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Analyse: Polens schwierige Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit – Ergebnisse nach einem halben Jahr Amtszeit der Regierung Tusk | Polen-Analysen | bpb.de

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Analyse: Polens schwierige Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit – Ergebnisse nach einem halben Jahr Amtszeit der Regierung Tusk Polen-Analysen Nr. 332

Robert Grzeszczak

/ 18 Minuten zu lesen

Die Regierung von Ministerpräsident Tusk trat mit dem Wahlversprechen an, die Rechtsstaatlichkeit in Polen wiederherzustellen. Wie ist die Lage ein halbes Jahr nach Amtsantritt?

Justizminister Adam Bodnar am Tag seiner Vereidigung, 12. Dezember 2023 (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Attila Husejnow)

Zusammenfassung

Das Erbe der Jahre 2015–2023, d. h. der antidemokratischen, antieuropäischen und autoritären Phase unter der Regierungskoalition der Vereinigten Rechten, wirkt weiter fort: im polnischen Recht, den Strukturen der öffentlichen Verwaltung, dem Justizsystem, der Art und Weise der Rechtsinterpretation und -anwendung, inbegriffen die Verpflichtungen, die sich aus der Mitgliedschaft Polens in der Europäischen Union ergeben. Das erschwert der neuen Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk, komplexe und wirksame Reformen zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit durchzuführen. In bestimmten Fällen wird dies aktuell sogar unmöglich sein und aufgeschoben werden müssen. Der Grund dafür ist, dass die Regierung zwar die Mehrheit im Parlament innehat, diese aber nicht ausreicht, um das Veto des Präsidenten bei Gesetzesvorhaben abzulehnen, geschweige denn, wenn es um Verfassungsänderungen geht. Diese gesetzgeberische Machtlosigkeit hat zur Folge, dass in den schwierigsten Bereichen die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit (etwa die Heilung des marionettenhaften Verfassungstribunals und die Wiederherstellung seiner Fähigkeit, Gesetze auf ihre Verfassungskonformität zu bewerten, die Umgestaltung des Neo-Landesjustizrates, die Stärkung der Unabhängigkeit der Richter und Gerichte, das Oberste Gericht inbegriffen, die Entkoppelung von Staatsanwaltschaft und Politik) bis zu einer Veränderung der politischen Situation in Polen warten muss. Letztlich haben wir es in Polen mit einer Zeit des Wartens und der Vorbereitung intensiver Reformen zu tun, sollten sie denn durch den Ausgang der Präsidentschaftswahlen 2025 möglich gemacht werden.

Hinweis

Mit zahlreichen Reformen hat die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) seit 2015 das gesamte Justizsystem systematisch verändert, wobei die geläufigen rechtsstaatlichen Begriffe beibehalten wurden. Die Kritiker der PiS-Reformen, wie unser Autor Robert Grzeszczak, haben diese Änderungen sprachlich gekennzeichnet: Sie nennen den nicht rechtmäßigen Landesjustizrat »Neo-Landesjustizrat«, Richter, die der Neo-Landesjustizrat berufen hat, »Neo-Richter«, Richter am Verfassungstribunal wurden »Richter-Doubles«, wenn sie an die Stelle von rechtmäßig gewählten Richten traten, deren Vereidigung Präsident Duda verweigerte.

Die verstetigte antikonstitutionelle Gesetzgebung

In den Jahren 2015–2023 hatte die Regierungskoalition der Vereinigten Rechten (Zjednoczona Prawica) infolge ihrer Wahlsiege von 2015 und 2019 zwar die Mehrheit im Sejm inne, sie reichte aber nicht, um die Verfassung zu ändern. Daher war es das erste Ziel der Regierung, das Verfassungstribunal (Trybunał Konstytucyjny – TK) zu übernehmen und es in eine vollständige Abhängigkeit zu führen, um die lästige Kontrolle der Regierungstätigkeit auf Verfassungsmäßigkeit zu lähmen. Der Austausch von Richtern – etwa durch die Besetzung von bereits besetzten Stellen (sog. Richter-Doubles) – und die vollständige Unterordnung des Verfassungstribunals waren ein mehrjähriger Prozess. Allerdings war der Gesetzgeber bereits ungefähr ab 2018 von der tatsächlichen Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit befreit und dieser Zustand dauert noch an. So konnte die Verfassung geändert werden, wenn auch nicht in der formalen, vorgesehenen Weise, sondern durch Verabschiedung gewöhnlicher Gesetze. Diese nicht verfassungsmäßigen Gesetze, (z. B. das Gesetz über das Oberste Gericht (Sąd Najwyższy – SN), den Landesjustizrat (Krajowa Rada Sądownictwo – KRS), die allgemeinen Gerichte, das Mediengesetz I und viele andere) sind weiter Teil des polnischen Rechtssystems. Angesichts der Blockadehaltung des Präsidenten, der sein Veto gegen neue Gesetze einlegt oder sie an das marionettenhafte Verfassungstribunal verweist, eröffnen die Präsidentenwahlen im Frühjahr 2025 die Perspektive, Änderungen zu beschleunigen und die Rechtsstaatlichkeit in Polen wiederherzustellen – unter der Voraussetzung, dass das Amt dann nicht wieder ein Loyalist der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) übernimmt.

