Das Urheberrechtsgesetz ist alt, es stammt aus dem Jahr 1965. Klar, dass man damals noch keine Regelungen für die Online-Nutzung von Musik brauchte, dass Embedding keine Rolle spielte und auch nicht kopiergeschützte Fernsehsignale. All dies sind jedoch wichtige Themen, der Informationsgesellschaft. Der Gesetzgeber hat sich einigen von ihnen im ersten und zweiten Korb angenommen und das Ganze die Reform des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft genannt. Weil dieses Unterfangen so umstritten und damit langfristig war, wurden die anzugehenden Themen in zwei Körbe aufgeteilt. Das heißt nicht, dass das Urheberrecht jetzt optimal an die Belange der Informationsgesellschaft angepasst wäre und keine Fragen mehr offen sind. Ein dritter Korb ist schon seit Jahren in Vorbereitung, weitere werden im Zweifel folgen.
Nachstehend wird beschrieben, wie das Urheberrecht bereits geändert wurde und wie die Aussichten für weitere Änderungen sind.
Privatkopie und Schutz technischer Maßnahmen
Eines der umstrittensten Themen des Zweiten Korbes war die Regelung über Kopien zum privaten Gebrauch. Für den alltäglichen Umgang mit geschützten Werken wie Computerprogrammen, Musikstücken, Filmen, Fernseh- oder Radiosendungen, ist sie von elementarer Bedeutung. Die so genannte "Privatkopieschranke" erlaubt allerhand Nutzungen für private Zwecke, wie etwa Sendungen aufzuzeichnen, CDs zu brennen, einen Text aus dem Internet herunterzuladen, Beiträge aus Büchern in der Bibliothek zu kopieren und vieles mehr. Sie erlaubt allerdings nicht, fremde Inhalte online zu stellen – das wird häufig missverstanden.
Bereits im Ersten Korb wurde viel über die Privatkopieschranke debattiert. Konkret ging es darum, ob diese Regelung für digitale Kopien überhaupt gelten, und wenn ja, ob sie nicht eingeschränkt werden sollte. Besonders die Musikindustrie hatte gefordert, die Privatkopie im digitalen Bereich ganz abzuschaffen, jedenfalls aber erheblich zu begrenzen. Als Grund führte sie an, dass nachweislich immer weniger Tonträger (also mit Musik bespielte CDs und DVDs) verkauft werden. Das sollte, nach Ansicht der Plattenfirmen, daran liegen, dass Tonträger zu privaten Zwecken gebrannt werden dürfen. Eine kopierte CD, so wurde lange Zeit argumentiert, ist eine nicht verkaufte CD. Dass das nicht unbedingt und immer richtig sein wird, liegt auf der Hand. Klar ist aber auch, dass digitale Kopien – anders als analoge Aufnahmen auf einer Leerkassette – ohne Qualitätsverlust hergestellt werden können. Der Anreiz, geliehene CDs zu brennen, statt sie für viel Geld zu kaufen, ist groß. Wichtiger sind heute natürlich umso mehr Privatkopien von Musik, Filmen und anderen Werken aus dem Internet.
Der Gesetzgeber hat sich nach langen Debatten letztlich nicht dafür entschieden, die digitale Privatkopie massiv einzuschränken oder gar abzuschaffen. Denn die Privatkopieregelung bringt den Inhabern von Urheber- und Nutzungsrechten Geld über die so genannte Kopiervergütung. Würde man sie abschaffen, könnten die Verwertungsgesellschaften (wie die GEMA oder die VG WORT) kein Geld mehr aus den Verkäufen von CD-Brennern, Rohlingen, Festplatten oder anderen Speichermedien für die Urheber einsammeln. Da trotz eines Verbotes absehbar weiterhin viel kopiert werden würde (denn so ein Verbot wäre kaum zu kontrollieren), gingen die Künstler und Musiker leer aus.
Der Bundestag ist den Rechteinhabern (so nennt man Unternehmen, die geschützte Werke vertreiben, also zum Beispiel Plattenfirmen) jedoch insofern entgegen gekommen, als bereits im Ersten Korb ein Schutz technischer Maßnahmen eingeführt wurde. Ist zum Beispiel eine Musik-CD oder Film-DVD kopiergeschützt, darf sie nicht – auch nicht zu rein privaten Zwecken – kopiert werden, wenn hierfür der Kopierschutz umgangen werden muss. DVDs oder Blu-Ray-Disks (die nahezu immer kopiergeschützt sind) zu "rippen" ist daher unzulässig, egal, ob man sich von seinem gekauften Silberling eine Sicherungskopie machen oder den in der Videothek geliehenen Film gern in sein Archiv stellen möchte.
