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Chronik: 1. bis 14. Dezember 2020 | bpb.de

Chronik: 1. bis 14. Dezember 2020

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01.12.2020 Der Koalitionsrat der Vereinigten Rechten (Zjednoczna Prawica) thematisiert die Verhandlungssituation des EU-Haushaltspaketes. Dieses besteht aus dem mehrjährigen EU-Finanzrahmen (2021 bis 2027) und einem Hilfspaket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie. Die Auszahlung soll an die Einhaltung der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden, wogegen Polen und Ungarn als einzige EU-Mitgliedsländer mit Veto drohen. Der Fraktionsvorsitzende von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), Ryszard Terlecki, sagt nach der Sitzung des Koalitionsrates, es bestehe Einvernehmen in der Koalition über die Notwendigkeit, die politische und wirtschaftliche Souveränität Polens zu verteidigen. Wenn möglich, wolle Polen ein Veto vermeiden, dafür müsse jedoch auf den künftig vorgesehenen Rechtsstaatmechanismus verzichtet werden. Bereits Ende der vergangenen Woche sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, er habe Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat mitgeteilt, dass Polen eine Lösung in dieser Angelegenheit erwarte, und seine Bereitschaft, ein Veto einzulegen, bekräftigt. Deutschland hat zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Sollte ein Land ein Veto gegen das Haushaltspaket einlegen, kann es nicht verabschiedet werden.
02.12.2020 Der polnische Außenminister Zbigniew Rau, die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja und Bundesaußenminister Heiko Maas eröffnen das XVII. Minsk Forum "Belarus im Umbruch. Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektiven", das aufgrund der herrschenden Corona-Pandemie online stattfindet. Auf dem Programm stehen die Diskussion über die belarussische Protestbewegung und die "Wege aus der politischen Sackgasse" sowie über Perspektiven der Kooperation zwischen Belarus und seinen Nachbarn.
03.12.2020 Erzbischof Stanisław Gądecki, Vorsitzender der Polnischen Bischofskonferenz und Vizevorsitzender des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen, veröffentlicht eine schriftliche Erklärung zur aktuellen Abtreibungsdebatte in Polen und bezieht sich auch auf die Resolution des Europäischen Parlaments vom 26. November. In dieser verurteilte die überragende Mehrheit der Abgeordneten den Richterspruch des polnischen Verfassungstribunals (Trybunał Konstytucyjny – TK) vom 22. Oktober, demzufolge die Abtreibung von Föten mit schweren Schäden illegal ist, als Gefährdung für das Leben und die Gesundheit der Mutter. Gądecki sagt, die Resolution beziehe sich auf die EU-Grundrechtecharta, die beinhalte, dass jeder das Recht auf Leben habe und eugenische Praktiken verboten seien. Das Recht auf Leben sei ein grundlegendes Menschenrecht und habe Vorrang vor dem Recht der Wahl. Jeder sogenannte rechtliche Kompromiss in dieser Angelegenheit sei eine Verfälschung der Wirklichkeit, denn er spreche bestimmten Kindern das Grundrecht auf Leben ab.
04.12.2020 Präsident Andrzej Duda unterzeichnet eine Gesetzesänderung, nach der es bis zum 1. Januar 2023 erlaubt ist, Tiere mit gentechnisch verändertem Futtermittel zu füttern. Damit wird die bisherige Frist, die am 1. Januar 2021 enden sollte, verlängert.
05.12.2020 In Thorn (Toruń) findet eine Messe aus Anlass des 29-jährigen Bestehens des national-katholischen Radiosenders "Radio Maryja" statt, an der u. a. Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro und Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak teilnehmen und eine Grußbotschaft von Präsident Andrzej Duda verlesen wird. In seiner Predigt sagt der Direktor des Radiosenders, Redemptoristenpater Tadeusz Rydzyk, dass Bischof Edward Janiak ein Opfer der Medienberichterstattung geworden und ein "zeitgenössischer Märtyrer" sei. Janiak wird vorgeworfen, pädophile Straftaten gedeckt zu haben. Papst Franziskus nahm im Oktober seinen Amtsverzicht an.
