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Medienlandschaft im Umbau, Pressefreiheit im Abbau? | Polen | bpb.de

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Medienlandschaft im Umbau, Pressefreiheit im Abbau?

Prof. Dr. Katarina Bader Tomasz Walter-Zapart

/ 10 Minuten zu lesen

Die Medien in Polen sind unter der nationalkonservativen PiS-Regierung im Wandel. Welchen Einfluss übt die Regierung auf sie aus? Wie steht es um die Vielfalt öffentlichen-rechtlicher und privater Medien?

„Media bez wyboru“ (dt. „Medien ohne Wahl“) war ein landesweiter Protest in Polen, als Reaktion auf die von der Regierung angekündigte Einführung einer Werbesteuer. Einige kommerzielle Medien stellten in dem Zuge für eine Tag ihre Betrieb ein. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Aleksander Kalka)

Das Urteil der Expert*innen der „Pressefreiheitsmission“ im Vorfeld der Parlamentswahl 2023 ist eindeutig: Eine weitere Amtszeit der nationalkonservativen Regierung würde den Abbau von Polens Medienfreiheit beschleunigen und zu einer Situation führen, wie sie bereits in Ungarn, der Türkei und Russland anzutreffen sei. Der öffentliche Rundfunk bevorzuge in seinem Programm nachweislich die regierenden Parteien, während private Fernseh- und Radiosender durch eine unberechenbare Lizenzvergabepolitik und Strafzahlungen eingeschüchtert würden. Zudem sei der wachsende Einfluss des staatlich kontrollierten Energiegiganten PKN Orlen im Medienbereich politisch motiviert, genau wie zahlreiche straf- und zivilrechtliche Klagen gegen kritische Journalist*innen. Kurz gesagt: Die Medienfreiheit in Polen gerate mehr und mehr unter Druck.

Die Mission wurde von Externer Link: Media Freedom Rapid Response (MFRR) entsandt, einem Zusammenschluss von NGOs und Forschungsinstituten. MFRR beschäftigt sich mit der Lage der Meinungs- und Pressefreiheit in der EU und in EU-Kandidatenländern und wird dabei von der europäischen Kommission finanziell unterstützt. Die Vorwürfe der Expert*innen sind nicht neu: Eingriffe in die Medienfreiheit werden der polnischen Regierung, die seit 2015 von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, kurz: PiS) – in der Wissenschaft auch gängig als nationalkonservativ bezeichnet – geführt wird, in Inland, Ausland und auch auf EU-Ebene oft zum Vorwurf gemacht. Vertreter*innen des polnischen Regierungslagers entgegnen dem in der Regel, es gehe lediglich darum, die bisherige Dominanz von liberalem Establishment und ausländischem Kapital im Medienbereich auszugleichen. In Polen bestehe nach wie vor eine große mediale Vielfalt.

Letzteres lässt sich mit Blick auf die Zahlen weitgehend bestätigen: Nach wie vor können die polnischen Bürger*innen sich aus vielfältigen Quellen informieren. Regierungskritische Medien erreichen einen Großteil der Bevölkerung – so wird z.B. die in Polen meistgesehene Fernsehnachrichtensendung Fakty vom regierungsunabhängigen privaten Sender TVN produziert und auch die zwei auflagestärksten Tageszeitungen, nämlich die Boulevardzeitung Fakt und die linksliberale Gazeta Wyborcza, können nicht dem Regierungslager zugerechnet werden. Gleichzeitig muss aber auch festgehalten werden, dass im ländlichen Raum, also genau dort, wo die PiS am meisten Stimmen erhält, die Lage etwas anders aussieht: So ist beispielsweise der eher regierungskritische Nachrichtensender TVN24 nicht überall empfangbar, der regierungsnahe Sender TVPinfo hingegen schon.