Das Abrutschen der Demokratie und ihre Wiederherstellung

Das Abrutschen der Demokratie und der Abbau der Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit ist (ähnlich wie ihr Wiederaufbau) ein komplexer Prozess, bei dem die Regierung verschiedenartige rechtliche und politische Werkzeuge einsetzt und die öffentliche Meinung instrumentalisiert. Dieser Prozess wird durch schrittweise strukturelle Änderungen durchgeführt, welche die liberalen und demokratischen Elemente des Systems ausschalten und durch autoritäre ersetzen. Das führt zu umfassenden und dauerhaften Veränderungen im staatlichen System mit langwährenden Folgen.

Die Ursachen der Krise der Rechtsstaatlichkeit in Polen sind komplex und gehen über einen nur politischen Streit hinaus. Der Umfang und Charakter der Infragestellung der Grundlagen des Rechtsstaates müssen als autoritär bezeichnet werden.

Die tiefe Krise der Rechtsstaatlichkeit in Polen begann mit dem Streit um die vom Sejm getätigte Wahl der Verfassungsrichter sowie der Verabschiedung einer Reihe von Gesetzen, welche die Unabhängigkeit des Verfassungstribunals infrage stellten. Der Grundsatz, dass die Verfassung übergeordnet ist, wurde beständig verletzt, indem Gesetze verabschiedet wurden, die nicht verfassungskonform waren. Beschränkt oder außer Kraft gesetzt wurde die Unabhängigkeit der staatlichen Verfassungsorgane: Verfassungstribunal, Landesjustizrat, Oberstes Gericht (das mit Loyalisten der Regierung besetzt wurde), Landesrundfunk- und -Fernsehrat (Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji – KRRiT) und vieler anderer. Am weitesten ging die Verletzung der Rechtsstaatsprinzipien im Bereich der Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter. Diese Krise und die Verletzung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit eskalierten rasch und wirkten sich auf die internationale Ebene aus, insbesondere auf die Zusammenarbeit in der Europäischen Union und im Europarat.

Rückt die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in den Hintergrund?

Jedes Thema oder Problem verliert im Laufe der Zeit in der gesellschaftlichen Wahrnehmung an Bedeutung, es weckt weniger Emotionen und hört auf, das Thema Nummer Eins zu sein. Die Gesellschaft gewöhnt sich an neue Dinge, Probleme, Sachverhalte und Verfahren und irgendwann werden sie von anderen Angelegenheiten überdeckt. Die Diskussion darüber, wie die Rechtsstaatlichkeit in Polen wiederhergestellt werden kann, findet natürlich statt und bleibt auf der Agenda der Regierung, deren Handeln u. a. die Europäische Kommission in den Blick nimmt. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung nimmt diese Problematik allerdings eine andere Stellung ein als noch im Dezember 2023, als die neue, demokratische Regierung ihr Amt antrat. Die neuen Probleme, die aktuell große Emotionen in Polen hervorrufen, sind der Europäische Green Deal, der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Energiekrise oder die effektive Verwendung der Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds. So sehr also zunächst sichtbare, radikale und schnelle Änderungen im Justizsystem auch erwartet wurden, ist die Gesellschaft doch von den akademischen Diskussionen und politischen Konflikten ermüdet und versteht immer weniger die Komplexität des Prozesses, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Mit Sicherheit wird sich während des Präsidentschaftswahlkampfes 2025 wieder eine heftige Diskussion darüber entzünden.

Das grundlegende Problem

Das grundlegende Problem ist hier die Rolle des Staatsoberhauptes in Polen. Der Präsident hat eine starke verfassungsrechtliche Position und das hat eine enorme Bedeutung für den Prozess der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit.

