Spanien: Aufstieg zum wichtigsten Gaslieferanten Westeuropas?
Woher kommt das Gas in Spanien?
Spanien hat seit jeher eine geringe Abhängigkeit von russischem Gas, denn es bezieht Erdgas aus 14 verschiedenen Quellen. Nur sieben Prozent
Die Lage im Maghreb, besonders die Beziehung zwischen Marokko und Algerien, ist allerdings Externer Link: angespannt. Eine Folge dieses Konflikts war die Schließung der aus Algerien durch Marokko führenden Gaspipeline durch die algerische Regierung im Herbst 2021. Das bedeutete, dass die spanischen Importe von algerischem Gas zwischen Januar und Juli 2022 um 42 Prozent
Die größte überregionale spanische Tageszeitung El País schreibt dazu am 15. August:
"Dies ist keine kleine Krise für Spanien. Die spanische Regierung hat völlig Recht, wenn sie an den freundschaftlichen Beziehungen zu Algerien festhält. ... Im Moment ist es eine gute Nachricht, dass Algerien die Migrationsströme nicht als Waffe einsetzt, wie es andere Länder wie die Türkei und Marokko getan haben. Es wird nicht leicht sein, das Gleichgewicht in den Beziehungen zu zwei Nachbarländern wiederherzustellen, die für Spanien so strategisch wichtig sind. … In den Beziehungen Europas zum Maghreb hat Spanien weiterhin eine unausweichliche Verpflichtung und Verantwortung."
Spanien und Algerien haben sich schließlich geeinigt und eine Vereinbarung über weitere Lieferungen von Gas über zwei Hauptkanäle getroffen: 25 Prozent werden über die Medgaz-Pipeline und die übrigen 75 Prozent über Schiffe in Form von verflüssigtem Gas geliefert. Durch den Streit hat sich aber die Versorgungslage verändert, wovon vor allem die USA profitieren: Sie haben Algerien überholt und sind nun mit 32,9 Prozent
Export nach Frankreich
Spanien importiert Gas aber nicht nur für den Eigenbedarf, sondern exportiert es auch nach Frankreich weiter. Dafür wurde 2012 ein neuer unterirdischer Gasspeicher in Yela
Gas-Pipelines in Spanien
Die Gas-Pipelines in Spanien verlaufen im Allgemeinen von Süden nach Norden. So gelangt in den Speicher im Norden Gas aus Algerien und aus den Regasifizierungsanlagen im Süden Spaniens sowie der Ostküste des Landes. Im Sommer wird das Gas dort komprimiert und in ein unterirdisches Areal von etwa 14 Quadratkilometern injiziert. Wenn der Winter kommt, kehrt sich der Prozess um: Das Gas wird wieder verdampft und über Pipelines an Haushalte und Unternehmen in Spanien verteilt. Es wird aber auch über die zwei terrestrischen Verbindungen nach Frankreich oder verflüssigt in LNG-Tankern in andere Länder exportiert, vor allem von Barcelona aus.
Drehscheibe für Gas
Spanien hat also eine leistungsfähige Gasinfrastruktur und hofft seit dem Beginn des russischen Kriegs gegen die gesamte Ukraine zu einer Gas-Drehscheibe für Europa zu werden. Vor allem seine große Kapazität
Für La Vanguardia sind dies bedeutungsvolle Entwicklungen, wie die Zeitung am 12. März 2022 schreibt:
"Seit dem Ausbruch der russischen Aggression gegen die Ukraine zeigt sich, dass die Zeit für Spanien gekommen ist, nach der politischen Integration [in die EU] von 1986 und der wirtschaftlichen Integration von 2002. Wir können nach einer dritten Integration eine führende Rolle spielen. ... Die Iberische Halbinsel hat endlich die große geopolitische Rolle gefunden, die sie seit Jahrzehnten anstrebt. Wir bieten nicht nur Sonne und Strand für den Rest der Europäer, sondern sind auch in der Lage, eine großartige Plattform für die Erneuerung des europäischen Projekts zu bilden."
Portugal: Vorreiter bei grünem Wasserstoff?
Nicht nur Spanien hofft, eine neue Vorreiterrolle in der europäischen Energiepolitik zu erreichen: Auch Nachbarland Portugal hat große Pläne.
Der Tiefseehafen Sines, rund 100 Kilometer südlich von Lissabon, ist zum Ankerpunkt der portugiesischen Energie-Strategie geworden. Im April 2022 verkündete die sozialistische Regierung ein groß angelegtes Projekt: Sines soll bis 2030 eine Produktionskapazität von einem Gigawatt Grünem Wasserstoff erreichen – das entspräche 20 Prozent der maximalen Kapazität, die Deutschland bis dahin produzieren will. Der Umbau eines ehemaligen Kohlekraftwerks zu einer Wasserstoff-Produktionsstätte soll in Kürze beginnen.
Sines kann tatsächlich mit guten Bedingungen für die Produktion und für den Transport von Grünem Wasserstoff aufwarten. Der Preis für Strom aus Solarenergie, der bei der Elektrolyse von Wasser und der damit verbundenen Herauslösung des Wasserstoffs notwendig wird, ist in Portugal so niedrig wie in kaum einem anderen EU-Land.
Das Projekt wird in Portugal breit diskutiert. Umweltexperten haben frühzeitig darauf hingewiesen
Die Debatte um den Grünen Wasserstoff aus Sines hat insbesondere in der aktuellen Energiekrise an Fahrt aufgenommen. Allerdings ist die Einigung von Ende Oktober zwischen Frankreich, Spanien und Portugal auf die Meerespipeline Barmar zwischen Barcelona und Marseille – anstelle der Midcat-Pipeline über die Pyrenäen – aus portugiesischer Sicht ein zweischneidiges Schwert. Kritiker bemängeln vor allem, dass die neue Gasleitung über Barcelona auch eine Absage an den Standort Sines als Produzent für Grünen Wasserstoff sei. Außerdem würde der Export von Ökostrom aus Portugal ausgebremst, wenn nur eine von drei angedachten neuen Stromverbindungen zwischen Spanien und Frankreich gebaut würde. "Besser als gar nichts", urteilt die Wirtschaftszeitung Economia Online. "Zumal es einen Versuch gibt, den in Portugal geplanten Investitionen in Grünen Wasserstoff einen europäischen Markt zu geben. Und dennoch: António Costa scheint lächelnd einen großen politischen Misserfolg zu verkaufen."
In der auflagenstärksten Wochenzeitung Expresso wird Barmar auf einer Meinungsseite kontrovers diskutiert. Der Energieexperte Pedro Sampaio Nunes schreibt dort, Barmar bedeute "eine Situation zu lösen, die mit dem [gescheiterten Midcat-]Abkommen von 2014 blockiert wurde, eine Alternative zu Projekten zu finden, die durch Umwelteinwände verhindert wurden, und es bedeutet eine Stärkung der Sicherheitsbedingungen durch eine stärkere Verknüpfung der europäischen Marktnetze." Dagegen gibt die EU-Abgeordneter der liberal-konservativen Oppositionspartei PSD, Maria da Graça Carvalho, zu bedenken: "Wir haben keine Garantie dafür, dass Sines jetzt nicht untergebuttert wird."