Ist die nach wie vor recht große mediale Vielfalt in Polen also darauf zurückzuführen, dass die Maßnahmen der polnischen Regierung wirklich nur auf Ausgleich bedacht waren? Oder ist die Medienvielfalt in Polen nur noch gegeben, weil nicht alle Eingriffe des Regierungslagers erfolgreich waren und es viel Widerstand gab? Und was wäre nach einem möglichen weiteren Wahlsieg der PiS im Oktober 2023 zu erwarten: weitere Einschränkungen der Medienfreiheit oder eine Stabilisierung der Situation?

Politisierte Medien und vielfältige Besitzstrukturen

Um zu verstehen, von welchen Traditionen die bis heute zentralen Akteur*innen der polnischen Medien und Medienpolitik geprägt sind, muss man zurück in die 80er Jahre schauen. Nach der Niederschlagung der Solidarność-Bewegung stand eine weitgehend delegitimierte kommunistische Führung einer im Untergrund befindlichen Oppositionsbewegung gegenüber, die in der Bevölkerung großen Rückhalt genoss. Die Opposition erreichte über eine illegale Untergrundpresse weit größere Bevölkerungsteile, als dies in anderen Staaten des Ostblocks der Fall war. „Telewizja kłamie“ – der Vorwurf, dass das kommunistisch dominierte Fernsehen lüge, gehörte zu den zentralen Parolen der Bewegung. Eine Kultur des Misstrauens gegenüber den Medien etablierte sich. Zugleich waren die Untergrundmedien als zentrales Instrument der Oppositionsbewegung mindestens ebenso stark politisiert, wie die Staatsmedien. Die Grenzen zwischen Aktivist*innen und Journalist*innen im oppositionellen Bereich waren fließend.

Veteranen der Solidarność und Untergrundpresse

Der Kosmos der Untergrundpresse der 80er Jahre ist für Medien und Politik in Polen bis heute relevant, weil sich in ihm zentrale Akteure des heutigen Konflikts politisierten: Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki (PiS) schrieb bereits als Jugendlicher für eine regionale Untergrundzeitung und auch sein Herausforderer in der Parlamentswahl 2023, der Oppositionsführer Donald Tusk (Bürgerplattform, kurz: PO), war für die Solidarność-Presse tätig.

Der Medienkonzern AGORA, der mit der führenden Tageszeitung Gazeta Wyborcza und dem Radiosender TOK FM bis heute für das polnische Mediensystem bedeutsam ist, verfügt über institutionelle und personelle Wurzeln in der Untergrundpresse. Daraus folgt ein besonderes Verständnis von Journalismus in allen politischen Lagern Polens, das eher von engagiertem Meinungsjournalismus als von neutraler Berichterstattung geprägt ist.

Die starke Politisierung der Medien blieb nach dem ausgehandelten Systemwechsel von 1989. So war die Mehrheit der privaten Medien in Polen immer einem politischen Lager zuordenbar, ohne direkt zu einer Partei zu gehören.

Die nach 1989 entstanden Besitzstrukturen, sind dabei recht vielfältig: Mit Agora S.A. im Print-, Radio- und Onlinebereich und Telewizja POLSAT im Fernsehbereich entstanden kurz nach dem Systemwechsel zwei große Medienkonzerne, die sich bis heute (Stand September 2023) in polnischem Besitz befinden. Beide konnten sich behaupten, als westliche Medienunternehmen begannen, massiv auf dem polnischen Markt zu investierten. Auch im Online-Nachrichtenbereich ist mit Wirtualna Polska ein polnisches Unternehmen zweitgrößter Player. Jenseits dessen haben deutsche Medienkonzerne in die polnische Medienbranche investiert: Die Bauer-Gruppe ist mit Zeitschriften, Radiosendern und Onlineportalen in Polen präsent, zum deutsch-schweizer Konzern Ringier Axel Springer gehören die Boulevardzeitung Fakt, die Wochenzeitung Newsweek Polska und das größte Onlinenachrichtenportal des Landes onet. Der große private Fernsehsender TVN gehört hingegen zum US-amerikanischen Discovery Konzern.

