Als Präsidentin der Region Île-de-France ist Pécresse der französischen Öffentlichkeit gut bekannt. In den vergangenen Jahren hat sie sich einen Ruf als rigorose Haushälterin erarbeitet. Auf dieser Grundlage greift sie nun Präsident Macron an und verurteilt die rapide Zunahme der Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren. Über die Einbindung ihrer Konkurrenten/-innen aus dem Vorwahlkampf hat Pécresse ein Team von „Botschaftern“ für ihr Regierungsprogramm aufgestellt und mit geschickten Kompromissen innerparteiliche Streitigkeiten befriedet. Besonders wichtig ist dabei ihr größter Konkurrent, Éric Ciotti. Auf den als Hardliner bekannten Ciotti gründet Pécresse die zweite Säule ihrer Wahlkampfstrategie, bei der sie wie alle Kandidaten/-innen des rechten französischen Parteienspektrums auf das Thema innere Sicherheit setzt.
Beste Startbedingungen für eine steile Karriere
Valérie Pécresse wuchs in Neuilly-sur-Seine auf, einem Vorort von Paris und der Kommune mit dem höchsten Durchschnittseinkommen Frankreichs. Dem Abitur mit 16 Jahren folgten ein Studium an der Elite-Wirtschaftshochschule L’École des hautes études commerciales de Paris (HEC) und die anschließende Ausbildung an der École nationale d’administration (ENA; seit dem 1. Januar 2022 Institut national du service public, INSP). Als Zweitplatzierte ihres ENA-Jahrgangs hatte Pécresse für ihre erste Position in der französischen Verwaltung die freie Wahl und entschied sich für ein hohes Amt im Staatsrat. 1998 wurde die bekennende Katholikin Pécresse vom damaligen Staatspräsidenten Jacques Chirac als Beraterin für Zukunftstechnologien engagiert. Seitdem galt Chirac als ihr Mentor, der ihren schnellen Aufstieg in der Politik förderte. Von 2002 bis 2007 und von 2012 bis 2016 war Pécresse für zwei Legislaturperioden Abgeordnete der Nationalversammlung (Union pour un mouvement populaire, UMP; ab 2015 Les Républicains). Zwischen ihren Parlamentsmandaten wurde sie darüber hinaus zunächst als Ministerin für Hochschulwesen und Forschung in die Regierung François Fillons berufen und war bis zum Regierungswechsel 2012 auch Haushaltsministerin.
Hoffnung der rechtsbürgerlichen Républicains
2015 wurde Pécresse zur Präsidentin der Region Île-de-France gewählt. Mit 12,3 Millionen Einwohnern/-innen und einem Budget von fast 5 Milliarden Euro für das Haushaltsjahr 2022 ist die Île-de-France die bevölkerungsreichste Region Frankreichs und verfügt über die größten finanziellen Mittel. Im Juni 2021 verteidigte Pécresse ihr Mandat erfolgreich in den Regionalwahlen. Pécresse entschied im Dezember 2021 zur Überraschung vieler Beobachter die Vorwahlen für sich, nachdem ihr stärkster Konkurrent, der Präsident der Region Hauts-de-France, Xavier Bertrand, bereits in der ersten Wahlrunde ausgeschieden war. In der zweiten Runde setzte Pécresse sich dann mit 61 Prozent gegen Éric Ciotti, der 39 Prozent der Stimmen erzielte, durch. Dass sie 2017 in Flügelkämpfe innerhalb der Républicains verstrickt und nach der Europawahlniederlage 2019 sogar aus der Partei ausgetreten war, schadete ihr offensichtlich nicht. Mit der Ankündigung ihrer Präsidentschaftskandidatur im Juli 2021 trat sie der Partei wieder bei.