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Analyse: Nachhaltige Landwirtschaft in Polen – Utopie, Chance oder Notwendigkeit? | bpb.de

Analyse: Nachhaltige Landwirtschaft in Polen – Utopie, Chance oder Notwendigkeit?

Paulina Sobiesiak-Penszko

/ 14 Minuten zu lesen

Die Landwirtschaft in Polen wird durch den globalen Klimawandel vor große Herausforderungen gestellt. Welche Veränderungen sind gegenwärtig möglich, damit die Landwirtschaft eine Transformation vollziehen kann? Wie lässt sich ein nachhaltiges Modell umsetzen und wie kann die polnische Landwirtschaft nachhaltiger werden?

Landwirtschaft in Polen (© picture alliance / NurPhoto)

Zusammenfassung

Der globale Klimawandel stellt auch die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Das zurzeit in Polen dominierende Modell der industriellen Landwirtschaft, das auf Effizienz und niedrigen Kosten basiert, erfordert Veränderungen. Die Landwirtschaft braucht eine Transformation hin zu einem nachhaltigen Modell, in dem außer ökonomischen Faktoren auch der Umweltschutz und gesellschaftliche Aspekte von Bedeutung sind. Gefragt wird, ob solche Veränderungen in der Landwirtschaft in Polen gegenwärtig möglich sind und unter welchen Bedingungen sie vollzogen werden können.

Die Landwirtschaft in der Zeit der globalen Erderwärmung

Prognosen zufolge erwartet Polen im Jahr 2020 eine Rekorddürre, möglicherweise die stärkste seit einem halben Jahrhundert. Zum jetzigen Zeitpunkt betrifft die Dürregefahr bereits zehn von 16 Woiwodschaften. Gründe dafür gibt es viele: die zunehmend wärmeren Winter, die sich verändernden Niederschläge (mehr Starkregenereignisse), steigende Temperaturen, die die Wasserverdunstung begünstigen; zudem fehlen eine landesweite Strategie und Maßnahmen zur Wasserspeicherung und zur Rückwandlung von Feuchtgebieten.

Die Trockenheit ist nur eines der Probleme, mit denen sich die Landwirtschaft im Zusammenhang mit dem Klimawandel messen muss. Die globale Erwärmung wird die Produktionsmöglichkeiten im Landwirtschaftssektor verändern und die Ernteergebnisse instabiler werden lassen. Es werden neue Gefahren im Zusammenhang mit neuen Krankheiten auftreten. Der Charakter der landwirtschaftlichen Produktion wird sich verändern. Prognosen sagen, dass in Polen u. a. der Anbau von Wintergetreide, Kartoffeln und Zuckerrüben zurückgehen und vor allem der Anbau von wärmeverträglichen Pflanzen ertragreich sein wird. Infolge der Trockenheit und der Notwendigkeit, die Weiden zu bewässern, werden auch die Kosten für die Tiermast steigen. Zugleich jedoch spielt die Landwirtschaft, die den Klimawandel sehr stark zu spüren beginnt, eine außerordentlich wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe und bei der wirtschaftlichen Transformation zugunsten eines geringeren Treibhausgasausstoßes sowie bei der Umsetzung der Maßnahmen des europäischen "Green Deal".

Das Ziel Europas, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein, wird auch die Einstellung zur Landwirtschaftspolitik verändern müssen. Aktuell verantwortet die Landwirtschaft unterschiedlichen Untersuchungen zufolge zirka 12 bis 14 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen; in Polen sind es ungefähr zehn Prozent der Gesamtemissionen. Es handelt sich v. a. um Methan und Stickstoffmonoxid, deren Einfluss auf die globale Erwärmung allerdings 25 bzw. 290 Mal höher ist als im Falle von Kohlendioxid. Die Landwirtschaft ist zudem eine wichtige Ursache für Wasserverschmutzung und die Verminderung der Bodenqualität.

Die Einführung von Veränderungen erfordert vor allem die Abkehr von dem bisher in Europa und weltweit befürworteten Modell der Intensivlandwirtschaft, das auf Rentabilität, Effektivität und niedrigen Produktionskosten basiert. Dies führt dazu, dass Flächen zusammengelegt werden und kleine Betriebe aufgeben. Weniger zählt dabei der Naturschutz und das Wohl der in der Landwirtschaft Beschäftigten.

