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Marine Le Pen | Frankreich | bpb.de

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Marine Le Pen „Ich will den Franzosen ihr Land zurückgeben“

Hatim Shehata

/ 4 Minuten zu lesen

Zwei Mal ist Marine Le Pen als Kandidatin der extremen Rechten in das Rennen um das französische Präsidentenamt gegangen. Zwei Mal ist sie gescheitert, zuletzt in der Stichwahl gegen Emmanuel Macron. Fünf Jahre später muss es die langjährige Parteichefin des Rassemblement National (ehemals Front National) gleich mit mehreren aussichtsreichen Gegnern aufnehmen.

Marine Le Pen in einer Sendung des privaten Nachrichtensender BFM TV am 01.03.2022. (© picture-alliance, abaca)

Marine Le Pen hat es im Jahr 2017 in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl geschafft und gilt seit Jahren als gesetzte Kandidatin der extremen Rechten für den Einzug in den Élysée-Palast. Schließlich ist sie aus der politischen Landschaft Frankreichs kaum mehr wegzudenken: Als Abgeordnete war sie von 2004 bis 2017 Mitglied der Fraktion Europäische Allianz für die Freiheit (EAF) im Europäischen Parlament und machte mit teils radikalen und antieuropäischen Positionen von sich reden. Seit 2017 ist Le Pen Mitglied der Assemblée nationale, des französischen Parlaments, und hier Teil des Auswärtigen Ausschusses. Dort wirbt sie regelmäßig für die Abschottung Frankreichs und Europas: Illegale Migrantinnen und Migranten, die auf EU-Territorium gelangen, sollen abgeschoben werden. Um sich vollkommen auf den Präsidentschaftswahlkampf konzentrieren zu können, gab Le Pen zuletzt ihren Posten als Parteivorsitzende zugunsten ihres engen Vertrauten Jordan Bardella ab.

Drängen in die politische Mitte

Ihre politische Karriere begann Marine Le Pen einst im Schatten ihres Vaters Jean-Marie Le Pen, der als Mitbegründer des Front National schon früh das Denken seiner Tochter prägte. Auch war er es, der ihr den Vorsitz des Front National im Jahr 2011 vermachte, in der Hoffnung, auch weiterhin den Kurs der Partei aus dem Hintergrund bestimmen zu können. Mit zunehmendem Einfluss in der Partei stolperte Marine Le Pen jedoch immer häufiger über die rechtsextremen, menschenfeindlichen und holocaustleugnenden Aussagen ihres Vaters, bis sie sich im Jahr 2015 von ihm lossagte und erfolgreich ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn anstrengte. In Frankreich wurde der politische Vatermord als Schritt der Selbstermächtigung rezipiert, denn er zeugte davon, dass Marine Le Pen sich nunmehr bestens mit den politischen Fallstricken des Landes auskannte und mit Populismus und nationalistischen Überzeugungen in die Mitte der Gesellschaft drängte. Dazu formulierte sie eine Strategie der „Entdiabolisierung“ des Front National, mit demInterner Link: Ziel einer politischen Neuausrichtung. Ein erster konsequenter Schritt war dabei die Umbenennung der Partei in Rassemblement National. Seitdem sind Le Pen und ihre Anhänger darum bemüht, das parteipolitische Narrativ schrittweise bürgerlich zu zeichnen.

