Acht Jahre PiS-geführter Regierungen haben die polnische Kulturlandschaft grundlegend erschüttert. Grundlegend war auch die Bedeutung, die die Regierungspartei der Kulturpolitik von Anfang an zuwies: Der zuständige Minister Piotr Gliński erhielt den Rang eines Vizepremiers, sein Ressort wurde umbenannt in „Ministerium für Kultur und Nationales Erbe“.
Inhaltliches Programm
Der Name wurde Programm: Ziel der folgenden Regierungen – in denen Gliński als für die Kultur zuständiger Minister eine Konstante blieb – war die Implementierung eines affirmativen Geschichtsbildes, das eine heroische und martyrologische
Die Durchsetzung dieser Perspektiven zielte auf die ganze Breite der Kulturlandschaft: Museen, Theater und Film, Printmedien, ebenso wie Rundfunk und Fernsehen. In der Wahrnehmung der Regierungsvertreter, ihnen nahestehender Kulturakteure und Intellektueller galt es, Einfluss auf die Kulturszene zu gewinnen, in der bis dato nationalkonservative Positionen und Kulturschaffende vermeintlich ausgegrenzt gewesen seien.
Geschichtsmuseen
Museen gehörten zu den ersten Einrichtungen, auf die die Regierung versuchte Einfluss zu gewinnen. Primäres Mittel hierfür wurde der Austausch von Leitungen. In der Regel geschah dies anlässlich des Auslaufens von Amtszeiten von Direktor:innen bzw. anstehenden Wiederberufungen. Soweit sich die Einrichtungen in alleiniger Trägerschaft des Ministeriums befanden, wurden Direktor:innen jedoch auch – unter meist konstruierten Vorwürfen – abberufen; zum Teil nutzte man hierfür rechtliche Alternativen. Letzteres geschah etwa im Fall des Museums des Zweiten Weltkriegs in Gdańsk (Muzeum II Wojny Światowej). Die Ausrichtung seiner Dauerausstellung wurde noch in ihrem Planungsstadium von nationalkonservativen Intellektuellen und dem PiS-Parteivorsitzenden Jarosław Kaczyński scharf angegriffen. Kritisch betrachtet wurde der Fokus auf die Kriegs- und Besatzungserfahrungen von Zivilist:innen (und nicht primär der aktive Widerstandskampf), die darauf basierende pazifistische Aussage der Ausstellung, wie auch die gesamteuropäische Perspektive des Museums, in der die Besatzungsgeschichte Polens nicht allein im Zentrum steht. Seit dem Regierungswechsel 2015 versuchte das Kulturministerium mit immer neuen Vorwürfen gegen die Leitung die Fertigstellung der Ausstellung zu verhindern. Dennoch gelang es, diese im März 2017 zu eröffnen. Wenige Wochen später jedoch ermöglichte ein Gerichtsurteil die formale Vereinigung des Museums mit dem bis dato nur auf dem Papier existierenden, neu geschaffenen Museum der Westerplatte und des Krieges 1939 (Muzeum Westerplatte i Wojny 1939). In der dadurch rechtlich neuentstandenen Institution konnten der Direktorenposten neu besetzt und die bisherigen Stellvertreter entlassen werden.
Ähnliche Bemühungen des Ministeriums um Einflussnahme waren jedoch nicht immer erfolgreich. Im Falle etwa des Europäischen Solidarność-Zentrums (Europejskie Centrum Solidarności) und des Museums der Geschichte der Polnischen Juden POLIN (Muzeum Historii Żydów Polskich POLIN) gelang es dem Ministerium nicht, die inhaltliche Arbeit der Einrichtungen nach ihrem Wunsch zu formen; wenn auch beim POLIN-Museum ein Rückzug des bisherigen Direktors Dariusz Stola erzwungen werden konnte. Hier war es die institutionelle Trägerstruktur beider Einrichtungen, die die versuchte ministerielle Einflussnahme weitgehend zurückdrängen konnte. Denn neben dem Kulturministerium bindet diese auch kommunale und private Träger ein.
