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Josip Tvrtko Reihl-Kir (1955–1991) | Mapping Memories of Good Will | bpb.de

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Josip Tvrtko Reihl-Kir (1955–1991) Osijek (Kroatien)

Dubravka Stojanović

/ 3 Minuten zu lesen

Als Polizeichef in Osijek bemühte sich Josip Reihl-Kir durch Verhandlungen, gewaltsame Konflikte zwischen serbischen und kroatischen Paramilitärs zu verhindern. Er wurde 1991 von kroatischen Extremisten erschossen.

Josip Tvrtko Reihl-Kir (© Superstudio Zagreb und Vedran Klemens)

Ereignis

Josip Tvrtko Reihl-Kir war Polizeichef in Osijek, als es zu bewaffneten Konflikten zwischen den serbischen und den kroatischen paramilitärischen Einheiten im Frühjahr 1991 kam. Es gab Angriffe der extremistischen Gruppen beider Seiten. Reihl-Kir versuchte stets, Konflikte zu verhindern. Mehrmals ging er unbewaffnet auf serbische Barrikaden zu und versuchte, sie zu entfernen. Er führte Verhandlungen mit kroatischen Extremisten, um sie davon abzubringen, weiterhin serbische Dörfer zu überfallen. Auf der Rednertribüne des Parlaments von Osijek sagte er: „Solange ich der Polizeichef in Osijek bin, wird es keine Konflikte zwischen Serben und Kroaten geben.“

Er setzte sich auch mit den Medien auseinander und beschuldigte bei Pressekonferenzen Journalistinnen und Journalisten, im Dienste der Kriegspolitik zu stehen, absichtlich die von ihm gelieferten Daten zu verzerren und bewusst die Öffentlichkeit zu manipulieren. Er protestierte offen gegen die regierende Partei HDZ („Hrvatska demokratska zajednica“, Kroatische demokratische Union), die in seinen Augen den Erhalt des Friedens verhinderte.

Die bewaffneten Konflikte in Slawonien verstärkten sich nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens am 25. Juni 1991 und der Abspaltung der autonomen Gebiete Ostslawonien, Baranja und West-Srem von Kroatien.

In dieser Situation teilte Reihl-Kir dem Polizeiminister Josip Boljkovac mit, dass sein eigenes Leben in Gefahr sei und dass Leute in leitenden Positionen wie Branimir Glavaš und Vladimir Šeks bereits an seiner Tötung arbeiteten. Nachdem er den Ernst der Lage begriffen hatte, bewilligte der Minister die Versetzung von Reihl-Kir nach Zagreb und setzte sie für den 30. Juni 1991 an.

Doch Reihl-Kir wollte noch an einer Verhandlungsrunde mit den Konfliktparteien teilnehmen. Zu diesen Verhandlungen fuhr er gemeinsam mit drei Lokalpolitikern am 1. Juli 1991. In der Nähe des überwiegend serbischen Dorfes Tenja gerieten sie in einen Hinterhalt einer kroatischen paramilitärischen Einheit. Reihl-Kir wurde mit 16 Kugeln getötet, auch zwei seiner Gefährten kamen ums Leben. Bei seiner Zeugenaussage vor Gericht sagte Boljkovac aus, dass Reihl-Kir getötet wurde, weil er den Frieden erhalten wollte.

Nach der Ermordung von Reihl-Kir gab es Versuche, das Verbrechen zu vertuschen und die Schuldigen zu schützen. Einen Tag, nachdem Polizeiminister Boljkovac mitgeteilt hatte, dass er wegen dieses Mordes einen der einflussreichsten Funktionäre der regierenden Partei HDZ, Vladimir Šeks, verhaften lassen würde, wurde er entlassen.

Der unmittelbar Ausführende des Mordes, Antun Gudelj, wurde einige Tage nach dem Mord über die Grenze gebracht, von wo aus er sich nach Australien absetzte. Erst 1993, zwei Jahre nach dem Mord, wurde er zur Fahndung ausgeschrieben und 1994 in Abwesenheit zu 20 Jahren Haft verurteilt. Im Jahr 1996 konnte Gudelj verhaftet und in Kroatien inhaftiert werden, doch 1997 wurde er begnadigt, woraufhin er nach Australien zurückkehrte.

Den Kampf um Gerechtigkeit führte Reihl-Kirs Witwe Jadranka Reihl-Kir unter anderem mit politischem Engagement fort. 2001 wurde die Begnadigung des Täters widerrufen, und 2003 begann ein neues Gerichtsverfahren. Erst beim dritten Verfahren wurde Gudelj 2009 rechtskräftig zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt. Die Auftraggeber des Mordes wurden nie ermittelt, obwohl der damalige Polizeiminister bei seiner Zeugenaussage klar die damals führenden Köpfe der HDZ in Slawonien als Verantwortliche benannt hatte – Vladimir Šeks, Branimir Glavaš und Gojko Šušak.

Biografie

Josip Tvrtko Reihl-Kir wurde am 25. Juli 1955 in der Nähe von Daruvar geboren. Seine Eltern, die Mutter war Kroatin, der Vater Deutscher, kämpften beide in der NOB („Narodnooslobodilačka borba“, Volksbefreiungskampf der jugoslawischen Partisanen). Nach dem Abschluss des Wirtschaftsstudiums arbeitete Josip Reihl-Kir eine Zeit lang als Gymnasiallehrer. 1981 erhielt er eine Stelle im Innenministerium und rückte rasch in die Führungsetage auf. Nach den ersten Mehrparteienwahlen im Jahr 1990 wurde er Polizeichef in Osijek. Josip Reihl-Kir erhielt 2011 posthum den Preis für Zivilcourage „Dušan Kondor“.

Erinnerungsspüren

Eine Straße in Osijek hat den Namen Josip Reihl-Kir erhalten.

Das „Zentrum für kulturelle Dekontamination“ in Belgrad, das „Zentrum für Frieden“ in Zagreb und die „Friedensstudien“ in Ljubljana haben 2010 die Ausstellung „Wer ist denn Reihl-Kir?“ („Ko je tebi Reihl-Kir?“) entwickelt, die in Belgrad, Zagreb, Ljubljana, Sarajevo, Brčko und Osijek gezeigt wurde.

Weitere Inhalte

Dubravka Stojanović ist Professorin für Geschichte an der Universität Belgrad. Ihre Forschungsinteressen umfassen Modernisierungs- und Europäisierungsprozesse in Südosteuropa, Ideengeschichte, Demokratisierungsprozesse in Serbien sowie das Verhältnis von Geschichte und Erinnerung. Sie ist auch an der Geschichtsdarstellung in Schulbüchern beteiligt. Stojanović ist Mitglied vieler international renommierter Ausschüsse und Forschungsinstitutionen und wurde mit dem französischen Verdienstorden Chevalier de l'Ordre national du Mérite ausgezeichnet.