Vom öffentlich-rechtlichen zum staatlichen Rundfunk?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk war seit dem Systemwechsel in Polen stets politisch umkämpft. Alle bisherigen Regierungsparteien versuchten, soweit der verfassungsrechtlich fixierte Rahmen es zuließ, Einfluss auf die Fernsehsender von TVP (Telewizja Polska) und die Radiosender des PR (Polskie Radio) zu nehmen. Die nationalpopulistische PiS sprengte diesen Rahmen endgültig: Kurz nachdem sie im Herbst 2015 eine Mehrheit in den Parlamentswahlen erhalten hatte, entmachtete sie zunächst das Verfassungsgericht und dann das bis dahin für die Kontrolle des Rundfunks zuständige Verfassungsorgan Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji, kurz KRRiT. In der ersten Regierungszeit der Nationalpopulisten von 2005 bis 2007 war der damals bereits anvisierte Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am Verfassungsgericht gescheitert. Der Vorstand und die Programmdirektion der öffentlich-rechtlichen Sender wird seit 2016 vom damals neu geschaffenen Rat der Nationalen Medien benannt, der ganz unmittelbar von der Parlamentsmehrheit dominiert wird. Zahlreiche Journalist*innen wurden entlassen oder verließen die Sender freiwillig.

Eine Untersuchung zeigt, dass im zweiten Quartal 2023, also im Vorfeld der Parlamentswahlen, der öffentliche Fernsehsender TVP etwa 80 Prozent der Sendezeit für Politikberichterstattung mit Standpunkten der Regierungsparteien füllte und nur rund 20 Prozent mit denen der Opposition. Vertreter*innen der PiS waren in dem untersuchten Zeitraum etwa 252 Stunden lang zu sehen, während auf Vertreter*innen der größten Oppositionspartei PO gerade einmal 25 Stunden entfielen. Auffällig ist auch die antideutsche Stoßrichtung der Politikberichterstattung: Eine Studie aus dem September 2023 zeigt, dass Deutsche auf TVP und TVPinfo weit häufiger Gegenstand von hasserfüllter Berichterstattung sind als Russinnen und Russen. Die einzige Gruppe, über die im öffentlichen Fernsehen in Polen noch hasserfüllter berichtet wird, sind Geflüchtete.

Insgesamt verliert das Fernsehen jedoch an Bedeutung. Während ein*e durchschnittliche Bewohner*in Polens 2015 noch 4 Stunden 23 Minuten fernsah, sind es heute nur noch 3 Stunden und 55 Minuten. Zugleich zeigen Umfragen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender gerade in ländlichen Gebieten und bei Personen über 65 immer noch die wichtigste Informationsquelle sind – also in jenen Bevölkerungsgruppen, in denen die PiS die größte Zustimmung genießt.

Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfolgt in Polen eigentlich über sogenannte Abos, das Pendant zur deutschen Rundfunkgebühr. Sehr viele Polinnen und Polen bezahlen diese Abos allerdings nicht oder nicht mehr, teilweise auch aus Protest gegen die unausgewogene Berichterstattung. Der öffentliche Rundfunk wird daher inzwischen zu über 50 Prozent aus Steuergeldern finanziert. Verdeckte Zuschüsse erfolgen zudem durch große Staatsunternehmen, die heute dreimal so viel für Werbung bei TVP ausgeben als im Jahr 2015. Gleichzeitig sind die Werbegelder für TVN gesunken. Aufgrund dieser veränderten Finanzierungssituation und Führungsstruktur kann TVP inzwischen durchaus auch als staatlicher Rundfunk bezeichnet werden.