Kunstinstitutionen
Substantiell griff der Kulturminister auch bei den Kunstinstitutionen des Landes ein. Innerhalb weniger Jahre wurden die Leitungen zahlreicher Museen und Galerien ausgetauscht. Darunter sind zentrale Institutionen wie das Nationalmuseum in Warschau (Muzeum Narodowe w Warszawie, 2018), das größte Kunstmuseum des Landes, sowie das Zentrum für Zeitgenössische Kunst Ujazdowski-Schloss (Centrum Sztuki Współczesnej Zamek Ujazdowski, 2020) und die Nationale Kunstgalerie Zachęta (Zachęta — Narodowa Galeria Sztuki, 2021), zwei der bis dato international renommiertesten polnischen Zentren für Gegenwartskunst. Das Ministerium nutzte hierfür uneindeutige Festlegungen in dem Gesetz, das die Organisation von kulturellen Institutionen regelt. Eine Ausschreibung für Direktionspositionen ist dort zwar vorgesehen – und war bis dato verbreitet –, zugleich erlaubt das Gesetz jedoch auch eine Berufung durch den Kulturminister ohne vorherige Ausschreibung;
Anstelle der international hoch angesehenen bisherigen Direktorinnen wurden Personen ohne ähnliche fachliche Qualifikationen, internationales Renommee und Leitungserfahrungen berufen, was weitreichende Folgen hatte. Die neuen Direktoren entließen ausgewiesene Spezialisten, die sie als kritisch wahrnahmen. Mit dem sich verschlechternden Arbeitsklima und anhaltenden Konflikten zwischen den neuen Leitungen und den Belegschaften kündigten zahlreiche weitere Mitarbeitende oder wurden entlassen – ein massiver Kompetenzverlust für die Einrichtungen. Mit dem Direktionswechsel erfuhr auch die inhaltliche Ausrichtung der Häuser eine deutliche Wende.
Reaktionen
Diese massiven Eingriffe riefen Proteste von Mitarbeitenden, Kulturschaffenden und nationalen wie internationalen Partnern der Einrichtungen hervor. Bekannt wurde etwa der unter dem Hashtag „Bananagate“ organisierte Protest gegen das Entfernen von feministischen Kunstobjekten aus der Dauerausstellung des Nationalmuseums Warschau.
Dass in der Kulturlandschaft des Landes dennoch über die zwei PiS-dominierten Wahlperioden hinweg eine Pluralität von Perspektiven und Inhalten erhalten blieb, ist verbunden mit der bedeutenden Rolle der kommunalen Regierungen in diesem Feld. So befindet sich der größte Teil der Museen in kommunaler Trägerschaft. Waren die jeweiligen Stadt- und Regionalregierungen nicht von der PiS geführt, so konnten Angehörige dieser Partei und ihrer Koalitionspartner als kritisch betrachtete Institutionen nicht „übernehmen“. Oftmals sprangen Kommunalregierungen auch ein, wenn Zuschüsse des Kulturministeriums und Förderungen von staatlich kontrollierten Institutionen verringert oder gestrichen wurden. So sicherte etwa die von der damaligen oppositionellen Bürgerplattform geleitete Stadtregierung Warschaus die Finanzierung des führenden Online-Kulturmagazins „Dwutygodnik“ oder auch des feministischen Dokumentarfilmfestivals „HER Docs“, als ihre Förderungen eingestellt wurden.
Viele Kulturschaffende, Organisatoren von Festivals oder auch publizistische Medien sahen sich in den Jahren der PiS-Regierung jedoch ähnlichem finanziellem Druck ausgesetzt. Staatliche Förderprogramme wurden inhaltlich derart ausgerichtet, dass sie nationalkonservative Künstler und katholische Organisationen bevorzugten. Es überwogen Programme, die einen Schwerpunkt legten auf patriotische und christliche Inhalte ebenso wie Initiativen, die auf geschichtspolitische Themen ausgerichtet waren.
Auswärtige Kulturpolitik
In gleichem Maß wie auf die polnische Gesellschaft, richtete die PiS-Kulturpolitik ihre Aufmerksamkeit auch auf eine internationale Öffentlichkeit. Institutionen, die sich der Förderung und Vermittlung polnischer Kultur und Geschichte im Ausland widmen, wurden daher Ziele unmittelbarer Einflussnahme der Regierung. Betroffen waren u.a. das Adam-Mickiewicz-Institut (Instytut Adama Mickiewicza, IAM) und zahlreiche Polnische Kulturinstitute im Ausland, deren Leitungen ausgetauscht wurden.
Herausforderungen nach dem Regierungswechsel 2023
Die Ende 2023 neugewählte Regierung stand vor der Herausforderung, mit den Verheerungen umzugehen, die die Aktivitäten der PiS-geführten Vorgängerregierungen im Kulturbereich hinterlassen hatten. Seit einem Jahr nun findet vor allem ein Austausch der Leitungen zahlreicher Museen, Kunstinstitutionen und staatlicher Förderorganisationen statt. An die Spitze des Museums des Zweiten Weltkriegs etwa wurde Rafał Wnuk berufen, einer der hauptverantwortlichen Autoren der Dauerausstellung. Er kündigte bereits an, die ursprünglichen Form der Schau wiederherzustellen.
Die tiefe Polarisierung innerhalb der polnischen Kulturlandschaft wie der Gesellschaft insgesamt besteht aktuell weiter. Sie spiegelt sich auch in der vehementen Kritik der PiS, der nun größten Oppositionspartei und ihrer Unterstützer an den Maßnahmen der neuen Regierung. Die vergangenen Monate deuten darauf hin, dass eine Re-Professionalisierung und ein Wiederherstellen inhaltlicher Unabhängigkeit im Bereich staatlich geförderter Kulturinstitutionen möglich sein wird, auch wenn dieser Prozess nicht ohne Ambivalenzen verläuft.