Welche Maßnahmen sind gegen Urheberrechtsverletzungen im Netz nötig, welche überzogen?
Berechtigte Abmahnungen gegen nachweislich vorliegende Urheberrechtsverletzungen müssen weiter möglich sein. Dabei sollen die aus dem Rechtsverstoß resultierenden Abmahngebühren, die der Urheberrechtsverletzer zu tragen hat, in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden des Urhebers stehen.
Hingegen ist es überzogen, Urheberrechtsverletzern den Zugang zum Netz zu sperren oder die Übertragungsqualität oder -geschwindigkeit einzuschränken. Dies gilt ebenfalls für die zum Teil geforderte "Deep Packet Inspection" (ein Verfahren zur Überwachung und Filterung von Datenpaketen; die Red.). Die damit verbundene generelle Kontrolle und Analyse des Datenverkehrs im Internet würde einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in Freiheitsrechte bedeuten.
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen weiter für eine bestmögliche Aufklärung sorgen, damit die Akzeptanz von geistigem Eigentum wächst und erhalten bleibt.
Welche Schritte wären denkbar, um gegen systematische, gewerbliche Urheberrechtsverletzungen vorzugehen – etwa gegen werbefinanzierte Streaming-Portale wie das inzwischen geschlossene kino.to?
Es bedarf einer verstärkten und ernsthaften internationalen Zusammenarbeit, um der gängigen Praxis von File- und Sharehosting-Anbietern entgegenzuwirken, sich nach einem rechtswidrigen Verhalten und einer entsprechenden Rüge, durch einen Umzug in Drittstaaten – dem sogenannten "Offshoring" – aus der Verantwortung zu ziehen. Insoweit sind die bestehenden Verhandlungen transparent und in einem breiten Diskurs zu intensivieren und zu einem positiven Ergebnis zu bringen. Die zu den Streaming-Portalen gehörenden Rechner stehen meist im Ausland, so dass wir mit den Behörden vor Ort besser zusammenarbeiten müssen. Zusätzlich ist zur konsequenten Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen eine klare Ausrichtung der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsarbeit auf die neuen Angebote von Werken im Netz – etwa die Streaming- und Hosting-Dienste – und eine ständige Beobachtung von Entwicklungen erforderlich.
Urheberrechte schützen und Datenschutz wahren
In der Urheberrechtsdebatte werfen Vertreter der Kulturwirtschaft Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger Untätigkeit vor. Tut die FDP zu wenig, um Urheber und Rechteinhaber im Netz zu schützen?
Nein. Am 31. Januar 2013 wurde im Deutschen Bundestag in erster Lesung ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums debattiert, mit dem die Schutzdauer der Rechte ausübender Künstler und Tonträgerhersteller von 50 auf 70 Jahre verlängert wird. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat einen "Wirtschaftsdialog für mehr Kooperation bei der Bekämpfung von Internetpiraterie" eingerichtet. Die Beteiligten einigten sich darauf, eine gemeinsame Aufklärungskampagne durchzuführen, mit dem die Akzeptanz des Urheberrechts gestärkt werden soll. Zudem soll durch eine Selbstverpflichtung der Werbewirtschaft das Ziel erreicht werden, Werbung auf Internetportalen mit illegalen Inhalten zu verhindern. Dadurch soll professionell organisierten Urheberrechtsverletzern die finanzielle Basis für ihr Handeln entzogen werden.
Zudem ist in diesem Bereich vieles im Fluss. Die Zahl illegaler Downloads ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Inzwischen stellt illegales Streaming eine deutlich größere Gefährdung für Urheberrechte dar. Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode durch intensiven Austausch mit allen Beteiligten eine Bestandsaufnahme gemacht. Diese muss nun in der nötigen Ruhe ausgewertet werden, um vor dem Hintergrund einer technisch und rechtlich sehr anspruchsvollen Thematik zu einer angemessenen Lösung zu kommen. Die Rechte von Urhebern müssen geschützt werden, ohne gegen bestehende Datenschutzgrundsätze zu verstoßen. Die FDP hat, im Gegensatz zu anderen Parteien, nicht den Weg eingeschlagen, das Urheberrecht im Internet zu Gunsten der Nutzer und zu Lasten der Urheber anzupassen.
Remixes, Mashups, Collagen: "Erst fragen, dann nutzen."
Wie kann die legale Nutzung von Werken im Netz gefördert werden?
Hier gibt es zwei Ansätze: Die meisten Nutzer sind bereit, für gute Inhalte und Angebote auch zu bezahlen. Daher ist es Aufgabe der Wirtschaft beziehungsweise der Inhalte-Anbieter, für die Nutzer interessante und qualitativ hochwertige Angebote zu entwickeln. Zum anderen müssen wir in der Gesellschaft wieder mehr Respekt und Anerkennung vor geistigem Eigentum schaffen. Dies erreichen wir am besten durch entsprechende Aufklärungsarbeit.
Die Kreativität im Internet bringt neue Werkformen hervor – etwa Remixes, Mashups oder Video-Musik-Collagen. Wie wollen Sie mit dieser – urheberrechtlich meist problematischen – Form der Kreativität umgehen?
