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Ein Jahrhundert später. Der Erste Weltkrieg und die deutsch-französische Aussöhnung (1914-2014) | Frankreich | bpb.de

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Ein Jahrhundert später. Der Erste Weltkrieg und die deutsch-französische Aussöhnung (1914-2014)

Nicolas Beaupré

/ 9 Minuten zu lesen

Im November 2013 kündigte der französische Staatspräsident François Hollande an, dass sein deutscher Amtskollege Joachim Gauck an den Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs in Frankreich teilnehmen werde. Diese Ankündigung überraschte kaum, ist sie doch Teil einer langen Reihe von Momenten deutsch-französischer Versöhnung. Doch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Deutschland und Frankreich lange Zeit schwer taten, gemeinsam einer Katastrophe zu gedenken, die auf deutscher Seite zwei und auf französischer Seite 1,4 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte.

Zur Feier des 50. Jubiläums des Élysée-Vertrags wurde in den Nächten vom 21.und 22. Januar auf dem Berliner Gendarmenmarkt eine Illumination mit den deutschen und französischen Farben veranstaltet. (© picture-alliance/dpa)

Die Feindseligkeit zwischen Deutschland und Frankreich begann nicht mit dem Ersten Weltkrieg – ebenso wenig wie sie eine Erbfeindschaft darstellt. Sie hat sich vielmehr mit den politischen Spannungen zwischen beiden Ländern im Laufe des 19. Jahrhunderts und vor allem während des Krieges 1870/71 kontinuierlich gesteigert. Dennoch wäre die Behauptung übertrieben, dass sich im Jahr 1914 alle Deutschen und Franzosen mit Hass begegneten. Zwar waren die Spannungen zwischen beiden Bevölkerungen real, und diplomatische Zwischenfälle oder koloniale Streitigkeiten sorgten immer wieder für ein Aufflammen der Feindseligkeit. Doch wirklicher Hass gegenüber dem jeweils anderen Land war zumeist lediglich im radikal-nationalistischen Milieu verankert, das in beiden Ländern eine Minderheit darstellte.

Gleichfalls in der Minderheit blieben jedoch pazifistische Initiativen, die sich zwischen 1900 und 1910 für eine Annäherung und eine Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich einsetzten. Insbesondere nach dem sogenannten "Panther-Sprung nach Agadir" im Jahr 1911, der Deutschland und Frankreich im Rahmen der zweiten Marokkokrise gegeneinander aufbrachte und die Feindseligkeit wachsen ließ, stieg die Zahl pazifistischer Initiativen. Sie blieben jedoch in beiden Ländern zahlenmäßig begrenzt, wie die Historikerin Sophie Lorrain zeigen konnte. Das Jahr 1912 war geprägt durch die Gründung einer "Deutsch-Französischen Liga" und die Publikation der ersten und einzigen Ausgabe der "Cahiers franco-allemands" durch die Vereinigung "Pour mieux se connaître". Im Folgejahr wurde ein "Institut für deutsch-französische Versöhnung" gegründet. Internationale Kongresse führten in diesen Jahren deutsche und französische Pazifisten zusammen. Doch der Beginn des Ersten Weltkriegs setzte diesen Initiativen ein Ende und der Pazifismus versank noch tiefer in der Bedeutungslosigkeit. Einige Pazifisten verschrieben sich gar dem Dienst am Vaterland, darunter Gustave Hervé in Frankreich oder der Deutsche Walther Rathenau. Der Konflikt verstärkte den Hass, der durch die Propaganda zusätzlich angeheizt wurde.

Noch während des militärischen Konflikts forderten einige Stimmen – darunter Romain Rolland, Albert Einstein, Stefan Zweig oder die Künstler der radikalen Dada-Bewegung, die 1916 in der Schweiz gegründet worden war – eine Überwindung der Feindseligkeit, um erste Schritte auf die andere Seite zugehen zu können. Doch auch das Ende des Krieges im Jahr 1918 konnte das gegenseitige Misstrauen nicht unmittelbar überwinden. Während die Franzosen auf das Ausmaß der Zerstörung und die lange Besatzung verwiesen, sahen sich die Deutschen einem Waffenstillstand und schließlich einem Friedensvertrag unterworfen, den viele als "Diktat" empfanden.

