Erst in den Achtzigerjahren wurde die Erfahrung des Holocaust als universelles Thema in die verschiedenen nationalen Projekte integriert, aus denen sich Europa zusammensetzt. Schweden und die Schweiz, die beide während des Krieges neutral waren, sind zwei hervorragende Beispiele dafür, wie lange Zeit Fragen der Mitschuld und Kollaboration vermieden wurden. Erst die Nazigold-Kontroverse in den späten Neunzigerjahren erschütterte die etablierten nationalen Perspektiven in beiden Ländern. Aber auch in einem größeren Zusammenhang war diese Kontroverse ausgesprochen aufschlussreich: Denn für die Integration echter Universalität in das europäische Projekt ist grenzüberschreitende Provokation ein zentrales Element.
Nach Kriegsende wurden Schweden und die Schweiz beschuldigt, ihre Neutralität zur Selbstbereicherung genutzt zu haben, und nicht, wie die beiden Länder es selbst darstellten, als Beitrag zum epochalen Kampf um die Zukunft der Menschheit. Die Schweiz sah sich insbesondere dem Vorwurf ausgesetzt, unbeschränkt deutsches Raubgold in ihren Banken gelagert zu haben.
Beide Länder reagierten nach dem Krieg damit, ihre nationalen Projekte als einzigartiges Bemühen darzustellen, universelle Werte zu verwirklichen. Die weitgehende Isolation von Europa war aus ihrer Perspektive ein Mittel, um das nationale Gemeinwohl zu erhalten. Während sich beide im nationalen Kontext vordergründig zu liberaler Universalität bekannten, so gingen sie doch sehr unterschiedliche Wege. Die Schweiz, nach wie vor das weltweite Finanztransaktionszentrum, präsentierte sich als Gralshüter des freien Weltmarkts - was sie aus ihrer Sicht allen Widrigkeiten zum Trotz auch während des Krieges gewesen war. Als einen weiteren universellen Wert beanspruchte sie ihre nationale Souveränität und weigerte sich, neu entstehenden transnationalen Strukturen wie den Vereinten Nationen beizutreten. Ihre Isolation, so schien es, wies der Schweiz auch die besondere Rolle als zentrale Bühne internationaler Verhandlungen zu. Schweden wählte die umgekehrte Richtung zur Universalität und kanalisierte seine außenpolitischen Ziele symbolhaft durch die UN und andere neue internationale Organisationen.
Die Nachkriegsverhandlungen zwischen den Alliierten und der Schweizer Regierung über den Umgang mit deutschem Besitz und Raubgold stellten Schweizer Politiker intern als einen Kampf von David gegen Goliath dar. In der öffentlichen Meinung wurde dieser Kampf mehrheitlich als der aussichtslose Versuch betrachtet, die Unantastbarkeit des Privateigentums vor den Übergriffen der Großmächte zu schützen. Im November 1946 beschuldigte der Schweizer Chefverhandler Walter Stucki die Alliierten, ihre eigenen, in der Atlantik-Charta niedergelegten Prinzipien zu missachten. Die Tatsache, dass die Schweiz sich im März 1945 dem amerikanischen Druck gebeugt und zugestimmt hatte, allen deutschen Besitz einzufrieren, Fremdwährungshandel zu verbieten und den Kauf von Gold aus Deutschland einzuschränken, war, wie er sagte, das Ergebnis von politischem Druck, der schlimmer war als alles, was Göring jemals versucht hatte - ein Bruch aller Prinzipien in einer Welt "bar aller materiellen und moralischen Grundlagen"
Die Ironie dieser einzigartig bornierten Definition von nationalem Schweizer Interesse wurde für die Welt erst fünf Jahrzehnte später offensichtlich, als der World Jewish Congress und der Eizenstat-Report die Schweizer Behörden mit der Frage jüdischen Eigentums während des Krieges konfrontierte.
In Schweden war es nach dem Krieg wesentlich einfacher, offizielle Repräsentaten dazu zu bewegen, eine Mitschuld durch Handel mit dem Dritten Reich einzugestehen. Dean Acheson reflektiert diese Frage in seinen Memoiren: "Wenn die Schweden starrköpfig waren, dann waren die Schweizer der Gipfel der Starrköpfigkeit."
