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"Den Trend zur legalen Nutzung stärken" | Urheberrecht | bpb.de

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"Den Trend zur legalen Nutzung stärken" Ein Gespräch mit Burkhard Lischka (SPD)

/ 7 Minuten zu lesen

Um Urheberrechtskonflikten im Internet beizukommen, will die SPD illegale Plattformen stärker belangen und legale Online-Angebote von Filmen, Musik und Literatur unterstützen. Wie, erklärt der rechtspolitische Sprecher Burkhard Lischka im Interview.

Burkhard Lischka (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Das Urheberrecht wird speziell wegen Konflikten mit neuen Werknutzungen im Netz breit diskutiert. Sieht die SPD Bedarf, das Urheberrecht an den digitalen Wandel anzupassen?

Zunächst einmal bin ich enttäuscht, dass in den vergangenen Jahren so gut wie nichts passiert ist, obwohl Union und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart hatten, das Urheberrecht weiterzuentwickeln. Das hat die Diskussion um das Urheberrecht verschärft, ohne dass wir Fortschritte gemacht hätten. Der von der Union eingebrachte Ansatz, Sperrmodelle und Warnhinweise gegen Urheberrechtsverletzungen einzuführen, war falsch und ist im Sande verlaufen. Auf der anderen Seite sind aber auch die Thesen derjenigen falsch, die im Urheberrecht bloß den großen Hemmschuh der Digitalisierung und der Kreativität im Internet sehen.

Wo gibt es gesetzgeberischen Handlungsbedarf, wenn sich Kreative heutzutage um ihr Auskommen Sorgen machen?

Zunächst einmal muss das Urhebervertragsrecht reformiert werden, um das Auskommen der Kreativen zu verbessern. Bereits vor elf Jahren hat Rot-Grün eine Reform beschlossen. Die Hoffnung war, dass Kreative mit den Verwertern – also etwa den Verlagen, Musiklabels und Fernsehsendern – eine angemessene Vergütung für ihre Arbeit aushandeln. Das sollte funktionieren wie bei Tarifparteien. Heute müssen wir feststellen: Es gab in diesen elf Jahren gerade einmal zwei Vertragsabschlüsse über eine solche Vergütung. Die Idee des Gesetzgebers ist in der Praxis nicht aufgegangen. Wir brauchen mehr Verbindlichkeit.

Bislang gibt es bei erfolglosen Verhandlungen einen Schiedsspruch, der aber häufig angefochten oder einfach nicht eingehalten wird. Muss irgendwann eine Schiedsstelle zum Beispiel verbindlich sagen können: Ein freier Journalist verdient bei ein einem Online-Magazin mindestens 20 Cent pro Zeile?

Es gibt mehrere Probleme. Zum ersten die Unklarheit, wer die Tarife mit wem verhandelt. In den vergangenen elf Jahren haben Urheber und Verwerter immer wieder darüber gestritten, ob ihre Verbände überhaupt berechtigt sind, gemeinsame Regelungen zu finden. Der Gesetzgeber muss das klar definieren, damit wir uns diese Streitigkeiten ersparen. Das Zweite: Schlichtungssprüche in Vergütungsstreitigkeiten müssen zumindest eine vorläufige Verbindlichkeit haben. Ich kann sicherlich niemanden untersagen, dass er gegen einen Schlichtungsspruch klagt. Aber diese Klagen dauern meistens mehrere Jahre. Zumindest bis zu einem Urteil muss der Schlichtungsspruch verbindlich gelten. Sonst habe ich eine Situation, in der ich über Jahre zu keiner echten Einigung komme. Das bedeutet für alle Beteiligten Rechtsunsicherheit. Wir können nicht noch einmal elf Jahre warten, bis die eigentliche Intention des Gesetzgebers in Erfüllung geht, nämlich eine angemessene Bezahlung der Kreativen.

Könnten verbindlich festgelegte Vergütungen das Aus für Medienangebote bedeuten, die heute auch darauf basieren, dass Urheber äußerst gering oder gar nicht bezahlt werden?