07.12.2020 In Warschau erinnern Krzysztof Szczerski, Chef des Kabinetts des Präsidenten, Stephan Steinlein, Chef des Bundespräsidialamtes, und der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Arndt Freytag von Loringhoven, an den Kniefall des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt vor 50 Jahren. Am Denkmal für die Helden des Ghettoaufstandes, vor dem Brandt kniete, am Denkmal für den Kniefall und am Denkmal des Warschauer Aufstandes legen sie Kränze nieder.
07.12.2020 Die ehemaligen Präsidenten der Republik Polen, Lech Wałęsa, Aleksander Kwaśniewski und Bronisław Komorowski, veröffentlichen angesichts der Drohung der Regierung, ein Veto gegen das EU-Haushaltspaket (mehrjähriger Finanzrahmen 2021 bis 2027 und Hilfspaket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie) einzulegen, einen Appell. Darin weisen sie darauf hin, dass der europäische Haushalt im Juli in Brüssel von der polnischen Regierung mitverhandelt wurde und Polen einer der größten Nutznießer des gemeinsamen Budgets ist. Sie rufen den Präsidenten, den Ministerpräsidenten und die Regierung Polens auf, die Zustimmung zum EU-Haushalt nicht für innenpolitische Zwecke zu instrumentalisieren und die anderen EU-Mitgliedsstaaten nicht zu erpressen. Der Hintergrund ist, dass die Auszahlung der EU-Mittel an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden soll, was das Regierungslager ablehnt.
07.12.2020 Auf Initiative der Stadtpräsidenten von Warschau und Budapest, Rafał Trzaskowski und Gergely Karácsony, richten 275 Vertreter der polnischen und ungarischen Selbstverwaltung einen Brief an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Darin verurteilen sie, dass die Regierungschefs von Polen und Ungarn, Mateusz Morawiecki und Viktor Orbán, mit einem Veto gegen das EU-Haushaltspaket (mehrjähriger Finanzrahmen 2021 bis 2027 und Hilfspaket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie) drohen, da sie dem erstmalig damit verknüpften Rechtsstaatsmechanismus ihre Zustimmung verweigern. Die Unterzeichner des Briefes unterstützen den Kurs der EU, die Rechtsstaatsprinzipien zu schützen und die EU-Mittel dahin gehend zu kontrollieren, dass sie für das Wohl der Öffentlichkeit und nicht für "antidemokratische und unehrliche Interessen" eingesetzt werden. Sollten sich die EU-Mitgliedsländer darauf einigen, die Corona-Wiederaufbauhilfe auch ohne Polen und Ungarn zu realisieren, plädieren die Unterzeichner dafür, die für Polen und Ungarn vorgesehenen Mittel der Stärkung der Selbstverwaltung in den beiden Ländern zukommen zu lassen.
08.12.2020 In einer schriftlichen Erklärung sagt Redemptoristenpater Tadeusz Rydzyk, Direktor des national-katholischen Radiosenders "Radio Maryja", seine Äußerungen im Zusammenhang mit pädophilen Straftaten in der katholischen Kirche seien spontan gewesen und falsch verstanden worden und er habe niemanden verletzen wollen. Solche Straftaten müssten redlich untersucht und bestraft werden. Rydzyk hat in der vergangenen Woche in seiner Predigt im Rahmen der Messe zum 29-jährigen Bestehen von "Radio Maryja" gesagt, dass Bischof Edward Janiak ein Opfer der Medienberichterstattung geworden und ein "zeitgenössischer Märtyrer" sei. Janiak, der nicht mehr im Amt ist, wird vorgeworfen, pädophile Straftaten gedeckt zu haben. Rydzyks Äußerung rief heftige Reaktionen hervor.