Um zu verstehen, dass diese Haltung einen radikalen Bruch mit der herrschenden Tradition des Verschweigens und Vernachlässigens bedeutete, muss man sich mit den Besonderheiten der schwedischen Nachkriegsgeschichte auseinandersetzen: Nach dem Krieg wählte Schweden das Mitgefühl als seine charakteristische nationale Qualität, aufbauend auf einer kurz zuvor erfolgten Neudefinition des nationalen Projekts. Eine bereits in den Dreißigerjahren eingeführte spezifische Form des sozialen Wandels konnte jetzt zur Verkörperung von Modernität ausgerufen werden.
Die moralische Grundlage dafür war durch den Sieg der Alliierten über den Faschismus noch unterstrichen worden. Als Sozialdemokraten wie Bruno Kreisky und Willy Brandt nach dem Krieg aus dem schwedischen Exil zurückkehrten, brachten sie das Modell für die europäische Gesellschaft der Zukunft in ihre Heimatländer mit: den Wohlfahrtsstaat, die all-inclusive-Definition von Staatsbürgerschaft. Das Prinzip der partizipatorischen Demokratie als der wahren Legitimation des modernen Nationalstaats wurde in der Folge in den meisten westeuropäischen Staaten nachhaltig verankert. Schweden sollte den Weg aus einer bedrückenden historischen Tradition weisen.
Gegenüber den Plänen einer europäischen Integration, die nach dem Krieg auftauchten, verhielten sich die schwedischen Eliten aber reserviert. Dieses Desinteresse basierte auf scheinbar ethischen Überlegungen: Das schwedische Mitgefühl war vor allem auf Dritte-Welt-Staaten gerichtet. In den frühen 60er Jahren wurde die Anteilnahme am antikolonialen Kampf von einem jungen Intellektuellen und Schriftsteller, Lars Gustafsson, vor allem als die Überwindung des Nationalismus definiert: "Dieses Erwachen eines internationalen Bewusstseins ist ein Weg aus dem, und ein immerwährender Trost für das, was wir so lange als Isolation erlebt haben. Wenn es heute einen schwedischen Patriotismus gibt, dann beruht er auf unserer Sehnsucht, uns im Zusammenhang mit dieser neuen Solidarität Gehör zu verschaffen."
Die Vorstellung, das emanzipierteste Land der Welt zu sein, war konstitutiv für das "schwedische Modell". Tatsächlich handelte es sich um traditionellen Nationalismus mit umgekehrten Vorzeichen. Die psychologische Wirkung war derjenigen der herkömmlichen Form allerdings sehr ähnlich: Die schwedischen Eliten konnten ausgesprochen stolz auf ihre Vorrangstellung als Anti-Nationalisten sein. Sie gewöhnten sich an ihre moralische Überlegenheit, die sie daraus bezogen nicht mehr an Traditionen gefesselt zu sein. Ihr größtes Verdienst war es, den Nationalismus überwunden zu haben.
Politiker und Diplomaten waren davon überzeugt, privilegierten Einblick in die Zukunft der Menschheit zu haben. Auf die Weltbühne übertrugen sie die schwedische Haltung als eine spezielle Form des Idealismus. In manchen Fällen, etwa durch die Unterstützung des Anti-Apartheid-Kampfes in Südafrika (inklusive materieller Unterstützung des ANC, als er zur kommunistischen Speerspitze stigmatisiert wurde) oder durch die entschiedene moralische Haltung gegenüber dem Vietnamkrieg, brachte dieses Selbstbewusstsein lohnenswerte Ergebnisse. In anderen Bereichen wiederum kippte das schwedische Modell in Arroganz und Nachlässigkeit. Ein typisches Beispiel dafür ist die offizielle Haltung gegenüber den baltischen Staaten, die als nicht existent eingestuft wurden (Schweden anerkannte als erstes westliches Land die sowjetische Annexion des Baltikums 1940); ein anderes die mangelnde Bereitschaft, die Sowjetunion dazu zu zwingen, die Verhaftung Raoul Wallenbergs zuzugeben. Im Großen und Ganzen tendierte der schwedische Idealismus dazu, sich in Realpolitik zu verwandeln, je näher Probleme an Schweden herankamen.