Das Modell der nachhaltigen Landwirtschaft bietet diesen breiteren und komplexeren Zugang. Hier wird die Landwirtschaft nicht ausschließlich unter wirtschaftlichen Aspekten mit Blick auf ihre Produktivität betrachtet, sondern werden auch Umweltaspekte und ihre gesellschaftliche Dimension einbezogen, also die Wirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt (Zustand des Bodens und des Wassers, Tierwohl) sowie ihre vielfältigen gesellschaftlichen Funktionen (Entwicklung kultureller Werte, Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, Verhinderung von Armut). In welchem dieser beiden Modelle, dem industriellen oder dem nachhaltigen, befindet sich gegenwärtig die polnische Landwirtschaft und in welche Richtung geht sie? Diese Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden.

Die öffentliche Debatte in Polen über die Landwirtschaft und ihre Zukunft

Die Landwirtschaft ist einer der wichtigsten Sektoren der Wirtschaft mit Schlüsselbedeutung für die Ernährungssicherheit des Landes. Trotzdem findet die polnische Debatte über die Lage und Zukunft der Landwirtschaft nur am Rande statt und ist in der öffentlichen Wahrnehmung nicht weiter präsent. Landwirtschaftliche Themen sind immer noch eher den Experten vorbehalten als der breiten Öffentlichkeit. Auch die Stimmen der Bauern sind in der Debatte nur schwach zu vernehmen. Es ist also nicht verwunderlich, dass das Bild des Dorfes und der Arbeit in der Landwirtschaft in Polen vereinfacht und reich an Stereotypen bleibt. Eines davon ist zum Beispiel das des reichen Bauern, der sich an den europäischen Zuzahlungen bereichert hat. Es fehlen eine kohärente Zukunftsvision für die Landwirtschaft und der Konsens darüber, welches Modell gewünscht wird. Manche politischen Parteien weisen darauf hin, dass die landwirtschaftlichen Familienbetriebe Schlüsselbedeutung haben, so die zurzeit regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) und die linke Partei Gemeinsam (Razem). Die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) und die Polnische Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) fordern, dass sich die Landwirtschaft gleichermaßen auf Familienbetriebe wie auf Großbetriebe stützen solle, und wieder andere, zum Beispiel Die Moderne (Nowoczesna), legen den Schwerpunkt vor allem auf die landwirtschaftlichen Großbetriebe. Dagegen wird in Polen weder darüber diskutiert noch werden Instrumente oder eine Politik geschaffen, die die Transformation der Landwirtschaft hin zu einem nachhaltigeren Modell mit weniger Emissionen und mehr Klimaschutz unterstützen. Allerdings wurde der Zustand der Umwelt als einer der wichtigen Bereiche anerkannt, um die Ziele der "Strategie für eine Verantwortungsvolle Entwicklung" zu erreichen. (Die Strategie, die im Jahr 2017 vom Ministerrat verabschiedet wurde, ist das wichtigste Dokument der mittel- und langfristigen Wirtschaftspolitik Polens. Sie bestimmt die Ziele und Entwicklungsrichtungen angesichts der größten Herausforderungen, vor denen die polnische Wirtschaft steht.) Es gibt auch keine Pläne, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen, ebenso wenig wie Debatten über die in der Landwirtschaft bevorstehenden Veränderungen für die Dörfer, ihre Einwohner und die Umwelt. Die Veränderungen sind allerdings bedeutend.

Ist die polnische Landwirtschaft nachhaltig und kann sie nachhaltiger werden?

