbeitsmarkt angesichts der globalen Wirtschaftskrise zu schützen. Ein weiteres Jahr später wurde die Quote auf 1,7 Millionen reduziert und ist seitdem auf einem ähnlich niedrigen Niveau geblieben.

Diese Zahlen missachten bei Weitem den tatsächlichen Bedarf an ausländischer Arbeitskraft, weswegen vielen Migranten wieder nur der Rückgriff auf illegale Mittel bleibt. Ähnlich wie die Registrierungsdokumente werden auch Arbeitsgenehmigungen auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Unternehmen und Zwischenhändler kaufen die Arbeitsgenehmigungen zu Beginn des Jahres auf, wenn die Quoten noch nicht erfüllt sind, und verkaufen sie später mit enormen Aufpreisen an die Migranten weiter. In Moskau ist eine Arbeitserlaubnis derart begehrt, dass sie häufig zu Preisen von mehr als einem Monatslohn gehandelt wird. Doch selbst wer bereit ist, diese hohen Summen zu zahlen, ist nicht vor weiteren rechtlichen Problemen gefeit. Häufig wird nämlich zur Profitmaximierung ein und dieselbe Arbeitsgenehmigung an mehrere Personen verkauft, was für den Besitzer nicht ersichtlich ist, bei Kontrollen jedoch sofort entdeckt wird. Ein weiteres Problem entsteht dadurch, dass viele Migranten über keinen offiziellen Arbeitsvertrag verfügen. Arbeitgeber weigern sich häufig, schriftliche Verträge auszustellen, da sie so nicht nur Steuern sparen, sondern den Angestellten auch Löhne und sonstige Leistungen vorenthalten können, ohne dass diese dagegen rechtlich vorgehen könnten. Dies führt nicht nur dazu, dass viele Migranten in ausbeuterischen Verhältnissen arbeiten, sondern auch ihren legalen Status in Russland verlieren. Denn eine Arbeitsgenehmigung ist nur gültig in Verbindung mit einem offiziellen Arbeitsvertrag.

Auswirkungen und Reformversuche

Das Resultat dieser widersprüchlichen Politik ist eine enorm hohe Anzahl von Migranten mit prekärem rechtlichen Status. Nach Angaben des Föderalen Migrationsdiensts hielten sich im September 2014 etwa 4,3 Millionen Migranten rechtswidrig in Russland auf, wobei der bei Weitem größte Teil von ihnen aufgrund von Verstößen gegen die Registrierungspflicht oder dem Fehlen einer rechtsgültigen Arbeitsgenehmigung in diese Lage geraten ist. Das politische und polizeiliche Vorgehen gegen diese Einwanderergruppen fällt harsch aus. Von Januar bis September diesen Jahres wurden mehr als 100.000 Ausweisungsbefehle erlassen, und die sogenannte "schwarze Liste" derer, denen die Wiedereinreise nach Russland wegen rechtlicher Verstöße für fünf bis zehn Jahre untersagt wird, steht kurz davor, die Millionen-Marke zu überschreiten. Mehr als zwei Drittel der Einträge auf dieser Liste sind Staatsangehörige Usbekistans, Tadschikistans und Kirgistans, denen häufig durch das Einreiseverbot nicht nur die eigene Lebensgrundlage, sondern auch die ihrer Familien entzogen wird.

Russlands restriktive Migrationspolitik ist politisch ein gewichtiges Pfund in Verhandlungen mit anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Insbesondere bei den Beitrittsgesprächen zur Eurasischen Wirtschaftsunion wiegt das Thema Migration schwer. Staatsbürger Armeniens, das jüngst das Beitrittsabkommen unterzeichnete, werden ab kommendem Jahr von einem gleichberechtigten Zugang zum russischen Arbeitsmarkt profitieren. Auf dem Beitrittskandidaten Kirgistan lastet nun hoher Druck, es Armenien gleichzutun, obwohl dies für die Handelsbeziehungen mit dem anderen großen Nachbarn China nachteilig wäre. Andererseits wird rund ein Drittel des kirgisischen Bruttoinlandsprodukts aus Rücküberweisungen kirgisischer Migranten in Russland gespeist, die von einem Beitritt zur Wirtschaftsunion enorm profitieren würden.

Die russische Migrationspolitik ist eine anhaltende Reformbaustelle. Es liegen ungezählte Gesetzesentwürfe vor, mit denen gegen "illegale" Einwanderung vorgegangen werden soll. Die erhoffte liberale Wende blieb bisher aus, obwohl in der 2012 verabschiedeten "Konzeption für die Staatliche Migrationspolitik der Russischen Föderation bis 2025" solche Ansätze zu finden sind und erstmals die Integration von Migranten als Ziel beschrieben wird. Verhaltene Versuche einer Wende auf dem Gebiet der Migrationspolitik sind in den Bestrebungen zu erkennen, eine Amnestie für "illegale" Migranten auszusprechen. So hat der Föderale Migrationsdienst kürzlich eine Generalamnestie für alle moldawischen Migranten erteilt. Wenn sie im November in ihr Heimatland zurückkehren, dürfen sie anschließend (mit getilgtem Ordnungsstrafenregister) wieder nach Russland einreisen. Diese Option wird seit längerem auch für zentralasiatische Einwanderer diskutiert. Falls jedoch die Migrationspolitik Russlands nicht grundlegend liberaler gestaltet und gegen Korruption im Migrationsdienst und Polizei vorgegangen wird, ist dies kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Lesetipps:

  • Buckley, Cynthia, Blaire Ruble: Migration, Homeland, and Belonging in Eurasia. Washington, DC: Woodrow Wilson Center Press 2008.
     

  • Internationale Organisation für Migration: Tajik Migrants with Re-entry Bans to the Russian Federation, 2014.
     

  • Ivakhnyuk, Irina: The Russian Migration Policy and its Impact on Human Development: The Historical Perspective (= United Nations Development Programme, Human Development Research Paper 14), 2009.

Fussnoten

Alexander Maier ist Student am Department of International Development der Universität Oxford, wo er zu Migrationsbewegungen zwischen Zentralasien und Russland forscht. Erschienen ist von ihm zu dieser Thematik eine Studie im Auftrag der Internationalen Organisation für Migration, die sich mit der Reintegration tadschikischer Arbeitsmigranten beschäftigt, über die eine Wiedereinreisesperre in die Russische Föderation verhängt wurde.