Der Historiker Friedrich Meinecke interpretierte die deutsche Geschichte als den Sieg des Nationalstaats über das Weltbürgertum. Der Anspruch Schwedens und der Schweiz nach dem Krieg, die Ideale des Universalismus zu verkörpern, könnte als das genaue Gegenteil der deutschen Tradition des Historismus gesehen werden. Dennoch basierte die national definierte Ideologie des Progressivismus auf der Annahme von Einzigartigkeit. Historiker in beiden Ländern, die vorgaben, Vorgänge zu entmystifizieren, konnten auf ein bewährtes Konzept nationaler Identität als Folie für die Auswahl und Interpretation von Tatsachen zurückgreifen; sie konnten offensichtlich progressive Elemente betonen, und alles andere ausklammern.
Allerdings gibt es einige interessante Unterschiede in der Art und Weise, wie diese verdeckten Elemente in den beiden Ländern öffentlich verhandelt wurden.
Die beiden bekanntesten Schweizer Nachkriegsdramatiker, Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch, nutzten ihre Werke beständig dazu, eine Gegenwelt zu beschreiben, eine Alternative zur herrschenden Heuchelei, die sich als Objektivität ausgab. Frischs Komödie Biografie (1967) ist eine Satire auf das Konzept von Geschichte als Projekt: Einem Mann wird die Möglichkeit gegeben, an entscheidende Momente seines Lebens zurückzukehren und die Entscheidungen, die er getroffen hatte, zu verändern. Die ständigen Korrekturen, die oberflächlich wie Resultate offensichtlich rationaler Entscheidungen aussehen, stellen sich als Absurditäten heraus, bis er schließlich begreift, dass, welchen vorausgeplanten Weg auch immer er wählt, es immer der falsche sein wird.
Frischs Stück Biedermann und die Brandstifter (1958) ist die Tragikomödie eines Pakts mit dem Teufel. Ein Mann lässt drei Brandstifter in sein Haus; er nimmt sie als Mitbewohner auf, inklusive Benzinkanistern, Zündschnur usw. Als sie ihn um Streichhölzer fragen, erfüllt er ihre Bitte pflichtschuldigst. Frischs berühmtestes Stück, Andorra (1961), basiert auf einer Idee, die bereits in seinem Werk Tagebuch mit Marion (1947) aufgetaucht war, das ihm zum Durchbruch verholfen hatte. Es ist die erschreckende und tragische Darstellung der Mechanismen sozialer Inklusion und Exklusion, wobei das Ritual des Ausschlusses einer Person eine Intensivierung der Verbindung der Zurückgebliebenen bedingt: Ein Mann gibt seinen Stiefsohn als Juden aus; der Junge akzeptiert angesichts der ihm entgegengebrachten Vorurteile die ihm zugeschriebene Identität als unveränderliche Tatsache. Als das Land von einem rassistischen Nachbarstaat überfallen wird, ist sein Schicksal besiegelt.
Einen Sturm der Entrüstung verursachte Frisch mit einem "Unbewältigte schweizerische Vergangenheit" betitelten Artikel, der im März 1966 in der Wochenzeitung Weltwoche veröffentlicht wurde. Frisch beschuldigte darin die jüngere Autorengeneration, sich nicht angemessen mit den zwölf Jahren der Hitler-Herrschaft auseinanderzusetzen, und machte den aktuellen Umgang mit Flüchtlingen zum Thema. Damit traf er einen nationalen Nerv. Wenig später erschien mit Alice Meyers Anpassung oder Widerstand. Die Schweiz zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus eine gründliche Analyse dieses moralischen Dilemmas.
Ein Jahr später wurde ein gut dokumentiertes Pamphlet veröffentlicht, das rasch den Status eines Klassikers erlangte: Alfred A. Häslers Das Boot is voll. Die Schweiz und die Flüchtlinge 1933-45. In Walter Wolfs Faschismus in der Schweiz (1969) wurde die Schweizer Kollaboration sorgfältig untersucht. Und zwischen 1965 und 1970 erschien die groß angelegte, vierbändige Geschichte der schweizerischen Neutralität von Edgar Bonjour.
