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Analyse: Polens Kampf gegen Korruption nach den Parlamentswahlen: Neue Strukturen, alte Mechanismen? | Polen-Analysen | bpb.de

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Analyse: Polens Kampf gegen Korruption nach den Parlamentswahlen: Neue Strukturen, alte Mechanismen? Polen-Analysen Nr. 336

Michael Martin Richter

/ 14 Minuten zu lesen

Die Regierung von Ministerpräsident Tusk verspricht einen Neuanfang in der Korruptionsbekämpfung. Dafür braucht es ein Antikorruptionssystem ohne politische Einflussnahme.

Polnische Geldscheine (© picture-alliance, Zoonar | Janusz Pienkowski)

Zusammenfassung

Korruption ist in Polen mehr als nur ein Schlagwort. Es ist ein Dauerthema der politischen Debatte, das die Gesellschaft stark polarisiert. Nach skandalträchtigen Korruptionsenthüllungen und einer wachsenden öffentlichen Unzufriedenheit in weiten Teilen der Gesellschaft verspricht die neue Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk einen Neuanfang in der Korruptionsbekämpfung. Im Zentrum steht die geplante Auflösung des umstrittenen Zentralen Antikorruptionsbüros (Centralne Biuro Antykorupcyjne – CBA), dessen Kompetenzen auf verschiedene andere Behörden verteilt werden sollen. Doch die vorgeschlagenen Änderungen könnten bestehende Probleme nur verlagern, statt sie effektiv zu bekämpfen. Die wahre Herausforderung liegt darin, ein umfassendes Antikorruptionssystem zu schaffen, das keiner politischen Einflussnahme untersteht und dadurch das Vertrauen der Bürger zurückgewinnt. Eine breite Debatte über Änderungen und deren Verankerung in einer Gesamt-Antikorruptionsstrategie wären dafür grundlegende Ansätze.

Korruption in Polen: Ein politisches Dauerthema

Korruption ist ein Thema, das in polnischen Wahlkämpfen hohe Aufmerksamkeit erzielt. Donald Tusk (Bürgerplattform/Platforma Obywatelska – PO) nutzte dies und schrieb seinen politischen Kontrahenten verschiedene Bedeutungen zu. Mal dechiffrierte er das Kürzel des nationalkonservativen Bündnisses Vereinigte Rechte (Zjednoczona Prawica – ZP) alszorganizowana przestepczość  – organisierte Kriminalität, mal entschlüsselte er das Akronym der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) alsprzekręty, inwigilacja i szantaż – Schwindel, Überwachung und Erpressung. Einen ähnlichen Tenor schlug auch die PiS in jedem ihrer Wahlkämpfe an und versuchte sich stets als vermeintlich moralisch einwandfreie Option zu Tusks Bürgerplattform darzustellen.

Nicht nur in politischen Narrativen ist das Thema Korruptionsbekämpfung bzw. sind Korruptionsanschuldigungen prominent vertreten. Es findet auch Eingang in politische Strategien. So sieht der aktuelle Koalitionsvertrag der drei regierenden Bündnisse aus Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska – KO), Dritter Weg (Trzecia Droga – TD) und Die Linke (Lewica) unter Punkt 19 vor, dass "das Zentrale Antikorruptionsbüro abgeschafft wird und seine Ressourcen und Kompetenzen anderen Behörden übertragen werden, darunter die Abteilung für die Bekämpfung von Korruptionsdelikten im Zentralen Ermittlungsbüro der Polizei. Damit wird die Korruptionsbekämpfung gestärkt werden, die von der Vorgängerregierung völlig aufgegeben wurde".

Das dafür notwendige Gesetz wurde im April 2024 veröffentlicht. Was genau sind jedoch die Probleme in Polen im Hinblick auf die Korruption? Wie weitverbreitet ist das Problem? Und ist das verabschiedete Gesetz die nötige Antwort auf die Probleme, die im Folgenden aufgezeigt werden?

Korruptionsskandale: Ein Querschnitt durch Polens Institutionen

Eine Abrechnung mit den acht Jahren der PiS-Regierung (2015–2023) war, wenig überraschend, ein großes Versprechen der sogenannten Koalition des 15. Oktobers (bezugnehmend auf das Datum der Parlamentswahlen 2023). Dazu stellte Generalstaatsanwalt und Justizminister Adam Bodnar auf einer Pressekonferenz im Juli 2024 eine Liste von 20 Schlüsselthemen vor, mit denen sich seine Behörde zurzeit beschäftigt. Alle sind in der Amtszeit der PiS angesiedelt und viele haben eine direkte Verbindung zu Korruption.

