Die Banque de France in Paris ist das französische Mitglied im Europäischen System der Zentralbanken.
Der französischen Haushaltspolitik gilt im Kontext der Verschuldungskrise in der Eurozone derzeit besondere Aufmerksamkeit. Frankreichs öffentlicher Schuldenstand ist 2012 auf rund 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angestiegen. 2014 dürfte er mit 91,4 Prozent seinen vorläufigen Höhepunkt erreichen. Bislang sanktionieren die Märkte die Entwicklungen in Frankreich allerdings nicht – trotz der Abwertung der französischen Kreditwürdigkeit durch die Ratingagenturen im Jahr 2011. Die Zinsen auf Staatsanleihen lagen zum Jahresende 2012 mit rund 2 Prozent für zehnjährige Anleihen sogar auf einem historisch niedrigen Niveau. Wie erklärt sich dann die Aufmerksamkeit, die der französischen Haushaltspolitik zu Teil wird?
Wichtiger Garant im Stabilitätsmechanismus
Frankreichs Haushaltssolidität ist in der Verschuldungskrise von besonderer Relevanz. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der EU ist es mit einem Anteil von 20 Prozent nach Deutschland (27 Prozent) der zweitwichtigste Garant im Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Der Rettungsmechanismus vergibt unter Auflage von Reform- und Sparmaßnahmen Hilfskredite an Mitgliedstaaten mit Zahlungsschwierigkeiten. Neben der Europäischen Zentralbank (EZB) ist er das wichtigste Instrument, um Unruhe in den Märkten entgegen zu wirken. Sinkt Frankreichs Kreditwürdigkeit weiter, hätte dies Auswirkungen auf den ESM. Denn: Gerät einer der wichtigsten Garanten unter Druck, dürften sich auch die Finanzierungsbedingungen des Rettungsmechanismus insgesamt verschlechtern.
Schwache Wachstumsaussichten, die Situation des Staatshaushalts und möglicherweise erhöhte Finanzierungskosten begründen die Sorge, dass die Verschuldungskrise nach Italien und Spanien auch Frankreich erfassen könnte.
Haushaltspolitische Reaktionen auf die Krise
Staatsdefizit (in % vom BIP) in Frankreich und der Eurozone 1995-2011. (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Staatsdefizit (in % vom BIP) in Frankreich und der Eurozone 1995-2011. (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Auf die Krise, die 2007/2008 aus den USA nach Europa geschwappt war, hat die französische Regierung mit Entscheidungen reagiert, die den Staatshaushalt belastet haben. Dazu gehörten etwa staatliche Bankenrettungen und eine haushaltspolitische Stützung der Konjunktur. Der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy lancierte 2009 den "Grand Emprunt", ein anleihenfinanziertes Investitionsvorhaben in Höhe von 35 Milliarden Euro, mit dem bis 2012 Projekte in den Bereichen Bildung, Forschung, Industrie-/KMU-Entwicklung, Informationstechnologie und nachhaltige Entwicklung gefördert wurden. Diese Ausgabenpolitik steigerte in Kombination mit der schleppenden Wachstumsentwicklung der vergangenen Jahre den öffentlichen Schuldenstand im Verhältnis zum BIP. 2012 brach Frankreich im fünften Jahr in Folge die Defizitobergrenze des Stabilitäts- und Wachstumspakts von 3 Prozent des BIP.
Die Entscheidung, mehr Geld als etwa Deutschland in Konjunkturprogramme zu stecken und dafür höhere Defizite in Kauf zu nehmen, erklärt sich erstens aus der Tatsache, dass Frankreichs Wachstum stark vom Binnenkonsum abhängt. Zweitens wird der nachfragestimulierenden Wirkung von Fiskalpolitik traditionell große Bedeutung beigemessen. Eine verbreitete Meinung unter französischen Ökonomen ist, dass eine zu rigide Sparpolitik in Zeiten wirtschaftlicher Krisen tendenziell die Nachfrage zu stark belasten würde. Sinken die Löhne und Preise, etwa als Ergebnis einer Kombination von Sparpolitik und Strukturreformen, kann dies den Konsum belasten, die Arbeitslosigkeit steigern, die Wirtschaft bremsen und im Ergebnis den Anteil der Schulden im Verhältnis zum BIP steigern. In Deutschland ist die Sichtweise traditionell eine andere: Von einer Sparpolitik werden eher positive Wachstumseffekte erwartet, weil davon ausgegangen wird, dass sinkende Staatsausgaben (statt erhöhter Steuern) das Vertrauen der Privatwirtschaft stärken, Investitionen ankurbeln und so zu einer raschen wirtschaftlichen Erholung beitragen.