Ohne Beteiligung undde facto Zustimmung von Präsident Andrzej Duda kann in Polen kein Gesetz beschlossen oder geändert werden. Der Präsident steht in einem offenen Konflikt mit Ministerpräsident Donald Tusk, er ist der PiS treu ergeben und wurde zum Hauptblockierer im Gesetzgebungsprozess. Seiner Ankündigung gemäß legt er sein Veto gegen jedes Gesetz ein, dass das Justizsystem betrifft. Die Motivation seines Vetos ist, dass das Gesetz daraufhin erneut dem Sejm vorgelegt werden muss. Das Veto kann mit der qualifizierten Mehrheit von 3/5 der Stimmen bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der gesetzlich festgelegten Anzahl der Abgeordneten zurückgewiesen werden. Die Regierungskoalition besitzt diese Mehrheit im Parlament allerdings nicht. Da jedoch das Veto des Präsidenten nicht selektiv ist, d. h. sich nicht nur auf einzelne Aspekte eines Gesetzes bezieht, wird durch sein Veto das ganze Gesetz infrage gestellt, mit dem Ergebnis, dass es hinfällig ist.

Zusätzlich hat der Präsident das Recht, vor der Unterzeichnung des Gesetzes das Verfassungstribunal anzurufen, um die Vereinbarkeit mit der Verfassung überprüfen zu lassen. Wenn das Verfassungstribunal die Unvereinbarkeit verkündet, fällt das Gesetz durch. Erst die Unterzeichnung des Gesetzes durch den Präsidenten bedeutet, dass es wirksam wird. Mit anderen Worten: Jedes Gesetzesprojekt wird entweder auf den Widerspruch des Präsidenten treffen oder zur verfassungsrechtlichen Bewertung vorgelegt.

Die verfestigte Einflussnahme der PiS

Die von 2015–2023 regierende Vereinigte Rechte hatte ausreichend Zeit sowie auch Entschlossenheit, sich auf einen Machtverlust vorzubereiten und ihren Einfluss dauerhaft zu sichern.

Mindestens bis 2028 wird im Verfassungstribunal eine Mehrheit von Personen sitzen, die von der PiS eingesetzt wurden. Die aktuelle Arbeit des Verfassungstribunals ist bei der Beurteilung der Verfassungskonformität von Gesetzen, welche die Regierungskoalition verabschiedet hat, willkürlich. In verstörender Weise wird die Praxis der Rechtsschutzmittel missbraucht. Zur Illustration: Das Verfassungstribunal hat auf diese Weise dem Kulturminister verboten, Veränderungen in den Vorständen des Polnischen Fernsehen (Telewizja Polska) und des Polnischen Radio (Polskie Radio) vorzunehmen. Es hat außerdem Entscheidungen des Justizministers blockiert, die u. a. den Antrag auf Berufung eines neuen Landesstaatsanwalts betrafen oder auch die Abberufung bestimmter, mit der Vorgängerregierung verbundener Personen aus dem Amt des Gerichtspräsidenten.

Neben dem gegenüber der Vorgängerregierung "hilfsbereit" eingestellten Verfassungstribunal ist der Landesjustizrat ein Grund für die eskalierenden Probleme im Gerichtswesen, denn der nicht verfassungskonforme Landesjustizrat empfiehlt dem Staatspräsidenten weitere Personen für das Richteramt. Infolgedessen werden am Obersten Gericht weiter Neo-Richter eingeführt, denn hier ist es – anders als im Falle der allgemeinen Gerichte – der Präsident und nicht der Justizminister, der die Ausschreibung für ein Richteramt am Obersten Gericht verantwortet. Zusätzlich hat die PiS-Regierung angesichts des Risikos, ihre Macht zu verlieren, die Kompetenzen des Generalstaatsanwalts auf den Landesstaatsanwalt übertragen und infolge der eingeführten Änderungen ist dessen Abberufung nur mit Zustimmung des Staatspräsidenten möglich.

Dies sind nur einige ausgewählte Beispiele für die oben genannte verfestigte Einflussnahme der abgetretenen Regierung.

Welche Maßnahmen?

Idealistisch betrachtet, müsste die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit durchgeführt werden, indem die nicht rechtsstaatlichen Regeln abgeschafft werden. Als nächstes müssten auf der Grundlage neuer, rechtsstaatlicher Regeln die Folgen der einstigen nicht rechtsstaatlichen Verordnungen aufgehoben werden. Dieses Modell kann allerdings aus verschiedenen Gründen nicht die Grundlage für die Heilung der Rechtsstaatlichkeit in Polen sein.

In Bereichen, in denen es keine Möglichkeit gibt, Änderungen des Rechts durchzuführen und die nicht rechtsstaatlichen Verordnungen außer Kraft zu setzen, bleibt zweierlei: Entweder es werden die Folgen aufgehoben, und zwar durch Maßnahmen, diepar excellence nicht rechtsstaatlich sind, oder es werden keine Maßnahmen ergriffen und auf eine Veränderung der politischen Lage gewartet. In dieser Situation erweist sich das Problem der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit als immer komplexer, denn die nicht rechtsstaatlichen Folgen, die aufgehoben werden müssen, sind das Ergebnis der Maßnahmen, die auf der Grundlage eines "nicht rechtsstaatlichen Rechts" getroffen wurden, also eines Rechts, das nicht mit der Verfassung, der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Recht der Europäischen Union konform ist.

