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Analyse: Die Bürgerplattform (PO) in der Krise | Polen-Analysen | bpb.de

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Analyse: Die Bürgerplattform (PO) in der Krise

Jarosław Flis

/ 15 Minuten zu lesen

Die Niederlage im ersten Gang der vorgezogenen Neuwahlen des Stadtpräsidenten und Stadtrates in Elbing (Elbląg) ist eine gute Illustration der Krise, in der sich die regierende Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) befindet. Das Wahlergebnis wird als Bestätigung der sinkenden Unterstützung in den landesweiten Umfragen aufgefasst. Im Herbst 2012 hatte zum ersten Mal seit fünf Jahren Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) an der Spitze von Umfragen gestanden. Im April hatte die PO erneut die Führung verloren. Diese Situation wird seitdem von weiteren Meinungsforschungsinstituten bestätigt.

In Regierung und Partei hängt der Haussegen schief: Polens Premierminister Donald Tusk (rechts), PO, entlässt den Minister für Staatsvermögen Mikołaj Budzanowski. (© picture-alliance/dpa, Radek Pietruszka)

In der nächsten Zeit stehen zwei wichtige Tests an. Der eine ist der zweite Wahlgang in Elbing, wo das endgültige Urteil der Wähler fallen wird, ob PiS die politische Verantwortung in dieser Stadt übernehmen wird, die bisher von der PO dominiert wurde. Ein Ereignis von noch größerer Bedeutung, sowohl im konkreten als auch im symbolischen Sinne, ist das erwartete Referendum zur Abwahl der Stadtpräsidentin von Warschau. Die Hauptstadt war bisher immer als Hauptbastion der PO betrachtet worden. Das Amt der Stadtpräsidentin hat dort Hanna Gronkiewicz-Waltz, die stellvertretende Parteivorsitzende, inne. In Warschau hatte der Parteivorsitzende Donald Tusk den Vorsitzenden von PiS, Jarosław Kaczyński, in den Parlamentswahlen von 2007 und 2011 eindeutig geschlagen.

Ein nervöser Sieg

Paradoxerweise liegt der Ursprung aller Probleme, die die PO aktuell betreffen, vor den Wahlen im Jahr 2011. Die Parlamentswahlen selbst waren ein großer Erfolg für sie – zum ersten Mal seit dem demokratischen Umbruch blieben die Regierungspartei an der Macht und der Ministerpräsident auf seinem Posten. Bis zum Bekanntwerden des Wahlergebnisses allerdings war der Erfolg mehr als unsicher. In der Partei selbst gab es ernste Zweifel, ob Donald Tusk und die gesamte PO ihre Position halten und bestätigen würden. Öffentlich, jedoch nicht offiziell, wurden Szenarien diskutiert, dass im Falle des Verlustes der Stimmenmehrheit von PO und Polnischer Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) im Sejm die konkurrierenden Kräfte in der PO versuchen würden, Donald Tusk abzuschieben. Dies sollte die Bedingung für die Bildung einer größeren Koalition mit der Linken sein, dieses Mal mit jemand anderem in der Rolle des Ministerpräsidenten. Dieses Drehbuch war die Folge der Spannungen, die in der vorangegangenen Wahlperiode aufgetreten waren, vor allem zwischen Donald Tusk und dem Vizevorsitzenden der Partei, dem damaligen Sejmmarschall Grzegorz Schetyna. Auch wenn sich diese Spannungen vor den Wahlen teilweise entladen hatten, hinterließen sie in der Partei doch ihre Spuren. Das Ergebnis der Parlamentswahlen von 2011 hatte das diskutierte Szenario überflüssig gemacht. Zwar waren die Koalitionsparteien ein wenig geschwächt, aber sie behielten die Mehrheit im Sejm und die Chance, die Regierung zu bilden. Außerdem waren die Opposition auf der linken wie auf der rechten Seite aufgrund ihrer Spaltung geschwächt. Auf der linken Seite war eine Alternative zur Demokratischen Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD) in Gestalt der Palikot-Bewegung (Ruch Palikota) aufgetreten, die der postkommunistischen Linken einen wesentlichen Teil der Wähler abgezogen hatte. Im Großen und Ganzen konnten die PO und Donald Tusk persönlich einen beispiellosen Erfolg einfahren. Allerdings wurde dieser Erfolg unter vorangegangenen Unwägbarkeiten erlangt und wurde er im Wesentlichen von der Konkurrenz geschenkt.