Neue Akzente in der Budgetdiskussion
Seit 2010 werden in Frankreich Fragen der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen und eine Begrenzung der Neuverschuldung zunehmend debattiert. Im Januar 2010 initiierte Sarkozy eine "Defizit-Konferenz", bei der unter anderem die deutsche Schuldenbremse als Beispiel für eine französische Schuldenregel diskutiert wurde. Am 13. Juli 2011 beschloss die Nationalversammlung eine Regelung zu Begrenzung der Staatsverschuldung. Ursprünglich strebte Sarkozy eine Verfassungsänderung an, doch aufgrund der Zusammensetzung des Senats, der seit September 2011 eine linke Mehrheit hatte, ließ er das Vorhaben fallen. Es war unwahrscheinlich, dass drei Fünftel der Parlamentarier aus Nationalversammlung und Senat der Verfassungsänderung zustimmen würden. Im Herbst 2012 ratifizierte Frankreich den Fiskalpakt. Präsident François Hollande hatte zwar mehr öffentliche Investitionen und eine europäische Wachstumsstrategie als Bedingung für die Ratifizierung des Pakts gefordert, doch die Grundidee einer nationalen Schuldenbremse stellte auch er nicht in Frage.
Gründe für die neuen Akzente in der haushaltspolitischen Diskussion sind die gewachsene Staatsverschuldung (siehe Abbildung 2), temporär höhere Risikoaufschläge auf französische Anleihen im Jahr 2011 und die Furcht vor einem Übergreifen der Verschuldungskrise. Im Januar und November 2012 verlor Frankreich sein AAA-Rating bei zwei Ratingagenturen – und die Sorge besteht, dass die Kreditwürdigkeit weiter herabgestuft wird und damit die Refinanzierungskosten steigen. Sollte Paris höhere Kosten für die Refinanzierung der Staatsverschuldung aufbringen müssen, würde dies den Druck zu sparen oder mehr Einnahmen zu generieren weiter erhöhen.
Konsolidierungsbemühungen bis 2017
Die Regierung hat im Dezember 2012 ein Budget durch das Parlament gebracht, das für 2013 eine Neuverschuldung von 3 Prozent des BIP vorsieht. Damit würde Frankreich erstmals seit 2007 wieder unter die Verschuldungsgrenze des Stabilitätspakts rutschen. Etwa 70 Prozent der Anpassung sollen durch Steuererhöhungen erreicht werden, die vor allem hohe Einkommensgruppen (die oberen 0,1 Prozent) und Großunternehmen belasten. Damit wird ein Trend fortgesetzt, der bereits unter dem vorherigen Präsidenten Sarkozy begann: Im Zeitraum 2011 bis 2013 sollen die Pflichtabgaben im Verhältnis zum BIP um vier Prozentpunkte steigen. Die Staatsausgaben sollen 2013 nur um rund zehn Milliarden Euro gekürzt werden. In der Folge steigt die französische Staatsquote erst einmal weiter an: 2013 dürften die Staatsausgaben 56,3 Prozent des BIP erreichen. Ab 2016 soll dann das Steueraufkommen schrittweise reduziert werden und auch die Staatsquote sinken. Präsident Hollande hat auch eine Reform der sozialen Sicherung und des Gesundheitssystems in Erwägung gezogen.
Kritiker der Budgetplanung merken an, dass Ausgabenkürzungen vielversprechender als eine Erhöhung der Steuerlast wären, weil sie mittelfristig das Wachstumspotenzial eher stärken. Die wachsende Steuerbelastung könnte hingegen zur Abwanderung von Unternehmen und einkommensstarken Bevölkerungsgruppen führen. So argumentierten auch konservative Abgeordnete, die den Haushaltsentwurf im Dezember 2012 zunächst im Senat scheitern ließen. Für weiteren Druck auf die Regierung hat der Eklat zwischen dem Schauspieler Gérard Depardieu und dem französischen Premierminister gesorgt. Depardieu hatte wegen der Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 75 Prozent zunächst seinen Wohnsitz nach Belgien verlegt. Nach einem öffentlichen Streit beantragte er anschließend aus Protest die belgische Staatsangehörigkeit.