09.12.2020 Michał Dworczyk, Chef der Kanzlei des Ministerpräsidenten, äußert sich in einem Fernsehinterview zum EU-Haushaltspaket (mehrjähriger Finanzrahmen 2021 bis 2027 und Hilfspaket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie), das zur Verabschiedung steht und gegen das Polen und Ungarn ein Veto angekündigt haben. Der Grund ist, dass die Auszahlung der Mittel künftig daran geknüpft werden soll, dass EU-Mitgliedsländer rechtsstaatliche Grundsätze einhalten. Polen halte diesen Mechanismus für nicht vertragskonform und stimme keiner intransparenten Regelung zu, die aus politischen Gründen auf bestimmte Länder angewendet werden kann, so Dworczyk. Sollte die Europäische Kommission die Absicht haben, den Begriff der Rechtsstaatlichkeit auf Bereiche wie die Rechte von LGBT-Personen, Abtreibung und Flüchtlinge anzuwenden, werde Polen dem Mechanismus nicht zustimmen. Werde unter Rechtsstaatlichkeit verstanden, dass die EU-Mittel transparent und ehrlich abgerechnet werden, sehe Polen kein Problem, zuzustimmen, da Polens Abrechnungen der EU-Gelder mustergültig seien.
10.12.2020 Beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs stimmen Polen und Ungarn dem Kompromiss für das EU-Haushaltspaket (mehrjähriger Finanzrahmen 2021 bis 2027 und Hilfspaket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie) zu und geben damit ihre Drohung auf, ihr Veto gegen das Haushaltspaket einzulegen und es zu blockieren. Der Kompromiss sieht eine Zusatzregelung zum neuen Rechtsstaatsmechanismus vor, die beinhaltet, dass die Länder den Mechanismus vom Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen können. Außerdem wird noch einmal festgeschrieben, dass der Rechtsstaatsmechanismus darauf beruht, dass nur in den Bereichen, in denen es zu Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit kommt, EU-Gelder gekürzt werden können.
12.12.2020 Zbigniew Ziobro, Justizminister und Parteichef von Solidarisches Polen (Solidarna Polska) teilt mit, dass seine Partei nicht aus der Regierungskoalition austreten wird. Dies habe die Abstimmung auf der Sitzung des Parteivorstands (acht Ja-Stimmen, zwölf Nein-Stimmen) am selben Tag ergeben. Der Grund für die Abstimmung sei gewesen, dass Ministerpräsident Mateusz Morawiecki beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs vor zwei Tagen gegen die Empfehlung von Ziobro und Solidarisches Polen dem Kompromiss zum EU-Haushaltspaket zugestimmt hat. Der Kompromiss sieht vor, die Auszahlung von EU-Mitteln von der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in den betreffenden EU-finanzierten Bereichen abhängig zu machen. Ziobro kritisiert die Vereinbarung als Verletzung der polnischen Verfassung und der EU-Verträge.
13.12.2020 Am Jahrestag der Verhängung des Kriegsrechts vor 39 Jahren finden in vielen Städten Polens Demonstrationen gegen die Regierung statt. Die Teilnehmer protestieren u. a. gegen das brutale Vorgehen der Polizei gegen die Demonstrationen des Landesweiten Frauenstreiks (Ogólnopolski Strajk Kobiet) in den vergangenen Wochen, gegen das Urteil des Verfassungsgerichts vom 22. Oktober, wonach die Abtreibung von Föten mit schweren Schäden nicht verfassungskonform ist, sowie für die Rechte der Frauen, von LGBT+-Personen und Minderheiten. Als Zeichen des Protestes gegen die mangelnde Wertschätzung der Regierung gegenüber den Bauern werfen Landwirte des Verbands Agrounia vor dem Wohnhaus von Jarosław Kaczyński, Parteichef von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedlwiość – PiS) und stellvertretender Ministerpräsident, Gemüse, Eier und Fleisch ab.
14.12.2020 Krzysztof Szczerski, Chef der Präsidialkanzlei, gibt bekannt, dass Präsident Andrzej Duda am selben Tag einen Brief an Joe Biden, Wahlsieger der US-Präsidentenwahlen, richten wird, in dem er dem amerikanischen Präsidenten electgratulieren und nach Warschau einladen wird. In den USA tritt heute das "Electoral College" an, um den Präsidenten zu bestimmen. Nach der Wahl hatte Duda Biden zunächst zu einem "erfolgreichen Wahlkampf" gratuliert.

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Fussnoten