Die ersten deutsch-französischen Versöhnungsinitiativen in den 1920er-Jahren

Erste Initiativen zu einer deutsch-französischen Annäherung sollten daher im Folgenden von begrenzter Wirkung bleiben. Hierzu trug bei, dass bis zur Besetzung des Ruhrgebiets 1923 die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern eher einer Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln glichen. Bis zur Unterzeichnung der Verträge von Locarno im Jahr 1925, die Deutschland den Weg zu einer Aufnahme in den Völkerbund ebneten, blieben die Kontakte auf politischer Ebene begrenzt. Die Menschenrechtsligen beider Länder hingegen nahmen ihren Kontakt bereits im Jahr 1921 wieder auf. Der Wissenschaftler und Pazifist Paul Langevin wurde 1923 als Gast zur Demonstration "Nie wieder Krieg" in Berlin eingeladen. Auch die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit rief zur Versöhnung auf. Und vor allem der katholische Pazifist Marc Sangnier leistete Pionierarbeit, indem er die Auffassung vertrat, dass sich Versöhnung nicht auf die politischen Eliten beschränken dürfe. So organisierte er in den 1920er-Jahren mehrere Treffen, die insbesondere ehemalige Soldaten und Jugendliche aus beiden Ländern zusammenführten. Sogar während der Besetzung des Ruhrgebiets versammelten sich 1923 in Freiburg im Breisgau zu einem derartigen Treffen 320 deutsche und französische Teilnehmer.

Nach dem Rückzug Frankreichs aus dem Ruhrgebiet und einer diplomatischen Annäherung zwischen den Außenministern beider Länder – Gustav Stresemann und Aristide Briand, die hierfür im Jahr 1926 gemeinsam mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden – waren die Bedingungen für derartige Initiativen günstiger. Marc Sangnier organisierte daher 1926 in seinem Schloss in Bierville ein großes Treffen mit über 5000 Teilnehmern, die während eines ganzen Monats über die Rolle der Jugend und den Frieden diskutierten.

Ferndinand Buisson (links), Mitbegründer der Liga für Menschenrechte, und der deutsche linksliberale Pazifist Ludwig Quidde erhielten 1927 gemeinsam den Friedensnobelpreis. (© picture-alliance, Mary Evans Picture Library)

Vor ihrer Ankunft auf dem Schloss hatten viele der Teilnehmer die Schauplätze des Ersten Weltkriegs besucht. Diese Form einer "pazifistischen Pilgerreise" zu den Schlachtfeldern wurde in den folgenden Jahren wiederholt, beispielsweise im Jahr 1929 in Notre-Dame de Lorette in Artois, dem Schauplatz einer der blutigsten Schlachten des Ersten Weltkriegs. Langfristig veränderten derartige Initiativen den Blick auf die Kriegsschauplätze. Vormals Symbole des Patriotismus, erhielten sie nun einen pazifistischen Sinn. Sangnier setzte seine Jugendarbeit fort, indem er in Frankreich das Konzept der Jugendherberge etablierte, das in Deutschland schon weit verbreitet war. Im Jahr 1927 erhielten zwei weitere deutsche und französische Pazifisten, Ludwig Quidde und Ferdinand Buisson, gemeinsam den Friedensnobelpreis.

Die Weltwirtschaftskrise, das Scheitern der Europa-Initiative Aristide Briands und der Tod Gustav Stresemanns am 3. Oktober 1929 setzten dem Bemühen um Annäherung ein jähes Ende. Verstärkend kam hinzu, dass in Deutschland die politischen Kräfte, die das "Diktat von Versailles" harsch ablehnten und die Niederlage von 1918 nicht anerkannten, eine wachsende Anhängerschaft verzeichneten.

