Die politischen Veränderungen in Polen, die mit den von der Opposition gewonnenen Parlamentswahlen am 15. Oktober 2023 einhergingen, haben einem großen Teil der polnischen Gesellschaft neue Hoffnung gemacht. Sie haben jedoch auch zu Turbulenzen geführt, z. B. bei der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und der Entpolitisierung der öffentlichen Medien.
Der angekündigte Wandel ist auch in der Außenpolitik zu spüren. Die von der nationalkonservativen Regierung betriebene Politik hat in den acht Jahren ihrer Regierungsverantwortung (2015–2023) zu Problemen auf internationaler Bühne geführt, z. B. mit Deutschland, Frankreich und Israel und während des Wahlkampfes auch mit dem bisher engen Freund Ukraine, die am 24. Februar 2022 von Russland überfallen wurde. Bundeskanzler Olaf Scholz’ Ankündigung einer Zeitenwende (27. Februar 2022) infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hatte die deutsch-polnischen Beziehungen nicht verbessert. Deren Ziel hätte es sein können, gemeinsam der Ukraine zu helfen und gemeinsame Impulse für eine neue europäische Ostpolitik, auch gegenüber Russland, zu setzen, zumal sich Deutschland nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine gegen Russland ausgesprochen und die Notwendigkeit nicht nur einer eigenen, sondern auch einer europäischen Verteidigungspolitik akzeptiert hat (auch wenn es Zeit und Druck brauchte, dass Deutschland seine Denk- und Handlungsweise änderte). Polen, direkter Nachbar der angegriffenen Ukraine, bekräftigte seinerseits die Notwendigkeit, seine eigenen Verteidigungskapazitäten zu stärken, was sich in zahlreichen Großaufträgen des polnischen Verteidigungsministeriums für den Kauf von militärischer Ausrüstung für die Armee widerspiegelte.
Fehlende Kooperationskompetenz der nationalkonservativen Regierung
Polens vorrangiges Interesse angesichts des Krieges in der Ukraine besteht darin, seine eigenen Grenzen zu sichern und mit Europa und den USA im Rahmen der NATO eng zu kooperieren, um die gemeinsame Sicherheit zu gewährleisten. Dazu bedarf es der Zusammenarbeit und der Suche nach Anknüpfungspunkten. Die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), welche die Regierung bis 2023 anführte, versuchte, die Zusammenarbeit mit den USA auszubauen. Präsident Andrzej Duda, der der PiS nahesteht, spielte dabei eine wichtige Rolle, aber der Partei fehlte die Verhandlungskompetenz innerhalb der Europäischen Union, mit der sie vor allem über die eingeführten Veränderungen im polnischen Justizwesen und die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit stritt. Die direkten Angriffe der nationalkonservativen Regierung auf die EU und Berlin führten auch zu einer deutlichen Verschlechterung der Beziehungen zu Deutschland, dem wichtigsten Akteur innerhalb der Gemeinschaft und Polens wichtigstem Wirtschaftspartner. Mit Frankreich war die Situation nicht besser, was die Einfrierung der Aktivitäten des Weimarer Dreiecks (Deutschland, Frankreich, Polen) mit sich brachte. In Polen fehlte es an Reflexion über die von Olaf Scholz angekündigte neue europäische Ostpolitik, die die Positionen und Anliegen der mittel- und osteuropäischen Länder berücksichtigen würde. Zudem hatte sich die PiS-Regierung in eine schwierige Lage gebracht: Selbst wenn sie die Zusammenarbeit mit Deutschland als strategisch wichtig erachtet hätte, hätte sie eine solche Kehrtwende ihren Wählern angesichts ihrer jahrelangen antideutschen Politik nicht glaubhaft erklären können. Die Oppositionsparteien wiederum hatten mangels Mehrheit im polnischen Parlament kein Mitspracherecht bei der Gestaltung der polnischen Außenpolitik. Die Opposition wurde von der PiS nicht in die Entscheidungsprozesse in Bezug auf die Ukraine eingebunden, Entscheidungen wurden ohne sie zu konsultieren und unter Umgehung der Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrates getroffen.