Die 30 Jahre im kapitalistischen Wirtschaftssystem und 16 Jahre in der Europäischen Union haben die polnische Landwirtschaft sehr verändert. Zwar unterscheidet sie sich immer noch von anderen EU-Mitgliedsländern und wird sie immer noch von Betrieben in einer Größenordnung bis zu zehn Hektar dominiert (75 Prozent). Diese Struktur verändert sich jedoch schrittweise. Die Anzahl der kleinsten Höfe sinkt, während die der größeren Betriebe steigt, insbesondere derjenigen mit 50 Hektar und mehr. Zurzeit beträgt der Anteil der landwirtschaftlichen Betriebe, die ausschließlich für den Markt produzieren, zirka 20 Prozent. Die auf den Export ausgerichtete Landwirtschaft entwickelt sich rasch. Der Wert der Lebensmittelausfuhr aus Polen wuchs seit 2004 um mehr als das Vierfache. Die Bedeutung der großflächigen Monokulturen und industriellen Mastanstalten steigt. Das Dorf wird in technologischer Hinsicht moderner. Dank der finanziellen Mittel der EU können sich die Landwirte immer bessere Geräte leisten. In den Dörfern steigt die Lebensqualität und es ist zu beobachten, dass sich der Entwicklungsabstand zwischen dem Dorf und der Stadt verringert.

Wie allerdings die aktuellen Untersuchungen des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych – ISP ) gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung zeigen (siehe Informationen am Ende des Textes), werden die Veränderungen in der Landwirtschaft auch von einer Reihe gesellschaftlicher Kosten begleitet, die auf die Möglichkeiten ihrer Transformation in Richtung nachhaltigerer Landwirtschaft einwirken. Teilweise sind sie das Ergebnis der in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union vertretenen Intensivierung der Produktion. Andere resultieren daraus, dass auf nationaler Ebene eine kohärente und konsequente Politik zur Unterstützung der Landwirtschaft in Polen fehlen.

Zu den ungelösten Problemen im ländlichen Raum zählen über das fehlende attraktive kulturelle Angebot hinaus der schlechtere Internetzugang und die immer noch fehlende gute Infrastruktur, was Straßen, Wasserleitungen und Kanalisation sowie Beleuchtung betrifft. Noch gravierender ist jedoch, dass viele Bauern kaum von der Landwirtschaft leben können. 75 Prozent der Bewohner auf dem Land verdienen ihren Lebensunterhalt außerhalb der Landwirtschaft. Der Prozess der schwindenden Landwirtschaft schreitet fort. Der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft im ganzen Land sank von 11,4 Prozent im Jahr 2014 auf 10,4 Prozent im Jahr 2017. Die geringe Rentabilität der landwirtschaftlichen Produktion führt u. a. zu wachsender Armut. Im Jahr 2016 lebten elf Prozent der Landwirte in extremer Armut und seitdem ist der Anteil gestiegen. Ein Problem ist auch die ständige Unvorhersehbarkeit. So haben die polnischen Bauern infolge der sich ständig verändernden Preise und der Schwierigkeiten mit dem Absatz der landwirtschaftlichen Produkte sowie aufgrund der Probleme mit dem in Polen ineffektiv organisierten Handel (der von Supermärkten und internationalen Handelskonzernen dominiert wird) ein Gefühl der Unsicherheit und fehlender Stabilität. Auf der einen Seite fühlen sie sehr stark den Druck, effektiver und billiger produzieren zu müssen. Auf der anderen Seite tragen sie auch die Folgen, dass es keine wirksamen Sicherungsmechanismen vor schicksalshaften Ereignissen gibt, beispielsweise der sogenannten Afrikanischen Schweinepest, dem russischen Lebensmittelembargo (2014–2018) oder der Dürre. Viele Bauern nehmen solche Entwicklungen als etwas Unabwendbares und ihren Einfluss auf Veränderung der Lage zum Guten als verschwindend gering wahr.

Eine der Folgen ist, dass die jüngeren Generationen ihre Zukunft nicht in der Landwirtschaft sehen. Auf der Suche nach besseren Verdienstmöglichkeiten führt das zu Migration, auch ins Ausland. Für das Dorf bedeutet das, dass nachfolgende Generationen von Arbeitskräften fehlen. Die älteren Bauern, die auf dem Land bleiben, sind gezwungen, ihr Land zu verpachten oder zu verkaufen. Das führt u. a. zu einer Konzentration des Landbesitzes und zu einer Reduzierung der Gesamtzahl landwirtschaftlicher Betriebe. Die statistischen Daten zeigen, dass sich in den letzten 16 Jahren die Anzahl der kleinen Höfe in Polen um 450.000 reduziert hat. Die größten Höfe (über 50 Hektar), die nur einen Anteil von 2,5 Prozent ausmachen, konzentrieren immer mehr der landwirtschaftlichen Nutzflächen; im Jahr 2017 waren es über 31 Prozent der Flächen.

