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Emmanuel Macron | Frankreich | bpb.de

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Emmanuel Macron „Man verändert ein Land nicht in fünf Jahren“

Jacob Ross

/ 4 Minuten zu lesen

Staatspräsident Emmanuel Macron verteidigt die Bilanz seiner ersten Amtszeit. Er kann auf eine positive wirtschaftliche Entwicklung verweisen und inszeniert sich als Impulsgeber europäischer und internationaler Politik. Der Charme des Neuanfangs ist für den amtierenden Präsidenten aber verflogen.

Emmanuel Macron spricht beim außerordentlichen EU-Gipfel zur Ukraine am 25.02.2022 in Brüssel. (© picture-alliance/AP)

Bei seinem Wahlsieg 2017 profitierte Emmanuel Macron von seinem Image als Quereinsteiger und Alternative zu den traditionellen Parteienfamilien. Seine ambitionierten Reformpläne konnte er zwar nur teilweise umsetzen, jedoch lassen sich einige Erfolge vorweisen. Doch schon bevor die Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 andere Themen in den Hintergrund zu rücken begann, provozierte Macrons polarisierender Stil heftige Gegenreaktionen. Vor dem Hintergrund der französischen EU-Ratspräsidentschaft 2022 hofft er nun, seine Herausforderer, insbesondere die aus dem rechten Parteienspektrum, erneut mit seinem proeuropäischen Kurs zu schlagen.

Ein Insider, der sich noch immer gern als Outsider gibt

Macron stammt aus Amiens, der Hauptstadt des nordfranzösischen Départements Somme. Die Pariser Netzwerke, die andere Politiker in die Wiege gelegt bekamen, hat er sich über seinen Bildungsweg erschlossen: Der schulischen Ausbildung am bekannten Lycée Henri IV folgte ein Studium an der Universität Sciences Po und die Ausbildung an der Kaderschmiede für französische Beamte, der École nationale d’administration (ENA; seit dem 1. Januar 2022 Institut national du service public, INSP).

Die ENA schloss Macron 2004 in der Botte, also unter den besten 15, ab. So sicherte er sich einen Schlüsselposten als Finanzinspektor im Wirtschaftsministerium. Es folgten eine zeitweise Tätigkeit bei der Investmentbank Rothschild und ein politisches Engagement beim Parti socialiste. Nach dem Wahlsieg François Hollandes stieg Macron vom wirtschaftlichen Berater zum Wirtschaftsminister des sozialistischen Präsidenten auf. 2016 stellte er sich gegen seinen Förderer und gründete eine eigene Bewegung: En marche. Als Präsidentschaftskandidat und nach seinem Wahlsieg im Mai 2017 präsentierte Macron sich und seine Bewegung als Alternative zum traditionellen Zweikampf der französischen Parteienlandschaft.

Wirtschaftswachstum für alle?

Mitstreiter und Befürworter Macrons verweisen im aktuellen Wahlkampf gerne auf seine erfolgreiche Reformbilanz. Tatsächlich wurde schon zu Beginn von Macrons Präsidentschaft eine große Arbeitsmarktreform durchgesetzt, die unter anderem Lockerungen im Kündigungsschutz mit sich brachte und die für Arbeitnehmer/-innen vorgesehenen Entschädigungen begrenzte. In Kombination mit der Abschaffung einer Vermögenssteuer brachte sie Macron den Ruf als „Präsident der Reichen“ ein. Der Präsident verteidigte seine Politik mit dem Verweis auf den trickle-down-Effekt und unterstrich seine Überzeugung, die entlasteten Unternehmer schüfen Arbeitsplätze und sorgten für ein höheres Wirtschaftswachstum.

Der französische Präsident Emmanuel Macron eröffnet die 58. internationale Landwirtschaftsmesse (Salon International de l´Agriculture 2022) in Paris. (© picture-alliance/AP)

Macrons wachstumsfördernde Politik hat auf den ersten Blick schnelle Erfolge gezeitigt: Die französische Wirtschaft wuchs 2018 und 2019 schneller als die deutsche, Frankreich wurde als Investitionsstandort attraktiver und verzeichnete 2019 und 2020 mehr Investitionen aus dem Ausland als die oft beneidete Bundesrepublik. Den Vorwurf vieler Kritiker, Macrons Politik sei neoliberal und setze auf den Abbau des Sozialstaats, kontern Vertreter von La République en Marche! (LREM) mit dem Hinweis auf verschiedene Initiativen in der Sozialpolitik. Vor allem eine Bildungsreform, die die Mittel für Bildungsmaßnahmen in sozialen Brennpunkten stark erhöhte, wird immer wieder als Beispiel genannt. Trotz einiger erfolgreicher Reformprojekte ist Macron angesichts von Streikbewegungen und Protesten mehrmals von Plänen wieder abgerückt oder hat versucht, mit Soforthilfen gegengenzusteuern. Bestes Beispiel ist hier die geplante Erhöhung der Kraftstoffsteuer für den Klimaschutz, an der sich Ende 2018 die Gelbwesten-Bewegung entzündete, mit monatelangen, oft gewalttätigen Protesten. Die Erhöhung wurde schließlich zurückgenommen, zusätzlich beschloss die Regierung Steuererleichterungen für Rentner/-innen und die Anhebung des Mindestlohns um 100 Euro pro Monat.

Europapolitik

2022 setzt Macron auf die Wiederholung der erfolgreichen proeuropäischen Strategie von 2017. Bei der Europawahl 2019, bei der LREM für ein „schützendes Europa“ warb, musste er sich zwar dem Rassemblement National geschlagen geben. Macron weiß aber, dass eine Mehrheit der Franzosen die EU schätzt, und nutzt proeuropäische Positionen offensiv, um sich von seinen Herausforderern abzugrenzen. Die französische EU-Ratspräsidentschaft bietet ihm zudem eine ausgezeichnete Bühne, um der Wählerschaft einerseits den Mehrwehrt europäischer Zusammenarbeit unter Beweis zu stellen und sich andererseits als international angesehener Staatsmann zu inszenieren. Seine intensiven Bemühungen, die russische Invasion der Ukraine zu verhindern, sind zwar gescheitert. Allerdings erlaubt es der Krieg Macron, wie schon die Pandemie, sich weitgehend aus französischen Wahlkampfdebatten herauszuhalten und seinen Konkurrenten/-innen kaum innenpolitische Angriffsflächen zu bieten.

Insgesamt ist die europapolitische Bilanz Emmanuel Macrons aus französischer Sicht positiv. Neben dem Anfang 2019 unterzeichneten Aachener Vertrag ist sein wichtigster Erfolg zweifellos der Interner Link: Wiederaufbaufonds , den die EU 2020 aufgelegt hat. Mit dem Fonds gelang es dem Staatspräsidenten im Kontext der Pandemie, die deutsche Regierung von ihrer über Jahrzehnte aufrechterhaltenen Position abzubringen und sie zu einer gemeinsamen europäischen Schuldenaufnahme zu bewegen. Den Kurswechsel Berlins sieht Macron als späte Bestätigung seiner Vision eines europäischen Neuanfangs, den er in einer zweiten Amtszeit weiter mitgestalten möchte.

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Jacob Ross ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programm Frankreich/deutsch-französische Beziehungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Mit der deutsch-französischen Zusammenarbeit beschäftigte er sich bereits im Rahmen seiner Arbeit im französischen Außenministerium und als parlamentarischer Assistent der Vorsitzenden des Europa-Ausschusses der französischen Nationalversammlung.