Die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit umfasst also zwei grundsätzliche Bereiche. Der erste ist das Rechtssystem, in dem nicht rechtsstaatliche Regeln gelten, die ebensolche Folgen nach sich ziehen. Der zweite Bereich sind die Folgen, die sich aus der Anwendung der nicht rechtsstaatlichen Regeln ergeben. Die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit betrifft beide Bereiche.

Ausgewählte Probleme und Dilemmata

Analysiert man die Vorhaben der Regierung zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit, ergibt sich generell die Frage, ob sie zum Ziel haben, die Rechtsordnung wiederherzustellen, die vor dem Regierungsantritt der PiS im Jahr 2015 galt, oder ob sie Ausdruck des Nachdenkens über die Nachteile und Schwächen der Rechtsstaatlichkeit in Polen sind und daher anstreben, hier eine neue Qualität einzuführen. Ich meine, es ist ein "Konglomerat"; beides lässt sich feststellen. Berücksichtigt man die rechtlichen und politischen Umstände, sind sie das Ergebnis einer vor allem pragmatischen Herangehensweise, weniger eines ideologischen Vorgehens. Viele Maßnahmen zielen darauf, den vorherigen Zustand wiederherzustellen, viele werden aber auch neue Standards schaffen.

Justizminister Adam Bodnar hat auf der Sitzung des "EU-Rates Allgemeine Angelegenheiten" am 21. Februar 2024 einen Aktionsplan zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in Polen vorgestellt. Die Hauptziele der Reformen betreffen: die Lösung der Probleme des Landesjustizrates, des Obersten Gerichts und des Verfassungstribunals; die Lösung der Krise an der polnisch-belarusischen Grenze sowie die Behandlung von Flüchtlingen gemäß polnischem und internationalem Recht; die Schaffung eines institutionellen Systems, um die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nicht nur in systemischer Hinsicht, sondern auch in Angelegenheiten des Schutzes der Menschenrechte umzusetzen, Klagen von Personen aus dem LGBT+-Bereich inbegriffen. Dieser Aktionsplan setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Erstens Maßnahmen, welche die Regierung ohne die Notwendigkeit, neue Gesetze zu verabschieden, ergreifen kann ("weiche Maßnahmen"). Zweitens legislative Maßnahmen, also solche, die es erfordern, das Prozedere der Gesetzgebung in Gang zu setzen, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen und Gefahren. Das wird mit Blick auf das Jahr 2025 geplant.

Abseits des Pfades der Gesetzgebung

Betrachtet man die bisherigen Aktivitäten der Regierung und des Parlaments, erweisen sich die Maßnahmen, die nicht den Weg der Gesetzgebung gehen, als die effektivsten, denn sie umschiffen die Blockadehaltung des Präsidenten. Über die wichtigsten Machtinstrumente in diesem Bereich verfügt der Justizminister. Die bereits begonnenen Aktivitäten finden in verschiedenen Bereichen statt. Dazu gehören ganz klar Personalentscheidungen und der Austausch des Verwaltungsapparats der Gerichte in Abstimmung mit der Richterselbstverwaltung, die zum ersten Mal seit 2017 nun wieder aufgenommen wurde. Seit Dezember 2023 kommt es zum Austausch der Führung in der politisch instrumentalisierten Staatsanwaltschaft, einer verstärkten Abberufung der Gerichtspräsidenten, die unter der Vorgängerregierung eingesetzt worden waren, und zur Abberufung parteiischer Disziplinarbeauftragter. Diese Maßnahmen verändern mit Sicherheit das Klima in den Gerichten und beenden die Repressalien gegenüber Richtern, die sich für die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit und die Anwendung des EU-Rechtes eingesetzt haben, was eine der grundlegenden Voraussetzungen der EU für die Freigabe der Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds war. Der Justizminister änderte die Regularien für die Verwaltung der allgemeinen Gerichte, was zur Folge hat, dass die Neo-Richter nicht an der Verhandlung über Ausschluss oder Überprüfung anderer Neo-Richter teilnehmen dürfen. Die Möglichkeit, Neo-Richter zu überprüfen, gehört ebenfalls zu den Bedingungen für den Erhalt der Corona-Hilfen. Die Notwendigkeit, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen, will Bodnar nutzen, um eine echte Reform der Justiz durchzuführen. Zu diesem Ziel beruft er vier Kodifikationskommissionen – für Strafrecht, Zivilrecht, Familienrecht sowie den Aufbau der Gerichte und der Staatsanwaltschaft. Ein weiteres Beispiel für dieser Art Vorgehen ist der Sejmbeschluss über den Landesjustizrat vom 20. Dezember 2023: In diesem ruft der Sejm auf, die zahlreichen Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Obersten Verwaltungsgerichtes (Sąd Najwyższy Administracyjny – SNA) und des Obersten Gerichtes zu vollstrecken, welche die Rechtmäßigkeit des Neo-Landesjustizrates, des Verfassungstribunals und des Systems der Disziplinarstrafen für Richter infrage stellen. Der Beschluss ruft alle entsprechenden Organe auf, die Urteile der europäischen Gerichte zu vollstrecken und in Übereinstimmung mit dem EU-Recht zu handeln.