Die Einführung des "J" in die Pässe deutscher Juden wurde in der Schweiz unmittelbar nach Kriegsende zum Thema und tauchte Mitte der 1950er Jahre als Zeitungspolemik wieder auf, die den Schweizer Bundesrat zu einer offiziellen Untersuchung zwang, deren Ergebnisse 1957 veröffentlicht wurden. Der Bericht lässt keine Zweifel daran, dass Schweizer Politiker und Beamte mitverantwortlich dafür waren, dass die Deutschen das "J" einführten. Sieben Jahrzehnte später ist die Rolle der schwedischen Regierung in diesem Prozess nach wie vor ungeklärt. Das Thema tauchte in den 1990er Jahren kurz in der schwedischen Diskussion auf und verschwand wieder. Obwohl unklar ist, wieweit Schweden in die Angelegenheit involviert war, gibt es deutliche Hinweise darauf, dass die Einführung des "J" in Stockholm aktiv unterstützt wurde.
In den letzten Jahrzehnten wurde ein halbes Dutzend Bücher veröffentlicht, die sich mit dem jüdischen Anteil der Schweizer Geschichte beschäftigen und Antisemitismus und Flüchtlingspolitik sehr direkt ansprechen. In Schweden wurde bis in die späten 1980er Jahre nichts Vergleichbares veröffentlicht.
Die kritischen Positionen von Autoren und Journalisten in der Schweiz haben das politische Klima des Landes wesentlich beeinflusst. Die Rehabilitation von Paul Grüninger ist ein Beispiel dafür: Der Polizeichef der Grenzgebiete mit Österreich und Deutschland war 1940 aus dem Dienst entlassen worden, weil er gefälschte Angaben dazu genutzt hatte, jüdische Flüchtlinge ins Land zu lassen. Gerüchteweise hatte er sich an diesen Handlungen bereichert; er starb weitgehend verarmt Ende der 1960er Jahre. Ein Schweizer Journalist, Stefan Keller, zwang mit einer akribischen Studie des Geschehens die Behörden dazu, die Prozessprotokolle und Geheimdienstberichte zu veröffentlichen: Nach vorsichtigen Schätzungen rettete Grüninger 3000 Juden vor dem Holocaust. Es gibt keine Beweise für persönliche Bereicherung. Die Verletzung der Dienstvorschriften bestand vor allem darin, ein Datum in die Pässe der Flüchtlinge zu stempeln, das vor dem Datum lag, an dem die Schweiz ihre Grenzen vollständig geschlossen hatte.
Die öffentliche Meinung zwang eine widerwillige Schweizer Regierung dazu, den Fall wieder aufzurollen; und das Gericht verwies in seinem Urteilsspruch auf eine alte Schweizer Praxis: das Recht auf Selbstverteidigung. Grüninger wurde posthum vollständig rehabilitiert. Jahre nach seinem Tod wurde er zu einem Schweizer Helden. Gleichzeitig brachte die Dokumentation von Grüningers Schicksal den Mief der Realpolitik dieser Zeit an die Oberfläche: Machtspiele, garniert mit Anpassung und dezentem Antisemitismus.
Es scheint, als habe gerade die arrogante Haltung, die das Schweizer politische und Finanz-Establishment einnahm, polarisiert und eine kontinuierliche Auseinandersetzung initiiert. In den späten 1960er Jahren setzte ein Strom unabhängiger Untersuchungen ein, der sich in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren zu einer Flut auswuchs. Diese spätere Welle brachte bedeutende historische Untersuchungen hervor, wie etwa Pierre Th. Braunschweigs Geheimer Draht nach Berlin (1989). So gut wie alles, was den Rausch um die Goldtransaktionen anfachte, beschrieb der Journalist Werner Rings in seinem Buch Raubgold aus Deutschland (1985). Rings veröffentlichte außerdem eine populäre Geschichte der Kriegszeit, die sich explizit mit den kontroversen Fragen um Flüchtlingspolitik, Antisemitismus und Kollaboration befasste. Sowohl Rings als auch der Journalist Guido Trepp in seinem Buch Bankgeschäfte mit dem Feind beschäftigen sich mit der Rolle Schwedens; beide stimmen im Wesentlichen überein, worum es im Grund ging: um unsichtbare, multinationale Netzwerke einflussreicher Personen, für die das Geschäftemachen mit dem Dritten Reich, zumindest eine Zeit lang, Business as usual war.
