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Nedeljko Galić (1949–2001) und Štefica Galić (geb. 1963) | Mapping Memories of Good Will | bpb.de

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Nedeljko Galić (1949–2001) und Štefica Galić (geb. 1963) Ljubuški, westliche Herzegowina

Radina Vučetić

/ 4 Minuten zu lesen

Das Ehepaar Galić stellte ab 1993 gefälschte Dokumente aus, um rund 1000 Bosniaken aus dem Lager Heliodrom in Mostar zu retten. Sie ermöglichten ihnen die Flucht, vorwiegend nach Deutschland.

Nedeljko Galić und Štefica Galić (© Superstudio Zagreb und Vedran Klemens)

Ereignis

Während des Krieges in Bosnien-Herzegowina, nach der Unabhängigkeitserklärung des Staates, besetzte die serbische Armee etwa zwei Drittel des Territoriums von Bosnien-Herzegowina. In Mostar und Umgebung behielten die Bosniaken und Kroaten die Kontrolle. In der Nähe von Mostar gründete die selbsternannte Kroatische Republik Herceg-Bosna das Internierungslager „Heliodrom“, in dem zeitweilig etwa 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner von Mostar festgehalten wurden, zudem auch weitere Personen bosniakischer und serbischer Nationalität aus ganz Bosnien-Herzegowina.

Mit dem Kriegsausbruch waren in Ljubuški die serbische und die bosniakische Bevölkerung von Gewalt und Verfolgung betroffen. Nedeljko Neđo Galić, Fotograf aus Ljubuški, widersetzte sich im August 1993 strikt den Vertreibungen und Misshandlungen von Menschen anderer ethnischer und religiöser Zugehörigkeit mit den Worten:

Zitat

Leute, das hier ist wahnsinnig, das ist ein Verbrechen, das könnt ihr nicht machen!

Ungeachtet der Gefahr halfen Neđo und seine Ehefrau Štefica Galić ab dem Sommer 1993 den gefährdeten Bosniaken und Serben dabei, sich vor dem Schrecken des Krieges und des kroatischen Nationalismus in Sicherheit zu bringen, meistens nach Deutschland.

Da Deutschland damals für jeden Grenzübertritt ein Schreiben verlangte, in dem Personen aus Deutschland für Flüchtlinge bürgten, haben Neđo und Štefica in ihrem Fotogeschäft gefälschte Dokumente erstellt und dadurch hunderten Menschen geholfen, nach Deutschland auszureisen. Es wird angenommen, dass Neđo und Štefica Galić etwa 1000 Bosniaken aus dem Lager „Helidrom“ befreit haben.

Wegen ihrer Taten hielten die kroatischen Nachbarn sie für Verräter, weshalb sie mit ihren drei Kindern nach Prag emigrierten. Nach der Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens 1994 kehrte die Familie Galić nach Ljubuški zurück, doch die Anfeindungen ihnen gegenüber und der Boykott ihres Fotogeschäfts hörten nicht auf. Neđo erkrankte kurz darauf und starb 2001 an den Folgen eines Krebsleidens. Die feindliche Gesinnung gegenüber Neđo hörte mit seinem Tod nicht auf, deshalb verließ Štefica Ljubuški und zog nach Mostar.

Biografie

Nedeljko Neđo Galić, bekannt als „Schindler aus Ljubuški“, wurde 1949 ebendort geboren und arbeitete als Fotograf. Er war ein Rocker mit langen Haaren, fuhr Motorrad, spielte Gitarre, schrieb Gedichte und war ein leidenschaftlicher Amateur-Radiomacher. Als junger Mann im sozialistischen Jugoslawien kämpfte er um die persönliche Freiheit; noch 1968 wurden in einer Zeitung seine Worte festgehalten:

Zitat

Ich kämpfe um mein Recht, eine Beatles-Frisur zu tragen!