Die neue Regierung und die Altlasten ihrer Vorgänger
Es ist nicht auszuschließen, dass die Effektivität der Arbeit der Mitte-links-Regierung (seit Dezember 2023), auch in der Außenpolitik, noch einige Zeit durch innenpolitische Probleme beeinträchtigt werden wird. Die in den vergangenen Wochen in den Ministerien durchgeführten Überprüfungen der Tätigkeiten der letzten Jahre, die Konzentration auf innere Angelegenheiten wie die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit, aber auch die Zwänge, die sich aus der Bildung einer Koalition aus vier weit voneinander entfernten Parteien (von den Konservativen bis zu den Linken) ergeben, und schließlich die Kohabitation der Regierung mit dem PiS-nahen Präsident Andrzej Duda können bestimmte Entscheidungen verlangsamen. Bisher schien die Möglichkeit, Botschafter in wichtigen Partnerländern auszutauschen, zweifelhaft – es wurde vermutet, dass der Präsident die Änderungen nicht bewilligen würde. Trotzdem sind die Entscheidungen im März 2024 gefallen und es wurden rund 50 Botschafter abberufen. Sie werden entweder ausgetauscht oder die Botschaften werden im Falle der Weigerung des Präsidenten durch Chargé d’Affaires geleitet. Seinen Posten verliert u. a. der Botschafter in Berlin, nicht zuletzt wegen der Vorbereitungen der Regierungskonsultationen zwischen Polen und Deutschland, die am 2. Juli 2024 stattfinden werden.
Auch die Ressentiments gegenüber Deutschland, die in den letzten Jahren von der PiS in der Gesellschaft geschürt wurden, können erhebliche Auswirkungen auf die Politik der neuen Regierungskoalition haben. Für sie stellt sich die Frage, wie sie mit dem Thema Deutschland und der Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen umgehen soll, was für die Sicherheit Polens von zentraler Bedeutung ist. Wie lässt sich nach acht Jahren antideutscher Kampagnen einem großen Teil der polnischen Gesellschaft die Notwendigkeit einer engen und partnerschaftlichen(!) Zusammenarbeit mit Deutschland erklären? Wie soll man die getroffenen Entscheidungen darstellen, wenn man acht Jahre lang beschuldigt wurde, ein "Agent Deutschlands" zu sein und im Interesse des Nachbarn zu handeln? Daraus möglicherweise resultierende Selbstbeschränkungen können eine starke Bremse sein. Umso wichtiger sind Führungspersonen in der Diplomatie, die zielgerichtet und mit Erfahrung und Entschlossenheit konkrete Lösungen und ihre Umsetzung vorantreiben.
Proeuropäisch für ein starkes Polen
Ungeachtet dieser Schwierigkeiten scheint die neue polnische Regierung eine echte Chance zu haben, die Beziehungen zwischen Polen und der Europäischen Union und ihren einzelnen Mitgliedsstaaten, darunter vor allem Deutschland, wieder positiv zu gestalten. Die ersten Schritte wurden von Ministerpräsident Donald Tusk bereits unternommen: An seinem ersten Tag im Amt am 13. Dezember 2023 fuhr er nach Brüssel zum Gipfel des Europäischen Rates, wo er von den europäischen Entscheidungsträgern begrüßt wurde, als sei ein lang ersehnter Partner zurückgekehrt. Die erste Tranche aus dem National Recovery Plan – fünf Milliarden Euro – wurde bereits freigegeben, die nächste Zahlung wird im April 2024 erwartet; weitere sollen folgen. Die Stimmung in Brüssel um Donald Tusk ist sehr gut, und das allein macht schon große Hoffnungen für die Zukunft. Der neue-alte Außenminister Radosław Sikorski (bereits 2007–2014 unter dem damaligen Regierungschef Tusk im Amt) machte seinen ersten Antrittsbesuch in Kiew; wenig später traf er seine Amtskollegin Annalena Baerbock in Berlin, mit der er sich offenbar gut verstand. Mitte Februar 2024 starteten beide Politiker eine diplomatische Offensive: Ministerpräsident Tusk traf Präsident Emmanuel Macron in Paris und Bundeskanzler Scholz in Berlin. Gleichzeitig kam Radosław Sikorski im Rahmen des Weimarer Dreiecks mit Annalena Baerbock und dem französischen Chefdiplomaten Stéphane Séjourné zusammen. Die engen persönlichen und beruflichen Kontakte von Ministerpräsident Tusk und Minister Sikorski zu aktuellen und ehemaligen Entscheidungsträgern vieler europäischer Länder ermöglichten vom ersten Tag ihrer Amtszeit an intensive Gespräche; das Misstrauen, das die Kontakte zwischen der Vorgängerregierung und den EU-Mitgliedern und -Behörden begleitete, schwindet.