Der unanfechtbare Parteiführer

Die Nähe eines alternativen Szenarios, wenn es auch nicht umgesetzt worden war, führte nach den Wahlen zu einer Erschütterung in der PO. Zwar wurde die persönliche Position Donald Tusks enorm gestärkt. Er selbst befasste sich aber in einem übertriebenen Umfang mit der Abwehr der Gefahren, die gerade vorüber gezogen waren, das heißt mit der Stärkung seiner Position gegenüber den Kreisen von Unzufriedenen in der Partei, die sich in der Defensive befanden. Es gab zwei Gruppen von Unzufriedenen in der Partei, als die Regierung gebildet wurde. Zum einen war dies die Gruppe um Grzegorz Schetyna, die daran interessiert war, wieder der Regierung anzugehören und ihre Position zu halten, und die eine drohende Marginalisierung fühlte. Zum anderen war das ein Kreis, der sowohl in der Partei selbst als auch unter führenden Anhängern zu finden war. Es waren diejenigen, die entschlossenere Reformschritte in der Politik im Vergleich zur "Politik des lauwarmen Wassers" der vergangenen Wahlperiode erwarteten, als auf weitreichende, aber kontroverse Reformen verzichtet worden war. Letztere Kritik hatte einen ausgesprochen uneindeutigen Charakter. Einerseits waren in der vorangegangenen Wahlperiode (2007–2011) unabhängig von der offiziell deklarierten Politik der kleinen Schritte wichtige und kontroverse Entscheidungen getroffen worden, beispielsweise die Abschaffung der sogenannten Brückenrenten. Daher kamen Zweifel auf, ob das Stichwort "Politik des lauwarmen Wassers" nicht nur eine süße Sauce sei, mit der scharf gewürzte Speisen gemildert wurden. Andererseits erinnerte ein Teil der Forderungen nach mutigen Entscheidungen mit ihrer Rhetorik an die politische Philosophie der Demokratischen Union (Unia Demokratyczna – UD) in den 1990er Jahren: Unwichtig, ob die Menschen dagegen sind, manche Dinge müssen durchgeführt werden. Diese Art von Argumentation wurde von Donald Tusk selbst als Rezept für eine todsichere politische Niederlage betrachtet, als Wiederholung des politischen Weges der UD, der in die Vernichtung der Partei mündete. Gleichzeitig erwies sich die offizielle Botschaft von der Politik der kleinen Schritte und der Vermeidung ambitionierter Entscheidungen für den Beamtenapparat als demoralisierender Faktor. Unter diesem Einfluss vermied es der Apparat, irgendwelche unbequemen Entscheidungen vorzubereiten. Weitere Projekte wurden in die Warteschleife geschoben, was die Probleme eher vermehrte als sie löste. In der Situation sich verschlechternder wirtschaftlicher Indikatoren griff die Überzeugung von der Ohnmacht der ganzen Regierung um sich. Ein Element dieser Kontroversen war auch die Überzeugung von Donald Tusk, dass der Wahlsieg vor allem sein persönliches Verdienst sei und mit seinem landesweiten Wahlkampf mit dem "Tuskmobil" in Verbindung stehe und dass dieser Erfolg außerdem trotz der kritischen Aktionen innerhalb der Partei und nicht dank derselben eingetreten sei. Dies führte zu einer wachsenden Vereinsamung des Ministerpräsidenten, die sich in einer wachsenden Distanz zu der von ihm geführten Partei ausdrückte.