Ein großes Thema ist der Gerechtigkeitsfonds (Fundusz Sprawiedliwości), den Generalstaatsanwalt Bodnar als erstes aufzählte. Der Fonds wurde zur Unterstützung von Opfern von Gewalt aufgelegt. 2017 erhielt der damalige Justizminister, Zbigniew Ziobro, die direkte Kontrolle über die Auszahlung von Geldern. Unstimmigkeiten führten zu mehreren Festnahmen, wie z. B. von Michał O., dessen Stiftung "Profeto" 66 Millionen Zloty (rund 15 Millionen Euro) widerrechtlich erhalten haben soll. Eine der zentralen Personen soll dabei Marcin Romanowski gewesen sein, Ziobros Stellvertreter im Ministerium. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und die Veruntreuung von 112 Millionen Zloty (rund 26 Millionen Euro) durch Scheinausschreibungen vor.

Ein anderes prominentes Beispiel bezieht sich auf die Regierungsagentur für Strategische Reserven (Rządowa Agencja Rezerw Strategicznych). Deren ehemaligem Vorsitzenden, Michał K., wird ebenfalls die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Generell soll die Agentur durch Umgehung der normalen Ausschreibungsprozeduren deutlich überhöhte Preise an Zulieferer bezahlt haben. Ein solches Unternehmen soll das Bekleidungslabel "Red is Bad" sein. Während Michał K. nach London floh und von dort inzwischen ausgeliefert wurde, hat sich der Geschäftsführer von "Red is Bad" nach Südamerika abgesetzt. Inzwischen wurde er gefasst und nach Polen überstellt.

Auch das Nationale Zentrum für Forschung und Entwicklung (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju – NCBR) ist von Korruptionsvorwürfen und -ermittlungen nicht verschont geblieben. Das Zentrum, das in erster Linie für die Vergabe von EU-Geldern für innovative Projekte zuständig ist, soll in unzählige Unstimmigkeiten verwickelt sein. Die Regionalstaatsanwaltschaft bezeichnet auch hier das Vorgehen einiger Schlüsselpersonen, z. B. der ehemaligen Vizedirektorin Hanna S., als Mitgliedschaft in einer Gruppe der organisierten Kriminalität. Bei Ausschreibungsverfahren sollen Bestechungsgelder verteilt worden sein, durch die unter anderem Zuwendungen an fragwürdige Unternehmen flossen. Ein brisantes Beispiel betrifft die Fördersumme von 123 Millionen Zloty (ca. 28 Millionen Euro) für ein Unternehmen, das einem Freund des ehemaligen Vizeministers für Fonds und Regionalpolitik, Jacek Żalek, nahestand. Das Brisante: Die formal maximal zu erhaltende Fördersumme betrug nur 20 Millionen Zloty (4,6 Millionen Euro), womit der Antrag schon rein formell falsch war. Generell stellte die Oberste Kontrollkammer (Najwyższa Izba Kontroli – NIK) fest, dass es beim NCBR eine "enorme Unzuverlässigkeit bei der Verwendung von EU-Mitteln" gab.

Auch die Hochschullandschaft findet sich unter den 20 Schlüsselthemen mit einem Skandal um das Collegium Humanum, eine private Hochschule in Warschau. Sie wurde von der damaligen Regierung der Vereinigten Rechten unterstützt und konnte MBA-Abschlüsse ausstellen. Diese waren eine formale Voraussetzung für Aufsichtsratspositionen in Staatsunternehmen und anderen staatlichen Institutionen, wodurch ihnen eine große Bedeutung zukam. Die Abschlüsse konnten jedoch, so die Vorwürfe, ohne den Besuch von Vorlesungen oder den Abschluss von Prüfungen durch Schmiergeldzahlungen gekauft werden. Der Rektor der Institution, Paweł Czarnecki, soll insgesamt eine Million Zloty (ca. 230.000 Euro) solcher Zahlungen für über 1.000 Abschlüsse erhalten haben. Unter den Absolventen mit "Turboabschlüssen" waren auch mindestens 50 Politiker der PiS. Einen lukrativen Posten in der Hochschule hatte gleichzeitig die Ehefrau des ehemaligen Europaparlamentariers Jacek Czarnecki inne. Im Austausch für einen Doktorabschluss sowie einen Posten für seine Frau soll sich der Politiker Ryszard Czarnecki in Usbekistan für die Schaffung einer Filiale des Collegium Humanum eingesetzt haben.