Nein. Im Augenblick führen die niedrigen Vergütungen ja dazu, dass es sich für viele Kreative gar nicht erst lohnt, Leistungen zu erbringen. Wenn ich als Autor etwa ein Jahr lang das Drehbuch für einen Film zur besten Sendezeit schreibe, und dafür nur eine vierstellige Vergütung bekomme, dann ist das überhaupt kein Anreiz für Kreativität. Ich halte es für eine billige Ausrede, wenn man sagt, bei einer bestimmten Bezahlung finden bestimmte Angebote nicht mehr statt. Dieses Argument ist ja ein Dauerbrenner in Tarifauseinandersetzungen, das kennen wir ja aus allen möglichen Bereichen. Die Auftraggeber haben natürlich ein Interesse an niedrigen Kosten. Trotzdem ist mir im Wirtschaftsleben kein Fall bekannt, wo die üblichen Horrorszenarien eingetreten wären.

"Wir müssen die Abmahnkosten wirksam deckeln."

Nutzer beklagen in der Urheberrechtsdebatte vor allem hohe Abmahnkosten. Was ist zu tun?

Wir müssen die Abmahnkosten wirksam deckeln. Schon 2008 hatte der Gesetzgeber die vernünftige Idee: Wenn es sich um einmalige Urheberrechtsverletzungen im privaten Umfeld handelt, sollen die Anwaltsgebühren bei Abmahnungen auf 100 Euro begrenzt sein. Auch das ist in der Praxis nicht eingetreten. Es wäre sinnvoll, die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers so gesetzlich zu normieren, dass sie in der Praxis auch erfolgreich ist.

Abmahnkosten werden vor allem im Fall des Filesharings diskutiert. Fordern Sie auch eine Deckelung, wenn es um Urheberrechtsverletzungen bei Fotos geht, die zum Beispiel in Blogs, Foren oder auf Facebook widerrechtlich veröffentlicht werden?

Burkhard Lischka: Die Idee war schon 2008, Abmahnkosten in allen Bereichen zu deckeln, in denen der private Verbraucher unabsichtlich in Situationen gerät, in denen er mit sehr hohen Kosten konfrontiert wird. Es kann nicht sein, das private Verbraucher wegen einfachen Verstößen in große finanzielle Schwierigkeiten kommen, und die Gebühren am Ende bei Anwälten landen, und nicht bei den Urhebern, deren Werke betroffen sind. Insofern muss die Deckelung für alle Bereiche des privaten Bereichs gelten, wo einmalig und ohne kommerzielle Interessen gegen Urheberrechte verstoßen wird. Das kann uns allen im Übrigen sehr schnell passieren.

Soll schon gleich die erste Abmahnung kostenpflichtig sein, oder sollten Rechteinhaber den Betroffenen erst mal kostenfrei die Chance geben, die Rechtsverletzung abzustellen, etwa ein Foto aus einem Blog oder Forum zu nehmen?

Ich halte die Idee hinter der Abmahnung erst einmal für nicht schlecht. Sie ist ja schon ein Kompromiss zwischen den Interessen der Rechteinhaber und den der Rechtsverletzer. Mit einer Abmahnung wird verhindert, dass jeder gleich vor Gericht zitiert wird, der einen Verstoß begeht. Die Kosten eines Gerichtsverfahrens sind in der Regel noch viel höher als die einer Abmahnung. Deshalb halte ich es im Prinzip für vernünftig, am bisherigen Abmahn-Mechanismus festzuhalten, der kostenpflichtig sein muss, weil eben Anwaltskosten entstehen. Aber die Kosten müssen auf ein vernünftiges Maß reduziert werden.

"Illegale Portale müssen von den Werbeeinnahmen abgeschnitten werden."

Kommen wir zu Geschäftsmodellen im Internet, die auf massenhaften Urheberrechtsverletzungen basieren. Paradebeispiel ist das mittlerweile geschlossene kino.to, das mit widerrechtlich veröffentlichten Filmen Werbeeinahmen in Millionenhöhe erzielte. Was wollen Sie gegen solche Angebote tun?

Wir haben eine Situation, dass Urheberrechtsverletzungen in erster Linie durch illegale Plattformen begangen werden. Die Rechteinhaber, etwa die Filmproduzenten, haben die Schwierigkeit, dass sie sich – wenn überhaupt – nur punktuell dagegen wehren können. Sie machen ihre Rechte geltend und ein Filmtitel wird von einer Plattform genommen. Das Problem ist aber, er taucht wenige Stunden später auf derselben Plattform oder einer ähnlichen wieder auf. Die Rechteinhaber können dieses Hase-und-Igel-Spiel einige Male wiederholen, aber meist bleiben sie auf den Kosten sitzen. Sie müssten darauf hinwirken können, dass eine Plattform ihre Inhalte gar nicht mehr hochladen darf. Hier müssen wir die Position der Rechteinhaber stärken.