Neue Position

Donald Tusk gelang es, eine Regierung zu bilden, die am ehesten seinen Erwartungen entsprach. Eine Regierung, der nicht Grzegorz Schetyna angehörte und in der die Positionen der Hauptkonkurrenten marginalisiert wurden, aber auch eine Regierung, in der beispielsweise Jarosław Gowin, der Kopf des konservativen Flügels und einer von denen, die ein mutigeres Handeln von der Regierung forderten, den Posten des Justizministers mit konkreten Aufgaben erhielt. Es entstand eine Regierung, die den Eindruck vermittelte, dass sie in der Lage sei, die Schwierigkeiten von Donald Tusk zu minimalisieren – allerdings zunächst die Schwierigkeiten, die aus der Diagnose der vorangegangenen Situation resultierten und nicht aus der Analyse der gegenwärtigen Lage. Dennoch schien es anfangs so, als würde Tusk die Lage vollständig beherrschen und als hätte er sich eine vollkommen hegemoniale Position auf der politischen Bühne gesichert. Früher war die Stärke der PO und von Donald Tusk selbst das rasche Reagieren auf Krisen gewesen. Nun begann als Folge der Wiederholung eine Ermüdung einzutreten. Immer häufiger wird darauf hingewiesen, dass frühere Initiativen angesichts von Krisen nicht in konsequentem Handeln mündeten. Hier erwies sich die "Einmannherrschaft" des Ministerpräsidenten als Barriere. Dass er sich in die Rolle desjenigen gesetzt hat, der als einziger über alle Angelegenheiten entscheidet, bewirkte, dass er die Möglichkeit verlor, das Spiel des good cop, bad cop zu spielen. Vorher hatte es so ausgesehen, dass er die Konfrontationen mit einem Lächeln gewann und alle von ihm dachten, dass er doch nicht dieser Schwächling sei, nach dem er aussieht. Im Laufe der Zeit begann er immer häufiger die Position des Mannes mit der drohenden Miene einzunehmen, von dem allerdings bekannt war, dass er nicht der harte Kerl ist, für den er gehalten werden möchte. So sehr im ersten Fall die Differenz zwischen dem offiziellen Bild und der Realität zum Vorteil des Chefs gereicht, so sehr raubt es ihm im zweiten Fall die Handlungsmöglichkeiten, ist es doch offensichtlich, dass man einen Wutausbruch am besten abwarten sollte, da er kein konsequentes Handeln nach sich ziehen wird. Infolge dessen begann das Vertrauen in den Ministerpräsidenten systematisch zu sinken, das schließlich zum Parteiführer von PiS, Jarosław Kaczyński, größer wurde als zu Tusk.

Der weltanschauliche Konflikt

Das Problem der Führungskompetenz fand in einer ganzen Reihe von Angelegenheiten seinen Widerhall, von denen der Umgang mit dem Gesetz über die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die wichtigste war. Es war der Höhepunkt einer Reihe von Konflikten weltanschaulicher Art, wozu auch die Zulässigkeit von Abtreibungen gehörte. Diese Themen waren wesentliche Punkte in der öffentlichen Debatte im Herbst 2012 und kulminierten im Winter und im Frühjahr 2013. Teilweise ergab sich dies daraus, dass es in der PO trotz früherer Bemühungen, solcherart Streit um Anschauungen zu vermeiden und als Wächter des status quo aufzutreten, zu Versuchen kam, diesen status quo in Frage zu stellen. Zum einen beriefen sich die Abtreibungsgegner dieses Mal auf ein Argument, dem von den Anhängern der Wahlfreiheit deutlich schwieriger zu begegnen war – auf die Gleichstellung Behinderter. Zum anderen engagierte sich eines der einflussreichsten polnischen Medien, die Tageszeitung "Gazeta Wyborcza", außerordentlich für das Gesetz über die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und behandelte dieses als Symbol für die weltanschaulichen Veränderungen in Polen. Beide Kontroversen setzten die PO ungeheuren internen Spannungen aus. Die Diskussion über die Lösung der rechtlichen und ethischen Probleme wurde vom Streben nach einem symbolischen Triumph bzw. der Angst vor einer Niederlage überlagert. Dieser Konflikt wurde vom Ministerpräsidenten recht ungeschickt gelöst. Donald Tusk stellte sich als Anhänger der Reformen dar und warf seine Autorität in die Waagschale. Aber nur dafür, um ein halbes Jahr später – nicht zuletzt in Anbetracht der Haltung des Staatspräsidenten – zu bekennen, dass seine Gegner tatsächlich Recht gehabt hätten, Gegner, die er im Laufe des ganzen Streits bereits hatte loswerden oder demütigen können. In dieser Situation gewann er nicht die Sympathie der Anhänger der Reformen, und deren Gegner nahm er gleichzeitig gegen sich ein.