Abschließend sei noch der Skandal um die Visa-Vergabe genannt, da er die offiziell harte Vorgehensweise der PiS-Regierung in Migrationsfragen infrage stellt. So wurden laut einer Untersuchung der Obersten Kontrollkammer 366.000 Arbeitsvisa für Personen außerhalb der EU nicht korrekt vergeben, häufig unter direktem Druck der PiS und ohne Prüfung der Personendaten. Teilweise sollen diese Visa auch gegen Bestechungsgelder ausgegeben worden sein, wie im Fall von Edgar K., der ein enger Vertrauter des damaligen Vizeaußenministers war und bis zu einer halben Million Zloty (ca. 115.000 Euro) für die Vergabe von Visa erhalten haben soll.

Ein Muster, das sich durch all diese Fälle hindurchzieht, ist der systematische Missbrauch von Strukturen, die der direkten politischen Kontrolle der PiS unterlagen, und das gleichzeitige Ausschalten von weiteren Kontrollmechanismen. Diese Zentralisierung von Macht ermöglichte es der Partei Recht und Gerechtigkeit, öffentliche Gelder und Ressourcen nach eigenem Ermessen zu verteilen, oft zum Vorteil von Parteifreunden oder verbündeten Unternehmen. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang die Rolle des Zentralen Antikorruptionsbüros. Obwohl als unabhängige Institution zur Bekämpfung von Korruption geschaffen, ging das CBA praktisch nicht gegen die Regierenden vor. Dies unterstreicht, wie die Politisierung von Kontrollorganen dazu führen kann, dass diese ihrer eigentlichen Aufgabe nicht mehr gerecht werden und stattdessen zur Verfestigung von Korruption beitragen.

Korruptionswahrnehmung in Polen: Zwischen Realität und Polarisierung

Die dargestellten Fallbeispiele sind dabei weniger eine Ausnahme, sondern stehen stellvertretend für eine Zunahme der wahrgenommenen Korruption in Polen in den letzten Jahren, was sich anhand der von Transparency International erhoben Daten belegen lässt. Zwischen 2015 und 2023 sank sowohl Polens individueller Korruptionsindex als auch die relative Position des Landes im globalen Vergleich. Bei ersterem gab es eine Verschlechterung von 62 Punkten im Jahre 2015 auf 54 Punkte 2023, wobei "100" keine Korruption und "0" vollumfängliche Korruption bedeutet (s. Grafik in der Rubrik "Ranking"). Gleichzeitig sank im gleichen Zeitraum Polens Position von Platz 29 weltweit auf Position 47. Der Index von Transparency International bezieht auch die Meinung von Experten mit ein. CBOS hingegen, ein öffentliches Meinungsforschungsinstitut in Polen, das sich in der Zeit der PiS-Regierungen zu einem regierungsnahen Umfrageinstitut wandelte, erhebt in regelmäßigen Abständen die Meinung der Bevölkerung zur Korruption. Dabei lassen sich aus der letzten Erhebung von 2021 drei klare Schlüsse ziehen (s. die Daten in der Rubrik "Umfragen").

Erstens gibt es eine klare Polarisierung im Hinblick auf die Wahrnehmung von Korruption: Während nur knapp 62 Prozent der PiS-Wähler Korruption für ein großes Problem hielten, taten dies sowohl 82 Prozent der KO-Wähler und der Wähler von Polen 2050 (Polska 2050) und gar 97 Prozent der Wähler von Die Linke. Dabei verfing das Law and Order-Narrativ der PiS auch nur bei ihren eigenen Wählern: Während 41 Prozent der PiS-Wähler 2021 angaben, dass die Korruption in den letzten Jahren gesunken sei, meinten dies nur vier Prozent der KO-Wähler und drei Prozent der Wähler von Die Linke. Umgekehrt befanden nur neun Prozent der PiS-Wähler, dass die Korruption tatsächlich zugenommen habe, wohingegen dies 60 Prozent der KO- und jeweils 51 Prozent der Linke- und Polen 2050-Wähler taten. Die positive Einstellung der PiS-Wähler erklärt auch, wieso die wahrgenommene Korruption in der Gesamtgesellschaft zurückgegangen ist, zumal 2013 noch 83 Prozent die Korruption als großes oder eher großes Problem ansahen, wohingegen dies 2021 nur noch 72 Prozent der Befragten kundtaten.

