Größer noch als das Grauen und Schrecken dieser kochenden, brodelnden Materialschlacht war das Heldentum dieser Männer. Eine geschlossene, einheitliche Kampfhandlung gab es in solcher Schlacht nicht mehr. Sie hatte sich längst in Einzelkämpfe kleiner Gruppen aufgelöst. Ganz auf sich selbst gestellt, aus eigenem Entschluss handelnd, bald von Trichter zu Trichter springend, bald in nassen Erdlöchern niederkauernd, um ihre Leiber vor Granatsplittern zu schützen, suchten diese Helden vorwärtszukommen und den Sieg zu erringen, ohne oft recht zu wissen, was rechts und links von ihnen geschah, unbekümmert um die heranheulenden Granaten und das mörderische Feuer der Maschinengewehre, nur vom Gefühl der Pflicht getrieben und zum Opfertod bereit. In dem ununterbrochenen, nervenzerreissenden Feuerorkan, den wütenden hin- und herwogenden Bajonettkämpfen, den durchwachten Nächten und schlaflosen Wochen leisteten deutsches Pflichtgefühl und deutsches Heldenideal hier täglich Unsagbares. Übermenschlich waren die physischen, vor allem aber die seelischen Anforderungen, die die moderne Materialschlacht an den Kämpfer stellte. Der gewöhnliche Mensch versagte hier. Er musste ein anderer, ein größerer werden. Er musste über sich selbst seelisch hinauswachsen zum Helden. Der Glutofen dieser Materialschlachten formte den Menschen neu, härtete ihn wie Stahl, gab ihm eine fast überirdische Ruhe und kalte Überlegenheit über den Feuerwahnsinn der Maschinen. Es war der Held, der, auf alles stets gefasst und zu jedem Einsatz bereit, niemals an sich, nur immer an die Kameraden und die gemeinsame Sache denkt und mit aller Energie das Schicksal zu meistern sucht, auch wenn es unmöglich scheint und die Hölle sich vor ihm auftut. Es ist der neue Typ des deutschen Frontsoldaten.
W. Hohmann (Hg.): Lehrbuch der Geschichte für höhere Schulen, Oberstufe: Dritter Band - Deutsche Geschichte vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, Frankfurt a.M. 1937, S. 12-13