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Analyse: Olimpstroj - Wie Olympia in Sotschi auf der grünen Wiese gebaut wird | Russland-Analysen | bpb.de

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Analyse: Olimpstroj - Wie Olympia in Sotschi auf der grünen Wiese gebaut wird

Robert Orttung

/ 9 Minuten zu lesen

Die olympischen Spiele von Sotschi werden Russland über 50 Milliarden US-Dollar kosten. Das Staatsunternehmen "Olimpstroj", das im Zentrum der Vorbereitungen steht, ist ein gutes Fallbeispiel, wie wohlvernetzte Insider der Eliten von dem derzeitigen politischen und wirtschaftlichen System des Landes profitieren.

Europas größter Hotelkomplex eröffnete im Sommer 2013 in Sotschi. (© picture-alliance/dpa)

Die teuersten Olympischen Spiele aller Zeiten

Die olympischen Spiele von Sotschi werden Russland über 50 Milliarden US-Dollar kosten und den zweifelhaften Ruhm der teuersten Spiele aller Zeiten erringen. Warum sind sie so teuer? Wer zahlt die Zeche? Wer profitiert von den Ausgaben? Die Spiele in Sotschi sind so teuer, weil die Stadt vor allem als sommerliches Urlaubsziel bekannt war, bis Russland 2007 den Zuschlag zur Austragung der olympischen Winterspiele bekam. Sotschi war ein Ort, in dem Russen Strandurlaub machten. Skifahren war eine Möglichkeit für den Winter, doch hat sich in den nahegelegenen Bergen kein internationales Skigebiet entwickelt. Diese Situation machte Sotschi auf perverse Art für die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) attraktiv, die der Stadt gegenüber den Mitbewerbern aus Österreich und Südkorea den Vorzug gaben: Durch die Vergabe an Sotschi musste Russland ein nagelneues Wintersportgebiet mit dazugehörigen Einrichtungen und Komfort aufbauen. 2007 erschien Russland als eine gute Wahl als Austragungsort. Präsident Putin unterstützte das Projekt vehement, und das Land befand sich durch seine Öl- und Erdgasexporte wegen der Rekordpreise auf dem Weltmarkt in einem Aufschwung. Das wirtschaftliche Bild hat sich aber nach der Finanzkrise von 2008 eingetrübt; die Energiepreise sind gesunken, und es zeigte sich Russlands mangelnde Fähigkeit, seine Wirtschaft aus der Abhängigkeit von fossilen Energieexporten zu lösen. Putin hat jedoch Wort gehalten und die Erwartungen des IOC erfüllt, alle für die Vorbereitung der Spiele notwendigen Investitionen vorzunehmen. Es gibt vier Kategorien von Ausgaben für die olympischen Spiele: für die eigentliche Durchführung der 17 Tage dauernden Spiele, für den Bau der Olympia-Anlagen, für die städtische Infrastruktur, die den Ansturm von Athleten, Zuschauern und Medien zu bewältigen hat, und schließlich für Sicherheitsmaßnahmen. Der Löwenanteil der Ausgaben entfällt auf die Infrastrukturprojekte, die aus Sotschi eine Stadt von Weltrang machen sollen.