Interessanterweise zeigen sich auch deutliche Diskrepanzen bei den Praktiken der Korruption. Während 2021 nur 39 Prozent der PiS-Wähler Gefälligkeitsstimmen bei Sejmabstimmungen im Gegenzug für lukrative Positionen in Staatsunternehmen oder im Staatsapparat als nicht zu akzeptierende Praxis in einem demokratischen System bezeichneten, variierte dieser Wert bei Wählern der aktuellen Regierungskoalition zwischen 73 und 83 Prozent. Dies lässt auf eine Normalisierung oder Gewöhnung an gewisse Praktiken schließen, sobald jene von der eigenen Partei angewandt werden.

Zweitens lässt sich anhand der CBOS-Erhebung feststellen, welche Akteure und Institutionen sowie Praktiken als korrupt(er) angesehen wurden. Es handelte sich vor allem um Politiker, die mit 52 Prozent an erster Stelle als korrupt genannt werden, und Ministerien, die mit 35 Prozent auf Platz zwei gesetzt werden (2021). Bemerkenswert ist dabei, dass es einen Rückgang bei der Nennung von Politikern von 62 Prozent im Jahr 2013 gab, während sich der Anteil bei Ministerien, die 2013 von nur 18 Prozent der Befragten als korrupt wahrgenommen wurden, fast verdoppelte. Insgesamt zeigt die Erhebung, dass damals deutlich weniger Respondenten die direkte Zahlung von Bestechungsgeldern als häufige Korruptionspraxis wahrnahmen (61 Prozent) als die Vergabe von lukrativen Posten an Bekannte (79 Prozent) oder die Vergabe von Staatsaufträgen an politisch vernetzte Unternehmen (76 Prozent).

Drittens ist positiv anzumerken, dass nur zehn Prozent der Befragten selbst jemanden kennen, der Bestechungsgelder angenommen hat. Dabei blieb der Wert seit 2017 konstant und war zuvor kontinuierlich gesunken, denn im Jahr 2000 machte er noch knapp 29 Prozent aus. Somit lässt sich aus der Erhebung 2021 schließen, dass Korruption insgesamt ein Phänomen war, das in erster Linie als Problem der politischen Klasse angesehen wurde. Gleichzeitig ist das Land jedoch stark polarisiert im Hinblick auf die Wahrnehmung der Korruption. Insgesamt liegen allerdings, mit Ausnahme der Zahlen der Wähler von Die Linke, die Anteile aller anderen Wähler unter der Gesamtzahl von 2006: Denn 2006 wurde Korruption noch von 93 Prozent der Polen als großes oder eher großes Problem angesehen.

Das CBA: Zwischen Antikorruptionskampf und politischer Abhängigkeit

2006 war auch das Jahr, in dem Polens Zentrales Antikorruptionsbüro (CBA) gegründet wurde. Das Gesetz, das am 9. Oktober 2006 verabschiedet wurde, war nicht zuletzt eine Reaktion auf Artikel 6 der UN-Konvention gegen Korruption, die von der UN-Generalversammlung am 31. Oktober 2003 verabschiedet worden war und die Polen dazu verpflichtete, spezialisierte Antikorruptionsinstitutionen zu etablieren. Es ist anzumerken, dass das CBA von Anfang an Kritik unterworfen war und ein Urteil des Verfassungstribunals (Trybunał Konstytucyjny – TK) von 2009 den Gesetzgeber verpflichtete, in mehreren entscheidenden Punkten, u. a. bei der Definition von Korruption, Änderungen vorzunehmen.

Insgesamt stützt sich die Arbeit des CBA auf vier Pfeiler. Erstens operationelle und investigative Aktivitäten, mit denen Korruptionsfälle aufgedeckt werden sollen. Dafür darf es auf technische Hilfsmittel zurückgreifen wie z. B. Abhör- und Beschattungsmethoden. Zweitens ist das CBA für die Überprüfung von Finanzauskünften zuständig, worunter auch die Einkommenserklärungen von Parlamentariern fallen. Für diese hat das Büro die alleinige Zuständigkeit. Die dritte Kompetenz ist die Untersuchung von Korruption in Polen. Dazu führt das Büro u. a. Prüfungen von Privatisierungen und von Interessenskonflikten durch. Der vierte Pfeiler umfasst die Prävention von Korruption. Dafür hat das CBA ein eigenes Internetportal, publiziert Fachliteratur und führt Schulungen zum Thema durch.

