Zusammenfassung
Im Vergleich zu anderen EU-Ländern hat Polen eine relativ junge Bevölkerung. Der Alterungsprozess wird sich aber in Kürze beschleunigen, weil die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit ins Rentenalter eintreten und die Geburtenrate in den letzten zwei Jahrzehnten stark gefallen ist. Der Gesundheitszustand der alten Menschen in Polen verbessert sich, was sich in der gestiegenen Lebenserwartung mit dem 60. Lebensjahr aufwärts zeigt, wobei wie in anderen Ländern der Anteil der Frauen mit jeder Altersstufe steigt und das polnische Alter weiblich ist. Gleichzeitig aber kann der Gesundheitszustand der älteren und alten Menschen kaum als zufriedenstellend bezeichnet werden. Dies und weitere materielle Faktoren bewirken, so die Autorin, dass die polnischen Senioren subjektiv einen Verlust von Lebensqualität wahrnehmen, und zwar in einem deutlich höheren Maß, als es die objektiven Daten über ihr Lebensniveau zulassen.
Einleitung
Um die Alterung der Bevölkerung zu messen, richten sich Demografen häufig nach dem prozentualen Anteil alter Menschen an der Bevölkerung. Wenn festgelegt wird, dass ab dem Eintritt ins Rentenalter im jeweiligen Land von »alten« Menschen gesprochen wird (beispielsweise Frauen ab 60 Jahre, Männer ab 65 Jahre), dann betrug der Anteil der alten Menschen in Polen im Jahr 2010 16,9%, das waren 6.438.000 Einwohner und im Vergleich zum Jahr 2000 2,1% Prozent mehr. Setzt man die Grenze unter Berücksichtigung des innerhalb der EU variierenden Renteneintrittsalters sowohl bei Frauen als auch bei Männern auf 65 Jahre, dann betrug der Anteil der alten Menschen in Polen im Jahr 2009 13,5% (5.133.000 Personen). Polen ist danach ein demografisch relativ junges Land, denn ein niedrigerer Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung wurde nur für Irland (10,9%), die Slowakei (12,1%) und Montenegro (12,9%) verzeichnet. Die ältesten Länder Europas sind nach dieser Berechnung Deutschland (20,2%) und Italien (20,1%).
Der Alterungsprozess wird sich in Polen in Kürze beschleunigen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit ins Rentenalter eintreten. Das Statistische Hauptamt (Glowny Urzad Statystyczny - GUS) prognostiziert, dass sich der Bevölkerungsanteil der alten Menschen in Polen zwischen 2020 und 2050 an den der gegenwärtig »ältesten« europäischen Länder annähern wird. Fortschreiten wird auch der Prozess der »doppelten Alterung«, was impliziert, dass der Anteil der sehr alten Menschen (80 Jahre alt und älter) an der Bevölkerung von 3,3% im Jahr 2009 auf 7,2% im Jahr 2035 steigen wird (siehe Tab. 1).
Das Durchschnittsalter der polnischen Bevölkerung betrug im Jahr 2009 insgesamt 37,7 Jahre, für Männer 35,9 Jahre und für Frauen 39,8 Jahre. Im Vergleich zum Jahr 2000 war das Durchschnittsalter insgesamt um 2,3 Jahre gestiegen, bei Männern um 2,5 Jahre und bei Frauen um 2,4 Jahre. Im Jahr 2009 hatten die neugeborenen Jungen eine durchschnittliche Lebenserwartung von 71,53 Jahren, die neugeborenen Mädchen dagegen von 80,05 Jahren. Die 60-jährigen Männer wiederum hatten noch durchschnittlich 17,9 Lebensjahre vor sich, die Frauen 23,15 Jahre. Die Polinnen leben also länger als die Polen, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt verringert sich der Unterschied. Auch für die Zukunft prognostizieren die Demografen den Frauen die größere Chance auf ein längeres Leben.
Wer sind die alten Menschen in Polen?