Kostspielige Reformen

Bevor es allerdings zum Höhepunkt der weltanschaulichen Konflikte kam, wurde ein anderes Problem mit Schlüsselbedeutung gelöst, die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Diese Angelegenheit ist ein Standardbeispiel für die komfortable Situation von Tusk und der PO zu Anfang der Legislaturperiode. Gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters waren alle anderen alten Parteien – PiS, SLD und der Koalitionspartner PSL. Die Reform wurde mit Hilfe der Stimmen der Palikot-Bewegung bei gemäßigtem Widerstand des Koalitionspartners verabschiedet. Es wurde diese Lösung forciert, obwohl sich in Umfragen die Mehrheit der Befragten gegen eine solche Entscheidung aussprach, wenn auch die Mehrheit der Ökonomen zu überzeugen versuchte, dass dieser Schritt angesichts der sich verändernden demographischen Situation notwendig sei. Die Frage der Renten ist ein Beispiel für einen wichtigen Erfolg von Donald Tusk, versteht man Erfolg als Fähigkeit, den eigenen Willen durchzusetzen. Diese Lösung wurde in Übereinstimmung mit den Forderungen der Mehrheit der internen Kritiker durchgeführt. Ganz offensichtlich war dies kein Phänomen der "Politik des lauwarmen Wassers" und auch kein Schritt, der den Umfrageergebnissen untergeordnet war. Doch gerade dieses Handeln hinterließ seine Spur in der Beziehung zu den Wählern der PO am deutlichsten. Auch wenn kein Erdrutsch eintrat, den viele vorhergesagt hatten, ging doch ein wesentlicher Teil der Wähler zwischen Herbst 2011 und Frühjahr 2012 zur Gruppe der Unentschlossenen über. Die Oppositionsparteien profitierten von diesen Ereignissen nicht, aber die PO verlor die Unterstützung derjenigen Wähler, die sich in einer schwierigeren wirtschaftlichen Situation befinden und sich um ihre Zukunft sorgen. Es kam die Hoffnung auf, dass die Organisation der Fußballeuropameisterschaft EURO 2012 die Situation verbessern würde, aber diese war nur ein halber Erfolg. Zwar wurde die gesamte Veranstaltung allgemein als gelungen bewertet, aber die polnische Mannschaft schied sehr schnell aus dem Wettkampf aus, so dass sich aufgebaute Hoffnung in Frustration verwandelte. Dass die Unterstützung für die PO zurückging, wurde mit Sicherheit auch von zwei wesentlichen Reformen beeinflusst, die von der Regierung angekündigt und umgesetzt wurden und die die Bevölkerung unmittelbar betreffen und von Widersprüchen und Problemen begleitet werden. Die erste betrifft das Schuleintrittsalter, das auf sechs Jahre gesenkt wurde, die zweite das Gesetz, das das gesamte System der Müllentsorgung reformiert. Hier ruhten wesentliche Entscheidungen auf der Ebene der Selbstverwaltungen. Diese sind, vor allem in den größeren Städten, ebenfalls in den Händen der PO. Die mangelnde Vorbereitung der Schulen auf die Reform und die angekündigten spürbaren Gebührenerhöhungen für die Müllentsorgung wurden zu neuen Problemen der Regierung. Sie ließen sich auch nicht als Erfolge darstellen, die die Situation der Wähler unmittelbar verbessern würden.