Am Rande sei erwähnt, dass es in Deutschland kein Äquivalent zum CBA gibt, das mehrere Funktionen in einer Behörde vereint. In Deutschland teilen sich viele verschiedene Institutionen auf Bundes- und Länderebene diese Kompetenzen. Dazu gehören das Bundeskriminalamt und das Justizministerium sowie spezielle Einheiten innerhalb der legislativen und exekutiven Institutionen der Länder. Somit stehen in Deutschland zentralistischen Modellen auch dezentrale Modelle der Korruptionsbekämpfung gegenüber, wobei beide mit Vor- und Nachteilen versehen sind.

Das CBA hat laut offiziellen Daten über 1.300 Mitarbeiter und seine zentrale Ausrichtung wird auch bei der Besetzung von Spitzenämtern sichtbar. So wird der Chef des Büros direkt vom Ministerpräsidenten für eine Amtszeit von vier Jahren bestimmt. Die Kontrolle über das Büro wird gleichzeitig einem Minister übertragen, der als "Koordinator für die Nachrichtendienste" diese Funktion im Namen des Ministerpräsidenten ausführt. Aktuell ist dies Tomasz Siemoniak. In den acht Jahren der PiS-Regierung hatte diese Stelle Mariusz Kamiński inne, der vorher, zwischen 2006 und 2009, Chef des CBA war.

Diese Verbindung zwischen Politik und dem CBA ist einer der größten Kritikpunkte, der in Debatten über das Büro vorgetragen wird. Dies wurde insbesondere zur Zeit der PiS-Regierung sichtbar. Artikel 6 des Gesetzes über das CBA besagt, dass der Chef der Behörde vom Ministerpräsidenten sowohl ernannt als auch von diesem wieder abgesetzt werden kann, ohne dass eine Karenzzeit eingehalten werden muss. Das gleiche gilt für die Vizechefs. Dadurch entsteht eine direkte, politische Abhängigkeit des Büros von der aktuellen Regierung. Um dennoch Missbrauch des CBA vorzubeugen, wurden gewisse institutionelle Barrieren eingebaut. So besagt Artikel 17 des Gesetzes, dass für viele operative Methoden, wie z. B. das Abhören oder Lesen von Internetkommunikation, eine richterliche Genehmigung notwendig ist.

Damit geht aber ein generelles Problem einher, welches sich auf die achtjährige PiS-Regierungszeit bezieht und eine Erklärung für die Probleme bei der Korruptionsbekämpfung in Polen liefert. So funktioniert diese institutionelle Kontrolle nur, wenn Gerichte auch tatsächlich unabhängig sind. Die PiS hat jedoch seit ihrem Regierungsantritt 2015 kontinuierlich immer mehr Instanzen der richterlichen Unabhängigkeit untergraben. Hinzu kommt, dass die PiS 2015 ein neues Gesetz verabschiedete, das es erlaubte, irregulär erhaltene Beweise, beispielsweise durch Umgehung der richterlichen Genehmigungspflicht, in Gerichtsverfahren zu verwenden. Dies fußte nicht zuletzt auf der Erfahrung von 2007, als das Büro in der ersten Amtszeit der PiS unter dem damaligen CBA-Chef Mariusz Kamiński, entgegen der Bestimmungen Beweise gegen den damaligen Koalitionspartner der PiS Andrzej Lepper von der Partei Selbstverteidigung (Samoobrona) gesammelt hatte.

Der Umbau der Gerichte ab 2015 eröffnete die Möglichkeit für politischen Missbrauch der weitreichenden Kompetenzen des CBA. Es stellte sich heraus, dass beispielsweise der Wahlkampfleiter der Bürgerkoalition für die Parlamentswahlen 2019, Krzysztof Brejza, ein halbes Jahr vor den Wahlen vom CBA mithilfe des Pegasus-Überwachungssystems beschattet wurde. Aufgedeckt wurde dies erst im Dezember 2021 vom kanadischen Citizen Lab (University of Toronto). Mit dem Casus Pegasus befasst sich zurzeit einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss und er wurde auch im Europaparlament besprochen.