In Schweden herrschte von ein, zwei Jahre nach Kriegsende bis in die späten 1980er Jahre ein stillschweigender Konsens, der die Auseinandersetzung über Kriegsfragen nachhaltig hemmte. Anders als in der Schweiz gibt es nur wenige wichtige literarische Werke, die sich mit ethischen Fragen im Schweden der Kriegszeit auseinander setzen. Fiktionale Literatur, die sich mit der Holocaust-Erfahrung beschäftigt, wurde fast ausschließlich von Schweden mit jüdischem Hintergrund geschrieben - Peter Weiss ist das herausragendste Beispiel dafür. Dasselbe allgemeine Schweigen gilt für historische Untersuchungen.
Das erste Buch, das sich mit Schweden in Zusammenhang mit dem Holocaust befasst, stammt von einem amerikanischen Historiker, Steven Koblik, und erschien 1987.
Ein wesentliches Symbol für diesen Wandel ist, dass der emiritierte Professor Stig Ekman, der in den 1970er Jahren ein umfassendes Forschungsprojekt zur schwedischen Kriegsgeschichte leitete, in den 1990er Jahren das Fehlen einer ethischen Perspektive in der Definition des Gegenstands öffentlich bedauerte. Die aktuelle Entrüstung über Schwedens Anbiederung an Deutschland müsse seiner Meinung nach vor dem Hintergrund der Tatsache gesehen werden, dass Schweden mit dem Regime kollaborierte, das für den Holocaust verantwortlich war. Es sei jetzt an der Zeit, diese Beziehung genau zu untersuchen.
1996 stellte Paul Levine, ein Student des amerikanischen Pioniers Steven Koblik, seine Dissertation in Schweden fertig.
Mehr als 50 Jahre nach dem Ende des Weltkrieges fingen schwedische Historiker endlich damit an, sich mit diesem Teil der schwedischen Geschichte zu beschäftigen. Ein Sonderforschungsprojekt zum schwedischen Verhältnis zu Nationalsozialismus, Drittem Reich und Holocaust wurde vom schwedischen Wissenschaftsrat aufwendig finanziert und im Jahre 2006 abgeschlossen. Schon 2003 war die Holocaustforschung in Schweden so reichhaltig, dass Stig Ekman in Zusammenarbeit mit einem Kollegen, Klas Åmark, eine Übersicht über die Forschungslage veröffentlichte.
Dieses hartnäckige Vermeiden ethischer Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Krieg veranschaulicht einen spezifischen Aspekt schwedischer politischer Kultur während der Wohlfahrtsperiode: Konsens als wichtigste Zielsetzung der politischen Klasse, unabhängig von Parteizugehörigkeit. Dieses Konsensprinzip war unmittelbar an die Ideologie von Schwedens einzigartigem Universalismus gebunden.
Die Psychologie der Distanz ist auch ein bedeutendes Element der schwedischen Haltung gegenüber der Europäischen Union. Formal ist Schweden Mitgliedsstaat; aber die Tatsache, dass die Union als Friedensprojekt initiiert wurde, und ihre außergewöhnlichen Erfolge bei der Verhinderung militärischer Konflikte zwischen großen europäischen Staaten, wird in Schweden kaum wahrgenommen. Das Fehlen einer tiefgreifenden Diskussion der Kriegserfahrung als eines grundlegenden Elements des europäischen Projekts - einschließlich der Tatsache, dass seine rassistische Dimension den zweiten Weltkrieg deutlich von früheren Konflikten in Europa unterscheidet - zeigt auch, wie die Besonderheiten nationaler Geschichtsschreibungen, solange sie nicht mit alternativen Interpretationen konfrontiert werden, politische Haltungen noch lange nach den historischen Ereignissen prägen. Grundhaltungen, die sich aufgrund der schwedischen und Schweizer Neutralität während des Krieges herausbildeten, sind nach wie vor Teil des kollektiven Unterbewusstseins.
Die Raubgold-Frage wirbelte in beiden Ländern Staub auf und entwickelte sich zu einer weltweiten Medienkontroverse. Wirkungsvoll war sie, weil die Konfrontation von außen kam: Politiker in Schweden und der Schweiz waren dazu gezwungen, sich ihr zu stellen.