Das Missverständnis der 1930er-Jahre

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten setzte der Tradition des gemeinsamen Gedenkens trotz aller internationaler Spannungen kein Ende, doch sie veränderte dessen Zielrichtung. Nach der Gleichschaltung in den Jahren 1933/34 gingen alle deutschen Veteranenorganisationen in der Initiative NSKoV (Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung) auf, die weiterhin Beziehungen zu französischen Veteranenverbänden unterhielt. Die Nazis instrumentalisierten so den aufrichtigen Pazifismus der französischen Veteranen, um den Glauben an den guten Willen der neuen deutschen Machthaber zu stärken. Bis kurz vor dem zweiten Weltkrieg wurde eine ganze Reihe von Treffen organisiert. Zu einer Zeremonie in Douaumont, einem der Hauptschauplätze des Ersten Weltkriegs nahe Verdun, kamen im Juli 1936 mehrere Hundert deutsche und französische Veteranen zusammen, die gemeinsam einen Friedenseid leisteten. In den folgenden Jahren wurden ähnliche Treffen in Freiburg, Besançon und auch Berlin abgehalten, wo die Vorsitzenden der französischen Veteranenverbände mit großem Pomp zu einer Zeremonie im Olympiastadion mit 100.000 Veteranen empfangen wurden. Erst im Mai 1939 erkannten die französischen Veteranen, dass sie Opfer einer Manipulation geworden waren, und brachen die Beziehungen ab.

Nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich wurde am 22. Juni 1940 der Waffenstillstand im gleichen Eisenbahnwagon im Wald von Compiègne unterzeichnet wie der des Ersten Weltkriegs 22 Jahre zuvor. Die Wahl des Ortes unterstreicht, dass für Hitler der Erste Weltkrieg nicht am 11. November 1918 beendet und die Zeremonien der 1930er-Jahre lediglich Täuschungsmanöver gewesen waren. Erst 1956 wurde wieder eine deutsche Delegation zu Gedenkfeierlichkeiten nach Frankreich eingeladen und es dauerte bis in die 1960er-Jahre, bis sich endlich wieder Bemühungen um ein gemeinsames Gedenken an den Ersten Weltkrieg abzeichneten.

Erinnerungsorte des Ersten Weltkriegs und deutsch-französische Versöhnung

Konrad Adenauer und Charles de Gaulle während der Messe in der Kathedrale von Reims am 8. Juli 1962. Das Treffen markierte den Beginn der deutsch-französischen Aussöhnung. (© picture-alliance/dpa)

Beim Empfang von Konrad Adenauer in Reims im Juli 1962 wurde der Erste Weltkrieg zwar nicht ausdrücklich erwähnt, die Erinnerung daran war dennoch gegenwärtig. Insbesondere die Kathedrale von Reims, in der die Freundschaftsmesse gefeiert wurde, ließ ihrer Zerstörung durch deutsche Kanonen im Jahr 1914 gedenken. Auch die nahen Schlachtfelder in der Champagne erinnerten an den blutigen Konflikt zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Bis heute sind die Schlachten des Ersten Weltkrieges in der Landschaft spürbar - durch verstreute Einschlagkrater von Granaten, Ruinen ehemaliger Festungen und eine Vielzahl von Soldatenfriedhöfen. Die schmerzhaften Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der Besatzungszeit wurden dabei in den Hintergrund gestellt.

Die Feierlichkeiten in Frankreich zum fünfzigsten Jahrestag des Ersten Weltkriegs im Jahr 1964 blieben sehr französisch geprägt. Dennoch wurde Reims zu einem Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung nach einem – so eine Bezeichnung Charles de Gaulles – "dreißigjährigen Krieg".

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande am 8. Juli 2012 in Reims, am 50. Jahrestag des Treffens zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle. (© picture-alliance/dpa)

Und so empfing der französische Präsident François Hollande kurz nach seinem Amtsantritt 2012 in Reims die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel – fünfzig Jahre nach dem Treffen zwischen Adenauer und De Gaulle.

