Das Urheberrecht basiert auf dem "Territorialitätsprinzip": Das bedeutet, dass jeder Staat in seinen Grenzen eigene Urheberrechte regeln darf und dass jedes einzelne Urheberrecht an den Grenzen des Staates endet, der es gewährt. Hierdurch kommt es zu einer Art räumlicher Zersplitterung. Das steht aber im Widerspruch mit dem Internet, das Grenzen jeglicher Art aufgeweicht hat. Kurz: So weit wie ein Internet-Angebot reicht das Urheberrecht nicht.
Es gibt nicht "das Urheberrecht" für "das Werk". Vielmehr bestehen zum Beispiel an einem Roman deutsche, österreichische, schweizerische, US-amerikanische – und so weiter – Urheberrechte. Zur Veranschaulichung kann man sich die rechtliche Situation wie ein Mosaik vorstellen: Dessen einzelne Steinchen stehen für je ein nationales Urheberrecht. Alle Steinchen zusammen ergeben das international (nicht unbedingt weltweit) geltende Urheberrecht.
Ein wirklich weltweit wirkender Urheberrechtsschutz kann vor diesem Hintergrund nur erreicht werden, wenn alle Länder ihn – und zwar auch für Ausländer – gewähren. Zwingend ist das zunächst nicht. Da das Territorialitätsprinzip jedem Land die Entscheidung darüber überlässt, ob und wem es Urheberrechte zuerkennt, entstehen Schutzlücken. Bis heute gibt es Länder, in denen es kein Urheberrecht gibt. Das kann – vor allem bei der Internet-Nutzung – erhebliche Folgen haben, die sich an Fällen wie Megaupload, AllofMP3 oder Kino.to gezeigt hat. Die Anbieter solcher Dienste sitzen häufig in Ländern, in denen Urheberrechte nicht existieren, ausländische Rechte nicht anerkannt werden oder zumindest gegen Rechtsverletzungen nicht vorgegangen wird. Von dort kann im Prinzip die ganze Welt mit Raubkopien versorgt werden. Dagegen vorzugehen ist sehr schwierig.
Schutzfreie Zonen werden jedoch immer seltener. Faktisch erlaubt es die weltpolitische Lage heute kaum noch einem Land, keine Urheberrechte zu gewähren. Will ein Land sich der internationale Staatengemeinschaft anschließen, vor allem den Wirtschaftsgemeinschaften (wie etwa der World Trade Organisation – WTO), kommt es nicht drum herum ein Urheberrecht zu schaffen.
Das Mittel: Internationale Urheberrechtsabkommen
Um einen weltweiten Urheberrechtsschutz zu erreichen, wurden schon im ausgehenden 19. Jahrhundert die ersten internationalen Verträge zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst begründet. Im Vordergrund stehen bei diesen Abkommen zwei Zielsetzungen: Zum einen soll ein möglichst weltweiter Schutz der Urheberrechte etabliert und damit die negativen Wirkungen des Territorialitätsprinzips für Urheber und Rechtsinhaber gemindert werden. Zum anderen soll ein gewisses Grundniveau für die Ausgestaltung der innerstaatlichen Urheberrechtsgesetze vorgeschrieben werden. Als völkerrechtliche Verträge haben die internationalen Urheberrechtsabkommen verbindliche Wirkung für die Mitgliedsstaaten. Gibt ein solches Abkommen zum Beispiel vor, dass das Vervielfältigungsrecht geschützt werden muss, sind die Länder verpflichtet, dies zu gewähren.
Der bedeutendste internationale Vertrag zum Urheberrecht ist die (revidierte) Berner Übereinkunft (RBÜ). Sie wurde erstmals im Jahr 1886 verabschiedet und seither mehrmals geändert (zuletzt im Jahr 1979). Der RBÜ sind mittlerweile 166 Staaten beigetreten, man kann also von einer nahezu weltweit geltenden Konvention sprechen (aktuell – Stand Mai 2013 – existieren 194 von der UNO anerkannte, unabhängige Staaten). Die RBÜ ist damit so was wie die Mutter aller Urheberrechtskonventionen. Die meisten später geschaffenen internationalen Konventionen verweisen in ihren Bestimmungen auf die (ergänzende) Geltung der RBÜ – siehe zum Beispiel Artikel 9 Absatz 1 des "Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights", das sogenannte "TRIPS-Abkommen".
Das viel jüngere TRIPS-Abkommen hat in Bezug auf die internationale Anerkennung des Urheberrechts sehr schnell zur RBÜ aufgeschlossen. Die Konvention, die im Jahr 1995 in Kraft getreten ist, ist an die World Trade Organisation (WTO) gekoppelt. Jeder Staat, der Mitglied der WTO werden will, muss auch TRIPS ratifizieren. Dieser Umstand erklärt die praktische Bedeutung der Konvention. Nach nicht einmal zehn Jahren seines Bestehens hatte TRIPS im Jahr 2004 bereits 145 Mitglieder (die Europäische Union als Staatenbund inbegriffen). Mittlerweile sind es 158. Anders als die RBÜ – die vorrangig dem Schutz des geistigen Eigentums dient – ist TRIPS ein reines Handelsabkommen, das neben urheberrechtlichen auch Aspekte anderer Immaterialgüterrechte (unter anderem Patent- und Markenrechte) regelt. Das Abkommen dient in erster Linie dazu, Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels zu verringern.
