In den Räumen der Brasserie "Le Bourbon", nur wenige Schritte vom Gebäude der Nationalversammlung entfernt, herrscht die pulsierende Atmosphäre, die für Pariser Cafés so bezeichnend ist. An den kleinen Tischen aus dunklem Holz, die dicht nebeneinander stehen, sitzen viele Abgeordnete, die beim Mittagessen parteiinterne Angelegenheiten besprechen, die nächste parlamentarische Sitzung vorbereiten oder Interviews geben. Hier ist Lenaig Bredoux, 35, die als Politik-Redakteurin für die Internetzeitung Mediapart arbeitet, regelmäßig zu Hintergrundgesprächen mit Politikern verabredet. Obwohl es zu ihrem Berufsalltag gehört, findet sie es problematisch, dass gewählte Mandatsträger Gespräche mit Journalisten so oft jenseits offener Mikrofone führen wollen. Eine solche Haltung "nährt die Kultur des unter-sich-bleibens" der französischen Elite, kritisiert sie, und stärke somit "das Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber Journalisten".
Die Französin hat eine hohe Meinung von ihrem Beruf und erwartet dementsprechend viel davon. Dass ein Großteil ihrer Kollegen sich darauf beschränkt, Schlagwörter von Politikern zu drehen und wenden, sieht Frau Bredoux als gefährlichen Trend: "Das Dauerkommentieren tötet den politischen Journalismus", behauptet sie. Dieses Problem kennt sie bei Mediapart aber nicht. Das junge Informationsportal betreibt seit 2008 einen kompromisslosen Investigativjournalismus, der in Frankreich in dieser Form noch selten ist. Seitdem Mediapart 2010 die Bettencourt-Affäre
In ihrem Alltag ist Frau Bredoux ständig auf der Suche nach dem richtigen Abstand zu Politikern. Einerseits soll sie ein gutes Verhältnis zu ihnen pflegen, insofern als sie von ihnen Informationen aus erster Hand erhält; andererseits muss sie sich die Freiheit bewahren, Artikel zu schreiben, die ihnen nicht gefallen – mit der Gefahr, dass diese sich in Zukunft nicht mehr mit ihr unterhalten wollen. Nähe ist auch wichtig, um zu verstehen, wie Macht funktioniert und darüber berichten zu können. Aber zu viel Nähe kann wiederum zu Gefälligkeit führen. Im zentralistischen Frankreich kann man als Journalist schnell "in eine Welt versinken, wo die Menschen alle ähnlich sind". Denn dort bildet die Politik einen elitären Mikrokosmos, der in Paris zu Hause und "in sich selber verschlossen" ist. Auch wenn es ihr nicht immer leicht fällt, bemüht sich die gebürtige Bretonin, sich von diesen Codes nicht einschüchtern zu lassen.
Dazu gehört auch ihr Kampf gegen Sexismus in der französischen Politikszene. Immer wieder werden Journalistinnen von Politikern angemacht und somit unter Druck gesetzt. Nicht nur ihre Würde leidet darunter, sondern auch ihre Seriosität und Glaubwürdigkeit. Lenaig Bredoux akzeptiert es nicht und sagt es laut – beispielweise in dem Manifest, das sie vor Kurzem mit anderen Journalistinnen verfasste, um das Ende der Straflosigkeit bei Sexismus zu fordern und eine neues Kräfteverhältnis herzustellen. Es gab viele Reaktionen, auch von männlichen Politikern, die ihre Unterstützung bekundeten. Der Journalistin ist es vorerst gelungen, das Schweigen zu brechen.