Heutzutage ist es in der Ukraine verboten, ohne offizielle Genehmigung in der Öffentlichkeit zu fotografieren. Daher besteht mein persönliches Archiv an Kriegsbildern hauptsächlich aus Screenshots. Das hier ist einer davon.
Kürzlich habe ich mich mit einem Bekannten in Berlin unterhalten. Er war äußerst irritiert darüber, dass es in Deutschland immer noch tabu ist, Putin als Nazi zu bezeichnen. Es scheint fast so, dass die Deutschen immer noch für sich die Deutungshoheit darüber beanspruchen, was „echter“ Nazismus ist.
Dabei spricht Putin offen einer ganzen Nation das Recht auf ihre Existenz ab. Seine Staatsmedien rufen zum Völkermord an den Ukrainern auf – ein Ruf, dem seine Truppen gehorsam folgen. Putins Ideen und Maßnahmen stammen noch nicht einmal von ihm allein. Seine Politik basiert auf den Vorstellungen seines Lieblingsphilosophen Iwan Iljin, ein faschistischer Theoretiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Bewunderer des deutschen Nazi-Regimes, der die Theorien Hitlers lange über 1945 hinaus propagierte.
Dennoch lassen sich viele Deutsche offenbar nicht überzeugen. Sicher mag es schwer sein zu akzeptieren, dass die Russen, deren Armee die Deutschen angeblich von den Nazis befreit hat, nun mit überwältigender Mehrheit ihren eigenen Nazi-Präsidenten unterstützen. Tja, schlechte Nachrichten: es war nicht die russische Armee, die Deutschland befreite, sondern die Rote Armee, eine kommunistische, internationalistische Truppe, die sich aus Mitgliedern unterschiedlicher Volkszugehörigkeit (darunter auch der russischen) zusammensetzte.
Hinter dem Unglauben der Deutschen steckt allerdings etwas Grundlegenderes. Ein Einsehen, dass Putin in der Tat ein Nazi ist, ginge Hand in Hand mit der Erkenntnis, dass Deutschland trotz eines 2014 gegen Russland erlassenen Waffenembargos jahrelang Waffen an ein Nazi-Regime geliefert hat.
Oleksiy Radynskyj ist Filmemacher und Schriftsteller und Mitglied des Visual Culture Research Center, einer 2008 in Kyjiw gegründeten Initiative für Kunst, Wissen und Politik. Seit 2011 ist er Redakteur der ukrainischen Ausgabe der Zeitschrift Political Critique. Er war 2019/2020 Stipendiat an der "basis voor actuele kunst (BAK)" in Utrecht. Zu seinen mehrfach ausgezeichneten Filmen gehören Ukraine Goes To War (mit Tomáš Rafa, 2014) und Integration (2014). Sie wurden u.a. bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, dem Institute for Contemporary Arts (London), dem DOK Leipzig und dem International Studio and Curatorial Program (New York) gezeigt.