Die fehlenden stabilen Bedingungen in der Landwirtschaft erschweren den Landwirten auch, neue Investitionen zu tätigen und Kreditmöglichkeiten zu nutzen. Zweifelsohne ist es schwierig, eine Kalkulation aufzustellen, wenn sich die Preise in sehr kurzer Zeit um 100 oder 200 Prozent verändern können. Die europäischen Direktzahlungen blockieren den Verkauf von Land und im Falle von gepachteten Flächen gibt es keine Sicherheit, dass auch im folgenden Jahr die Bewirtschaftung dort weitergehen kann.

Die Landwirte konzentrieren sich darauf durchzuhalten, was das Interesse an Umweltbelangen nicht unbedingt fördert. Das Streben nach Kostensenkungen und Rentabilität um jeden Preis führt u. a. zu einem fortschreitenden Einsatz chemischer Produkte in der Landwirtschaft, beispielsweise Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel. Statistische Daten zeigen, dass in der polnischen Landwirtschaft seit mindestens zehn Jahren der Einsatz von mineralischen und chemischen Düngern steigt. Hinzu kommt, dass die Fruchtfolge verkürzt wird und weniger Kalkdüngungen erfolgen.

Mit Blick auf den Umweltschutz ist es auch nicht hilfreich, dass den Bauern vonseiten der Landwirtschaftsschulen keine ausreichende Ausbildung und Unterstützung gegeben wird und dass sich die in jeder Woiwodschaft vertretenen Zentren für landwirtschaftliche Beratung (Ośrodek Doradztwa Rolniczego – ODR) in einer Krise befinden. Deren Rolle für Fortbildung und Information übernehmen immer häufiger Chemieunternehmen. Im Gegensatz zu den ODR halten die Firmen den ständigen Kontakt mit den Landwirten und bringen sie eher dazu, Chemikalien einzusetzen als den Umweltschutz in ihre Tätigkeit einzubeziehen.

Die Untersuchungen zeigen, dass die Landwirte nur ein allgemeines und oberflächliches Wissen über den Einfluss der landwirtschaftlichen Praktiken auf die Umwelt haben. Es fehlt die Reflexion über die langfristigen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Qualität des Wassers, der Böden und der Biodiversität sowie über die Möglichkeiten der Produktion qualitativ hochwertiger Lebensmittel. Vielmehr betrachtet es ein Teil der Landwirte als Erschwernis und Hindernis für die Entwicklung ihrer Tätigkeit, dass es Normen und Verpflichtungen für den Umweltschutz gibt (cross-compliance ). Bestärkt wird diese Haltung durch das gegenwärtige Kontrollsystem, das vor allem auf Sanktionen und Strafen bei Nichteinhaltung der geltenden Umweltschutznormen beruht und deutlich zu wenig auf Bildung und Schulung. Auf der anderen Seite muss jedoch festgestellt werden, dass die Landwirte trotz ablehnender Einstellung gegenüber manchen Umweltnormen und der Art und Weise, wie die Einhaltung kontrolliert wird, eine negative Haltung gegenüber der Entwicklung einnehmen, dass Lebensmittel mit einem großen Anteil chemischer Zusätze produziert werden. Da sie selbst meinen, dass das nicht gesund ist, versorgen sie sich nach Möglichkeit mit lokalen Produkten, deren Anbauweise ihnen bekannt ist.

Nach Ansicht der Landwirte wird ihre Haltung zum Umweltschutz außerdem ungünstig beeinflusst, weil die polnischen Konsumenten ihre Kaufentscheidungen vor allem vom Preis und vom Aussehen der Waren abhängig machen und nicht davon, wie die Produkte angebaut werden und welche Auswirkungen das auf die Umwelt hat. Dies ist auch einer der Gründe, warum sich Landwirte in Polen selten für den ökologischen Anbau entscheiden. Im Jahr 2017 hatten von 1,4 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben nur zirka ein Prozent (15.470 Betriebe) ein Zertifikat für ökologischen Landbau, und diese Zahl hat sich in den letzten Jahren noch verringert. Neben anderen Hindernissen für die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft (beispielsweise ein kompliziertes Zertifizierungssystem und fehlende Möglichkeiten, ökologische Erzeugnisse lokal zu verarbeiten) ist es gerade auch die Überzeugung der Bauern, dass die Konsumenten kein Interesse und Vertrauen in ökologische Produkte haben. Dies kann zu der Einschätzung führen, dass sich diese Art der Landwirtschaft nicht rechnet.