Es gibt in Skandinavien zwei weitere Beispiele, bei denen grenzüberschreitende Wechselwirkungen um ethische Fragestellungen im Zusammenhang mit universellen Bürgerrechten eine Rolle spielten. Beiden Fällen liegt ein strukturell begründetes, kollektives Schweigen zugrunde.
1997 recherchierte die Zeitung Dagens Nyheter, deren Chefredakteur ich damals war, eine Angelegenheit, die bis dahin sehr wenig öffentliche Aufmerksamkeit erregt hatte: die Zwangssterilisation von mehr als 60 000 Schweden - meist von Armut betroffene Frauen - von den 1930er bis in die 1970er Jahre. Eine zu dem Thema existierende Dissertation war bequemerweise unbeachtet geblieben.
Nachdem wir die Geschichte - recherchiert und geschrieben von dem in Polen geborenen Journalisten Maciej Zaremba - erstmals gedruckt hatten, dauerte es eine Woche, bis sie in Schweden wahrgenommen wurde; alle anderen nationalen Medien verhielten sich während der ersten Tage still. In der Zwischenzeit wurde Schweden von Journalisten aus der ganzen Welt heimgesucht, einschließlich einiger prominenter amerikanischer Fernsehmoderatoren. Ein späterer Bericht des schwedischen Außenministeriums stellte fest, dass die internationale Berichterstattung über diese Geschichte zwei Drittel der Berichte über Schweden in diesem Jahr ausmachte. Die massive Wucht dieser grenzüberschreitenden Berichterstattung brach schließlich auch das kollektive Schweigen im Land.
In einer CNN-Nachrichtensendung wurde der verantwortliche schwedische Minister mit der Frage nach Kompensationen für die Opfer konfrontiert. Die schwedischen Medien, einschließlich meiner Zeitung, hatten bis dahin diese Frage nicht gestellt; nun musste sich der Minister angesichts eines internationalen Publikums offiziell entschuldigen.
Ein weiterer aufschlussreicher Fall nationaler medialer Blindheit im Zusammenhang mit zeitgenössischer Geschichte ereignete sich in Norwegen Mitte der 1990er Jahre. Neben all ihren anderen Dimensionen bestand die Vernichtung der Juden auch aus Raub in einem bis dahin nie dagewesenen Ausmaß, mit einem Netzwerk von Hehlern und Profiteuren, das sich über den gesamten Kontinent erstreckte. Die moralischen Dilemmata, die sich durch das Vernichtungsprojekt ergaben, betrafen auch die besetzten Länder. Immobilien, Geschäfte und Wertgegenstände aus jüdischem Besitz wechselten während des Kriegs die Besitzer. Eine Reihe von Regierungen versuchte nach dem Krieg, Überlebende daran zu hindern, die neuen Besitzer damit zu konfrontieren. In Osteuropa gab der Kommunismus den staatlichen Behörden die Möglichkeit, die Nazi-Enteignung von jüdischem Besitz als integralen Bestandteil der Abschaffung des Privatbesitzes zu behandeln.
Der norwegische Fall zeigt, dass Schuld nicht einfach in Kategorien wie Gehorsam, Neutralität und Widerstand eingepasst werden kann. Etwas über ein Drittel der 2100 norwegischen Juden wurde 1942 innerhalb von drei Monaten nach der Beschlagnahme ihres Besitzes getötet. Dank der sehr langen, durch weitgehend unbewohntes Gebiet führenden Grenze mit Schweden, konnte der Großteil der übrigen Juden fliehen.
Diejenigen, die den Holocaust überlebten, fanden bei ihrer Rückkehr Fremde vor, die in ihren Wohnungen und Häusern lebten. Ihre Bankkonten waren leergeräumt, ihre Lebensversicherungen gekündigt und ihre persönliche Habe in alle Winde zerstreut. Die Behörde, die von den Norwegern 1942 eingerichtet worden war, um den Besitz der norwegischen Juden zu bearbeiten, die "Liquidationsbehörde für beschlagnahmtes jüdisches Eigentum", hörte nach der Befreiung nicht auf zu existieren. Stattdessen wurde sie in "Entschädigungsbehörde" umbenannt, und einige ihrer vormaligen Mitarbeiter wurden als Experten für die Ausarbeitung der Entschädigungsbedingungen eingesetzt. Die einzigen Beamten, die wegen Hochverrats verurteilt wurden, waren diejenigen, die Mitglieder der Quisling Partei gewesen waren. So begegneten Juden, die versuchten ihren Besitz zurückzufordern, mitunter denselben Beamten, die drei Jahre zuvor den autorisierten Diebstahl ihres Eigentums überwacht hatten.
