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Aus russischen Blogs: "Prajmeris", Durchsuchungen und Hausarreste: In Moskau hat der Wahlkampf um die Stadtduma begonnen | Russland-Analysen | bpb.de

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Aus russischen Blogs: "Prajmeris", Durchsuchungen und Hausarreste: In Moskau hat der Wahlkampf um die Stadtduma begonnen

Sergey Medvedev

/ 6 Minuten zu lesen

Sergey Medvedev fasst Meinungen aus russischen Blogs zusammen - diesmal über die bevorstehenden Wahlen in Moskau, die im Schatten der Wahlproteste zu den Präsidentschaftswahlen 2009 stehen.

2012 kam es zu Protesten für faire Präsidentschaftswahlen, wie hier in St. Petersburg. (© picture-alliance/dpa)

Am 14. September 2014 finden in vielen russischen Regionen Kommunalwahlen statt. Von großer Bedeutung sind vor allem die Wahlen zur Moskauer Stadtduma. Derzeit hat die Putin-Partei "Einiges Russland" in Moskau die absolute Mehrheit. Nur drei Mandate werden von den Kommunisten besetzt. Somit stellen sie die einzige Oppositionspartei in der Stadtduma dar. Vor dem anstehenden Urnengang wurde die Wahlgesetzgebung wesentlich verändert. Im September wird es keine Parteilisten mehr geben: Alle Mandate werden nach dem Mehrheitssystem durch direkte Wahl der Abgeordneten in 45 Wahlkreisen vergeben. Kandidieren darf man nach Nominierung durch eine Partei. Parteilose oder unabhängige Kandidaten sowie Vertreter der nicht registrierten Parteien müssen zur endgültigen Registrierung in Abhängigkeit vom jeweiligen Wahlkreis rund tausend Unterschriften von wahlberechtigten Bürgern sammeln und diese der Wahlkommission vorlegen.

Der Kreml und der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin haben im Frühjahr 2014 über die "Bürgerinitiative Mein Moskau" sogenannte "Prajmeris" organisiert, um ihre Spitzenkandidaten für jeden Wahlkreis zu bestimmen und zu promoten. Die außersystemische Opposition hat sich im Rahmen der Koalition "Sa Moskwu" ("Für Moskau") zur gemeinsamen Unterstützung bei der Sammlung von Unterschriften und der Durchführung des Wahlkampfes zusammengeschlossen. Zur Oppositionskoalition gehören Politiker, die 2011/2012 bei den Massenprotesten gegen die gefälschten Wahlen aktiv mitgewirkt hatten und mit dem Regime-Kritiker Alexej Nawalnyj eng zusammenarbeiten.

Nawalnyj, der bei den Bürgermeisterwahlen 2013 in Moskau mit 27 % auf Platz zwei landete, befindet sich seit Monaten unter Hausarrest und darf selbst nicht mehr kandidieren, da er im Oktober 2013 strafrechtlich verurteilt worden war. Bei den Kandidaten der Oppositionskoalition Nikolaj Ljaskin und Konstantin Jankauskas sind am Morgen des 23. Mai Durchsuchungen durchgeführt worden. Auch sind bei den Eltern der Politiker sowie deren Kollegen Wladimir Aschurkow Mitarbeiter des Strafermittlungskomitees erschienen. Im Rahmen desselben Verfahrens wurde im Zusammenhang mit der Unterschlagung von Geldern während der Moskauer Bürgermeisterwahlkampfes von Alexej Nawalnyj das Büro von "Yandex. Many." durchsucht. Jankauskas und Ljaskin wurde Betrug während der Wahlkompagnie von Alexej Nawalnyj vorgeworfen. Gegen Jankauskas ist Hausarrest verhängt worden. Wladimir Aschurkow, der dritte Figurant des Verfahrens, wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Russische Blogger diskutieren über den drastischen Beginn des Wahlkampfes in Moskau und die neue Bedeutung von Wahlen für die russische Politik.

Was ist mit den Wahlen passiert? Sie sind ertrunken

"Jetzt, mit der Veröffentlichung der Liste von "Jabloko" und den gegen die Oppositionskandidaten geführten Strafverfahren ist endgültig klar geworden, wie sich die Stadtverwaltung die Wahlen in das Stadtparlament vorstellt, und wie dieses arbeiten wird. Nicht mal ein Jahr ist seit der Bürgermeisterwahl vergangen, die wir für fair und allgemein zu halten pflegen – nicht zuletzt deshalb, weil dort Nawalnyj als Kandidat zugelassen wurde und in Anbetracht des nicht einfachen Winters 2011 die Stimmen relativ korrekt gezählt wurden. Danach hatte die Stadtverwaltung angekündigt, den Kurs Richtung Offenheit und Fairness bei den Wahlen zur Moskauer Stadtduma beizubehalten. […] Daran, dass die Kontrolle über die Abgeordnetenschaft bei der Stadtverwaltung verbleiben werde, hat auch damals niemand gezweifelt. Es wurde aber gehofft, sogar damit gerechnet, dass das Moskauer Parlament nunmehr aufhört, ein erbärmliches sowjetisches Forschungsinstitut in Sachen Moskau zu sein, in dem undefinierbare Leute in grauen Anzügen, geleitet von einem der Wissenschaft unbekannten Ziel, sich in den verstaubten Korridoren verlieren. Es schien sogar, dass man auch in der Stadtverwaltung so denke. Das war aber eine Illusion. Oder aber der Plan hat sich geändert. Wie dem auch sei, wird bei den Wahlen zur Moskauer Stadtdma das Match nach folgenden Regeln gespielt:

  • Alexej Nawalnyj, nach den Ergebnissen bei den Bürgermeisterwahlen der Führer der Moskauer Opposition, sitzt unter Hausarrest;