Außerdem nehmen die Bauern wahr, dass es keine deutlich auf Umweltschutz ausgerichtete Politik in Polen gibt und dass ein Teil der politischen Klasse (darunter auch die regierende PiS) ihre Geringschätzung gegenüber dem Umweltschutz aufrechterhält. Auch dies hat Einfluss auf die Einstellung der Landwirte zum Umweltschutz.

Die Untersuchungen zeigen, dass die ökonomischen Bedingungen und die fortwährend schwierige Situation vieler Landwirte in Polen die Transformation dieses Wirtschaftssektors hin zu mehr Nachhaltigkeit gegenwärtig erschweren. Daher scheint es wesentlich zu sein, erstens die wirtschaftliche Situation der Bauern zu verbessern und zweitens sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene (hier im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik) systemische Maßnahmen einzuführen.

Angesichts der bedrohlichen Klimakatastrophe und der fortschreitenden Umweltzerstörung ist eine schnellstmögliche Veränderung des gegenwärtig dominierenden Modells der industriellen Landwirtschaft notwendig. Dabei sind die Schritte in Richtung nachhaltige Landwirtschaft nicht nur eine Chance, die Natur zu stärken und den Schadstoffeinsatz und -ausstoß zu begrenzen, sondern auch die lokalen Arbeitsbedingungen auf dem Land zu verbessern und die öffentliche Kontrolle über die Lebensmittelproduktion zu erlangen, die zurzeit den Interessen internationaler Konzerne untersteht.

Was muss getan werden? Notwendige Maßnahmen

Unter den Maßnahmen für die Transformation der Landwirtschaft in Richtung größerer Nachhaltigkeit hat erstens die Stärkung der gegenwärtig schwachen Position der Bauern in der Lieferkette Schlüsselbedeutung. Dies würde sich langfristig auf die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation auswirken.

Hier wäre die Selbstorganisation der Landwirte wichtig, beispielsweise in Genossenschaften oder Produzentengemeinschaften, und ihre aktive Mitwirkung auf den verschiedenen Ebenen ihrer Interessengruppen. (Ein interessantes Beispiel für eine bäuerliche Basisbewegung in Polen ist zurzeit AGROunia , deren Ziele stabile Familienbetriebe, der Schutz des nationalen Marktes und der Aufbau von Beziehungen zwischen den Landwirten und den Konsumenten sind.)

Außerdem sollten die Lieferketten verkürzt werden, indem u. a. in Form von Direktverkauf, mit Hilfe lokaler Märkte oder des Modells "Gemeinschaft unterstützt Landwirtschaft" (Rolnictwo Wspierane przez Społeczność ) direkte Beziehungen zwischen den Landwirten und den Konsumenten aufgebaut werden. Auf nationaler Ebene wäre die Werbung für lokale und regionale Lebensmittel wichtig und auf europäischer Ebene der GAP die Einführung eines Systems, in dem die Produzenten eine stärkere Position gegenüber den verarbeitenden Betrieben und dem Handel haben und kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe angeglichene Chancen u. a. beim Zugang zu europäischen Mitteln.

Zweitens sind Maßnahmen zur Verringerung der negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt wichtig. Dazu sind neue Mechanismen auf der Ebene der Gemeinsamen Agrarpolitik notwendig. Veränderungen sind u. a. im System der Direktzahlungen pro Hektar erforderlich, das heute vor allem die größten landwirtschaftlichen Betriebe unterstützt (zirka 20 Prozent der Landwirte in der Europäischen Union erhalten mehr als 80 Prozent der Direktzahlungen). Das neue Finanzierungssystem sollte weniger am Landbesitz ausgerichtet sein als am praktizierten Umweltschutz der Landwirte und diejenigen eindeutig fördern, die das Wasser schützen, den Anteil der organischen Substanzen im Boden erhöhen, die Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln und Düngern beschränken und Klimaschutz betreiben.