Wo das Geld herkommt

Die meisten Gelder für Olympia stammen aus dem russischen Staatshaushalt. Im Westen treten üblicherweise lokale Entwicklungsgesellschaften als Organisatoren von Mega-Ereignissen wie Olympischen Spielen auf. Sie zielen auf einen Imagegewinn der jeweiligen Stadt, auf erhöhte Attraktivität und Komfort, eine Zunahme des Tourismus und damit ein Ankurbeln des Verkehrswertes der Immobilien. Während die Zentralregierung einen Teil der Ausgaben für Infrastruktur und Sicherheitsmaßnahmen übernimmt, wird der Olympiahaushalt typischerweise aus lokalen Quellen bestritten. In Russland ist die Zentralregierung die treibende Kraft hinter den Spielen. Es sind Politiker und Unternehmen aus der Hauptstadt, und nicht lokale Akteure, die alle Schlüsselentscheidungen treffen. Dementsprechend stellt der Zentralhaushalt den überwiegenden Teil der Mittel zur Vorbereitung der Spiele zur Verfügung. Diese Gelder fließen in eine umfassende neue Infrastruktur in den Bereichen Bahn, Straße, Telekommunikation, Energieversorgung, Hotels und Sportanlagen. Der Haushalt war 2007 ursprünglich auf lediglich 12 Milliarden US-Dollar geschätzt worden. Anfang 2013 wurden die notwendigen Ausgaben auf über 50 Milliarden berechnet. Allein der Staatshaushalt ist als "Quelle der letzten Zuflucht" in der Lage, derart große Summen aufzubringen. Zu den übrigen Geldgebern gehören staatseigene und vom Staat kontrollierte Unternehmen wie Gazprom und die Russische Eisenbahn, die beide Monopolisten ihrer Branche sind. Auf Anweisung des Kreml übernehmen sie einen Teil der Kosten. Putin hat auch wichtige Oligarchen wie Oleg Deripaska und Wladimir Potanin aufgefordert, das Ihre beizutragen. Hier stellt allerdings die Wneschekonombank Kredite zur Verfügung, die bis zu 90 Prozent der Investitionen abdecken. Die Oligarchen haben jedoch beklagt, dass die Olympischen Spiele sie zu Investitionen in Projekte nötigten, die sich in der Zukunft als kaum gewinnbringend herausstellen könnten. Während die gebauten Hotels auf die Winterspiele selbst zugeschnitten sind, ist unklar, ob der Tourismus auch zukünftig die geschaffenen Bettenzahlen nachfragen wird. Tatsächlich gibt es bereits Anzeichen für Schwierigkeiten und bevorstehende Ausfälle bei der Begleichung von Schulden. Olympiainvestoren wie Gazprom, "Inter RAO", "Renowa", "Interros", "Sberbank" und "Basowyj element" hätten darum gebeten, dass ihre Kredite umstrukturiert werden, berichtete die Zeitung "Wedomosti". Die Unternehmen behaupteten, dass sie allesamt mit ihren Projekten Geld verlören und nicht in der Lage seien, die Kredite unter den jetzigen Bedingungen zurückzuzahlen.

Wo geht das Geld hin?

In den meisten Ländern veranstaltet ein dem IOC verantwortliches Organisationskomitee (OK) die Olympischen Spiele und sorgt dafür, dass die Sportstätten rechtzeitig vor Beginn der Eröffnungszeremonie fertiggestellt werden. Putin wählte jedoch einen anderen Ansatz, der besser zu seinem Regierungsstil passt als die in entwickelten Demokratien üblichen Methoden. Bei den Spielen in Russland dient das OK als Fassade für die Organisation, die die ganze Macht ausübt. Anstelle einer Berichterstattung an das IOC wollte Putin sicherstellen, dass er und seine Kollegen ohne lästige Aufsicht vorgehen können. Russlands Bauindustrie ist als einer der korruptesten Wirtschaftsbereiche bekannt und die russische Führung hatte zweifellos keinerlei Wunsch, die Arbeitsweisen der Branche für Außenseiter transparent zu machen. Schlüsselakteur zur rechtzeitigen Fertigstellung der olympischen Sportstätten und der Infrastruktur ist "Olimpstroj", eine Organisation, deren formale Bezeichnung "Staatliche Korporation für den Bau der olympischen Stätten und die Entwicklung der Stadt Sotschi als Gebirgskurort" lautet. Putin hatte "Olimpstroj" am 30. September 2007 durch ein föderales Gesetz ins Leben gerufen, um den Entwurf und den Bau der Sportstätten sowie der Infrastruktur für Verkehr, Energie, Tourismus und Sicherheit zu beaufsichtigen, deren Betrieb zu organisieren, Ausschreibungen vorzunehmen und den Bau der Olympiastätten sowie die Durchführung verwandter Maßnahmen zu beaufsichtigen. In den Dokumenten, die Russland als Teil der Bewerbung beim IOC vorgelegt hatte, war "Olimpstroj" nie erwähnt worden; erst nach dem Zuschlag an Russland war es in Erscheinung getreten. Olimpstroj ist eine der nur sieben "staatlichen Korporationen" in Russland. Die anderen sind "Rosatom", "Rosstechnologii", "Rosnano", "Wneschekonombank", die Agentur für die Versicherung von Vermögenseinlagen und der Fonds zur Reform der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft. "Staatliche Korporationen" unterscheiden sich von privaten Unternehmen und staatlichen Agenturen. Formal sind sie als nichtkommerzielle Organisationen definiert. Sie sind nicht verpflichtet, detaillierte Jahresberichte vorzulegen, obwohl sie Zugang zu staatlichen Mitteln haben. Ihr besonderer Status macht es möglich, Gelder bei minimaler Aufsicht oder Einmischung zu kontrollieren.