Erfolge und Niederlagen

In der letzten Zeit gab es keine Gelegenheiten, auf konkrete Erfolge der Regierung hinzuweisen. An Informationen über Probleme fehlt es dagegen nicht, zum Beispiel über Verzögerungen beim Autobahnbau oder Schwierigkeiten, die finanziellen Mittel der Europäischen Union einzusetzen. Sogar wenn Erfolge auf der internationalen Bühne zu verzeichnen sind, etwa im Zusammenhang mit dem für Polen günstigen EU-Haushalt, werden diese auf dem politischen Binnenmarkt verspielt. Die PO hat es mit sehr konkreten Problemen zu tun, beispielsweise mit verlorenen Wahlen auf lokaler Ebene, wie die Nachwahlen zum Senat in Ratibor (Racibórz), wo die PO bei der Auswahl der Kandidaten eine verfehlte Strategie verfolgt hatte, oder mit dem Verlust der politischen Macht im Woiwodschaftsparlament (sejmik) der Woiwodschaft Vorkarparten (woj. podkarpackie) infolge einer Affäre in der PSL. Die PO hatte 2007 die politische Verantwortung infolge des Aufbegehrens gegen die Vorgänger übernommen und ihre Unterstützung zunächst gegen die linke SLD, dann gegen die rechte PiS aufgebaut. Ein Teil ihres Erfolges war die Zustimmung, die ihr als Alternative zu denen, die Lasten aus der Vergangenheit mit sich schleppten, zuteil wurde. Aber diese Vergangenheit entfernt sich mit jedem Jahr immer mehr. Mit jedem Jahr, das die PO an der Macht ist, wird sie mehr und mehr die Partei der Verteidiger des status quo, für den sie verantwortlich ist; die aufbegehrenden Kräfte sammeln sich dagegen nun ganz woanders. Und so kam es dazu, dass sich weitere Jahrgänge, die die politische Bühne betreten, aus unterschiedlichen Gründen empören. Dies ist nicht ein einziger schlichter Aufruhr, sondern er wächst aus zwei Richtungen. Da ist sowohl der Aufruhr junger Menschen, der auf eine weltanschauliche Revolution verweist und zur Palikot-Bewegung tendiert, als auch der Aufruhr der Jugend, der sich als konservative Konterrevolution versteht, sei es, was die eindeutige Bewertung der Flugzeugkatastrophe von Smolensk betrifft oder Reaktionen auf Versuche, die nationale und soziale Gemeinschaft zu demontieren. Jedenfalls führte dies zu der Situation, dass, obwohl die PO früher in der Gruppe der jüngsten Wähler die dominierende Partei war und ihre Konkurrenten komplett an den Rand drängte, sie heute einen ausgewogenen Kampf führen muss, und zwar mit zwei Kräften, sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite. Das Ausbleiben spektakulärer Erfolge und die wachsenden wirtschaftlichen Probleme rufen Unzufriedenheit und Enttäuschung bei den ehemaligen Anhängern hervor. In einer solchen Situation wird die Konzentration auf die internen Angelegenheiten besonders schädlich. Die Überlegenheit, die die PO in der vergangenen und zu Beginn der gegenwärtigen Wahlperiode hatte und die auf der Vorstellung beruhte, dass sich die Opposition nur mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigen und die Koalition vor diesem Hintergrund friedfertiger handeln würde, begann sich umzukehren. Zwar haben die Oppositionsparteien nach wie vor ihre internen Probleme und Spannungen, aber diese scheinen geringer zu sein als die des Regierungslagers. Es ist dies nichts, was das Bild radikal verändert, aber es verschiebt die Akzente derart, dass das, was mal eine Überlegenheit war, nun eine Schwäche ist.

