Am Flughafen von Paris-Charles de Gaulle pulsieren die Passagierströme im zügigen Takt. Mitten im Trubel des Flughafenalltags steigt eine Delegation aus französischen Unternehmern in die nächste Maschine nach Tokyo ein. Unter ihnen befindet sich Olivier Issaly, 31, ein junger und erfolgreicher Serial Entrepreneur (dt.: Serienunternehmer), der nach Japan fliegt, um dort mit der Kleingruppe die "unternehmerische Kultur" des Landes kennenzulernen. Wie in anderen Ländern, die die Unternehmer bereits besuchten, möchten sie erfahren wie dort Startups funktionieren und sich von bewährten Praktiken inspirieren lassen.
Olivier Issaly ist ein leidenschaftlicher Unternehmer, der sehr jung schon beruflichen Erfolg hatte. Das Abenteuer begann bereits während seines Informatikstudiums, als er mit einem Kommilitonen ein interaktives Videospiel für Pferdeliebhaber entwickelte. Die beiden wollten damals nur ein bisschen Taschengeld verdienen, machten sich aber keine Hoffnung auf das große Geschäft. Als sie mit minimalem Kapitaleinsatz ihr Unternehmen (mit dem Namen "Owlient") gründeten, wurden sie von ihren Freunden belächelt. Diese Reaktionen überraschen Issaly nicht: "Nur selten werden in Frankreich solche Initiativen ernst genommen, im schlimmsten Fall lösen sie sogar Schadenfreude aus."
Der Informatiker und sein Freund Vincent Guth ließen sich aber nicht einschüchtern und wussten bald, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. Im Januar 2006, fünf Monate nach der Einführung ihres Spieles, erzielte ihre Firma den stolzen Umsatz von 25.000 EUR. In Rekordzeit verwandelten sich beide Studenten in Geschäftsmänner. Für Issaly, der plötzlich vor bis dato ungeahnten Herausforderungen stand, war dies eine genauso aufregende wie schwierige Zeit. Er beging damals Anfängerfehler, etwa im Personalmanagement, doch er lernte auch viel dabei. Und nach einem ersten Jahr "mit vielen Sorgen und schlaflosen Nächten", hatte er das Gefühl, einen beruflichen Alltag gefunden zu haben.
Bald musste der junge Franzose aber auch feststellen, dass die Zeit, die er nun seinen neuen Aufgaben widmete, fürs Studium fehlte. Sein Versuch, sein "doppeltes Leben" als Student und Geschäftsführer zu vereinbaren, scheiterte an der fehlenden Flexibilität der Universitätsverwaltung. Er brach also das Studium ab, was in seiner familiären Umgebung für Kopfschütteln sorgte, was er aber nie bereute. Und so wurde er zum Studienabbrecher, der aus Owlient ein dynamisches Startup mit 45 Mitarbeitern – viele davon sind ehemalige Kommilitonen – und einen Umsatz in Millionenhöhe machte. Inzwischen gehört die Firma dem Konzern Ubisoft Entertainment, einem der weltweit größten Spieleentwickler mit Sitz in Paris. Olivier Issaly und sein Freund verkauften sie 2011, als "Free-to-play-Spiele", wie sie Owlient anbietet, plötzlich sehr gefragt waren.
Der Informatiker, der 2014 die Firma verließ und ein neues Startup mit dem Namen "Wenuts" gründete, vergleicht sich gern mit den Piraten von damals: Seiner Freiheit zuliebe ist er bereit, wie sie auch, hart zu arbeiten und hohe Risiken einzugehen. "Startups sind wirklich nicht nur Hype. Sie bedeuten vor allem Fleiß und haben nicht viel Glamour in sich", warnt er. Auf seine Erfahrungen der letzten Jahre zurückschauend, plädiert er nun für eine neue Kultur des Unternehmens in Frankreich. Zwar gibt es dort immer mehr Erfolgsgeschichten wie die Firma Blablacar, die für die neue Generation als Vorbilder gelten können, aber es bleibt schwierig, für gute Ideen Geld zu finden. Deswegen investiert Olivier Issaly auch in Startkapitalfonds für Unternehmen, die sich in der Anlaufphase befinden – in der Hoffnung, dass sein Traum nach einem europäischen Google bald in Erfüllung gehen wird.