Repolonisierung und politische Kontrolle

Nachdem die PiS bei der Parlamenswahl im Herbst 2019 erneut eine Mehrheit sichern konnte, kam es zu einer zweiten Welle von Eingriffen im Medienbereich. Diese können unter dem Schlagwort „Repolonisierung“ zusammengefasst werden: Das vom polnischen Staat dominierte und bis dahin vor allem in Energiesektor engagierte Unternehmen PKN Orlen erwarb Anfang 2021 die Medienholding Polska Press. Diese umfasste 20 der 24 polnischen Regionalzeitungen nebst den dazugehörigen regionalen Internetportalen und 120 Zeitschriften, die sich bis dahin im Besitz des deutschen Medienkonzerns Passauer Neue Presse befunden hatten. Auch hier wurde im großen Stil Personal ausgetauscht. Der PiS nahestehende Journalist*innen erhielten leitende Funktionen in allen Unternehmen. Der Parteivorsitzende der PiS, Jarosław Kaczyński, betonte konservativen Medien gegenüber, dass dieser Schritt notwendig gewesen sei: Die von den Deutschen übernommenen Medien hätten eine „große Rolle in der Demoralisierung“ der polnischen Jugend gespielt. Nur wenn das ausländische Kapital aus der Medienbranche weitgehend verdrängt werde, könne die polnische „Freiheit und Souveränität“ verteidigt werden.

In Krakau wird gegen die umstrittene Medienreform der PiS-Regierung demonstriert, das sogenannte "Lex TVN" (Aufnahme: 19.12.2021). (© picture-alliance, NurPhoto | Beata Zawrzel)

Ebenfalls im Jahr 2021 verabschiedete der Sejm ein Gesetz: Dies untersagte es Unternehmen, die nicht zum europäischen Wirtschaftsraum gehören, mehr als 49 Prozent an polnischen Rundfunksendern zu halten. Die Opposition kritisierte das Gesetz als Lex TVN, weil es für den US-amerikanischen Discovery Konzern bedeutet hätte, den regierungskritischen Sender TVN innerhalb kürzester Zeit verkaufen zu müssen. Zeitgleich wurde der Sender unter Druck gesetzt, indem die Verlängerung seiner Sendelizenz bis zum letzten Moment hinausgezögert wurde. Da das Vorgehen gegen TVN das Verhältnis zu den USA zu verschlechtern drohte, war das Gesetz jedoch von Anfang an im nationalpopulistischen Regierungslager umstritten und für die Verabschiedung auf Stimmen der rechten Opposition angewiesen. Nach starken Protesten aus den USA rang sich der polnische Präsident Andrzej Duda, der dem Regierungslager eigentlich sehr nahe steht, Ende Dezember 2021 dazu durch, ein Veto gegen das Gesetz einzulegen und dabei auf bestehende Handelsverträge mit den USA zu verweisen.

Zunahme von straf- und zivilrechtlichen Verfahren gegen Journalist*innen und Medien

Auch der juristische Druck auf regierungskritische Journalist*innen und Medien hat stark zugenommen. Besonders häufig kommt hierbei der Paragraf 212 des Strafgesetzbuches zum Einsatz, demzufolge „üble Nachrede“ mit hohen Geldstrafen und bis zu einem Jahr Gefängnis belegt werden kann. Der Paragraf stammt aus dem Jahr 1997, wurde aber 2019 noch einmal verschärft. Hinzu kommen Prozesse, die auf anderen Paragrafen basieren, und zivilrechtliche Prozesse, in denen auf Entschädigung geklagt wird. Bisher wurden allerdings nur sehr wenige Journalist*innen rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt (siehe Infokasten). Wichtig ist es in diesem Kontext festzuhalten, dass der Interner Link: von der PiS angestrebte Umbau des Justizsystems noch nicht vollendet ist – sowohl auf der Ebene der Amtsgerichte als auch bei der Staatsanwaltschaft ist die Wahrscheinlichkeit nach wie vor hoch, an Personal zu geraten, das vor 2015 ins Amt kam.

Regierungskritischen Radio- und Fernsehsendern wurden in den letzten Jahren jedoch immer wieder hohe Geldstrafen von der Rundfunkaufsicht auferlegt – so wurde im August 2023 von einem privaten Radiosender, der zum Agora-Konzern gehört, eine Strafzahlung von einer halben Million Złoty gefordert, wogegen der Sender sich gerichtlich wehrt.