In Polen leben 62% der Bevölkerung in den Städten, auch die Mehrheit der alten Menschen. Analysiert man das demografische Alter in Bezug auf den Wohnort, muss man es für Stadt und Land getrennt betrachten. Ein Maßstab für die strukturelle Erfassung des Alterungsprozesses der Bevölkerung ist der demografische Belastungsquotient, der die Proportion zwischen dem Bevölkerungsanteil, der nicht mehr im Erwerbsleben steht (Frauen ab 60 Jahre, Männer ab 65 Jahre), und der erwerbsfähigen Bevölkerung (Frauen bis 60 Jahre, Männer bis 65 Jahre) angibt. Bis Ende des 20. Jahrhunderts war die Landbevölkerung eindeutig älter als die städtische, was in einem deutlich höheren demografischen Belastungsquotienten für das Dorf zum Ausdruck kam. Die ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts brachten für die Städte einen so starken Anstieg dieses Quotienten mit sich, dass er im Jahr 2009 höher war als für das Dorf. Das polnische Alter verliert also langsam das bäuerliche Aussehen und nimmt das Gesicht der Stadt an, insbesondere der Großstadt, wo die Alterung der Bevölkerung am schnellsten vonstatten geht (siehe Grafik 1).
Ähnlich wie in anderen Ländern ist das polnische Alter weiblich. Je älter eine Altersgruppe, desto größer der Anteil der Frauen. Das Phänomen der Feminisierung des Alters ist etwas stärker in den polnischen Städten als auf dem Land zu beobachten (siehe Tab. 2).
Das Ausbildungsniveau der älteren Bevölkerung Polens ist im Allgemeinen niedrig. Je jünger die Kohorte, desto besser ist sie ausgebildet. Nach den Daten der Nationalen Volkszählung (Narodowy Spis Powszechny) im Jahr 2002 gehörten zu den höher Ausgebildeten 10% der Altersgruppe von 60 bis 64 Jahren und nur knapp 3% der Gruppe ab 95 Jahre. Umgekehrt proportional verhielt es sich beim niedrigsten Bildungsniveau (nicht abgeschlossene Grundschulausbildung oder gar keine Schulbildung): In der jüngsten Gruppe der 60- bis 64-Jährigen waren dies zirka 2% und bei den Ältesten (95 Jahre und älter) gehörten fast 34% dazu! Man muss allerdings hinzufügen, dass sich das Bildungsniveau der polnischen Senioren systematisch verbessert, da zunehmend besser ausgebildete Alterskohorten die »Altersschwelle« überschreiten (siehe Tab. 3).
Der Gesundheitszustand der alten Menschen in Polen verbessert sich, was die gestiegene Lebenserwartung nach dem 60. Lebensjahr zeigt. Gleichzeitig aber kann der Gesundheitszustand der älteren Generation - ähnlich wie der der Gesamtbevölkerung - nur schwerlich als zufriedenstellend bezeichnet werden. Die Daten der Nationalen Volkszählung (2002) weisen einen beunruhigend hohen Anteil von Menschen mit Behinderungen im Alter von 65 Jahren aufwärts auf, und zwar 37,5% bzw. 2.050.000 Personen. Dieser Anteil ist umso höher, je älter die Kohorte ist. Im Jahr 2002 betrug er bei den 65- bis 69-Jährigen 37% und in der Gruppe ab 80 Jahre sogar 51%.
Nach Angaben des Nationalen Instituts für öffentliche Gesundheit (Narodowy Instytut Zdrowia Publicznego) stellte sich im Jahr 2006 die Struktur der Todesursachen in der Altersgruppe von 65 Jahren aufwärts folgendermaßen dar: 54,1% Kreislauferkrankungen, 22,6% bösartige Tumoren, 5,9% Atemwegserkrankungen, 3,4% Erkrankungen der Verdauungsorgane, 2,6% äußere Einwirkungen, 1,9% Störungen der inneren Sekretion, 5,2% nicht näher bestimmte Ursachen. Dass Kreislauferkrankungen die größte Gefahr für ältere Menschen darstellen, bestätigen auch Untersuchungen von GUS aus dem Jahr 2004. Aus ihnen geht hervor, dass ab dem 60. Lebensjahr zu den häufigsten chronischen Krankheiten Bluthochdruck, Angina pectoris, Wirbelsäulenschäden oder Bandscheibenvorfälle, Rheumatismus und Sklerose (bei über 70-Jährigen) gehören. Als häufigste Gründe für Krankenhausaufenthalte älterer Menschen werden ebenfalls Kreislauferkrankungen und bösartige Tumoren genannt.
