An diesem heißen Sommerabend herrscht besondere Heiterkeit unter den alten Platanen von Coux. Auf dem Platz von diesem winzigen, sonst so ruhigen Dorf der Dordogne wimmelt es von Menschen. Touristen und Einheimische flanieren an den Ständen entlang und schauen sich die kulinarischen Spezialitäten aus der Region an, die da angeboten werden. Andere sitzen an langen Tischen. Auf den rotweiß karierten Decken stehen Honigmelone, Tomatentorten und Gänse-Confit. Eine Chansonniere untermalt die Heiterkeit mit bekannten französischen Liedern. Man kommt schnell ins Gespräch, teilt gern mit den Nachbarn eine Flasche Rosé oder einfach Tipps über die Sehenswürdigkeiten der Dordogne. Lebensfreude, Authentizität, Gastfreundlichkeit – So könnte das Motto des nächtlichen Naschmarkts von Coux lauten.
Die Idee stammt von Lionel Petit, 52. Wie jeden Dienstagabend im Sommer steht der Imker hinter seinem Stand und spricht mit Leidenschaft über seine Produkte – nicht nur Honig, sondern auch Lebkuchen, weißen Nougat oder eine Kreation aus Nusstorte und Vanilleeis, die er als Dessert vor Ort anbietet. Als er 2012 den Naschmarkt ins Leben rief, wollte Monsieur Petit einen geselligen Ort schaffen, wo sich Leute aus unterschiedlichen Regionen austauschen und wo Landwirte die Möglichkeit haben, Gäste von ihren Produkten zu überzeugen. Ausgerechnet er, der Stadtmensch, der nicht aus der Region stammt, möchte seine Begeisterung für die grüne Dordogne, dieses "zutiefst menschliche Land", mit anderen teilen.
Bis zu seinem 18. Lebensjahr wohnte Lionel Petit in La Courneuve, eine dichtgebaute Stadt in der Peripherie von Paris. Er kannte zwar die Dordogne, aber nur als Ferienort. Dass man auf dem Land richtig wohnen kann, war ihm damals fremd. Erst durch längere Aufenthalte im Ausland entdeckte er seine Vorliebe fürs Land. In Kopenhagen und in anderen nordeuropäischen Städten, wo er als junger Erwachsener in autonomen Gemeinden lebte, lernte er eine ganz andere "Kultur der Natur" kennen. Als er nach sieben Jahren nach Frankreich zurückzukehrte, ging er ohne groß zu zögern in die Dordogne, wo er mitten im Wald ein Haus baute. Über diesen persönlichen Wandel wundert er sich heute noch: "Ich musste mich an die Jahreszeiten anpassen und dadurch konnte ich meinen eigenen Weg in die Freiheit finden."
Lionel Petit ist Imker geworden, ohne es geplant zu haben. Bei seiner Rückkehr nach Frankreich waren zufällig Ausbildungsplätze in dem Bereich frei, einer wurde ihm angeboten, den er aus Neugierde annahm. Doch der Zufall meinte es gut mit ihm, denn es war Liebe auf den ersten Blick: "Vorher lief ich von Blume zu Blume, erst die Bienen haben mich angesiedelt." Einige Jahre später, nach weiteren Ausbildungen, etwa als Konditor, kann er von seiner Arbeit leben. Die Produkte, die er aus dem Honig seiner 200 Bienenkörbe herstellt, verkauft Monsieur Petit nicht nur auf dem Naschmarkt von Coux, sondern auch in den Kollektivläden, die er mit befreundeten Landwirten der Region gemeinsam betreibt. Wie in den Gemeinden, wo er früher als Jugendlicher lebte, gilt hier die Solidaritätsregel. Auch hier geht die Initiative auf ihn zurück.
Beim Wahllandmann hört man gelegentlich die Akzente des früheren Stadtmenschen wieder: Kulturelle Vielfalt ist ihm nach wie vor wichtig und über das kosmopolitische Flair, das Touristen und ausländische Ortsbewohner (darunter viele Briten) mit sich bringen, freut er sich ganz besonders. Trotz allem möchte er seine neue Heimat in einer intakten Umwelt nicht mehr verlassen. Seine Einstellung von damals hat sich einfach umgekehrt: In Paris zu wohnen, ist für ihn eine fremde Vorstellung geworden. Die Stadt sieht er inzwischen als "schönes Videospiel", wo sich gut Urlaub machen lässt.