Zweifellos räumt die neue polnische Regierung der Wiedererlangung einer gestaltenden, einflussreichen Position Polens auf internationaler Bühne, auch in der Ostpolitik, Priorität ein. Hier sei an das Engagement der vorherigen PO-Regierung (2007–2015) erinnert, welcher der politisch sehr ehrgeizige Radosław Sikorski ebenfalls als Außenminister angehörte. Mit ihm gelang es Polen, das polnisch-schwedische Projekt der Östlichen Partnerschaft durchzusetzen, das die polnische Ostpolitik mit der der Europäischen Union verknüpft. Sikorskis starkes Engagement zeigte sich auch bei den Versuchen, die Lage in der Ukraine nach der Annexion der Krim durch Russland und dem Ausbruch des Krieges im Donbass 2014 zu stabilisieren. Eine Enttäuschung seiner Politik war hingegen der Ausschluss Polens von den Gesprächen im Normandie-Format zwischen Deutschland, Frankreich, der Ukraine und Russland.
Aber nicht nur frühere Ambitionen, eine Rolle in der internationalen Politik zu spielen, sind hier von Bedeutung. Es genügt, einige der jüngsten Äußerungen von Ministerpräsident Tusk zu analysieren, etwa sein Exposé im Sejm am 12. Dezember 2023 und seine Laudatio in Potsdam im September 2022 im Rahmen des M100 Sanssoucis Colloquium. Im Sejm betonte Tusk, wie wichtig es ist, dass Polen seinen rechtmäßigen Platz auf der europäischen Bühne wiedererlangt: "Ich glaube nicht, dass ich irgendjemanden davon überzeugen muss […], wie wichtig es ist, unser nationales Dogma zu bekräftigen, dass […] Polen seine Position als Leader der Europäischen Union wiedererlangen wird, dass Polen seine Stärke, seine Position, die es verdient, […] seine Position als Leader in der EU durch Zusammenarbeit und durch Respekt vor dieser größeren Gemeinschaft, die Europa heute ist, aufbauen wird." In Potsdam hingegen zeigte er sich als starker Politiker, der an den Westen, vor allem an Deutschland, appellierte, die Ukraine weiterhin entschieden zu unterstützen, und er scheute sich nicht, hohe Töne anzuschlagen: "Wenn das Schuld- und Verantwortungsgefühl für den Zweiten Weltkrieg die Deutschen heute zu irgendetwas verpflichten sollte, dann vor allem dazu, sich unmissverständlich und voll auf die Seite der Ukraine im Kampf gegen den Aggressor zu stellen. Und dazu, an die Frage der Wiedergutmachung gegenüber den Völkern, die den höchsten Preis für den Wahn des Nationalsozialismus gezahlt haben, ernsthaft und ehrlich heranzugehen."