Kreativität ist grundsätzlich zu begrüßen und zu fördern. Der bestehende Rechtsrahmen muss dafür aber nicht geändert werden. Die Schwelle zur freien Benutzung von Melodien von Musikstücken für Remixes oder Mashups anderer Musikstücke in Paragraf 24 Urheberrechtsgesetz (UrhG) muss nicht gesetzlich herabgesetzt werden. Künstler, die eine Weiterverwendung ihrer Werke wünschen, können dies mit einer Creative-Commons-Lizenz zum Ausdruck bringen. Liegt keine Creative-Commons-Lizenz vor, so muss sich der "Collageur" einzeln um die Erlaubnisse der Rechteinhaber bemühen. Dies ist gerade im Bereich der Mashups erforderlich, weil diese in vielen Fällen keine von den Urhebern der Originale gewollten Neuinterpretationen sind. Es gilt der Grundsatz: Erst fragen, dann nutzen.
Urheberrecht: Keine Ausnahmen für soziale Netzwerke
Inzwischen wirft auch die Nutzung sozialer Netzwerke urheberrechtliche Fragen auf – etwa wenn es um das Teilen von Fotos geht oder die Rechte an Vorschaubildern. Was raten Sie dem Nutzer?
Wenn der Nutzer unsicher ist, wem die Rechte an einem Werk gehören, sollte er versuchen, diese Frage zu klären. Falls dies nicht gelingt, rate ich davon ab, fremde Werke einfach Dritten öffentlich zugänglich zu machen. Ich lehne die Forderung ab, die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Bildern in sozialen Netzwerken generell zu legalisieren. Das Urheberrecht schützt den Fotografen in den geistigen und persönlichen Beziehungen zu seinen Fotos. Es dient der Sicherung einer angemessenen Vergütung von Werken. Wer urheberrechtlich geschützte Bilder verwenden möchte, muss den jeweiligen Urheber fragen. Dem Urheber obliegt die Entscheidung, welcher Nutzung er seine Werke zuführen möchte. Dafür bedarf es einer Infrastruktur, die rechtssicher und einfach die Ermittlung des Urhebers erlaubt. Zudem besteht auch die Möglichkeit, einen Link zur Fundstelle anzugeben. Das Setzen von Links zu Werken, die vom Rechteinhaber ins Netz gestellt wurden, ist unproblematisch.
Ist das Urheberrecht ein Hemmschuh für Innovationen im Netz?
Das Urheberrecht ist kein Hemmschuh für Innovationen im Netz, es ist vielmehr eine Voraussetzung. Gerade neue Ideen und kreative Schöpfungen sind darauf angewiesen, dass sie geschützt werden. Zudem gilt: Wer sich in einem Markt neu etablieren will, muss sich zunächst erkundigen, wie die dortigen Spielregeln lauten. Man kann sich das Recht nicht einfach so zurechtlegen, wie es den eigenen Vorstellungen am ehesten entspricht.
Kopierschutz: "Privatkopien müssen möglich sein"
Inwieweit sehen Sie Bedarf, dass deutsche Urheberrecht an den digitalen Wandel anzupassen?
Das Urheberrecht hat sich insgesamt bewährt. Änderungen sollten nur in einzelnen Punkten geprüft werden. So sollte zum Beispiel die Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen erleichtert werden. Einen Zwang hierzu darf es nicht geben, da der Urheber selber entscheiden können muss, wie er sein Werk vermarkten will. Damit die Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen erleichtert werden kann, sollten die Verwertungsgesellschaften prüfen, ob sie ihre Vertragswerke entsprechend anpassen können.
Paragraf 53 des Urheberrechtsgesetzes sollte reformiert und vereinfacht werden. Mit der mehrfachen Abänderung der Regelung zur Privatkopie ist Paragraf 53 UrhG zu einer unübersichtlichen Rechtsnorm geworden. Zahlreiche detaillierte Regelungen haben gegenüber abstrakten Formulierungen den Nachteil, dass sie dem schnellen Wandel im Internet nicht gewachsen sind. Damit bilden sie die Lebenswirklichkeit nur noch unzureichend ab.
In Paragraf 95b UrhG ist klarzustellen, dass sich der technische Kopierschutz nicht auf die Erstellung einer Privatkopie erstreckt, wenn die angefertigte Kopie die Persönlichkeitssphäre des Käufers im Anschluss nicht verlässt. Die Erstellung einer Privatkopie, zum Beispiel zur Nutzung des Werkes auf einem anderen Datenträger, muss dem Käufer möglich sein.
Sollten die in der Kreativwirtschaft üblichen Total-Buy-out-Verträge gesetzlich unterbunden werden, bei denen Urheber in der Regel alle ihre Verwertungsrechte an Verlage, Musiklabels und Filmstudios abgeben?
Total-Buy-out-Verträge sind als Ausprägung der Vertragsautonomie grundsätzlich nicht zu beanstanden. Hier gilt es jedoch zu prüfen, ob die Laufzeit solcher Verträge auf maximal 20 Jahre beschränkt werden sollte, um so dem Urheber die Gelegenheit einzuräumen, nach Ablauf dieser Zeit wieder selber über die Vermarktung seines Werkes entscheiden zu können.
Interview: Alexander Wragge