Reform oder Umstrukturierung? Das neue Antikorruptionsgesetz auf dem Prüfstand

Angesichts dieser Skandale ist es wenig verwunderlich, dass das CBA auch im Wahlkampf 2023 ein Thema war. Im Mai 2024 wurde ein neuer Gesetzesentwurf mit dem Titel "Gesetzesentwurf zur Stärkung der Koordination von Antikorruptionsmaßnahmen, Liquidierung des CBA sowie Änderung einiger anderer Gesetze" eingebracht. Ministerpräsident Tusk unterstrich, dass der Entwurf "eine zuverlässige, unpolitische [Einrichtung], die die Korruption verfolgt und vor allem die Regierung im Auge behält, nicht die Opposition", vorsieht. Der Gesetzesentwurf sieht keine Reform des Zentralen Antikorruptionsbüros, sondern seine gänzliche Abschaffung und die Dezentralisierung der Kompetenzen zur Korruptionsbekämpfung in Polen vor. So sollen weitreichende Kompetenzen an ein eigenes Zentrales Büro zur Korruptionsbekämpfung (Centralne Biuro Zwalczania Korupcji – CBZK) übertragen werden, welches innerhalb der Strukturen der Polizei angesiedelt sein würde. Die schwersten Korruptionsverbrechen sollen jedoch laut Gesetzesvorschlag vom Inlandsgeheimdienst (Agencja Bezpieczeństwa Wewnętrznego – ABW) übernommen werden. Das Prüfen von Einkommenserklärungen soll wiederum eine Aufgabe der Staatlichen Finanzverwaltung (Krajowa Administracja Skarbowa – KAS) und die Korruptionsprävention eine Domäne des ministerialen Koordinators für die Nachrichtendienste werden.

Es gibt jedoch Kritik sowohl am Prozedere als auch am Inhalt des Gesetzesentwurfes. Beim Prozedere werfen Experten den Autoren des Entwurfs fehlende Konsultationen vor. So schreibt beispielsweise die Stefan Batory Stiftung (Fundacja im. Stefana Batorego), dass das Gesetz von breiteren Konsultationen mit Stakeholdern zunächst völlig ausgeschlossen wurde. Erst nachdem Kritik, u. a. von der Batory Stiftung selbst geäußert wurde, gab es einen Austausch zwischen Ministerien und der Zivilgesellschaft, der jedoch zeitlich deutlich eingeschränkt war.

Zweitens kritisieren die Experten der Batory Stiftung, die eigens eine Konferenz zu dem Thema organisierten, dass der Gesetzesvorschlag eher Aktionismus und von Umfragen getrieben sei und an den eigentlichen Problemen vorbeigehe. Als Gründe zählen die Experten auf, dass der Entwurf nicht in eine breitere Antikorruptionsstrategie eingebettet ist. Die letzte Strategie ist im Übrigen im Jahre 2020 ausgelaufen und seither hat Polen kein aktuelles Strategiepapier mehr in diesem Bereich. Einer der Gründe dafür ist laut Experten, dass viele andere Probleme im breiteren Antikorruptionskontext, die einer dringenden Änderung bedürften, durch eine Kopplung von Gesetz und Strategie sichtbar würden. Dazu zählen die Experten u. a. die Einkommenserklärungen, für die es knapp 20 Vorlagen in Polen gibt und die i. d. R. nicht öffentlich und nicht digitalisiert sind. Dies erschwert die Arbeit von unabhängigen Journalisten und der Zivilgesellschaft, um eine zusätzliche Kontrolle im Umfeld begrenzter staatlicher Ressourcen auszuüben.

All diese Punkte sind valide. Gleichzeitig lässt sich jedoch auch ein weiterer Zusatzpunkt anführen, da auch weiterhin politischer Druck ausgeübt werden kann. So wird der Chef des Inlandsgeheimdienstes ebenso wie beim Zentralen Antikorruptionsbüro vom Ministerpräsidenten ernannt und abgesetzt. Dies geschieht in Koordination mit der Sejmkommission für die Nachrichtendienste, die jedoch die Sejmmehrheit widerspiegelt. Auch im Falle der Staatlichen Finanzverwaltung ist eine institutionelle Abhängigkeit weiterhin sichtbar: Auch deren Vorsitzender wird auf Grundlage einer Empfehlung des Finanzministers vom Ministerpräsidenten ernannt und ist formell dem Finanzminister gegenüber rechenschaftspflichtig. Ebenso ist die letzte vorgeschlagene Institution für die Korruptionsbekämpfung, die Polizei, nicht gegen politische Einflussnahme abgesichert. So wird laut Artikel 5 des gültigen Polizeigesetzes, das aus dem Jahr 2007 stammt, der Oberbefehlshaber der Polizei vom Regierungschef ernannt und abgesetzt. 2019 prangerte die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) ein "anhaltendes Phänomen der politischen Einflussnahme auf die polizeiliche Tätigkeit" in Polen an.