Beim Besuch Konrad Adenauers in Reims war die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg lediglich angeklungen. Als Helmut Kohl im Jahr 1984 Douaumont besuchte, war das Thema hingegen deutlich präsenter – auch dies sicherlich nicht ohne Hintergedanken. Noch spaltete die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg die öffentliche Meinung in Frankreich und Präsident Mitterrand zog es vor, den Ersten Weltkrieg statt des Zweiten ins Zentrum des gemeinsamen Gedenkens zu stellen, ebenso, wie Charles de Gaulle dies seinerzeit getan hatte.

François Mitterrand und Helmut Kohl gedenken der gefallenen Soldaten beider Weltkriege an der Gedenkstätte und dem Friedhof von Verdun (1984). (© ddp/AP)

Auch für Helmut Kohl gestaltete sich die inzwischen stärker versachlichte Auseinandersetzung mit der Epoche 1914-1918 einfacher als die Erinnerung an die Zeit zwischen 1939 und 1945.

Die Stadt Verdun, die lange als Symbol für den deutsch-französischen Konflikt stand, hatte sich im Jahr 1966 selbst zur "Hauptstadt des Friedens" erklärt. Auch das Schlachtfeld von Verdun wurde, ähnlich wie Reims, zu einem Symbol der deutsch-französischen Versöhnung, als Helmut Kohl und François Mitterrand dort im Jahr 1984 Hand in Hand der deutschen und französischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs gedachten.

Deutsch-französisches Gedenken zum 100. Jahrestag?

Können die Gedenkfeiern anlässlich des 100. Jahrestags des Ersten Weltkriegs eine deutsch-französische Dimension haben? Beobachter verweisen immer wieder auf die Asymmetrie zwischen einer nach wie vor lebendigen Erinnerung an die Ereignisse in Frankreich und einem distanzierteren Umgang mit der Geschichte in Deutschland. Diese Feststellung ist größtenteils richtig. Das Jubiläum bewegt in Frankreich die Gemüter. Seit den 1990er-Jahren und dem Tod der letzten Zeitzeugen nimmt in Frankreich das Interesse für den Konflikt 1914-1918 stetig zu. Doch auch in Deutschland, wo die traumatische Erfahrung des Zweiten Weltkriegs die Erinnerung an den Ersten überlagert hat, ist das Interesse nicht gering. Das Werk "Die Schlafwandler" von Christopher Clark, das die Hintergründe und Anfänge des Ersten Weltkriegs aufarbeitet, war in Deutschland ein größerer Erfolg als in Frankreich. Die Regale deutscher Buchhandlungen sind mit Werken zur Epoche gut gefüllt. Und die deutschen Städte und Bundesländer bereiten anlässlich des Jubiläums ein breites Kulturprogramm vor, das zum Teil, wie das interdisziplinäre Programm 1914 Mitten in Europa – Das Rheinland und der Erste Weltkrieg (www.rheinland1914.lvr.de), bereits 2013 anlief.

Mag die deutsche Bundesregierung während des Wahlkampfs auch den Eindruck eines gewissen Desinteresses für die Gedenkfeierlichkeiten erweckt haben, so hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier unmittelbar nach der Vereidigung der neuen Regierung die Teilnahme Deutschlands an den Veranstaltungen zugesagt. Eine beeindruckende Ausstellung über die "Avantgarden im Kampf" wurde bereits in der Bundeskunsthalle in Bonn eröffnet (www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/1914-die-avantgarden-im-kampf.html). Und der deutsche Diplomat Andreas Meitzner wurde zum Koordinator der internationalen Feierlichkeiten ernannt, an denen Deutschland teilnehmen wird.