Das Veränderungspotential

Man muss allerdings daran erinnern, dass die PO die ganze Zeit auch über wesentliche Trümpfe verfügt. Eine Schlüsselbedeutung hat die Positionierung auf der politischen Bühne. Sie ist die Partei, die theoretisch die größte Möglichkeit besitzt, unentschlossene Wähler zu gewinnen. Die Oppositionsparteien des linken und des rechten Spektrums haben sehr klare ideologische Profile, die sich von dem unterscheiden, was man über den unentschlossenen Wähler weiß. Das ideologische Profil der Mitte und bestimmte Vagheiten der PO kommen dagegen den schwankenden Wählern entgegen. Würden diese sich dem linken oder dem rechten Spektrum zuwenden, würde das die Oppositionsparteien einem großen Druck zwischen ihrer Stammwählerschaft, die klar umrissen ist, und jenen neuen Wählern aussetzen. Unterdessen sind die PO-Wähler schon jetzt an eine gewisse ideologische Pluralität gewöhnt und es fällt ihnen leichter, sie zu akzeptieren. Eine solche Position auf der politischen Bühne gestattet es auch, die negativen Stereotype auszunutzen, die in der polnischen Politik bestehen. Zwei Stereotype können weiterhin leicht von der PO während des Wahlkampfes ausgenutzt werden – das eine bezieht sich auf das Erbe des Kommunismus und die Abneigung Vertretern des alten Regimes gegenüber, das andere auf den Gegensatz Stadt-Land und die Annahme der zivilisatorischen Überlegenheit der Stadtbewohner. Dabei kann die Sympathie eines wesentlichen Teils der Elite, seien es journalistische oder meinungsbildende Kreise, helfen. Diese Sympathie wurde bereits etliche Male im Zusammenhang mit wachsenden ideologischen Spannungen und Enttäuschungen hinsichtlich der Effektivität der Regierung aufs Spiel gesetzt, dennoch bleiben die Barrieren bestehen, die es auf der rechten und der linken Seite gegenüber den Eliten gibt. Damit verbindet sich auch die Möglichkeit, neue Personen zu rekrutieren. Diese Fähigkeit half der PO schon in früheren Krisen sehr, insbesondere im Jahr 2011 bei der Wahlaffäre in Waldenburg (Wałbrzych), einer PO-Hochburg. Sogar der Abgang der die Stadt regierenden PO-Mannschaft, der nach einem eindeutigen Skandal erfolgte, verschloss nicht den Weg zum nächsten Wahlsieg: Man berief sich auf neue Akteure, die von außen kamen und neue Qualität mitbrachten, und diesen gelang es, das Vertrauen der Wähler zu erlangen. Diese spezifische Positionierung der PO auf der politischen Bühne in Verbindung mit den wirkenden Stereotypen ermöglicht die Erneuerung der Partei in einem größeren Maße als dies bei den Oppositionsparteien möglich wäre.