Das Familienleben der polnischen Senioren
Die Feminisierung des Alters hat zur Folge, dass es unter den Älteren mehr alleinstehende Frauen als Männer gibt. Ein Differenzierungsfaktor ist auch hier wieder das Alter: Im Jahr 2002 waren 84% der Männer und 62% der Frauen in der Altersgruppe von 60 bis 64 Jahren verheiratet. In der Gruppe 80 Jahre und älter waren fast 58% der Männer, dagegen aber nur knapp 10% der Frauen verheiratet. In der gesamten Gruppe 60+ lebten insgesamt 76% der Männer und knapp 40% der Frauen in einer Beziehung. (siehe Tab. 4).
Es gibt verschiedene Formen des Familienlebens unter älteren Menschen, falls sie nicht als Alleinstehende in Einpersonenhaushalten leben. Die Mehrheit lebt als Ehepaar zusammen - 2002 waren es 55% der Frauen und Männer im Alter von 60 Jahren und älter. Nicht ganz 1% dieser Altersgruppe lebte in partnerschaftlichen Beziehungen. Gewöhnlich leben die Paare separat, manchmal aber auch zusammen mit ihren erwachsenen Kindern und den Enkeln. Diejenigen, die keinen Partner haben, leben häufig mit ihren erwachsenen Kindern und deren Familien zusammen in einem gemeinsamen Haushalt und bilden eine Großfamilie. Wie in anderen Ländern unseres Kulturkreises leben auch in Polen ältere Menschen in Beziehungen des Typs living apart together. Diese Form ist natürlich nicht registriert, jedoch scheint die Anzahl nicht hoch zu sein und die der partnerschaftlichen Beziehungen wohl nicht zu übersteigen.
Die familiäre Situation älterer Menschen verändert sich vor allem infolge des Todesfalls des Ehepartners. Im Jahr 2009 reichten nur 260 Männer und 130 Frauen im Alter von 60 Jahren und älter die Scheidung ein. Ebenfalls nur wenige Ältere entschieden sich zu heiraten (in unterschiedliche Altersgruppen hinein). 2009 waren dies 4.356 Männer (1,5 dieser Altersgruppe) und 2.443 Frauen (0,6 dieser Altersgruppe). In über 90% der Fälle war es nicht die erste Ehe.
Die Polen beurteilen ihr Familienleben im Allgemeinen als gut, wobei der Anteil der sehr guten Beurteilungen bei den jüngeren Generationen eindeutig höher ist als unter den älteren Menschen. Beispielsweise bewerteten im Jahr 2004 39% der 30- bis 39-Jährigen ihr Familienleben als sehr gut im Verhältnis zu 19% der Generation 60+. Positiv (gut und sehr gut) bewerteten 77,5% der 60- bis 69-Jährigen ihr Familienleben und 74,3% der 70-Jährigen und älter. Negative Beurteilungen (schlecht und sehr schlecht) gaben nur zirka 3% der Älteren an. Die Familie ist demnach eine Quelle der Zufriedenheit für die älteren Menschen, auch wenn sie alleinstehend sind.
Die Familie kann gelegentlich auch Gefahren für ältere Menschen bergen. Zurzeit liegt keine erschöpfende Diagnose zu Vernachlässigungen alter Menschen und Gewaltanwendungen ihnen gegenüber vor. Aus nicht repräsentativen Untersuchungen von Soziologen aus Bialystok (2008) geht hervor, dass dieses Problem verhältnismäßig wenige Senioren betrifft. Die Betroffenen klagen am häufigsten über unzureichende Betreuung, Isolierung von familiären Angelegenheiten und erlebte Gefühllosigkeit ihnen gegenüber. Im Rahmen der genannten Untersuchungen wurde außerdem festgestellt, dass es in den Familien der älteren Menschen auch zu finanziellem Missbrauch und körperlicher Gewalt kommt. Meistens ist dies mit Alkoholabhängigkeit eines Familienmitglieds oder Arbeitslosigkeit der erwachsenen Kinder verbunden. In ländlichen Strukturen sind häufig auch Eigentumsstreitigkeiten eine Quelle der Gewalt in den Familien.
Ältere Menschen als Konsumenten
Über die Position älterer Menschen am Konsumgüter- und Dienstleistungsmarkt entscheidet ihre Anzahl, die Höhe ihres Einkommens und ihrer Ausgaben und die Spezifik ihrer persönlichen Bedürfnisse sowie der Bedürfnisse des jeweiligen Haushalts, zu dem sie gehören.