Prozesse gegen Journalist*innen

Der polnische Journalistenverband hat für den Zeitraum 2015 bis 2021 sämtliche Prozesse, die gegen Journalist*innen oder Medien von Politiker*innen oder politischen Institutionen angestrengt wurden, aufgelistet und kategorisiert: Dabei kommt der Verband auf insgesamt 187 Verfahren, von denen 73 sich gegen die Gazeta Wyborcza oder dort beschäftigte Journalist*innen richten und 39 gegen Journalist*innen oder Publikationen, die im Verlagshaus Ringier Axel Springer erscheinen.

Zu rechtskräftigen Verurteilungen der Journalist*innen kam es im Untersuchungszeitraum allerdings nur bei elf der Klagen, 72 gingen zu Gunsten der Journalist*innen aus. Andere wurden von der Staatsanwaltschaft abgelehnt, fallen gelassen oder ziehen sich durch Revisionsverfahren noch hin.

Auffällig ist, dass eine ganze Reihe von zivilrechtlichen Klagen gegen Journalist*innen von neu ins Amt gekommenen oder neu beförderten Richter*innen angestrengt wurden, die dann von Kolleg*innen abgewiesen wurden. Laut dem Journalistenverband werden die Klagen meist öffentlichkeitswirksam genutzt, um kritische Berichterstattung radikal zurückzuweisen oder um – gerade auch im lokalen Kontext Journalist*innen einzuschüchtern.

Fußnoten

Im Zeitalter der Digitalisierung

Umfragen aus dem Jahr 2023 zufolge ist das Fernsehen für 49 Prozent der Polinnen und Polen immer noch die wichtigste Informationsquelle. Doch bereits 37 Prozent der Polinnen und Polen geben an, sich primär aus dem Internet zu informieren. Mit einem Prozent ist der Anteil an Menschen, die sich vor allem aus Print-Zeitungen informieren, inzwischen verschwindend gering. Anhänger*innen des Regierungslagers informieren sich überproportional häufig über das Fernsehen, die der Opposition sehr viel häufiger über das Internet.

Der Umbau hin zum Digitalen stellt alle Medienunternehmen in Polen vor große Herausforderungen. Zugleich entstehen im Online-Bereich aber auch neue Geschäftsmodelle: So verließ eine größere Gruppe beliebter Radiojournalist*innen 2020 aus Protest gegen das Verbot, ein regierungskritisches Lied zu spielen, das dritte Programm des öffentlichen Radios Trójka. Sie gründeten den crowdfinanzierten Online-Radiosender Radio 357 der inzwischen von fast 50.000 zahlenden Förderer*innen getragen wird. Auch das investigative Onlineportal Oko.press finanziert sich primär über Beiträge von Leser*innen. Geleitet wird es von einem Journalisten, der bereits in den 80er Jahren in der Untergrundpresse aktiv war.

Im Bereich der sozialen Medien ist Facebook im Jahr 2023 trotz abnehmender Nutzungszahlen in Polen nach wie vor die beliebteste Plattform (50 Prozent), gefolgt von YouTube (18 Prozent) und Instagram (17 Prozent). TikTok wird von acht Prozent der Polinnen und Polen genutzt, spielt aber in manchen politischen Milieus dennoch eine große Rolle (siehe Infobox).

Sławomir Mentzen – TikTok-Star und rechtslibertärer Herausforderer

Seit der Parlamentswahl von 2019 hat das nationalpopulistische Regierungslager nicht nur mit einer liberalen Opposition zu kämpfen, sondern auch mit einer Gruppe von Parlamentariern, die noch weiter rechts steht als die PiS: Das Parteienbündnis Konföderation der Freiheit und Unabhängigkeit (Konfederacja Wolność i Niepodległość) kommt insbesondere bei jungen Wähler*innen gut an und rekrutiert diese unter anderem über TikTok, wo der Co-Vorsitzende Sławomir Mentzen mit manchen seiner Kurzvideos über eine Million meist junger Pol*innen erreicht.

