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Das Verfassungssystem | Polen | bpb.de

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Das Verfassungssystem

Klaus Ziemer

/ 3 Minuten zu lesen

Die heutige Kompetenzverteilung zwischen Staatspräsident, Regierung und Parlament geht auf die 1989 am Runden Tisch getroffenen Vereinbarungen zurück. Über die Zwischenstufe der "Kleinen Verfassung" von 1992 wurden die Kompetenzen des Präsidenten zunehmend beschnitten, so dass ein parlamentarisch-präsidiales System entstand.

57 Teilnehmer aus Regierung, Kirche und Opposition nehmen 1989 an den Gesprächen am Runden Tisch zur Zukunft Polens teil. (© AP)

Das heutige politische Institutionensystem, genauer: die Kompetenzabgrenzung zwischen Staatspräsident, Regierung und Parlament, geht im Kern auf die am Runden Tisch im Frühjahr 1989 getroffenen Regelungen zurück. Ziel war die Übertragung der bisher in der Praxis von der Kommunistischen Partei wahrgenommenen Kompetenzen auf staatliche Institutionen. Mit dem an das Verfassungssystem der V. Französischen Republik angelehnten semipräsidentiellen System sollte sichergestellt werden, dass insbesondere General Wojciech Jaruzelski als Staatschef in etwa die Kompetenzen behielt, die er zuvor als Parteichef besessen hatte. Über die Zwischenstufe der "Kleinen Verfassung" von 1992 wurden die Kompetenzen des Präsidenten zunehmend beschnitten, sodass sich mit dem Inkrafttreten der Verfassung vom April 1997 das präsidial-parlamentarische in ein parlamentarisch-präsidiales System verwandelte.

Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung zog sich über acht Jahre hin. Daher wurde wie 1919 und 1947, ebenfalls in Umbruchsituationen, 1992 zunächst eine "Kleine Verfassung" verabschiedet, die vor allem die Kompetenzen zwischen Präsident, Parlament und Regierung präzisierte. Sie brachte allerdings nicht die erhoffte Stärkung der Position der Regierung. Erst im Frühjahr 1997 wurde – im Vorfeld der Parlamentswahlen vom September 1997 – eine neue Verfassung verabschiedet.

Dabei kam es zu einer starken innenpolitischen Polarisierung, da der Verfassungstext zwar von der Nationalversammlung (beide Kammern des Parlaments) am 2. April 1997 mit einer Mehrheit von mehr als 90 % angenommen wurde. Die aufgrund des Scheiterns ihrer Parteien an der neuen Fünf-Prozent-Klausel am Einzug in das Parlament gehinderten Politiker der Rechten bestritten indessen die Legitimität der Verfassungskommission des Parlaments, obwohl gerade wegen der fehlenden parlamentarischen Repräsentation auch Vertreter der Rechten, darunter der Gewerkschaft "Solidarność", zur Teilnahme an den Beratungen eingeladen worden waren.

Die Befürworter der Verfassung, die postkommunistischen Regierungsparteien SLD und PSL sowie die Freiheitsunion (UW), der die im Westen bekanntesten Vertreter der antikommunistischen Opposition wie Tadeusz Mazowiecki oder Bronisław Geremek angehörten, wurden heftig angegriffen. Der "Solidarność"-Vorsitzende Marian Krzaklewski sprach von Targowica, was im Kontext der polnischen Geschichte von 1793 mit Landesverrat gleichgesetzt wird. Auch Vertreter der katholischen Kirche engagierten sich auf Seiten der Verfassungsgegner, obwohl in der Präambel entsprechend dem Vorschlag des früheren Premierministers Tadeusz Mazowiecki die Bestimmung aufgenommen wurde, dass alle polnischen Staatsbürger sich diese Verfassung gäben, "sowohl diejenigen, die an Gott als die Quelle der Wahrheit, Gerechtigkeit, des Guten und Schönen glaubten, als auch diejenigen, die diesen Glauben nicht teilen und diese universalen Werte aus anderen Quellen herleiten". Diese 1997 heftig umstrittene Formel ist in Polen inzwischen allgemein akzeptiert. Weniger Emotionen weckte die mit Zustimmung der Postkommunisten in die Präambel aufgenommene Feststellung, Polen habe erst 1989 seine Souveränität zurückerhalten. Entsprechend wurde nach der Adelsrepublik (bis zur dritten Teilung Polens 1795) und der II. Republik (1918–1939) die Zeit seit 1989 als III. Republik bezeichnet.

Trotz der emotionalen Mobilisierung, welche dem Referendum vom 25. Mai 1997 über die Annahme der Verfassung vorausging, lag die Abstimmungsbeteiligung nur bei 42,86 %. Das Referendum war nur deswegen gültig, weil das Gesetz über Referenden von 1995 zwar eine Abstimmungsbeteiligung von mehr als 50 % voraussah, damit ein Referendum gültig war, Verfassungsreferenden hiervon jedoch ausgenommen waren. Von den Abstimmenden sprachen sich nur 52,7 % für die Annahme aus, 45,9 % dagegen, die restlichen Stimmen waren ungültig.

Quellen / Literatur

Auszug aus: Klaus Ziemer, "Die politische Ordnung", in: Externer Link: "Länderbericht Polen", hrsg. von Dieter Bingen und Krysztof Ruchniewicz (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung Bd. 735), Bonn 2009.

Fussnoten

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Prof. Klaus Ziemer lehrt an der Universität Trier Politikwissenschaft und Neuere und Osteuropäische Geschichte. Von 1998-2008 war er Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Warschau.