In allen Ländern, die am Ersten Weltkrieg beteiligt gewesen waren, prägt die nationale Perspektive die Erinnerung an den Konflikt. Dies ist zum einen den damit verknüpften persönlichen und familiären emotionalen Bindungen, zum anderen aber auch dem politischen Willen der jeweiligen Regierungen geschuldet. Trotz anders lautender Absichtsbekundungen und viel gutem Willen wird das Gedenken an den Ersten Weltkrieg daher vor allem auf lokaler und nationaler Ebene stattfinden. Kommunen, Départements und Regionen, aber auch Vereine, Schulen, Museen, Bibliotheken und Archive werden gemeinsam mit den Ländern die Hauptakteure der Gedenkveranstaltungen sein. In Frankreich spielt die "Mission Centenaire" (www.centenaire.org/de), die von Nicolas Sarkozy ins Leben gerufen und von François Hollande fortgeführt wurde, in erster Linie die Rolle eines Impulsgebers, Koordinators und Beauftragten für Markenpflege und Kommunikation und verfolgt das Ziel, die unterschiedlichen gesellschaftlichen Initiativen zusammenzuführen.

Jenseits der klassischen und symbolhaften gegenseitigen Einladungen der Staatsoberhäupter und Regierungschefs – Joachim Gauck wird am 3. August 2014 in Frankreich und am 4. August in Belgien an den Gedenkfeierlichkeiten teilnehmen – bleibt die Zahl internationaler, europäischer oder deutsch-französischer Initiativen begrenzt. Einige aber gibt es dennoch. So ließe sich die Neuübersetzung des Romans "Opfergang" von Fritz von Unruh über die Ereignisse von Verdun durch einen Straßburger Verlag Externer Link: www.ladernieregoutte.fr/livres) sowie die Veröffentlichung eines zweisprachigen pädagogischen Comics (Externer Link: www.centenaire.org/fr/bande-dessinee) und des gemeinsamen Buches des deutschen Historikers Arndt Weinrich und seines französischen Kollegen Benjamin Gilles erwähnen; oder auch die gemeinsame Ausstellung des Kunstmuseums in Reims und des Von der Heydt-Museums in Wuppertal (Externer Link: www.menschenschlachthaus-ausstellung.de). Auch das Deutsch-französische Jugendwerk bereitet eine Gedenkausstellung vor, die sich an Jugendliche und Lehrende richtet, und unterstützt das Forschungsprojekt von deutschen und französischen Studenten in Berry-au-Bac, einem Dorf, das damals an der Frontlinie lag (Externer Link: www.ihtp.cnrs.fr). Dabei widmet der Sender "Arte" ein deutsch-französisches bzw. internationales Programm der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg.

Insbesondere die deutsch-französischen Grenzregionen stellen bei der Gestaltung der Feierlichkeiten die transnationale Dimension ins Zentrum ihrer Veranstaltungen. Die trinationale Region Oberrhein organisiert beispielsweise einen Ausstellungszyklus sowie ein grenzübergreifendes Kulturprogramm. Wenn ihre Zahl auch begrenzt ist, so tragen derartige Initiativen doch dazu bei, ein Konzept für ein gemeinsames deutsch-französisches oder gar internationales Gedenken an den Ersten Weltkrieg zu entwickeln.

Die Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltet vom 7. Bis zum 11. Mai 2014 das Geschichtsfestival Externer Link: Europe 14|14. Den Mittelpunkt der Veranstaltung bildet der HistoryCampus in Berlin zu dem 500 junge Menschen aus ganz Europa zusammen treffen werden, um die Bedeutung des Ersten Weltkriegs für junge Europäerinnen und Europäer persönlich, für ihre jeweilige nationale Identität und für das heutige Europa als gemeinsames Friedensprojekt zu erkunden. Anmeldungen sind möglich unter Interner Link: www.bpb.de/historycampus.

Übersetzung aus dem Französischen: Katrin Sold

Fussnoten

Fußnoten

  1. Des pacifistes français et allemands pionniers de l'entente franco-allemande (1870-1925), Paris/Montreal, 1999.

  2. Guerres des images: France-Allemagne 1914-1918, Mai 2014.

Weitere Inhalte

Nicolas Beaupré ist Lehrbeauftragter an der Universität Blaise Pascal in Clermont-Ferrand, Mitglied des Institut universitaire de France und des Centre international de recherche de l’Historial de la Grande Guerre in Péronne.