Der unterschätzte Idealist
Benoît Hamon, der aus dem linken Lager der französischen Sozialisten stammt, setzte sich in den Vorwahlen gegen den ehemaligen Premierminister Manuel Valls durch. Um bei den Präsidentschaftswahlen erfolgreich zu sein, ist er auf die Unterstützung des rechten Parteiflügels angewiesen. Und damit auf die PS-Vertreter, deren Politik er scharf kritisierte und deren Entscheidungen er sich widersetzte.
Politiker durch und durch
Der Historiker, aufgewachsen in der Bretagne, trat mit 19 Jahren der Parti socialiste bei. Er besuchte nicht die Kaderschule ENA, eigentlich der Weg eines jeden französischen Politikers. 1992 übernahm er den Vorsitz der jungen Sozialisten (Mouvement des jeunes socialistes), denen er noch immer eng verbunden ist. Mit Ausnahme der Anstellung beim Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos von 2001 bis 2004 war Hamon immer im Politikbetrieb tätig. Der damalige Premierminister Jean-Marc Ayrault berief ihn 2012 als beigeordneten Minister für Sozial- und Solidarwirtschaft (ministre de l’économie sociale et solidaire). Unter Premierminister Manuel Valls wurde Hamon 2014 Bildungsminister – allerdings nur für fünf Monate. Hamon gehörte mit seiner Kritik am Wirtschaftskurs der eigenen Partei zu den sogenannten frondeurs, den Abtrünnigen. Er musste auf Drängen Valls‘ und Hollandes zurücktreten.
Grundeinkommen und verkürzte Arbeitszeit
Hamon ist der prominenteste Vertreter der frondeurs, der Gruppe von Abgeordneten der PS, die den Wirtschaftskurs und die Sozialpolitik der Regierung Hollande als zu unternehmerfreundlich angreifen. Sein Wirtschaftsprogramm ist entsprechend links ausgerichtet. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen von 750 Euro will er auf die Reduzierung von Arbeitsplätzen durch die digitale Transformation reagieren. Die Einführung mit Kosten in Höhe von 300 bis 400 Milliarden Euro soll in drei Schritten passieren: Zuerst für die 18- bis 25-Jährigen, die seiner Meinung nach einem fragmentieren Arbeitsleben entgegensehen. Eine Steuerreform für die Zusammenlegung der Vermögens- und Grundsteuer soll das Projekt finanzieren. Weiterhin plant Hamon eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 32 Stunden.
Liberaler Laizismus
Der Abgeordnete der Nationalversammlung für das Département Yvelines steht für eine liberale Gesellschaftspolitik. Sein Programm umfasst die Legalisierung von Cannabis und die Einführung der Sterbehilfe. Er fordert einen offenen Laizismus: Wenn Frauen sich entscheiden, ein Kopftuch zu tragen, dann sollen sie frei sein, es zu tun – ein zentraler Streitpunkt in der Diskussion mit Manuel Valls während des Vorwahlkampfs. Dieser forderte einen strengen Laizismus. Er hatte im Sommer 2016 Bürgermeister, die den Burkini verbieten wollten, unterstützt.
Europäische Union – mehr Integration, mehr Investitionen
In Europa sei eine stärkere Zusammenarbeit unabdingbar. Zur Not auch in einer Allianz der "Linken" gegen andere Mitgliedstaaten, in erster Linie gegen Deutschland. Durch ein Moratorium der Maastricht-Regeln soll eine Abkehr von der Grenze von 3 Prozent Neuverschuldung erreicht werden. Und somit den Weg frei machen für Investitionen.
Im März 2016 soll Hollande zu zwei Journalisten gesagt haben: „Hamon, sans le PS, il est quoi? Pas grande-chose.“ Naja, seit gestern Präsidentschaftskandidat der Parti socialiste.