In der aktuellen polnischen Regierung sind die Positionen, die die Außenpolitik prägen, mit erfahrenen Politikern besetzt, welche die Materie und die Strukturen des Außenministeriums sowie der EU kennen und Kontakte sowie vor allem einen Sinn für Machtgefüge und -bedingungen haben. Wie Donald Tusk in seinem Exposé sagte, wird er sich von der EU nicht täuschen lassen. Der ehemalige Präsident Aleksander Kwaśniewski sieht Tusks Position ähnlich, wie er in einem von der Polnischen Presseagentur (Polska Agencja Prasowa – PAP) zitierten Interview nach der Verlesung des Exposé im Sejm sagte: "In die europäische Politik geht ein Politiker, der wahrscheinlich der erfahrenste oder zumindest einer der erfahrensten ist. […] Es kehrt ein Politiker in die europäische Politik zurück, der wirklich ein Schwergewicht ist, dessen Meinung berücksichtigt wird und der ohne Zweifel oder Verdacht, nicht europäisch zu sein, zum Beispiel auf die Unausgereiftheit einiger Projekte hinweisen kann, welche die Europäische Union vorbereitet".
Chancen auf eine zentrale Position
Im Außenministerium selbst besteht offenbar der Wunsch, zu den Lösungen zurückzukehren, von denen sich die PiS verabschiedet hatte. Dies gilt vor allem für Personalfragen. Die PiS hat auf vielen Ebenen des Ministeriums radikale Personalveränderungen vorgenommen und zahlreiche erfahrene Diplomaten entlassen. Einige von ihnen werden nun wieder in das Ministerium geholt, wie etwa Marek Prawda, der Unterstaatssekretär geworden ist. Die Wiedereinstellung von Prawda, dem ehemaligen polnischen Botschafter in Berlin, aber auch die Ernennung von Władysław Bartoszewski Junior, dem Sohn des "Symbols" der deutsch-polnischen Aussöhnung, Professor Władysław Bartoszewski, zum Staatssekretär im Außenministerium kann als Zeichen an Deutschland und als Wille zur Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen verstanden werden.
In diesem Zusammenhang bietet sich Polen mit dem Regierungswechsel auch die einzigartige Gelegenheit, seine Position in Europa und damit seine eigene und die europäische Sicherheit zu stärken. Die Bildung einer neuen Regierung ermöglicht Polen, neue Autorität in Europa zu erlangen. Bestimmte Voraussetzungen dafür sind bereits vorhanden. Beim Ausbruch des Krieges in der Ukraine gab es zum einen die beispiellose Hilfe der polnischen Gesellschaft für die Ukrainer, die zu Millionen ins Land strömten und von denen schließlich rund eine Million Menschen in Polen geblieben sind. Hinzu kommt die wichtige Position Polens als Drehscheibe für die Lieferung von Militärausrüstung in die Ukraine. Polen spielte lange Zeit während des Krieges eine wichtige Rolle als Vertreter der ukrainischen Interessen, doch seine schlechten Beziehungen zur EU und die Erschöpfung seiner Verhandlungs- und Militärkapazitäten führten dazu, dass sich der Schwerpunkt der ukrainischen Interessen auf das strategisch wichtigere Deutschland verlagern musste. Die Notlage der Ukraine bei der Gewährung europäischer und US-amerikanischer Finanzmittel für die weitere Verteidigung des Landes könnte Polen jedoch wieder den Weg für eine stärkere Unterstützung der Ukraine öffnen.
Institutionen der Politikberatung
Um Polen auf eine einflussreiche Position zu führen und seinen Partnern konstruktive Vorschläge für eine konsequente und ehrgeizige Außenpolitik zu unterbreiten, können Außenminister Sikorski und Ministerpräsident Tusk auf Institutionen der Politikberatung zurückgreifen, von denen Impulse zu EU-Reformen, zur Verteidigungspolitik oder zur Gestaltung einer neuen europäischen Ostpolitik ausgehen. Gerade ein Jahr bevor Polen in der ersten Jahreshälfte 2025 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernehmen wird, sollten aus verschiedenen fachpolitischen Kreisen Impulse zur Festlegung der Prioritäten kommen. In Polen gibt es nicht viele Thinktanks, die sich mit außenpolitischen Fragen befassen.