Dmitrij Medwedew hat als Präsident die Arbeit der staatlichen Korporationen kritisiert und versucht, ein höheres Niveau an Rechenschaftspflichten einzuführen. Das hatte jedoch ein Ende gefunden, als Putin erklärte, dass staatliche Korporationen "weder gut, noch schlecht" seien, sondern "notwendig". Eine Studie von Alexander Sokolow zu den Ausgaben von Olimpstroj hat gezeigt, dass die Aufwendungen für den Bau eines Stadiums, einer Straße oder einer Brücke in Russland sehr viel kostspieliger sind als vergleichbare Projekte in anderen Ländern. Seine Untersuchung von sieben zentralen Olympiastätten brachte hervor, dass die russischen Projekte 57,4 % mehr kosten als andere Projekte und legte nahe, dass die Differenzsumme von den Insidern abgezweigt wurden, die die wichtigsten Baufirmen kontrollieren. Während die genaue Verteilung dieser Renten unklar ist, sind wenigstens einige Tatsachen bekannt. Firmen wie "Mostotrest" und "Strojgasmontash" von Arkadij Rotenberg, einem Freund von Putin aus Kindhaetstagen, haben Verträge über 7 Milliarden zu Olympiaprojekten erhalten, wie ein Bloomberg-Bericht mitteilt, der sich auf Firmen- und Regierungsberichte beruft. Zu diesen Projekten gehörten der Bau von Straßen und des Medienzentrums. So überrascht es kaum, dass die meisten Russen der Ansicht sind, die staatlichen Gelder würden ineffizient ausgegeben, wie eine Umfrage des Lewada-Zentrums vom Juni 2013 zeigt. Rotenbergs Erfolg mit diesen Verträgen legt nahe, dass verschiedene Kategorien von Unternehmern unterschiedliche Beziehungen zu den Olympischen Spielen haben. Putins enge Freunde scheinen von der Großzügigkeit des Staates zu profitieren, während von Oligarchen aus den 1990er Jahren wie Peripaska und Potanin erwartet wird, etwas zur Olympiakasse beizusteuern.

Wer steuert Olimpstroj?

Die Regierung Russlands ernennt den Präsidenten von Olimpstroj und es hat nur wenig Stabilität bei der diesem Posten gegeben. Seit ihrer Schaffung hat die Korporation vier Präsidenten erlebt: Semjon Wajnschtok (2008), Viktor Kolodjaschnyj (2008/9), Tajmuras Bollojew (2009/11) und Sergej Gaplikow (seit 2011). Die schnelle Rotation an der Führungsspitze verweist auf schlechtes Management, den engen Zeithorizont der jeweils verantwortlichen Gruppen, und auf den Nährboden für Korruption. Im Gegensatz hierzu sind bei Organisationen, die offenbar über weniger absolute Macht verfügen, die Posten stabiler gewesen, nämlich die von Alexander Schukow, dem Präsidenten des Russischen Olympischen Komitees, und von Dmitrij Tschernyschenko, dem Leier des Organisationskomitees. Vor seinem Amtsantritt als Präsident von Olimpstroj war Wajnschtok von 1999 bis 2007 Präsident des russischen Pipeline-Monopolisten "Transneft" gewesen. Nach Wajnschtoks Rückzug als Chef von "Transneft" hatte der Blogger Alexej Nawalnyj auf seinem Kreuzzug gegen Korruption dem Monopolisten vorgeworfen, im Rahmen eines sibirischen Pipelinebauprojektes vier Milliarden US-Dollar staatlicher Gelder unterschlagen zu haben. Nach seiner Absetzung bei Olimpstroj ging Wajnschtok erst nach London und dann nach Israel, wo er den Direktoriumsvorsitz bei Financial Levers übernahm. Viktor Kolodjaschnyj, der nächste Präsident von Olimpstroj, war zuvor Bürgermeister von Sotschi und bekannt für seine Zementfabrik, die die Stadt mit Zement und Kolodjaschnyj angeblich mit Gewinnen zu Lasten der öffentlichen Kassen versorgte. Sein Problem bei Olimpstroj bestand darin, dass er gegenüber dem Gouverneur der Region Krasnodar Alexander Tkatschow wenig Macht hatte und deshalb von der Regionalregierung attackiert wurde – die wollte einen größeren Einfluss auf Olimpstroj, als ihr die Zentralregierung eingeräumt hatte. Tajmuras Bollojew, ehemaliger Chef der Petersburger Brauerei "Baltika" und dritter Präsident von Olimpstroj, hatte während seiner Amtszeit offensichtlich Meinungsverschiedenheiten mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitrij Kosak. Der vierte und derzeitige Chef von Olimpstroj, Sergej Gaplikow, war zuvor Ministerpräsident der Republik Tschuwaschien und stellvertretender Chef des Apparates der russischen Regierung.