Wichtig ist außerdem eine kohärente, vielseitige Unterstützung der ökologischen Landwirtschaft, u. a. bei der lokalen Verarbeitung der Erträge, bei der Erzeugung von Nachfrage nach ökologischen Produkten und damit einhergehend bei vertrauensbildenden Maßnahmen unter den Konsumenten und bei der Informierung über die positiven Auswirkungen dieser Form der Landwirtschaft auf die Umwelt und die Gesundheit.

Ein weiterer Schlüsselbereich ist die landwirtschaftliche Aus- und Weiterbildung. Hier sollten die Bedeutung des Umweltschutzes und der Biodiversität bzw. die negativen materiellen und immateriellen Folgen bei Nichtbeachtung stärker vermittelt werden, insbesondere bereits in den Landwirtschaftsschulen. Wichtig ist, konkrete Instrumente vorzustellen und zum Beispiel in Form von Filmen natürliche Pflanzenschutzmittel und die Art ihrer Verwendung bekannt zu machen. Wichtig wäre hier auch die finanzielle und organisatorische Unterstützung der Zentren für landwirtschaftliche Beratung.

Außerdem sollte es darum gehen, bei der Einhaltung der Umweltschutzauflagen das Prozedere und die bürokratischen Notwendigkeiten zu vereinfachen und das Kontroll- und Monitoringsystem dahin gehend zu überarbeiten, dass die Landwirte den Sinn der Vorschriften und ihrer Durchführung verstehen. Zurzeit sind sie teilweise für die Landwirte nicht nachvollziehbar, was das Risiko, sie zu verletzen, erhöht.

Der dritte für die Förderung der nachhaltigen Landwirtschaft wichtige Faktor sind die Konsumenten. Hier ist wichtig, ihr Wissen über das Thema Landwirtschaft, ökologische und konventionelle Arbeitsmethoden und ihre Unterschiede und die Bedeutung und Vorteile des Kaufs lokaler Produkte (mit Blick auf sowohl die Unterstützung der heimischen Wirtschaft als auch die Frische und Qualität der Produkte) zu erweitern. Weitere Aspekte wären die Vorteile kurzer Lieferketten und die Möglichkeit, selbst Absatzmärkte mitzugestalten, wie zum Beispiel bei dem Modell "Gemeinschaft unterstützt Landwirtschaft". Notwendig sind schließlich auch Initiativen, um das Bild und das soziale Ansehen der Bauern und ihrer Arbeit zu verbessern und den Konsumenten zu vermitteln, welche Umweltanforderungen sie erfüllen müssen.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Die dargestellten Ergebnisse fassen Untersuchungen zu den Entwicklungsbedingungen einer nachhaltigen Landwirtschaft in Polen zusammen, die das Institut für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych – ISP ) zusammen mit der Heinrich Böll Stiftung in den Jahren 2018 bis 2019 durchgeführt hat. Dabei wurden zur Verfassung, Lage und Zukunft der polnischen Landwirtschaft Landwirte, Experten und Akteure, die für die Erarbeitung und Umsetzung der Landwirtschaftspolitik in Polen verantwortlich sind, befragt. Ausführlich werden die Ergebnisse in der Publikation Perspektywy zrównoważonego rolnictwa w Polsce. Analiza społeczno-polityczna [Perspektiven der nachhaltigen Landwirtschaft in Polen. Eine gesellschaftspolitische Analyse] von Paulina Sobiesiak-Penszko, Filip Pazderski und Ewa Jakubowska-Lorenz (Warszawa 2019) präsentiert. https://www.isp.org.pl/pl/publikacje/perspektywy-zrownowazonego-rolnictwa-w-polsce-analiza-spoleczno-polityczna

Bibliographie

Fussnoten

Dr. Paulina Sobiesiak-Penszko, Soziologin, ist Senior Analyst und Leiterin des Programms für nachhaltige Entwicklung und Klimapolitik des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych – ISP ), Warschau. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Demokratie und ihr Funktionieren, nachhaltige Entwicklung und Klimapolitik.