Zu den öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Institutionen gehören:
Das Institut für Mitteleuropa (Instytut Europy Środkowej) in Lublin, das 2018 von der PiS-Regierung als Ersatz für das von ihr liquidierte Institut für Mittel- und Osteuropa (Instytut Europy Środkowo-Wschodniej) gegründet wurde, kann ebenfalls dazugezählt werden.
Die wichtigsten unabhängigen, nichtstaatlichen Zentren, die sich mit außenpolitischen Fragen befassen, sind:
Die oben genannten regierungsnahen Einrichtungen werden aus öffentlichen Mitteln finanziert. Ihre Direktoren werden vom Ministerpräsidenten i. d. R. für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt. Nach acht Jahren nationalkonservativer Regierung saßen in den Gremien dieser Institute bis vor kurzem noch Personen mit engen Verbindungen zur PiS. Die Einrichtungen sind zwischen Politik und unabhängiger wissenschaftlicher Analyse angesiedelt, sie unterstützen Entscheidungsträger und Diplomaten, initiieren öffentliche Fachdebatten und verbreiten Wissen über aktuelle Entwicklungen in den internationalen Beziehungen. Ihre Forschungsbereiche sind der Nahe Osten und Afrika, Asien und die Pazifikregion, Ost- und Mitteleuropa, die Europäische Union und das Weimarer Dreieck (PISM); die Innen- und Außenpolitik Russlands, Belarus’, der Ukraine, Moldawiens, der Türkei, des Kaukasus und Zentralasiens, Chinas, der Länder Mittel- und Osteuropas, Deutschlands und Nordeuropas sowie Sicherheit und Verteidigung (OSW); Deutschland und die aktuellen Entwicklungen sowie die deutsch-polnischen Beziehungen (IZ).
Diese drei Institute sollen, so die gesetzliche Festlegung, staatlichen Einrichtungen Wissen und Expertise in den Bereichen Außenpolitik, Europapolitik sowie bilaterale und multilaterale Beziehungen zur Verfügung stellen. Die Zusammensetzung ihrer Leitung und ihrer Räte aus der PiS-Ära war nach dem Regierungswechsel kein Garant für gute Zusammenarbeit und Vertrauen zwischen ihnen und den nun neu besetzten Ministerien und staatlichen Institutionen. Daher wurde zu Recht erwartet, dass die von der PiS ernannten Vorstände und Räte rasch abgelöst werden und die Institute unter neuer Führung die Möglichkeit erhalten, Ideen zu entwickeln und den Entscheidungsträgern Impulse für die Neuausrichtung der polnischen Außenpolitik zu geben. Die Umbesetzung hat mit dem politisch am stärksten belasteten der drei Zentren, dem Westinstitut, begonnen. Nur zwei Wochen nach der Vereidigung der neuen Regierung wurde auf Beschluss des Ministerpräsidenten der bisherige Rat, dem Politiker und Professoren mit direkten oder engen Verbindungen zur PiS angehörten, abgelöst. Auch der Rat des PISM wurde personell neu aufgestellt.
Die zweite Gruppe von Einrichtungen, die außenpolitischen Entscheidungsträgern Impulse für die Gestaltung der Außenpolitik geben sollen, sind unabhängige Organisationen und Denkfabriken, die nicht aus dem öffentlichen Haushalt finanziert werden. Zu den – auch international – bekanntesten und angesehensten gehören die Kazimierz-Pułaski-Stiftung, der German Marshall Fund, der European Council on Foreign Relations und das Zentrum für Internationale Beziehungen.