Wesentlich ist auch, dass sich die polnische Regierung im Bereich der Vergabe der EU-Mittel unter die Kontrolle der Europäischen Union gestellt hat. Am 13. Dezember 2023, dem Tag ihres Amtsantritts, wurde der Antrag auf den Beitritt Polens zur Europäischen Staatsanwaltschaft gestellt. Eine wichtige, etwas anders geartete Veränderung betrifft die proeuropäische "Einstellung" der Regierung, was nicht nur in politischen Erklärungen zum Ausdruck kommt, sondern auch in der praktischen Interpretation und Anwendung bestimmter Vorschriften im Lichte des europäischen Rechts sowie der relevanten Rechtsprechung polnischer Gerichte, des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes.

Legislative Maßnahmen: Zukunftsmusik

Im Rahmen ihrer gesetzgeberischen Tätigkeiten hat die Regierungskoalition zehn Gesetzesprojekte vorbereitet: Es geht um die Gesetze über das Verfassungstribunal und den Landesjustizrat (zwei Projekte), das Oberste Gericht, die Staatsanwaltschaft (zwei Projekte), die allgemeinen Gerichte (zwei Projekte, betroffen ist auch das sog. Maulkorbgesetz), die Anwendung der Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes sowie den Status der Angestellten der Gerichte und Staatsanwaltschaft.

Das Inkrafttreten dieser Gesetze erfordert allerdings die Zusammenarbeit mit dem Präsidenten, doch die Praxis zeigt, dass die Chancen dafür mindestens gering, wenn nicht gar noch kleiner sind. Ungeachtet dessen ist die Arbeit an Gesetzesentwürfen selbstverständlich sinnvoll, in symbolischer Hinsicht, mit Blick auf das Image, aber auch praktisch. Die verabschiedeten Projekte stehen zur schnellen Aufnahme in das polnische Rechtssystem nach den Präsidentschaftswahlen 2025 bereit – unter der Voraussetzung, dass niemand mit Verbindungen zur PiS die Wahlen gewinnt.

Was sollte als erstes bearbeitet werden?

Neben der Heilung des Gerichtswesens gehören dazu natürlich Maßnahmen zur Vollstreckung der Urteile des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die Fragen des Justizsystems betreffen. Aus der Perspektive der EU ergibt sich aus den jährlichen Berichten der Europäischen Kommission zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union die Prioritätenliste für das Handeln der polnischen Regierung in diesem Bereich.

Vor allem müssen das Amt des Justizministers und des Generalstaatsanwalts getrennt werden und muss gewährleistet werden, dass die Staatsanwaltschaft funktional unabhängig von der Regierung ist. Die Pläne in diesem Bereich sind bereits weit fortgeschritten und das Gesetzesprojekt wartet im Grunde darauf, dass sich die politische Situation ändert. Eine deutliche Verstärkung erfordern die verpflichtenden Vorschriften im Bereich der beruflichen Transparenz, indem Bestimmungen eingeführt werden, die das Lobbying regeln, sowie durch die Einführung eines standardisierten online-Verfahrens für die Vermögenserklärungen der Staatsbediensteten, Abgeordneten und Senatoren. Eine weitere Aufgabe der Regierung und des Parlaments ist es, unabhängige und kompetente Vorbereitungs- und Gerichtsverfahren zu garantieren, und auch das Problem der zu weit reichenden Immunität für Personen, die die höchsten Regierungsämter ausüben, muss angegangen werden. Polen muss außerdem unter Beachtung der europäischen Standards ehrliche, transparente und nicht diskriminierende Lizenzvergaben für die öffentlichen Medien garantieren.