Querelen bei der Konkurrenz

Unterdessen schlägt sich die Opposition ständig mit internen Problemen herum. Bestes Beispiel sind zwei Initiativen, die 2012 auf die politische Bühne traten und die schwerlich als Erfolge zu bezeichnen sind. Dies ist zum einen die Gründung der Bewegung Europa Plus von Aleksander Kwaśniewski und zum anderen das Projekt einer technischen Regierung mit einem Ministerpräsidenten von PiS. Ersteres führte dazu, dass sich die bestehenden Teilungen auf der Linken vertieften und dass Ryszard Kalisz, einer der bekanntesten und beliebtesten Politiker, die SLD verließ. Schon die Gründung von Europa Plus verband sich mit einer Reihe sehr wenig überzeugender und kritisch wertender Kommentare von Seiten der Anhänger und Medien, und die ganze Initiative sieht heute eher danach aus, dass sie aufgrund interner Probleme ausbrennt, als dass sie den "Schneeballeffekt" nutzt. Was die Kandidatur von Professor Piotr Gliński als Ministerpräsident des Schattenkabinetts von PiS betrifft – diese war ein Teil des Erfolgs von PiS –, weist nichts darauf hin, dass es irgendeinen kohärenten Plan gäbe, wie dieser Trumpf in Zukunft eingesetzt, wie er noch vervollkommnet oder wie er in die gesamte Offerte der Partei eingebaut werden könnte. Es gibt keine Hinweise darauf, dass PiS hier eine klare Strategie hätte. Auch haben alle anderen Parteien, ähnlich wie die PO, Probleme mit der Parteiführung. Die Schwächen der gegenwärtigen Parteiführer sind bekannt, es gibt aber in der zweiten Reihe niemanden, der vergleichbare Vorzüge hätte und eine Alternative darstellen könnte. Alle innerparteilichen Konkurrenten haben ihre Last sowohl parteiintern als auch in der Rivalität zwischen den Parteien zu tragen. In dieser Situation spielt die Parteibindung eine Rolle. Die Wähler aber wählen am liebsten die, für die sie schon beim letzten Mal gestimmt haben. Es bedarf eines gewichtigen Impulses, um dies zu ändern. Natürlich kann Unzufriedenheit ein solcher Impuls sein, ein Protest nach dem Motto "jeder andere, nur nicht sie". Man muss sich aber auch dessen bewusst sein, dass die für die Regierung des Landes entscheidenden Parlamentswahlen am Ende eines Wahlzyklus stattfinden, der mit den Wahlen zum Europäischen Parlament im Frühjahr 2014 beginnt. Anschließend folgen die Selbstverwaltungswahlen im Herbst sowie die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2015, deren Favorit der aktuelle, von der PO unterstützte Präsident ist. Erst für den Herbst 2015 sind die Parlamentswahlen geplant. Das Ergebnis jeder dieser Wahlen wird das Ergebnis der noch folgenden beeinflussen und kann zu Anstrengungen in sehr unterschiedliche Richtungen führen. Wie die Geschichte der letzten Wahlperioden zeigt, die nicht so gedrängt endeten wie es 2014/15 der Fall sein wird, hat die kurze Aufeinanderfolge von Wahlen einen sehr wichtigen Einfluss auf die Dynamik des Wahlszenarios. Alle hier dargestellten Abhängigkeiten führen zu dem Schluss, dass das Bild zurzeit tatsächlich vieldeutig ist. Zwei Pfade sind aber deutlich vorstellbar. Im Laufe der letzten 20 Jahre kam es auf der politischen Bühne drei Mal zu einem "politischen Tsunami". Im Ergebnis fand sich die Regierungspartei in einer katastrophalen Situation wieder, darin inbegriffen, dass der Ministerpräsident der vorangegangenen Periode nicht einmal mehr in den Sejm einzog. Allerdings zeitigt die derzeit sichtbare Überzeugung im Regierungslager, dass dies eintreten könnte und dass man sich retten müsse, eine umgekehrte Wirkung: Die Rettungsbemühungen beschleunigen und vertiefen nur die Krise. Es ist also nicht schwer, sich das Szenario einer totalen Katastrophe vorzustellen, nämlich dass sich die ganze gegenwärtige politische Konstruktion als hohles Ei erweisen wird und die politischen Akteure in verschiedene Richtungen auseinander laufen werden. Möglich ist aber auch ein solches Szenario, dass angesichts der Gefahr doch noch eine Mobilisierung und die Beilegung der Konflikte eintreten wird sowie die Suche nach neuen Lösungen auf der Grundlage der doch nicht unbedeutenden Ressourcen. Die Konkurrenz, die von der Unabwendbarkeit der Katastrophe überzeugt ist, wird die Hände in den Schoß legen und die Gelegenheit verpassen, die die Krise der Regierung für sie bietet. Zurzeit gibt es keine Voraussetzungen, auf deren Grundlage man sagen könnte, dass eines dieser Szenarien wahrscheinlicher ist als das andere. Umso weniger, als es noch ein drittes gibt – eine gewöhnliche Wahlniederlage, nach der der Verlierer die wichtigste oppositionelle Kraft wird und sich für ein neues Gefecht am Ende der nächsten Wahlperiode aufstellen wird. Die Metaphorik der "kleinen Schritte" beschreibt heute die Situation der PO besser als es scheinen mag. Ihre gegenwärtige Krise ist nicht das Ergebnis irgendeines spektakulären "Erdbebens". Derlei Erschütterungen wie die sogenannte Glücksspielaffäre oder der Werftenskandal in der letzten Wahlperiode haben keine besonderen Schäden hinterlassen. Vielmehr werden Schäden von einer ganzen Reihe kleiner Schritte rückwärts hervorgerufen. Jeder einzelne wäre überhaupt nicht der Rede wert. Alle zusammen prägen ein Bild, das die Wähler entmutigt.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Fussnoten

Dr. Jarosław Flis ist Soziologe am Institut für Journalistik und gesellschaftliche Kommunikation an der Jagiellonen-Universität in Krakau. Seine Forschungsschwerpunkte sind Public Relations, Sozio­logie der Politik und Verwaltung öffentlicher Institutionen. Er verfasst regelmäßig Beiträge und Kommentare u. a. für die Zeitungen Gazeta Wyborcza, Rzeczpospolita, Tygodnik Powszechny sowie für die Fernsehsender TVP und TVN.