Die Kazimierz-Pułaski-Stiftung ist auf Außenpolitik und internationale Sicherheit und Resilienz (Wirtschaft, Energie, Cybersicherheit) spezialisiert. Auch ihr Haupttätigkeitsbereich ist die Erstellung von Analysen zur Beschreibung und Erklärung internationaler Ereignisse und Entwicklungen mit Empfehlungen und Lösungen für Entscheidungsträger in Regierung und Wirtschaft. Die Pułaski-Stiftung betont ihre Eigenständigkeit und weltanschauliche Neutralität. Ihre Finanzierungsquellen sind Zuschüsse von internationalen und nationalen Institutionen (75 Prozent der Einnahmen im Jahr 2022), Partnerschafts- und Sponsoringverträge (23 Prozent) und Spenden für satzungsgemäße Zwecke (zwei Prozent). Zwischen 2015 und 2022 kamen die Mittel u. a. vom US-Außenministerium, aus norwegischen Fonds, dem polnischen Außenministerium, der Polish-American Freedom Foundation und dem Europarat. Die Pułaski-Stiftung belegt seit Jahren einen hohen Rang im Global Go To Think Tank Index der Universität Philadelphia. Im Jahr 2020 nahm sie Platz 1 auf der Liste der Denkfabriken in Polen in der Kategorie Top Defense and National Security und Platz 22 auf der Liste der Top Think Tanks 2020 in Mittel- und Osteuropa ein. Sie ist Gewinner des Think Tank Awards 2017 in der Kategorie Best EU International Affairs Think Tank, der von der britischen Zeitschrift Prospect verliehen wird.
Die Kompetenz des Teams der Pułaski-Stiftung mit mehr als 50 Experten und sein beeindruckendes Netzwerk an Kontakten und damit der direkte Einblick in die internationale Politik zeigt sich insbesondere im Rahmen des jährlich stattfindenden Warsaw Security Forum (WSF), der größten internationalen Sicherheitskonferenz in der Region. Das WSF ermöglicht Entscheidungsträgern aus EU- und NATO-Ländern den Austausch von Ideen und Positionen. In den letzten Jahren war die Pułaski-Stiftung bei der Organisation des WSF auf gute Kontakte zur polnischen Regierung angewiesen. Infolge des Regierungswechsels ist eine Neuorientierung notwendig, die vermutlich schnell und ohne größere Probleme vonstattengehen wird. 2023 legte die Pułaski-Stiftung den Bericht "Central and Eastern Europe (CEE) as a New Center of Gravity: Recommendation on Strengthening Regional, European and Transatlantic Security" vor. Hier stellen rund 30 international anerkannte Experten Positionen zu den Themen Verteidigung, demokratische Resilienz, Energie sowie Klima- und Cybersicherheit vor, die als Handlungsaufforderung an Entscheidungsträger gedacht sind.
Eine weitere Institution ist der German Marshall Fund of the United States (GMF), der sich aus Beiträgen von Einzelpersonen, Stiftungen, Unternehmen, US-amerikanischen und ausländischen Regierungsstellen finanziert. Zu den zahlreichen strategischen Geldgebern gehören u. a. die Außenministerien Deutschlands, Schwedens, Belgiens und der Slowakei, die Europäische Kommission und die Georgetown University. Der GMF hat seinen Hauptsitz in Washington DC und unterhält Büros in Ankara, Berlin, Belgrad, Brüssel, Bukarest, Paris und Warschau. Die Aufgabe des relativ kleinen Warschauer Büros, das 2011 eingesetzt wurde, ist es, Expertise und Empfehlungen zu transatlantischen sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen sowie zur Demokratie in Mitteleuropa und den Ländern der Östlichen Partnerschaft zu erarbeiten und Debatten anzustoßen (die amerikanisch-polnischen Beziehungen, die deutsche Sicherheitsstrategie, die Bedeutung der amerikanisch-polnisch-deutschen Führung und Zusammenarbeit im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine u.ä.). Durch die Zusammenführung von Experten und Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft trägt der GMF zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen bei. Der Leiter des Warschauer Büros, Michał Baranowski, ist ein renommierter Experte für die NATO, die transatlantischen Beziehungen und die Außenpolitik der USA, der häufig von Associated Press, Financial Times, Wall Street Journal, Die Welt, Reuters u. a. zitiert wird.