Mitte der 1990er Jahre stellten der junge Historiker Bjarte Bruland und der Journalist Björn Westlie die seit Kriegsende verdrängte Frage: Wer war in die Abwicklung des Eigentums involviert, das das Quisling Regime von norwegischen Juden konfisziert hatte? Wie sich herausstellte waren diese Besitztümer sehr begehrt und wurden auf Auktionen und speziellen Märkten verkauft; die Kunden waren ganz normale Norweger, die in vollem Wissen über die Herkunft der Gegenstände handelten. Wer gute Kontakte zu der Behörde hatte, die das Gut verwaltete, konnte spezielle Deals herausschlagen.
Die penibel geführten Listen des gestohlenen jüdischen Eigentums, gewissenhaft registriert und eingeordnet, waren im Nationalarchiv in Oslo leicht zugänglich. Aber niemand hatte sich die Mühe gemacht, sich mit ihnen auseinander zu setzen, bis Westlie sie fand. Als Westlies Enthüllungen zum 50. Jubiläum der Befreiung veröffentlicht wurden, war die nationale Reaktion praktisch Null. Allerdings weckten sie das Interesse des World Jewish Congress in New York, der um einen englischsprachigen Bericht bat. Internationale Nachrichtenagenturen nahmen die Geschichte auf, sobald Westlies Bericht in New York erschien. Und plötzlich wurde die Affaire auch in Norwegen zur Schlagzeile. Es brauchte acht Monate und grenzüberschreitende Aufmerksamkeit, bis die Sache ein nationaler Skandal wurde; dann blieb sie für mehrere Monate das dominierende politische Thema. Die Regierung sah sich gezwungen, eine Untersuchungskommission einzusetzen, die in eine Allparteienvereinbarung mündete, die norwegische jüdische Gemeinde ökonomisch zu entschädigen.
Die norwegische Kontroverse veranschaulicht ein umfassenderes Problem: In der Nachkriegszeit basierte die nationale Identität in den meisten besetzten Ländern auf dem Mythos eines allgemeinen Widerstands. Mehr als ein halbes Jahrhundert später wurde Norwegen dazu gezwungen, sich mit der Tatsache auseinander zu setzen, dass seine Definition von Widerstand während des Krieges die Juden weitgehend ausschloss, und dass dieser Ausschluss auf subtile Weise auch nach dem Krieg fortwirkte. In Frankreich, wo die Komplizität der Vichy-Regierung wesentlich weitgehendere Konsequenzen hatte, ist die Diskrepanz zwischen heroischer Mythologie und den realen Fakten noch deutlicher. Dort brauchte es den Einsatz eines Amerikaners, Robert Paxton, um die französischen Historiker dazu zu zwingen, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen.
Ich denke, dass eine europäische Bürgerschaft, die tatsächlich bedeutungsvoll sein soll, das Recht und die Pflicht jedes einzelnen einschließen muss - unabhängig von Nationalität und Herkunft - Menschenrechtsfragen auf transnationaler Ebene zu verhandeln. Grenzüberschreitende Provokationen sind notwendig, um ein Moment wahrhafter Universalität in das europäische Projekt zu integrieren. Lord Acton versuchte einst, in diesem Zusammenhang eine spezifische Geisteshaltung zu definieren: "Unser Waterloo muss so beschaffen sein, dass es Franzosen und Engländer, Deutsche und Niederländer gleichermaßen zufrieden stellt." Ein Kommentar des Schweizer Schriftstellers Adolf Muschg zur Raubgold-Kontroverse trifft das Zentrum der Auseinandersetzung: "Das ist lange her: Heute zahlen wir für die schlaflosen Nächte, die wir wegen Auschwitz nie hatten, jetzt holen uns alle Sorgen ein, die wir uns um den Aufbau Europas nicht gemacht haben, im Schlaf der Selbstgerechten, in dem uns auch die Tränen ausgingen."
Original in Englisch. Übersetzung von Veronika Leiner. Zuerst veröffentlicht auf Externer Link: Eurozine
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