Die Hauptinformationsquellen bezüglich Ausgaben und Bedürfnisse der Haushalte in Polen sind zwei polenweite repräsentative Untersuchungen, die systematisch von GUS durchgeführt werden: eine Untersuchung der Privathaushalte, die das ganze Jahr über mit Hilfe der Methode der Selbstaufzeichnung und ergänzender Umfragen durchgeführt wird (die Haushalte nehmen an rotierenden Untersuchungen teil), und die Untersuchung EU-SILC (European Community Statistics on Income and Living Conditions) zu Einkommen und Lebensbedingungen der Bevölkerung, die auf der einmaligen persönlichen Befragung per Fragebogen beruht. In den Untersuchungen werden entsprechend dem Kriterium der dominierenden Unterhaltsquelle sozial-ökonomische Typen von Privathaushalten unterschieden. In jedem Haushaltstyp leben ältere Menschen; am stärksten vertreten sind sie in den Haushalten der Empfänger einer Altersrente (46,7% der Angehörigen dieser Haushalte sind 65 Jahre alt und älter, 18,5% sind zwischen 60 und 64 Jahren alt). Seltener gehören zu den Haushalten derjenigen, die eine andere Art von Rente erhalten, ältere Menschen (21% der Mitglieder dieser Haushalte sind 65 Jahre und älter; 9,3% sind im Alter von 60 bis 64 Jahren).
Ältere Menschen führen ihren Haushalt in der Regel allein oder gemeinsam mit einem Ehepartner. Ihr Unterhalt beruht vor allem auf nichterwerbsmäßigen Einkommensquellen. Die Nationale Volkszählung von 2002 hat gezeigt, dass sich 96% der Menschen im Alter von 65 Jahren und älter hauptsächlich oder zusätzlich aus nichterwerbsmäßigen Quellen finanzierten. Dabei handelte es sich bei 85% dieser Gruppe um die einzige Unterhaltsquelle. Zu den nichterwerbsmäßigen Unterhaltsquellen älterer Menschen in Polen gehören Altersrenten, Arbeitsunfähigkeitsrenten, Hinterbliebenenrenten, Sozialleistungen, Kriegsveteranenrenten usw. Die Rentner, die eine Altersrente erhalten, sind die älteste Gruppe unter den Zahlungsempfängern. Beispielsweise betrug das Durchschnittsalter der Empfänger einer Altersrente (ausgezahlt durch die Sozialversicherungsanstalt) im Jahr 2009 68,3 Jahre (Männer 70 Jahre, Frauen 67,1 Jahre). Viele ältere Menschen, d. h. ältere Frauen, finden sich auch unter den Empfängern einer Hinterbliebenenrente. 74% der Frauen (und 9% der Männer) waren 60 Jahre alt und älter. Das Durchschnittsalter derjenigen, die eine Arbeitsunfähigkeitsrente bezogen, betrug 56,6 Jahre (Männer 57 Jahre, Frauen 55,9 Jahre).
Die Altersrenten zahlen in Polen die Sozialversicherungsanstalt (Zaklad Ubezpieczen Spolecznych - ZUS) und die Kasse der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Kasa Rolniczego Ubezpieczenia Spolecznego - KRUS) sowie das staatlich budgetierte Versorgungssystem. Im Jahr 2009 betrug die Anzahl der Empfänger von Altersrenten und sonstigen Renten 9.332.300. Das bedeutet, dass jeder vierte Einwohner Polens (24,5%) Rentenempfänger war. Die größte Gruppe stellten dabei die Zahlungsempfänger des ZUS, und zwar 7.534.800 (darunter 4.980.800 Altersrentenempfänger). KRUS hat Altersrenten für 1.137.700 Personen ausgezahlt sowie andere Renten für 287.800 Betroffene. Über 317.800 Personen erhielten Zahlungen aus dem staatlichen Versorgungssystem: 159.900 vom Verteidigungsministerium (davon 105.400 Altersrenten), 27.500 vom Justizministerium (davon 19.600 Altersrenten) und 184.400 vom Innenministerium (davon 132.800 Altersrenten) (siehe Tab. 5).