Die Leitung von Olimpstroj wäre für jeden Manager eine ziemliche Herausforderung. Einerseits wird die Eröffnungsfeier am 7. Februar stattfinden, weswegen alle Anlagen zu diesem Zeitpunkt voll funktionstüchtig sein und angesichts des internationalen Medieninteresses hohen Qualitätsanforderungen genügen müssen. Selbst mit einem unbegrenzten Budget wird man nicht umhin können, rechtzeitig Ergebnisse zu liefern. Andererseits sitzt ein Präsident von Olimpstroj an der Quelle erheblicher Geldströme, weswegen viele Gruppen ein Interesse an Verträgen haben, mit denen ein Teil der Gelder in die eigene Richtung gelenkt werden kann. Ein wichtiger Beweggrund hinter den Spielen ist darin zu sehen, wichtige Teile der Eliten mit Einnahmen zu versorgen. Wajnschtok war als formaler Chef des vom Staat kontrollierten Pipeline-Monopolisten "Transneft" (der selbst Renten für die Elite generiert) gut positioniert, um diese Funktion auszuüben. Kolodjaschnyj erfüllte ähnliche Ausgaben. Ihre kurze Amtszeit verweist darauf, dass es wohl Konflikte zwischen den verschiedenen Eliten gegeben hat, die die Geldströme unter ihre Kontrolle bringen wollen; und es verweist auf ein Unvermögen, ein rechtzeitiges Abhalten der Spiele zu gewährleisten. Bollojew und Gaplikow waren wohl neben der Umleitung von Renten in höherem Maße darauf konzentriert, Ergebnisse zu erzielen.

Das Führungschaos bei Olimpstroj hat offensichtlich Folgen für die Bauprojekte gehabt. Das Fischt-Stadion, der zentrale Austragungsort ist Ende 2013 immer noch nicht fertiggestellt. Nach Angaben der "Moscow Times" hat ein anonymer Insider, der an der Vorbereitung der Eröffnungszeremonie beteiligt war, die Rotationen an der Spitze von Olimpstroj für die Schwierigkeiten verantwortlich gemacht, weil es die Aufsicht über die Subunternehmen erschwere. Einzige Konstante im Management von Olimpstroj ist Dmitrij Kosak, der gegenwärtig stellvertretender Ministerpräsident Russlands ist. Kosak ist zwar 2012 als Vorsitzender des Verwaltungsrates von Olimpstroj vom Minister für regionale Entwicklung Igor Sljunjajew abgelöst worden, beaufsichtigt aber weiterhin als stellvertretender Ministerpräsident das Olympia-Projekt. Kosaks Einfluss entstammt eher dessen informeller Verbindung zu Putin, als irgendeinem der formalen Positionen, die er innehatte. Putin hat ihn schon früher mit einer Reihe komplizierter Aufgaben betraut, etwa mit einer Rechtsreform, der Umgestaltung der Beziehungen zwischen Zentralregierung und Regionen sowie mit den Problemen im Nordkaukasus. Die verschiedenen Probleme bei Olimpstroj haben anscheinend Putins Vertrauen zu Dmitrij Kosak nicht schmälern können.

Schlussfolgerungen

In finanzieller Hinsicht sind die Olympischen Spiel in Sotschi ein Spiel für Russlands Elite. Zu den Nutznießern scheinen die reichen Freunde Putins zu gehören, die mit Olimpstroj Verträge über den Bau von Einrichtungen geschlossen haben, die nach den Spielen von geringem Nutzen sein könnten. Eine andere Gruppe innerhalb der Elite, die zu Investitionen in möglicherweise wenig gewinnträchtige Projekte genötigt wurde, beschwert sich lautstark. In der Folge könnte es sehr wohl zu einer Trennung innerhalb der Elite kommen – zwischen denen, die profitieren, und jenen, die leer ausgehen.

Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder

Lesetipps

  • Orttung, Robert, Sufian Zhemukhov: The 2014 Sochi Olympic mega-project and Russia’s political economy, in: Martin Müller (Hg.): Olympic Games in Sochi 2014: a great event for a great power? East European Politics 30, (erscheint 2014)

  • Sokolov, A.: Insajderskij kontrol i inwestizii GK "Olimpstroj" [Insider-Kontrolle und Investitionen von GK "Olimpstroj"], in: Naukovedenie Nr. 4, 2012 (in russischer Sprache); Externer Link: http://naukovedenie.ru/PDF/68evn412.pdf

Fussnoten

ist stellvertretender Direktor des Institute for European, Russian, and Eurasian Studies der Elliott School of International Affairs an der George Washington Universität und Gastwissenschaftler am Center for Security Studies (CSS) der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.