Was wollen Sie tun?

Ein Gericht müsste in einem Verfahren prüfen, ob ein Portal gewerbsmäßig Urheberrechtsverletzungen begeht, mit all den Strukturen im Hintergrund. Wird ein Geschäftsmodell für illegal erklärt, könnte der Gesetzgeber weitere Sanktionen vorsehen, insbesondere das Abschneiden des Portals von Werbeeinahmen. Denn diese Plattformen finanzieren sich eben in erster Linie über Werbung. Wir als SPD wollen hier für die Rechteinhaber neue Rechtsschutzmöglichkeiten schaffen.

Auch auf Portalen wie Youtube stehen viele Inhalte, ohne dass Rechteinhaber dem zugestimmt haben. Man denke etwa an die zahllosen Zusammenschnitte von Fußballspielen oder ganze Tatortfolgen. Die Youtube-Nutzer laden diese Inhalte hoch, und sind sich der Rechtsverletzung wahrscheinlich nicht bewusst. Müsste man Youtube schließen?

Der Unterschied besteht ja darin, dass YouTube Urheberrechtsverletzungen nachgeht und auch Verträge mit Rechteinhabern schließt. Auch mit der GEMA versucht sich das Unternehmen zumindest zu einigen, wenn es um die Vergütung für die Musikurheber geht. Das Modell lautet hier ja nicht: Wir begehen massenhaft Urheberrechtsverletzungen und kümmern uns nicht darum. Das ist schon ein Unterschied zu illegalen Plattformen wie kino.to.

"Wir müssen den Trend zur legalen Nutzung verstärken"

Nun legen viele Experten der Kreativwirtschaft nahe, die Nutzung der illegalen Plattformen durch eigene legale Angebote einzudämmen. Machen es die Anbieter den Verbrauchern zu schwer, ihre Werke im Internet legal zu beziehen und zu nutzen?

Politiker sind nicht dafür da, neue Geschäftsmodelle oder Vertriebswege zu erfinden, die dem digitalen Wandel und den Nutzerinteressen Rechnung tragen. Das muss die Kreativwirtschaft schon selbst tun. Das hat zum Beispiel in der Computerspielbranche schon sehr gut geklappt, in Ansätzen funktioniert es auch in der Musikindustrie. Die legalen Nutzungsformen werden sich bestimmt noch weiterentwickeln. Als Politiker müssen wir überlegen, wie wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen.

Warum fehlt in Deutschland – anders als in den USA – noch eine überzeugende legale Online-Plattform für Fernsehserien und Filme?

Da höre ich von vielen Akteuren aus der Filmbranche, dass die Lizenzierung legaler Angebote in Europa schwer ist. Sie haben es mit einer Vielzahl von Rechteinhabern und Stellen zu tun, wenn sie Online-Angebote lizenzieren wollen. Die Politik muss sich auf europäischer Ebene darum bemühen, dass es eine zentrale Anlaufstelle gibt, bei der alle Rechte erworben werden können, um Serien und Filme EU-weit online zu verbreiten. Das wäre neben den beschriebenen Maßnahmen gegen illegale Plattformen der richtige Weg.

Nun erleben wir schon den Trend zu Cloud-Diensten, etwa beim Musikstreaming. Der Kunde bezieht nicht mehr einen Download, sondern kann gegen eine monatliche Abo-Gebühr auf ein Repertoire von vielen Millionen Musiktiteln zugreifen. Entschärft diese neue Nutzungsform die Urheberrechtsproblematik im Netz?

Ein paar Jahre weiter gedacht werden solche neuen Geschäftsmodelle dazu führen, dass die Nutzer Werke zunehmend legal beziehen. Wir sehen ja jetzt schon, das illegale Filesharing geht zurück. Die legale Nutzung im Netz wächst. Diesen Trend müssen wir durch vernünftige Rahmenbedingungen, zum Beispiel bei der Rechtsdurchsetzung gegen illegale Plattformen bei einer vereinfachten Lizensierung, verstärken.

Interview: Alexander Wragge

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