In Ljubuški, mit seiner mehrheitlich kroatischen Bevölkerung, galt er als Aufrührer, der sich jeder Form von Nationalismus widersetzte. Im Jahr 1981 heiratete er Štefica, sie bekamen drei Kinder und betrieben gemeinsam ein Fotogeschäft. Dies war in Zeiten des sozialistischen Jugoslawiens wegen der Ausstellung persönlicher Dokumente ein einträgliches Geschäft.

Nach dem Ausbruch des Krieges versuchten Neđo und Štefica auf jede erdenkliche Art, Vertriebenen und Gefährdeten zu helfen. Sie nutzten ihre fotografischen Kenntnisse und ihr Geschäft mit Fotolabor, um gefälschte Einladungen aus Deutschland für die Inhaftierten des Lagers „Heliodrom“ zu erstellen und sie damit aus dem Lager zu befreien. Den meisten Befreiten half Galić auch bei der Erstellung und Beschaffung weiterer notwendiger Dokumente, denn sie mussten innerhalb von 48 Stunden nach ihrer Freilassung das Territorium von Bosnien-Herzegowina verlassen.

Wegen ihrer Unterstützung von Bosniaken und Serben wurden die Eheleute zur Zielscheibe der kroatischen Nationalisten. Sie verließen das Land, kehrten jedoch bereits 1994 nach Ljubuški zurück. Neđo starb 2001 an Krebs, sicherlich aber auch an dem Druck, unter dem er lebte, zudem litt er unter der schwierigen finanziellen Situation und dem Boykott seines Fotogeschäfts. Nicht einmal der Film von Svetlana Broz über seine Heldentaten „Neđo iz Ljubuškog“ („Neđo aus Ljubuški“) (2012) konnte dazu beitragen, die Stimmung zu verbessern. Nach der Vorführung dieses Dokumentarfilms wurde Štefica weiterhin öffentlich beschimpft und war auch körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Da Neđo verstorben, ihr Fotogeschäft pleitegegangen und sie täglich Gewalt ausgesetzt war, lebte sie eine Zeit lang mit ihren Kindern in Italien, wo sie als Obstpflückerin arbeitete.

Heute lebt sie in Mostar als Journalistin und Redakteurin des Portals „Tacno.net“, auf dem Menschen verschiedener beruflicher Ausrichtung, verschiedenen Alters und verschiedener ethnischer und religiöser Zugehörigkeit Texte veröffentlichen, in denen sie offen die Gesellschaft kritisieren, in der sie leben, mit dem Ziel, diese Gesellschaft zu einer besseren zu machen. Für ihr Engagement im Kampf für Menschenrechte erhielt sie den deutschen Preis „Johann Philipp Palm“ (2018). Štefica wurde zudem 2023 der Preis „Dušan Bubalo“ für den Kampf gegen Gewalt und Ungerechtigkeit, die Konfrontation mit der Vergangenheit, für den Mut, den Widerstand und den Friedensaufbau in Bosnien-Herzegowina und der ganzen ex-jugoslawischen Region verliehen.

Wegen der Belastung, die sie ertragen muss, steht Štefica seit 2019 unter dem Schutz des deutschen Bundestages. Neđo erhielt 2012 posthum den Preis für Zivilcourage „Dušan Kondor“.

Erinnerungsspüren

Dokumentarfilm „Neđo iz Ljubuškog“ (Neđo aus Ljubuški) von Svetlana Broz, 2012

Weitere Inhalte

Radina Vučetić ist Professorin für Geschichte des 20. Jahrhunderts und Leiterin des Zentrums für Amerikastudien an der Universität Belgrad. Sie hat sechs Bücher veröffentlicht, ist Mitherausgeberin von drei Monografien und hat zahlreiche Buchkapitel und Artikel über die jugoslawische Geschichte und den Kalten Krieg verfasst. Ihre Forschung wurde durch zahlreiche internationale Stipendien unterstützt.