  • gegen die beiden Kandidaten Konstantin Jankauskas und Nikolaj Ljaskin sind lächerliche Strafverfahren eingeleitet worden;

  • Michail Prochorow gibt es bei den Wahlen nicht. Formell wird die "Graschdanskaja Platforma" ("Bürgerliche Plattform") ein Paar Sitze haben, aber das interessiert niemanden: In der Staatsduma gibt es auch eine Opposition, die stimmt aber geschlossen mit;

  • dieselbe Geschichte gilt für die Kommunisten; die können sich jedoch nicht daran gewöhnen;

  • "Jabloko" lässt aus seiner Liste alle bekannten Kandidaten streichen, einschließlich des Parteivorsitzenden Sergej Mitrochin. Dabei versucht die Partei nicht einmal das Gesicht zu wahren;

  • Drei aus der ganzen Moskauer politischen Szene (Olga Romanowa, Maria Gajdar und Ilja Jaschin) versuchen noch, die Unterschriften zu sammeln, um es wenigstens auf den Stimmzettel zu schaffen.

  • Die personelle Zusammensetzung der Moskauer Stadtduma ist der Leitung der Stadtverwaltung schon jetzt bekannt;

  • die Leute werden nicht zur Wahl gehen;

  • Es wird in der Duma wird keinerlei Opposition geben, dafür aber Leonid Jarmolnik und Nadeschda Babkina.

Wodurch wird sich diese Stadtduma von den bisherigen unterscheiden? Durch nichts. Diese Abgeordneten der Direktwahlkreise werden keinen Deut mehr Legitimität haben, da sie automatisch Abgeordnete werden, und nicht als Resultat eines Konkurrenzkampfes. Das wird kein Stadtparlament, sondern ein beschämendes Deko-Organ, ganz wie unter Luschkow. Und ganz wie unter Luschkow wird die Hälfte der Bürger nicht wissen, dass eine Stadtduma überhaupt existiert […]."

Michail Fischman bei Echo Moskwy, 11. Juni 2014; Externer Link: http://www.echo.msk.ru/blog/mikhail_fishman/1338542-echo/

Bei den Wahlen ist heutzutage Agitation wichtiger als der eigentliche Sieg

"[…] Faire Wahlen lassen sich ohne Agitation nicht erreichen, und die Wahlen waren immer schon eine hervorragende Agitationsplattform zur Erhöhung der Anhängerzahl. Meiner Ansicht nach fürchtet die Regierung die Wahlen zur Stadtduma nicht deshalb, weil sich die Opposition gar etwa auf Stadtebene etablieren könnte, sondern schon deshalb, weil das bereits auf der Kiezebene geschehen könnte. Die Regierung schreckt, dass einfache Bewohner einfacher Häuser schon auf die Straßen gehen, um sich den Maschinen der Abholzer und Bauherren in den Weg zu stellen. Denn Bewohner, die imstande sind, in ihren Kiez Barrikaden gegen Bagger zu errichten, werden auch imstande sein, im Zentrum der Hauptstadt Barrikaden gegen Panzer zu bauen. Vergessen Sie nicht, dass die Wahl zur Moskauer Stadtduma im Herbst stattfindet. Es ist ein ruhiger Herbst, den sich der Kreml mit den Verhaftungen sichern will."

Oleg Kozyrew bei Facebook, 11. Juni 2014; Externer Link: https://www.facebook.com/oleg.kozyrev.7/posts/10152442379189675

"Liebe Gennadij Sjuganow, Sergej Mitrochin und deren Anhänger,

Ihre Parteien, die KPRF und "Jabloko", bereiten sich auf die Wahlen zur Moskauer Stadtduma vor. Beide Parteien haben den Wunsch verkündet, nicht eine enggefasste Parteiliste, sondern eine Koalitionsliste aufzustellen. Beide Ihre Parteien haben die Möglichkeit, Kandidaten ohne Sammeln von Unterschriften zu registrieren, was an sich ein untersagendes Procedere darstellt. Andere Oppositionsparteien (z. B. der "Partei des Fortschritts") haben eine solche Möglichkeit nicht (was ungerecht ist, aber auch sinnlos wäre jetzt zu diskutieren). Ich würde Sie nicht darum bitten, wenn es nicht evident rechtswidrige Handlungen der Regierung gegeben hätte, durch die einigen Kandidaten mit Hilfe fabrizierter Strafverfahren der Weg zur Wahl versperrt wird. Konstantin Jankauskas, einer der stärksten Kandidaten, ist nicht einmal in der Lage, Unterschriften zu sammeln, weil die Behörden durch Verhängung eines Hausarrestes verhindern, dass er den Antrag auf Registrierung einreicht, da dies persönlich erfolgen muss. Unter solchen Umständen wäre es politisch richtig und den Moskauern gegenüber fair, Jankauskas in die Liste der KPRF oder von Jabloko aufzunehmen, was ihm erlauben würde, einen Wahlkampf zu führen und zu siegen, auch unter Hausarrest. […] Ich bin überzeugt, dass solche Schritte Ihrer Parteien von den Moskauern und den Aktivisten anderer Oppositionsparteien als richtig empfunden würden, was auf den Verlauf der Wahl, die Wahlbeteiligung und die Chancen anderer Kandidaten positive Auswirkungen hätte.

Hochachtungsvoll Der Parteivorsitzende der "Partei des Fortschritts"

Alexej Nawalnyj"

Alexej Nawalnyj bei Navalny.com, 16. Juni 2014; Externer Link: http://navalny.com/blog/2014/06/16/post_3627.html

Die Blogs, auf die verwiesen wird, sind in russischer Sprache verfasst. Ausgewählt und zusammengefasst von Sergey Medvedev, Berlin.

Fussnoten