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Die französische Präsidentschaftswahl und die Zukunft der Eurozone

Anaïs Bordes

/ 5 Minuten zu lesen

Der Ausgang der Wahlen in Frankreich wird von vielen Beobachtern als richtungsweisend für die Zukunft der Europäischen Union und der Eurozone angesehen. Die europapolitischen Vorstellungen der einzelnen Präsidentschaftskandidaten könnten jedoch unterschiedlicher nicht sein – Wie stehen sie zur europäischen Integration?

Die Flagge Frankreichs hängt neben derjenigen der Europäischen Union am französischen Generalkonsulat in München. (© picture-alliance/dpa)

Vor jeder französischen Präsidentschaftswahl gewinnt die deutsch-französische Zusammenarbeit plötzlich wieder an Bedeutung. Jedes Mal ein bisschen mehr. Hatte Angela Merkel beim letzten Präsidentschaftswahlkampf nur Nicolas Sarkozy empfangen, sind es diesmal drei Kandidaten, die es ins Kanzleramt geschafft haben: der konservative François Fillon, Kandidat für Les Républicains; Emmanuel Macron, ehemaliger Wirtschaftsminister für die sozialdemokratische Regierung von François Hollande und Kandidat seiner Bewegung En marche; und Benoît Hamon, offizieller Kandidat der französischen sozialdemokratischen Partei (Parti Socialiste). Und obwohl Emmanuel Macron sagte, im Wahlkampf gebe es nur einen Ritterschlag – den der Wähler, ist es in der Tat ein Ticket für den zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen, dem sie alle drei bei "Madame Merkel" hinterherlaufen.

Denn Europa spielt eine große Rolle in der Debatte um die französische Präsidentschaftswahl. Zwischen Brexit und "Pulse of Europe" steht die Zukunft der europäischen Integration auf dem Spiel. Gerade vor dem Nexit gerettet, droht nun der Frexit. Marine Le Pen, Präsidentschaftskandidatin des rechtsextremen Front National bewirbt den EU-Austritt Frankreichs. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums sieht der Kandidat der extremlinken Bewegung La France insoumise (das aufständische Frankreich), Jean-Luc Mélenchon, ebenso – wenn auch unter bestimmten Bedingungen – einen Frexit vor.

Nun aber: Die europäische Integration ist primär wirtschaftlicher Natur. Ihr Herz ist die Eurozone. Anhand der Programme dieser fünf Kandidat*innen bezüglich der Eurozone gilt es, bei der EU "Fieber zu messen" und zu schauen, wie weit und in welche Richtung jede*r Kandidat*in die europäische Integration führen will. Darüber hinaus wollen wir auch aufspüren, welche Bedeutung sie jeweils der deutsch-französischen Zusammenarbeit beimessen. Aber zunächst ein kleiner Exkurs zur Eurozone: Die Eurozone sind die 19 Staaten, die den Euro eingeführt haben. 1999 von 11 Staaten gegründet (darunter natürlich Frankreich und Deutschland, aber auch Finnland und Österreich), hat die Eurozone 2015 mit Litauen sein bisher letztes Mitglied aufgenommen.

Emmanuel Macron/ En marche

Für eine starke Exekutive und Legislative der Eurozone

  • Errichtung eines Eurozone-Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen

  • Errichtung eines Eurozone-Parlaments, das über den Haushalt der Eurozone entscheidet

  • Eigenes, bedeutsames Budget für mehr Investitionen und antizyklische Maßnahmen

  • Viel größerer Investitionsplan als Junckers aktueller Plan

  • Investitionen sollen nicht mehr Teil der Maastricht-Kriterien sein

  • mehr Maßnahmen zur Herstellung finanzpolitischer und sozialer Konvergenz

  • gegen die Vergemeinschaftung der Staatsschulden

Für eine starke deutsch-französische Zusammenarbeit

  • Umgestaltung der EU durch eine finanzpolitische und soziale Harmonisierung

  • Geist des Deauville-Deals: Frankreich wird wichtige Reformen u.a. im Sozialbereich und auf dem Arbeitsmarkt eingehen, dann wird Deutschland mehr Integration akzeptieren.

Benoît Hamon/ Parti Socialiste

Für eine Legislative der Eurozone

  • Errichtung eines Parlaments der Eurozone, in dem jeder EU-Staat proportional zu seiner Bevölkerungszahl vertreten wäre

  • Stärkung der Eurozone durch einen neuen Haushaltsvertrag

  • Gegen die Austeritätspolitik

  • Gegen die 3%-Regel für das öffentliche Defizit

  • Geldschöpfung soll ökologischen Wandel finanzieren

  • Finanzpolitische und soziale Harmonisierung mit geteilten Zielen, um das Defizit zu verringern.