Der Landesjustizrat

Die Wiederherstellung eines unabhängigen Landesjustizrates, der verfassungskonform ist, ist nur mit einer grundlegenden Gesetzesänderung möglich. Gegen die Gesetzesnovelle wird der Präsident mit großer Wahrscheinlichkeit sein Veto einlegen. Deshalb wurden von der Regierung zwei Entwürfe vorbereitet. Ein deutlich enger gefasster, dessen Inhalt vom Präsidenten akzeptiert werden könnte – Sicherheit besteht hierüber jedoch nicht –, und ein zweiter Vorschlag, der umfassende Veränderungen im Landesjustizrat impliziert und auf eine günstige politische Lage wartet.

Der Neo-Landesjustizrat ist eine immer noch wirkungsvolle Ursache für die Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit in Polen. Er führt weiterhin die Nominierungen und Beförderungen der Richter durch. Zwar kann der Justizminister den Wirkungsbereich des Landesjustizrates teilweise einschränken, indem er keine Richterposten ausschreibt, aber für die Ausschreibungen am Obersten Gericht ist der Staatspräsident zuständig. Dies nutzt er auch, so dass das Oberste Gericht immer stärker von PiS-Loyalisten beherrscht wird, die Erste Präsidentin des Obersten Gerichtes inbegriffen.

Die Rechtmäßigkeit des Neo-Landesjustizrates haben der Europäische Gerichtshof, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und in Polen das Oberste Gericht und das Oberste Verwaltungsgericht viele Male infrage gestellt, indem sie dessen politische Instrumentalisierung benannt und darauf hingewiesen haben, dass die vom Landesjustizrat nominierten Neo-Richter den Bürgern nicht das Recht auf einen Prozess vor einem unabhängigen Gericht garantieren.

Der o. g. erste, enger gefasste Gesetzesentwurf beinhaltet die Rückkehr zum Zustand im Jahr 2015, d. h. die 15 Richter-Mitglieder müssen in geheimer Abstimmung von allen Richtern in Polen gewählt werden. Die neuen Wahlen müssten innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes stattfinden; die aktuellen Richter-Mitglieder würden ihr Mandat verlieren. Bei den Wahlen könnten keine Richter starten, die unter Beteiligung des jetzigen, nicht verfassungskonformen Neo-Landesjustizrates zur Ausübung ihrer Funktion berufen wurden.

Dieses Gesetzesprojekt reformiert nicht den gesamten Neo-Landesjustizrat, weshalb es auch nicht besonders kontrovers ist und die Chance auf Akzeptanz vonseiten des Präsidenten hat. Es löst allerdings auch nicht das grundlegende Problem des Status der bisherigen Nominierungen von Neo-Richtern. Dieses müsste in einem zweiten Schritt angegangen werden, gleich nach der Amtsübernahme durch einen anderen Staatspräsidenten.

Das Verfassungstribunal und das Oberste Gericht

Diese beiden Verfassungsorgane gehören zu den Regierungsprojekten mit hoher Priorität. Den Fall des Verfassungstribunals allein durch eine Änderung des Gesetzes über das Verfassungstribunal zu lösen, ist schwierig. Deshalb ist eine Verfassungsänderung angekündigt, die vermutlich die Zeit bis zu den nächsten Parlamentswahlen (2027) in Anspruch nehmen wird. Die Aufforderung zur Verfassungsänderung wurde im o. g. Sejmbeschluss bereits eingeleitet, der u. a. die Verfassungsrichter, die nicht rechtskonform gewählt wurden, zum Amtsverzicht aufruft. Es wird ein Entwurf zu einem umfassenden Gesetz zur Reform des Verfassungstribunals erarbeitet, das jedoch ebenfalls auf günstige politische Umstände warten muss.