Der Schwerpunkt des European Council on Foreign Relations (ECFR) ist es, zur Entwicklung und Europäisierung der nationalen Debatten im Kontext der europäischen außenpolitischen Prioritäten und Herausforderungen beizutragen. Zu diesem Zweck bringt der ECFR europäische politische Entscheidungsträger, Experten und Vertreter von NGOs zusammen. Die Hauptthemen der Arbeit des ECFR sind Klima, Geo-Ökonomie, Verteidigung, Sicherheit, Technologien und Migration. Die von ihm entwickelten Programme betreffen die Regionen Afrika, Asien, Europa, den Nahen Osten, Nordafrika und die USA. Der ECFR hat Büros in Berlin, London, Madrid, Paris, Rom, Sofia und Warschau. Das Warschauer Büro wird von dem renommierten Europa- und Außenpolitikexperten Piotr Buras geleitet. Das ECFR organisiert zahlreiche Seminare und Debatten, und Buras selbst ist Autor zahlreicher Beiträge in polnischen und ausländischen Medien sowie von Analysen zu Themen wie der EU-Erweiterung, der Energiewende in Polen, der Zukunft Europas, dem europäischen Plan zur Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg und der Integration der Ukraine und der Länder der Östlichen Partnerschaft in die Europäische Union.
Das Zentrum für Internationale Beziehungen (CSM), das aktuell von Małgorzata Bonikowska geleitet wird, wird seit 2009 in der von der University of Pennsylvania durchgeführten Studie "The Leading Public Policy Research Organizations In The World" als einer der besten Thinktanks in Mittel- und Osteuropa anerkannt. In seiner bisherigen Tätigkeit hat das CSM einen besonderen Schwerpunkt auf die Themen NATO und internationale Sicherheit, verschiedene Aspekte der europäischen Integration und Polens Position in der EU, transatlantische Beziehungen, Ostpolitik, Migration, Klima- und Energiepolitik sowie die bilaterale und multilaterale Ausrichtung der polnischen Außenpolitik gelegt. Dem CSM gehören zahlreiche Experten an, darunter z. B. der ehemalige polnische Botschafter in den USA und Deutschland, Janusz Reiter (er ist Gründer des CSM). Das CSM veröffentlicht zahlreiche Analysen zu verschiedenen Aspekten der Außenpolitik, z. B. zur deutschen Zeitenwende, neuen europäischen Energieordnung, Diversifizierung der Energiequellen, Zukunft der Europäischen Union, Strategie für einen Sieg der Ukraine im Krieg mit Russland und transatlantischen Zusammenarbeit.
Ausblick
Auch Deutschland erwartet, dass Polen eine starke Position in der Europäischen Union einnimmt und die Initiative ergreift, an neuen europäischen Lösungen zu arbeiten. Deutschland hatte seit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nur begrenzte Möglichkeiten, neue Lösungen für die Ostpolitik und insbesondere die künftigen Beziehungen zu Russland vorzuschlagen. Seine in den letzten Jahrzehnten verfolgte Politik gegenüber Russland, die auf wirtschaftliche Zusammenarbeit und politischen Einfluss ausgerichtet war, hat sich als fehlgeleitet und kurzsichtig erwiesen. Sie hat dazu geführt, dass viel Vertrauen der mittel- und osteuropäischen Partner in die deutsche Politik verlorenging. Eine deutsche Führungsrolle bei der Initiierung und Umsetzung einer neuen europäischen Ostpolitik ist zurzeit nur schwer vorstellbar. In einer solchen Situation wird die Rolle Polens in der EU umso wichtiger sein. Von Polen könnten gute und vernünftige Ideen ausgehen, die den Interessen und der Sicherheit Polens sowie Europas dienen. Polens Glaubwürdigkeit auf diesem Feld würde durch eine auch in der Vergangenheit kritische Politik gegenüber Russland und, wie das Jahr 2022 gezeigt hat, durch seine richtige Einschätzung untermauert. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist der Vorwurf der Russophobie, der Polen früher gemacht wurde, nicht mehr haltbar. Die von hier ausgehenden Initiativen sollten von Deutschland mitgetragen und z. B. in Kooperation im Weimarer Dreieck weiterentwickelt und umgesetzt werden.