  • EU-Budget von 1.000 Milliarden € von Finanzmärkten (durch Steuern) und der Europäischen Zentralbank finanziert

  • Die EU soll Schulden aufnehmen dürfen

  • Zentralbanken dürfen Staaten wieder direkt finanzierten

Die deutsch-französische Beziehung ist wichtig, aber Frankreich bleibt unabhängig

  • Benoît Hamon hat im Bereich Finanz- und Wirtschaftspolitik starke Differenzen mit Angela Merkel. Daher diese Haltung.

François Fillon/ Les Républicains

Für einen politischen Vorstand ("directoire politique") der Eurozone

  • Errichtung eines politischen Vorstands bestehend aus Staatsoberhäuptern und Parlamentarier*innen, die jeden Eurozone-Staat vertreten

  • Errichtung eines von der Europäischen Kommission unabhängigen Generalsekretariats zur Führung und Verwaltung der Eurozone

  • Entwicklung einer globalen wirtschaftlichen Strategie für die Politik der Europäischen Zentralbank

  • Der Euro soll sowohl eine Reserve- als auch eine Zahlungswährung werden, zu den gleichen Voraussetzungen wie der US-Dollar

  • Mehr Konvergenz in der Haushalts- und Finanzpolitik, Harmonisierung innerhalb von 10 Jahren

  • Sobald die finanzpolitische Konvergenz erreicht ist, wird eine europäische Staatskasse errichtet und die Staatsschulden werden vergemeinschaftet

Für eine starke deutsch-französische Beziehung

  • Frankreich muss finanzpolitisch vorbildlich sein, um mit Deutschland auf Augenhöhe sprechen zu können.

Jean-Luc Mélenchon/ La France insoumise

"Die EU: man ändert sie oder man verlässt sie"

Vorgehen in zwei Phasen: Zunächst wird die EU kraft des Kompromisses von Luxemburg in Zwangspause gesetzt und die Kapitalmarktsätze werden in den Stunden nach der Wahl blockiert. Unter diesen Voraussetzungen wird der sogenannte "Plan A" verhandelt.

Plan A:

  • Neufassung der Europäischen Union: ein neuer Vertrag wird verhandelt

  • Ende der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank

  • Abwertung des Euros, Rückkehr zur ursprünglichen Parität mit dem US-Dollar

  • Starke Regulierung des Finanzwesens: Verbot von toxischen Finanzinstrumenten und Kontrolle der Kapitalbewegungen

  • Stopp der Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen

  • Einführung eines "solidarischen Protektionismus"

  • Konvergenz der Sozialmodelle innerhalb der Eurozone

  • Ende der 3%-Regel für das öffentliche Defizit

  • Möglichkeit für EU-Staaten, Geld direkt bei der EZB zu leihen. Hierüber gäbe es ein Referendum in Frankreich.

Plan B (Wenn kein Vertrag zustande kommt):

  • Die französische Zentralbank wird ermächtigt, Euros selber zu drucken, um Frankreich zu finanzieren.

Die deutsch-französische Beziehung ist nicht entscheidend

  • Jean-Luc Mélenchon betont, dass er nicht verstehe, warum die anderen Kandidaten Angela Merkel besuchen.

Marine Le Pen/ Front National

Raus aus der EU, rein in die Souveränität

  • FREXIT durch ein Referendum, also Euro-Austritt

Bis dahin:

  • Vorrang des nationalen Rechts vor dem europäischen Recht

  • Frankreich soll seine Währungspolitik wieder selber führen

  • Frankreichs Netto-Beitrag zum EU-Haushalt soll wieder "auf Null gesetzt werden", um Spielräume für wichtige Bereiche der französischen Wirtschaft zu schaffen

  • Frankreich stellt die Verbindung zwischen Politik und Währung wieder her und erlangt somit seine Souveränität wieder

Die deutsch-französische Beziehung wird nicht als wichtig betrachtet

  • Jenseits von Kontakten mit der AfD bleibt Marine Le Pen Deutschland fern. Angela Merkel möchte sie sowieso nicht empfangen.

Phantasiemaßnahmen? Von der Ermächtigung der französischen Zentralbank, unabhängig Euros zu drucken bis hin zur Rückkehr zum Franc über einen 1.000 Milliarden-Euro-Plan hören sich manche Teile der Programme der Präsidentschaftskandidat*innen ein wenig verrückt an für ein deutsches Publikum. Dennoch, ist nicht eine gesunde Portion Wahnsinn nötig, um voranzukommen?

Fussnoten

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