Zur Illustration des marionettenhaften Einsatzes des Verfassungstribunals sei angeführt, dass die Europäische Kommission am 15. Februar 2023 den Beschluss fasste, Polen wegen Verletzung des EU-Rechts durch das Verfassungstribunal vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Diese Entscheidung war eine Reaktion auf zwei Stellungnahmen des Verfassungstribunals vom 14. Juli und 7. Oktober 2021 (da dem Spruchkörper Richter-Doubles angehörten und der zu beurteilende Gegenstand nicht in den Bereich des Verfassungstribunals fiel, handelte es sich nicht um Urteile, sondern um Stellungnahmen). In diesen hatte das Verfassungstribunal festgestellt, dass Art. 19 des EU-Vertrags sowie Art. 279 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Verständnis und in der Anwendung des Europäischen Gerichtshofes nicht mit der polnischen Verfassung konform sind. Damit focht das Verfassungstribunal eindeutig die allgemeinen Grundsätze der Europäischen Union an, insbesondere die Autonomie, Vorrangstellung, Rechtswirksamkeit und einheitliche Anwendung ihres Rechtes sowie das Prinzip der verbindlichen Wirksamkeit der Urteile des Europäischen Gerichtshofes und auch des Art. 19, Abs. 1 des EU-Vertrags, der das Recht auf effektiven Gerichtsschutz garantiert. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Was das Oberste Gericht betrifft, wird v. a. die endgültige Einstellung der beiden von der PiS einberufenen Kammern (die Kammer für Außerordentliche Überprüfung und Öffentliche Angelegenheiten und die Kammer für Berufliche Verantwortung, die aus der einstigen Disziplinarkammer hervorging) in den Blick genommen. Beide Kammern sind nicht rechtskonform und ihr Status wurde vom Europäischen Gerichtshof, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der Europäischen Kommission und dem Obersten Gericht selbst, in der Besetzung der "alten" Richter, infrage gestellt. Die Kammern sind mit Neo-Richtern besetzt und haben den Status von Sondergerichten. Ihre Besetzung wurde letztlich von Politikern der PiS geprägt. Darüber hinaus wird die "außerordentliche Klage" abgeschafft, die unter der Regierung der Vereinigten Rechten eingeführt wurde und die der damalige Justizminister Zbigniew Ziobro nutzte, um für die Regierung unbequeme Urteile zu kassieren.

Die Staatsanwaltschaft sowie Disziplinarverfahren gegen Richter ("Maulkorbgesetz")

Dringend sind auch zwei weitere Gesetzesprojekte, die ebenfalls den Erwartungen der Europäischen Kommission entgegenkommen: die Trennung des Amtes des Generalstaatsanwalts und des Justizministers sowie die Rücknahme der repressiven Vorschriften gegenüber Richtern, das sog. Maulkorbgesetz aus dem Jahr 2020. Es geht um eine ausdifferenzierte Novelle des Gesetzes über das Oberste Gericht, des Gesetzes über die allgemeinen Gerichte sowie einer Reihe anderer Gesetze. Das drakonische Disziplinierungsmodell für Richter unter Androhung von Strafen sollte der Infragestellung des Status der Disziplinarkammer, des Verfassungstribunals, des Neo-Landesjustizrates und des Status der Neo-Richter allgemein Einhalt gebieten. Das Gesetz, das das Infragestellen als schwere disziplinarische Verfehlung bestimmt, hat den Richternde facto verboten, die Urteile des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes zu vollstrecken. Beide Gesetzesprojekte sollen von der Regierung noch im Sommer 2024 beschlossen werden.

Die Trennung des Amtes des Generalstaatsanwalts und des Justizministers fordert die Europäische Kommission schon seit Jahren mit der Begründung, dass der Staatsanwaltschaft dadurch eine größere Unabhängigkeit von der Politik gewährt werden würde. Den neuen Generalstaatsanwalt wird mit großer Wahrscheinlichkeit der Sejm mit der Zustimmung des Senats wählen. Später, vermutlich 2025, wird ein Gesetz über eine neue Staatsanwaltschaft verabschiedet werden, das die endgültige Struktur der Staatsanwaltschaft, Beförderungsmöglichkeiten, die Verantwortlichkeit der Staatsanwälte und ihre individuelle Unabhängigkeit klärt sowie ein neues Modell ihrer disziplinarischen Verantwortung einführt.

Im Falle des "Maulkorbgesetzes" wurde eine Novelle des Gesetzes über die Struktur der allgemeinen Gerichte geplant, aus dem die repressiven Vorschriften gegenüber Richtern gestrichen sind. Die Novelle ist dringend, denn im Juni 2023 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass das "Maulkorbgesetz" nicht rechtskonform mit dem EU-Recht ist. Dieses Urteil wurde immer noch nicht umgesetzt und mit Blick auf die Blockadehaltung des Präsidenten sind die Chancen gering, dass es vollstreckt wird. Die Europäische Kommission war sich dessen bewusst und entschied sich abzuwarten; die Regierung wiederum garantiert u. a. durch eine Änderung bei der Interpretation der relevanten Vorschriften, dass das Gesetz nicht in dem Bereich angewendet wird, in dem es mit der Verfassung und dem EU-Recht in Konflikt geriete. Die Disziplinarverfahren, die auf der Grundlage des "Maulkorbgesetzes" initiiert wurden, werden eingestellt. Dies ist ein Beispiel dafür, dass ein Gesetz "unschädlich" gemacht wird, indem es nicht angewendet wird – eine kontroverse Lösung, zurzeit allerdings die einzig mögliche.