Die Höhe der Zahlungen hängt nicht nur vom vorangegangenen Verdienst ab. Zwei weitere Faktoren sind die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rentensystem und die Art der Leistung: Die Leistungen, die aus dem staatlichen Budget gezahlt werden, sind deutlich höher als die der Sozialversicherungen. Altersrenten sind höher als die übrigen Renten, wobei der Unterschied zwischen Altersrente und Arbeitsunfähigkeitsrente bei ZUS und KRUS am größten ist. Im Jahr 2009 betrug die durchschnittliche Altersrente brutto (ohne Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Altersrenten) 60,8% des Brutto-Durchschnittseinkommens der nationalen Volkswirtschaft.
Im Jahr 2009 betrug das verfügbare Einkommen pro Person in den polnischen Privathaushalten 1.114,49 Zloty. In den Haushalten von Altersrentenempfängern war es etwas höher, und zwar 1.180,65 Zloty; dagegen hatten die Haushalte der Empfänger sonstiger Renten wesentlich niedrigere Einkommen, nämlich durchschnittlich 870,55 Zloty. Die Situation der Privathaushalte ist also sehr unterschiedlich, abhängig davon, ob die primäre Unterhaltsquelle eine Altersrente oder eine andere Rente ist. Das Verhältnis zwischen den Einkommen dieser beiden Haushaltstypen hat sich verstetigt.
Die Untersuchungen EU-SILC 2009 liefern Informationen darüber, wo die Befriedigung ausgewählter Bedürfnisse älterer Menschen Beschränkungen unterliegt. Auch hier treten in den Haushalten der Empfänger sonstiger Renten größere materielle Probleme auf als in denen der Empfänger von Altersrenten. Gleichzeitig sind in diesen beiden Haushaltstypen die Schwierigkeiten, die Bedürfnisse zu bedienen, größer als in einem Durchschnittshaushalt, obwohl dessen Einkommen wiederum niedriger ist als das Pro-Kopf-Einkommen in einem Haushalt auf der Basis von Altersrentenzahlungen. Aus den Angaben der Untersuchungsteilnehmer geht hervor, dass in den Haushalten von Rentenbeziehern (Altersrente und andere) der Nachfrage in den Bereichen Erholungs- und touristische Angebote, langlebige Gebrauchsgüter und teurere Kleidung Grenzen gesetzt sind (die Bereiche waren im Fragebogen vorgegeben) (siehe Tab. 6).
Die von den jeweiligen Haushalten gemachten Angaben über die Schwierigkeiten, sich bestimmte Güter und Dienstleistungen zu leisten, zeigen subjektiv wahrgenommene Defizite an. Darüber hinaus wird in den Untersuchungen EU-SILC Armut auch objektiv mit Hilfe der »relativen Armutsgrenze« (verfügbar sind 60% des Medians des bedarfsgewichteten Einkommens) bestimmt (siehe Tab. 7). Die Altersgruppe von 65 Jahren und älter war weniger armutsgefährdet als jüngere Menschen - in der Altersgruppe 0 bis 17 Jahren waren es 23% und in der Gruppe von 18 bis 64 Jahren waren es 16% der Bevölkerung. Unter den Beziehern von Altersrente war die Armutsgefährdung noch geringer als generell in der Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und älter. Ältere Frauen waren stärker armutsgefährdet als Männer. Auch der Grad der Armut war bei alten Menschen geringer als bei jungen. Diese Daten bestätigen die Ergebnisse langjähriger Untersuchungen, dass die polnischen Senioren subjektiv einen Verlust von Lebensqualität wahrnehmen, und zwar in einem deutlich höheren Maß, als dies die objektiven Daten über ihr Lebensniveau zulassen. Ursachen für diese Differenz in der Beurteilung gibt es einige. Erstens: Sogar wenn das Erwerbsgehalt durch eine Altersrente in Höhe von 60% des Gehalts abgelöst wird, erhalten die Empfänger niedrigere Zahlungen als während ihrer Berufstätigkeit und empfinden ihre Situation als materielle Degradierung. Zweitens: In kleinen Privathaushalten verteilen sich die Festkosten, die im Zusammenhang mit dem Unterhalt der Wohnung anfallen, generell auf eine geringe Personenzahl. Diese Kosten stellen eine große Belastung für die Haushaltskasse dar und einige ältere Menschen entscheiden sich aus verschiedenen Gründen, eine