Wege aus der Korruptionsfalle: Lehren und Perspektiven für Polen

Die beschriebenen Dynamiken der Korruption wurden durch das am 30. Dezember 2015 verabschiedete Gesetz über den öffentlichen Dienst noch verstärkt. Dieses Gesetz erleichterte die Entlassung von Beamten, was die politische Kontrolle über vermeintlich unabhängige Institutionen weiter festigte. Dementsprechend müssen Antikorruptionsreformen in ihrer Gesamtheit im institutionellen Rahmen gesehen werden. Eine Trendumkehr kann nur durch die Schaffung und Sicherung der Unabhängigkeit der vorher genannten Institutionen herbeigeführt werden.

Der aktuelle Gesetzesentwurf weist trotz seiner Bemühungen um eine Neustrukturierung der Antikorruptionslandschaft grundlegende Schwächen auf. Indem er die Ernennung der Leiter aller relevanten Institutionen, des Zentralen Büros zur Korruptionsbekämpfung innerhalb der Polizei, des Inlandsgeheimdienstes und der Staatlichen Finanzverwaltung, letztendlich in die Hände des Ministerpräsidenten legt, verlagert er das Problem der politischen Abhängigkeit lediglich auf mehrere Institutionen. Die politische Kontrolle wird oberflächlich diversifiziert, bleibt im Kern aber bestehen. Eine solche Struktur kann kaum die notwendige Unabhängigkeit und Effektivität gewährleisten, die für eine glaubwürdige Korruptionsbekämpfung unerlässlich sind.

Ein positives Gegenbeispiel hierfür bietet überraschenderweise die Ukraine, wo unter Einbeziehung internationaler Akteure unabhängige Antikorruptionsbehörden geschaffen wurden, die in einem schwierigen politökonomischen Umfeld bestehen. Im ukrainischen Kontext nehmen ausländische Experten eine entscheidende Rolle bei der Wahl von Spitzenposten in Antikorruptions- und sogar Rechtsinstitutionen ein. Im polnischen Kontext könnte eine entscheidende Stimme der Zivilgesellschaft bei der Ernennung von Spitzenposten in derlei Institutionen sowie starke Schutzmaßnahmen gegen die Entlassung von Mitarbeitern, die an Korruptionsfällen arbeiten, ähnlich positive Effekte erzielen. Darüber hinaus ist die Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit Bestandteil einer erfolgreichen Antikorruptionsinfrastruktur.

In diesem Zusammenhang kann das angekündigte Veto des Präsidenten gegen den aktuellen Gesetzesentwurf zur Auflösung des Zentralen Antikorruptionsbüros sogar als positiv betrachtet werden. Es bietet die Möglichkeit, den gesamten Gesetzesentwurf zu überdenken und die berechtigte Kritik von Experten aufzugreifen. Dies könnte zu einer stärkeren Verankerung dieser Reformen in eine echte Antikorruptionsstrategie und andere Rechtsstaatsreformen führen. All dies, um die Unabhängigkeit von Antikorruptionsinstitutionen zu gewährleisten, die Einbindung der Zivilgesellschaft zu fördern und robuste Schutzmechanismen gegen politische Einflussnahme zu etablieren.

Fussnoten

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Dr. Michael Martin Richter ist assoziierter Wissenschaftler an der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Er ist außerdem Mitbegründer und Forschungsleiter der Denkfabrik Coopernicus.pl in Warschau. Zuvor war er Dozent an der University of Surrey, Fellow an der Harvard University, Policy Experte beim Foreign Investors Council of Latvia und Gastforscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Brüssel. Er promovierte im Bereich Politische Ökonomie an der Universität Bremen, wo er sich mit Antikorruptionsreformen in der CEE-Region, insbesondere in der Ukraine, beschäftigte.