Wahlkampf in Vienne (© picture-alliance, abaca)

Zuwanderungskritik als Leitthema

Marine Le Pen gibt sich als Politikerin, die die französische Elite ablehnt und außerhalb etablierter politischer Kreise agiert. Sie will als Stimme der Abgehängten verstanden werden. Frankreichs Mächtige hätten den Bezug zur Lebensrealität der französischen Bevölkerung verloren, so ihr öffentlichkeitswirksamer Vorwurf. Tatsächlich ähneln ihre sozialpolitischen Wahlversprechen immer wieder eher linken Forderungen, so beispielsweise höhere Sozialleistungen für ärmere Bevölkerungsschichten. Dabei verfolgt sie den Grundsatz einer priorité nationale, wonach Franzosen in prekären Situationen einen bevorzugten und Migranten/-innen nur eingeschränkten Zugang zu solchen Leistungen erhalten sollen. Auch will Le Pen in sozial schwachen Bezirken, sogenannten Banlieues, mit erhöhter Polizeipräsenz und harter Hand gegen Kriminalität vorgehen. Hier offenbart sich ein weiteres zentrales Wahlkampfthema Le Pens: die Migrationspolitik. Diese verknüpft Le Pen seit jeher mit Fragen der französischen Identität sowie der inneren Sicherheit. Sie sieht die französischen Werte durch Zuwanderung – vor allem solche aus sogenannten muslimischen Ländern – bedroht. Den Islam bezeichnet sie unter Verweis auf die islamistisch motivierten Terroranschläge der jüngsten Vergangenheit als „importierte Gefahr“. Vor diesem Hintergrund fordert sie eine strikte Umsetzung der Interner Link: Laizität. Dazu zählt unter anderem das an muslimische Frauen gerichtete Verbot des Tragens religiöser Symbole wie Hijab oder Burka im öffentlichen Raum. Die Idee einer multikulturellen Gesellschaft lehnt Le Pen ab. Als zentrales Wahlkampfversprechen will sie zudem ein Einwanderungsreferendum abhalten, um auf dessen Basis einen neuen Gesetzesentwurf zur Eindämmung der Migration vorzulegen.

Widersprüchliches Verhältnis zur EU

Le Pens politische Agenda ist nationalistisch ausgerichtet. Frankreich soll vor der EU, die Le Pen in ihrer aktuellen Form als repressiv und totalitär bezeichnet, geschützt werden. Dennoch will Le Pen entgegen ihrer in der Vergangenheit formulierten Forderung nach einem „Frexit“ nicht aus der EU austreten. Stattdessen will sie das System nun von innen verändern: Die Interessen Frankreichs sollen denjenigen der EU übergeordnet werden. Gleiches gilt für die Gesetze des französischen Nationalstaats. Dass ihr politischer Gegner, der amtierende Präsident Emmanuel Macron, mit dem Thema Europa im Jahr 2017 französische Wählerinnen und Wähler mobilisieren konnte, ist Le Pen nicht entgangen. Ihr abgewandelter und gemäßigterer Kurs gegenüber der EU zeigt, dass sie Lehren aus ihrer Niederlage gezogen hat. Le Pens Programmatik sieht vor, dass Frankreich seine Partnerschaften künftig neu ausrichten soll. Mit der engen Partnerschaft zwischen Berlin und Paris will Le Pen im Falle eines Wahlsieges brechen. Zuletzt erklärte sie, die deutsch-französische Beziehung bedeute im Ergebnis, „desillusioniert, verraten und im Stich gelassen zu werden“.

Marine Le Pen galt lange Zeit als Bewunderin Wladimir Putins und seiner nationalistischen Agenda. Noch 2017 ließ sie sich für den Wahlkampf auf einer Moskaureise mit dem russischen Präsidenten fotografieren und erklärte, sie teile seine Sicht auf die Ukraine. Auch in der Wahlkampfbroschüre 2022 waren Bilder der beiden Politiker abgebildet. Zudem bezog der Rassemblement National Wahlkampfkredite aus Russland – französische Banken wollten Le Pens Kandidatur nicht unterstützen. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine distanzierte sich Le Pen nunmehr von ihrem einstigen Idol.

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Hatim Shehata ist wissenschaftlicher Assistent im Programm Frankreich/deutsch-französische Beziehungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er studierte internationale Beziehungen im Kooperationsstudiengang der Freien Universität Berlin, der Humboldt Universität zu Berlin und der Universität Potsdam.