kleinere und günstigere Wohnung zu nehmen. Drittens: Im Alter steigen die Kosten für die Gesundheitsversorgung. Die Zugänglichkeit kostenloser medizinischer Leistungen, insbesondere spezieller Fachuntersuchungen, ist nicht ausreichend und nur ein Teil der Arzneikosten wird vom Nationalen Gesundheitsfonds (Narodowy Fundusz Zdrowia) zurückerstattet. Die Notwendigkeit, Arztbesuche oder teure Medikamente privat zu bezahlen, wird als Gefahr für die Stabilität des Haushaltsbudgets wahrgenommen. Viertens: Die Möglichkeit, sich als Empfänger einer Altersrente oder anderer Renten etwas dazu zu verdienen, endet einige Jahre nach Erhalt der Rentenberechtigung. Ältere Rentner, die nicht die Möglichkeit haben, ihre Rentenauszahlungen mit einem Zuverdienst aus einem Arbeitsverhältnis oder aus eigenem Besitz aufzustocken, beschränken ihre Ausgaben insgesamt oder zumindest die kostspieligeren und planen keine Investitionen mehr. Fünftens: Im fortgeschrittenen Alter tritt naturgemäß die Sorge vor einer Verschlechterung des Gesundheitszustands, der Einschränkung der Selbständigkeit und vor dem Tod des Partners auf. Damit geht die Sorge darüber einher, ob auch in Zukunft die Bedürfnisse ausreichend befriedigt werden können. Sechstens: Die polnischen Senioren haben den Wunsch, ihren Kindern und Enkeln finanziell zu helfen und tun dies auch. Dies beschränkt aber ihre eigenen Konsummöglichkeiten. Siebtens: In Polen hat sich außergewöhnlich stark das Bild des armen Rentenempfängers verfestigt. Mit ihm identifizieren sich die älteren Menschen und es wird auch von der Politik und den Medien gepflegt.
Alte Menschen in Polen sind zahlungsfähige Konsumenten, die aber gleichzeitig ihre Konsumwünsche einschränken. Sie sorgen dafür, dass sie keine Rückstände beim Unterhalt der Wohnung haben und dass sie Geld für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung haben. Sie sind in der Lage, über ihr Niveau hinaus Einkäufe zu tätigen, die vor allem den Kindern und Enkeln zugutekommen, aber auch der eigenen Gesundheit. Sie sind leider auch Konsumenten, die sich leicht betrügen lassen, zum Beispiel wenn es um die Garantie von Produkten geht oder um die Reklamation schadhafter Ware.
Das Bild des polnischen Alters ist sehr differenziert. In der Stadt alt zu sein ist etwas anderes, als auf dem Land alt zu sein, was beispielsweise die familiäre Situation (größere Familien auf dem Land, landwirtschaftliche Familienbetriebe), den Zugang zu sozialen Dienstleistungen (der auf dem Land schlechter ist), die Wohnverhältnisse (die Wohnungen in der Stadt haben einen höheren Standard) und das Ausbildungsniveau der Senioren (das auf dem Land niedriger ist) betrifft. Das Alter von Frauen und Männern unterscheidet sich zum Beispiel bezüglich der familiären Situation (Frauen sind häufiger alleinstehend), des Gesundheitszustands und der Höhe des Einkommens (das bei Frauen niedriger ist). Das frühe Alter gestaltet sich anders als das fortgeschrittene Alter hinsichtlich des gesundheitlichen Zustands, des Grads an (Un-)Abhängigkeit, der familiären Situation, des Bildungsniveaus (das im Fall der »jungen Alten« besser ist), des Engagements für die soziale Umgebung (dies ist bei den »jungen Alten« größer) und der Nutzung moderner Informationstechnologien (die »jungen Alten« nutzen häufiger das Internet, Mobiltelefone, Bankautomaten usw.).
Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate
Über die Autorin
Dr. habil. Barbara Szatur-Jaworska ist Professorin am Institut für Sozialpolitik der Universität Warschau (Uniwersytet Warszawski) und wissenschaftliche Mitarbeiterin im interdisziplinären Forschungsprojekt »POLSENIOR: Medizinische, psychologische, soziologische und ökonomische Aspekte des Alterns in Polen«. Ihre Hauptforschungsgebiete sind die soziale Situation älterer Menschen, die sozialen Dienste sowie Theorie und Methodologie der Sozialpolitik.