Zemmour hat, ähnlich wie Präsident Macron, die offizielle Bestätigung seiner Kandidatur lange hinausgezögert und unterlag deshalb nicht den gesetzlich geregelten zeitlichen Beschränkungen für TV-Auftritte von Präsidentschaftskandidaten. Unabhängig davon, wie die Wahl letztlich ausgehen wird, hat er dazu beigetragen, dass sich der Wahlkampf vornehmlich um die Themen Einwanderung, Rolle des Islam und Identitätspolitik dreht. Als Zemmour schließlich ankündigte, an der Spitze der Bewegung Rückeroberung (Reconquête) für die Präsidentschaftswahl anzutreten, hatte sich sein jüngstes Buch, Frankreich hat sein letztes Wort noch nicht gesprochen (La France n’a pas dit son dernier mot), mehr als 250.000-mal verkauft.
Éric Zemmour ist in Montreuil geboren, einer Vorstadt im Osten von Paris. Er wuchs in einer jüdischen Familie auf, die 1952 aus Algerien geflohen war, damals französisches Staatsgebiet. Zemmour besuchte eine private jüdische Schule, bevor er ein Studium an der Elite-Hochschule Sciences Po abschloss. Die für viele französische Spitzenpolitiker/-innen und -beamte/-innen typische Folgeausbildung an der École nationale d’administration (ENA; seit dem 1. Januar: Institut national du service public, INSP) blieb ihm aber verwehrt – zwei Mal scheiterte Zemmour an der Aufnahmeprüfung.
Vom Journalisten zum Polemiker
Zemmour begann seinen Aufstieg in der französischen Medienlandschaft als Printjournalist bei der Zeitschrift Le Quotidien de Paris. 1996 wechselte er zur konservativen Tageszeitung Le Figaro, wo er in den folgenden Jahren als Kolumnist bekannt wurde. Es folgte der Wechsel zum Fernsehen, mit Stationen bei verschiedenen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. Zemmour war in Talkshows vor allem deshalb ein gern gesehener Gast, weil er zuverlässig für hohe Einschaltquoten sorgte. Im Oktober 2019 bekam er schließlich seine eigene, auf ihn zugeschnittene Sendung, Face à l’info, bei dem Sender CNews, der von seinem Gründer, dem französischen Milliardär und Medienmogul Vincent Bolloré, angeblich nach dem Vorbild des amerikanischen Senders Fox News aufgebaut wurde.
Die Zusammenarbeit entpuppte sich für Bolloré und Zemmour als Win-win-Situation. CNews verdreifachte in kürzester Zeit seine Zuschauerzahlen und ließ mit durchschnittlich 800.000 Zuschauer/-innen vor den Bildschirmen größere Konkurrenten wie BFM-TV oder LCI hinter sich. Statt aufwändige und teure Beiträge zu produzieren, setzten Zemmour und sein Sender auf ein vergleichsweise günstiges Erfolgsrezept, das in den sozialen Medien seit Jahren wirtschaftlich äußerst gewinnträchtig ist: Themen, die starke emotionale Reaktionen provozieren, werden möglichst kontrovers besetzt und diskutiert. Wie kontrovers Zemmours Thesen sind, davon zeugen die 16 Gerichtsverfahren, die bislang gegen ihn eröffnet wurden. Verurteilt wurde der Präsidentschaftskandidat bisher aber nur in drei Fällen, zuletzt im Januar 2022 wegen Volksverhetzung. Im jüngsten Fall hatte Zemmour jugendliche Migranten/-innen pauschal als „Diebe, Mörder und Vergewaltiger“ verunglimpft.