In den Videos wettert er, dass Polen der Ukraine mehr als genug geholfen habe und das Land sich nicht ausreichend dankbar zeige. Oder macht sich über das Verbot lustig, im öffentlichen Raum Alkohol zu konsumieren – provozierend mit einem Becher Bier in der Hand. Im Vorfeld der Wahl von 2023 schließt die PiS eine Koalition mit der Konfederacja nicht aus.

Polarisiert, aber noch in Balance?

Eine großangelegte Auswertung der Universität Toruń von unterschiedlichen Medieninhalten, kommt vor der Wahl 2023 zu dem Schluss, dass die polnischen Medien stark polarisiert seien. Dennoch bestehe aber nach wie vor eine gewisse Balance: Im Fernsehbereich seien unter Einbeziehung der öffentlichen und der privaten Sender zwar insgesamt rechte Ansichten dominant, auf nachrichtlich ausgerichteten Onlineportalen seien dafür mehr linke Ansichten vertreten.

Angesichts der zahlreichen Versuche der letzten Jahre private Fernsehsender, Onlineportale und Radiosender auf Regierungslinie zu bringen, kann man jedoch annehmen, dass dieses Gleichgewicht ein Zwischenstand ist und nicht das endgültige Ziel der regierenden PiS.

Vor allem zwei Faktoren können als stabilisierend für die Vielfalt der polnischen Medien erachtet werden:

  1. Die vielfältigen Besitzstrukturen, die in der polnischen Medienbranche nach 1989 entstanden sind: Polnisches und ausländisches Kapital sind in ähnlichem Maße auf dem Markt präsent und es gibt Medienunternehmen unterschiedlicher politischer Orientierung. Zwar gab es ab 2019 eine massive Repolonisierungskampagne, die das Gleichgewicht zu Gunsten der Rechten verschieben sollte, diese wurde jedoch dadurch ausgebremst, dass Polen als EU-Land europäische Konzerne nicht aus dem eigenen Markt drängen kann und im Streit um TVN Teile des nationalpopulistischen Lagers aus Rücksicht auf die Schutzmacht USA letztendlich davor zurückschreckten, amerikanisches Kapital aus dem polnischen Medienmarkt zu verbannen.

  2. Persönlichkeiten im Journalismus und Organisationen, die sich oft aus einer oppositionellen Tradition heraus und mit aktivistischem Engagement gegen die Einschränkung der Medienfreiheit stellen. Da die Rechtssicherheit durch den Umbau des Justizsystems abnimmt, ist dies jedoch mit zunehmendem Risiko verbunden. Viele zentrale Akteur*innen dieses Widerstands sind zudem bereits im Rentenalter, machen aber dennoch weiter.

Sollte die PiS die Wahl im Oktober 2023 gewinnen und anschließend eine Koalition mit der noch weiter rechtsgerichteten Konfederacja eingehen, sind neue Eingriffe ins Mediensystem wahrscheinlich. Sollte die Opposition die Wahl gewinnen, täte sie gut daran, dafür zu sorgen, dass alle Teile der stark polarisierten polnischen Gesellschaft weiterhin im medialen Diskurs präsent bleiben.

Weitere Inhalte

Katarina Bader ist Professorin für Onlinejournalismus an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Zuvor war sie von 2006-2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Masterstudiengang Osteuropastudien der LMU in München. Sie promovierte zu Interdependenzen zwischen Mediensystem und Parteiensystem in Polen.

Tomasz Walter-Zapart studierte in München und Regensburg Politikwissenschaften und Polonistik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geschwister-Scholl-Institut der LMU in München und unterrichtete auch an der Universität Basel. Inzwischen arbeitet er hauptberuflich als Medienpädagoge, publiziert aber weiterhin zu verschiedenen Aspekten des Politischen Systems Polens.