Die allgemeinen Gerichte und die Umsetzung der Urteile des EuGH und des EGMR

Der Sommer 2024 ist eine Zeit der intensiven Umsetzung der Reparatur des Justizsystems und in dieser Zeit sollten auch Fragen der Delegierung von Richtern an Gerichte der höheren Instanzen geregelt werden. Das Recht des Justizministers, Richter abzuordnen und sie ohne Angabe von Gründen abzuberufen, hat der Europäische Gerichtshof im Jahr 2021 infrage gestellt – der Justizminister kann auf diese Weise Einfluss auf die Urteile der Richter nehmen. Das Justizministerium plant, Kriterien für das Delegieren einzuführen, damit die Entscheidungen nicht willkürlich sind.

Darüber hinaus initiierte der Minister die Rückkehr der Richter-Selbstverwaltung in den Gerichten, die an den wichtigsten Entscheidungen beteiligt wird. Die Änderungen im richterlichen Disziplinarsystem sind eine Bedingung, damit die eingefrorenen Mittel des Corona-Wiederaufbaufonds für Polen freigesetzt werden.

Andere Änderungen im Gerichtswesen sind mittelfristig geplant und fügen sich in das Gesamtprojekt der Gesetzesnovelle über die allgemeinen Gerichte ein. Es umfasst die Struktur, Organisation, Finanzierung und Digitalisierung der Gerichte, den Status der Richter und ihre disziplinarische Verantwortung.

Die letzte legislative Maßnahme mit hoher Priorität, die für das Jahr 2024 angekündigt ist, ist das Gesetzesprojekt zur Umsetzung von Urteilen internationaler Gerichte durch Polen. Die "unbequemen" Urteile des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wurden mit Hilfe des marionettenhaften Verfassungstribunals bewertet, infrage gestellt und nicht vollstreckt. Ein neues Gesetz definiert die Regeln und Termine für die Umsetzung dieser Urteile. In diesem Zusammenhang findet bereits eine Durchsicht der polnischen Stellungnahmen zu den vor dem Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Verfahren statt, v. a. betrifft das die Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit und zum Verhältnis des nationalen und des EU-Rechts.

Die Regierung akzeptiert die bisherigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über Polen und hat ihren Willen erklärt, sie umzusetzen. In den laufenden Angelegenheiten revidiert das Justizministerium seine Haltung, was zur Folge haben sollte, dass der lawinenhafte Anstieg ungünstiger Urteile Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unterbrochen wird.

Die Regierung änderte ihre Haltung zur Klage der Europäischen Kommission in Sachen Verfassungstribunal und erkannte die Vorwürfe der Kommission an. Die Regierung übermittelte dem Europäischen Gerichtshof auch eine Stellungnahme, in der sie das Recht der Richter bestätigte, präjudizielle Fragen einreichen zu können.

Signale aus der Europäischen Union

Die getroffenen Maßnahmen riefen Reaktionen der EU hervor. Die Europäische Kommission entschied am 29. Mai 2024, das 2017 begonnene Prozedere nach Art. 7 des EU-Vertrags gegen Polen einzustellen – wobei die sechs Jahre, die das Prozedere dauerte, in der Praxis zu nichts geführt haben. Die Europäische Kommission wies darauf hin, dass Polen eine Reihe von legislativen und nicht legislativen Mitteln eingesetzt hat, um die Probleme der Unabhängigkeit der Justiz zu lösen, den Vorrang des EU-Rechts anerkannt und sich verpflichtet hat, die Urteile des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Gerichte inbegriffen, umzusetzen. Unmittelbarer Bezugspunkt für die Stellungnahme der Europäischen Kommission war die von Justizminister Adam Bodnar vertretene Strategie.

Zusammengefasst: Der Prozess des Wiederaufbaus der Rechtsstaatlichkeit in Polen ist schwierig und von der Zusammensetzung des politischen Kräfteverhältnisses abhängig. Mit Blick auf die nächsten zwei Jahre (2024–2025) sollten in Polen wesentliche systemische Rekonstruktionen aller Bereiche der Justiz, vom Verfassungstribunal über das Oberste Gericht und den Landesjustizrat bis zu den Gerichten und Staatsanwaltschaften, durchgeführt werden.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Lesetipp

Justizminister Adam Bodnar hat am 2. Juli 2024 auf Einladung des Walter Hallstein Instituts eine Humboldt-Rede zu Europa "Restoring the Rule of Law in Poland" gehalten. Sie ist abrufbar auf YouTube unter: Externer Link: https://www.youtube.com/live/Ii-oGf_EU_s (abgerufen am 08.07.2024).

Fussnoten

Weitere Inhalte

Prof. Robert Grzeszczak ist Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Warschau (Uniwersytet Warszawski), Experte für Europarecht, Vorsitzender des Ausschusses für Rechtswissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften (Polska Akademia Nauk – PAN) und Mitglied des Expertennetzwerkes Team Europe.