Ein weiterer Unterschied zur RBÜ liegt darin, dass TRIPS auch Regelungen über verwandte Schutzrechte, also die Rechte der ausübenden Künstler, der Tonträgerhersteller und der Sendeunternehmen, enthält. Detaillierte urheberrechtliche Schrankenbestimmungen sucht man im TRIPS-Abkommen dagegen vergeblich, außer dem so genannten Drei-Stufen-Test für Beschränkungen und Ausnahmen. Dieser lautet: "Die Mitglieder begrenzen Beschränkungen und Ausnahmen von ausschließlichen Rechten auf bestimmte Sonderfälle, die weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers unzumutbar verletzen." Hiermit werden die Grenzen gezogen, innerhalb derer jedes Land seine eigenen Urheberrechtsschranken bestimmen darf. Der auf diesem Weg zu erreichende Harmonisierungsgrad ist folglich gering.
Im Jahr 1996 kamen zu TRIPS und der RBÜ (und anderen Abkommen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll) zwei weitere internationale Urheberrechtsverträge hinzu, die als WIPO-Verträge bezeichnet werden. Der WIPO Copyright Treaty (WCT) regelt Fragen des Urheberrechts und der WIPO Performances and Phonograms Treaty (WPPT) die der verwandten Schutzrechte von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern. Die WIPO-Verträge wurden verabschiedet, um die in die Jahre gekommene RBÜ fortzuentwickeln. Sie verweisen für die allgemeinen Regeln auf den Text der Berner Übereinkunft und fügen diesen zusätzliche Rechte hinzu.
Durch die WIPO-Verträge wurden vor allem die mittlerweile hoch umstrittenen Vorschriften für den urheberrechtlichen Schutz technischer Maßnahmen in das internationale Urheberrecht eingeführt. Da auch die Europäische Union die WIPO-Verträge ratifiziert hat, musste sie die Vorgaben hieraus umsetzen. Hierzu diente die InfoSoc-Richtlinie 2001/29/EG aus dem Jahr 2001. Die deutsche Umsetzung (sowohl der WIPO-Verträge als auch der Richtlinie) erfolgte durch den "1. Korb", das "Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft".
Die Lösung: Einheitliches Urheberrecht durch multilaterale Urheberrechtsabkommen
Auf dem Weg zu einer international einheitlichen Urheberrechtsordnung helfen diese Urheberrechtsabkommen nur bedingt weiter. Die enthaltenen ordnungspolitischen Mittel sind nicht geeignet – und auch nicht dazu bestimmt – eine vollständig harmonisierte "Weltordnung des Urheberrechts" zu begründen.
Die Urheberrechtskonventionen enthalten stets nur einen knappen Katalog an Mindestrechten. Detaillierte und umfassende Vorgaben für die nationalen Gesetze sucht man im Regelfall vergebens. Schrankenregelungen zum Beispiel sind im Vorgaben nur vereinzelt geregelt. Die internationalen Urheberrechtsabkommen dienen im engeren Sinne dem Schutz von Ausländern, um die negative Auswirkungen des Territorialitätsprinzips zu vermeiden. Abweichend von der hieraus erwachsenden Grundregel, dass jeder Staat nicht nur entscheiden kann, ob, sondern auch wem er Urheberrechte zugesteht, verordnen die Konventionen das Prinzip der Inländerbehandlung. Hiernach muss ein Mitgliedsstaat Urhebern aus anderen Mitgliedsländern die gleichen Rechte gewähren, die er auch den eigenen Staatsangehörigen zugesteht.
Neben der Gleichbehandlung versucht man durch die Vereinbarung von Urheberrechtsabkommen zu erreichen, dass möglichst viele Staaten zumindest einen Minimalschutz gewähren. Durch die Mindestrechte werden die Mitglieder verpflichtet, die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Sicherung der Interessen vor allem der Rechtsinhaber zu schaffen. Konkrete oder weitergehende Auflagen ergeben sich aus den internationalen Verträgen hingegen nicht. Dies lässt weiten Spielraum für die innerstaatlichen Gesetzgeber, der sehr unterschiedlich genutzt wird.
Es wäre also ein Irrtum, von der Existenz der internationalen Urheberrechtsverträge auf die Existenz einer einheitlichen internationalen Urheberrechtsordnung zu schließen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Welt hat viele Urheberrechtsgesetze und die weichen zum Teil stark voneinander ab. Das gilt sogar innerhalb der Europäischen Union. Zwar wurden durch EU-Recht einige Aspekte des Urheberrechts harmonisiert. Da das europäische Urheberrecht jedoch in Form von Richtlinien ausgestaltet ist, gilt es nicht unmittelbar, sondern muss in die nationalen Gesetze umgesetzt werden. Die Richtlinien eröffnen dabei (wie der Name schon sagt) in aller Regel einen großen Umsetzungsspielraum. Hinzu kommt, dass auch Gesetze meist mehr oder weniger erheblichen Interpretationsspielraum belassen, der dann durch die Gerichte ausgefüllt wird. Die Rechtsprechung unterscheidet sich von Land zu Land aber noch mehr als die Gesetze.
Ein international einheitliches Urheberrecht ohne nationale Unterschiede ist damit Zukunftsmusik. Hierfür wäre es im Zweifel nötig, dass eine internationale Organisation (wie die UN) ein verbindliches Regelwerk schafft. Eine weltweite Harmonisierung würde aber voraussetzen, dass alle Länder der Erde dieser Organisation angehören. Zudem müsste auch die Gerichtsbarkeit zentralisiert und Entscheidungen über die Auslegung des „Welturheberrechts“ dürften nur noch von einem oder mehreren internationalen Gerichten gefällt werden. Dass dies in absehbarer Zeit passiert, ist dann doch höchst unwahrscheinlich.