Mit dem Budget 2013 hat das Parlament auch eine mehrjährige Finanzplanung bis 2017 verabschiedet, ohne darin jedoch Details zu regeln. 2016 soll das strukturelle Defizit auf 0 Prozent zurückgefahren werden, für 2017 strebt die Regierung einen in etwa ausgeglichenen Haushalt an. Die Steuerlast soll ab 2016 wieder sinken. Ab 2014 soll der öffentliche Schuldenstand schrittweise zurückgehen.
Schwache Wachstumsaussichten
Der Budgetplanung bis 2017 liegen allerdings Wachstumsprognosen zu Grunde, die Analysten für zu optimistisch halten (0,8 Prozent Wachstum 2013, ab 2014 pro Jahr um 2 Prozent Wachstum). Viele Beobachter prognostizieren für 2013 gar kein Wachstum, 2014 soll eine leichte Erholung einsetzen. Den Binnenkonsum belasten unterdessen wachsende Arbeitslosenzahlen (2012 wurde eine Quote von 10,8 Prozent erreicht) und die erwähnten Steuererhöhungen. Hinzu kommt möglicherweise eine Korrektur des Immobilienmarkts. Exporte dürften das Wachstum nicht besonders beflügeln, da die externe Nachfrage etwa aus Spanien und Italien derzeit gering ist. Berechnungen zu Folge könnte ein Prozentpunkt weniger Wachstum in den nächsten Jahren zusätzliche Ausgabenkürzungen und weitere Steuererhöhungen in Höhe von 10 bis 15 Milliarden Euro erfordern.
Auch die mittel- und langfristigen Wachstumsaussichten werden skeptisch gesehen – es sei denn, umfassende Reformen werden umgesetzt. Der langsame aber anhaltende Verlust der preislichen Wettbewerbsfähigkeit und die schrittweise Erosion der exportorientierten Industrie gehen auf Rigiditäten in den Arbeits- und Dienstleistungsmärkten und einen Anstieg der Lohnstückkosten zurück. Probleme im Bereich der nicht-preislichen Wettbewerbsfähigkeit könnten durch verstärkte Investitionen in Forschung- und Entwicklung reduziert werden.
Risiken für die Entwicklung des Staatshaushalts
Sollten sich die wirtschaftlichen Aussichten verschlechtern, dürfte Frankreich seine Konsolidierungsziele verpassen – es sei denn, durch Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen wird nachgebessert. Die Kombination von Ausgabenkürzungen und Strukturreformen kann Proteste hervorrufen, an denen in der Vergangenheit Reformen gescheitert sind. Allerdings zeigt sich an der medialen Kommentierung zur Finanzplanung 2013 bis 2017, dass in der französischen Öffentlichkeit das Bewusstsein gewachsen ist, dass unter dem Druck der Märkte und der wachsenden Konkurrenz aufstrebender Wirtschaftsmächte wie China Einschnitte und Wandel nötig sind.
So dürfte die Sorge, dass die Verschuldungskrise auf Frankreich übergreift, stabilitäts- und reformorientierte Politiken wahrscheinlicher machen. Auswirkungen von anderen südeuropäischen Staaten auf Frankreich sind durchaus möglich, etwa aufgrund der engen Handelsverflechtungen und Beziehungen zu den Bankensektoren in Spanien und Italien. Die Entwicklungen an den europäischen Anleihemärkten seit 2010 haben überdies gezeigt, dass Marktreaktionen Finanzierungskosten in die Höhe schießen lassen können – auch wenn sich an den wirtschaftlichen Fundamentaldaten kaum etwas geändert hat. Wenn ein ausreichend großer Anteil der Anleger erwartet, dass sich die Situation verschlechtert, setzt ein "Herdentrieb“ ein: Investoren ziehen ihr Geld ab, bevor es andere tun.
Bei der Einschätzung der Situation der französischen Staatsfinanzen ist es wichtig anzuerkennen, dass auch die Rating-Note Aa1 immer noch eine hohe Kreditwürdigkeit darstellt. Frankreich hat überdies traditionelle Stärken wie eine große und diversifizierte Volkswirtschaft. Wird die preisliche und qualitative Wettbewerbsfähigkeit verbessert, wird dies sich über höheres Wachstum auch auf die französische Schuldendynamik auswirken.