Auch wenn heutzutage zunehmend Inhalte nicht mehr auf physischen Medien gekauft, sondern über das Netz bezogen werden (z. B. durch Musik-Downloaddienste wie iTunes oder Amazon), haben die Regeln zum Umgehungsschutz nicht ihre Bedeutung verloren. Zwar setzen manche Branchen mittlerweile keine Kopierschutz- oder DRM-Systeme mehr ein (wie vor allem die Musikindustrie). In anderen setzt man jedoch verstärkt auf solche Technologien, um eine allzu freizügige Nutzung der Konsumenten zu verhindern. Das gilt zum Beispiel für den E-Book- oder den Filmmarkt. Auch Streaming-Dienste wie Spotify setzen auf Kopierschutzsysteme, damit man die Musik nicht einfach auf seinen Rechner kopieren kann.
Downloads aus Tauschbörsen werden verboten
Im Zweiten Korb hat der Bundestag beschlossen, dass Downloads von kommerzieller Musik oder Filmen aus Tauschbörsen verboten werden. Vorher war es unklar, ob und in welchen Fällen solche Handlungen unzulässig sind. Das neue Urheberrecht besagt, dass es nicht zulässig ist, eine Privatkopie anzufertigen, wenn die Quelle (also die Datei auf dem Rechner eines anderen Nutzers) "offensichtlich rechtswidrig" online gestellt wurde. Der Gesetzgeber meint, dass es für jeden klar erkennbar sei, dass kein Privatnutzer das Recht hat, einen neuen Film oder einen Song von Nine Inch Nails in einer Tauschbörse zum Download anzubieten. Ist das der Fall, darf man die Datei auch nicht herunterladen.
Allerdings gibt es in Tauschbörsen auch viele Inhalte, die von den Rechteinhabern selbst, also zum Beispiel einer Band, eingestellt wurden. Bis heute gibt es wenig Klarheit darüber, was unter einer offensichtlich rechtswidrigen Quelle zu verstehen ist. Obwohl die Neuregelung seit nunmehr über vier Jahren gilt, sind Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema Mangelware. Das zeigt, dass das Verbot kaum kontrolliert werden kann oder es zu aufwendig oder uninteressant ist, gegen Verstöße vorzugehen.
Die Kopiervergütung
In engem Zusammenhang mit den Fragen rund um die Privatkopie steht ein weiterer großer Komplex des Zweiten Korbes: das System der pauschalen Kopiervergütung. Urheber und Rechteinhaber erhalten dafür, dass von ihren Werken private Kopien gemacht werden dürfen, einen finanziellen Ausgleich. Da es unmöglich wäre, jeden Kopiervorgang zu kontrollieren, zu protokollieren und abzurechnen, wurde bei der großen Urheberrechtsreform im Jahr 1965 das System der Pauschalvergütung geschaffen, dass in einer weiteren Reform im Jahr 1985 weiter ausgebaut wurde.
Das Prinzip ist einfach: Für Kopiertechnologien (wie CD-Brenner, USB-Sticks, Drucker oder Scanner) und Leermedien (wie Rohlinge) wird eine Gebühr festgesetzt. Die zahlen die Händler und Hersteller an Verwertungsgesellschaften, wie vor allem die GEMA und die VG WORT. Die Verwertungsgesellschaften schütten die Einnahmen wieder an die Urheber und Rechteverwerter aus. Letztlich bezahlen natürlich die Konsumentinnen und Konsumenten, da die Vergütungen auf die Kaufpreise aufgeschlagen werden.
Im Laufe der Jahre hatte sich herausgestellt, dass das System zwar im Prinzip gut, in seiner Umsetzung jedoch verbesserungsbedürftig war. Ein großes Manko war, dass die Höhe der Vergütungen ursprünglich vom Gesetzgeber, also vom Bundestag, festgesetzt und angepasst werden musste. Das ist jedoch nach In-Kraft-Treten des Gesetzes im Jahr 1985 bis 2008 nie geschehen. Dem Umstand, dass gerade mit Einzug der Digitaltechnik erheblich mehr kopiert wurde und dass natürlich Preise und Lebenshaltungskosten von Künstlern gestiegen sind, wurde nicht Rechnung getragen.
Da eine Festsetzung durch den Gesetzgeber also offensichtlich nicht funktionierte, hat der Gesetzgeber das Vergütungssystem im Zweiten Korb grundlegend geändert. Nach den neuen Regelungen entscheidet nicht mehr der Gesetzgeber über Tarife und zu vergütende Technologien, sondern die betroffenen Parteien selbst. Vor allem die Verwertungsgesellschaften und Gerätehersteller sollen sich in gesetzlich vorgegebenen Verfahren einigen. Die Annahme war, dass es dadurch schneller zu "Updates" kommen würde, da die Beteiligten selbst ein Interesse daran haben, die Vergütungen festzusetzen und aktuell zu halten.
So ganz realisiert hat sich das nicht. Nach wie vor gibt es über Tarife und die Einbeziehung von neuen Geräten in das Vergütungssystem endlose Streitigkeiten zwischen den Parteien. Die einen wollen nicht oder zu wenig zahlen, die anderen verlangen unter Umständen überhöhte Gebühren. Sicherlich ist es noch zu früh, sich eine abschließende Meinung darüber zu bilden, ob die Reform gescheitert ist. Angesichts der Erfahrung der letzten Jahre darf an einem Erfolg jedoch gezweifelt werden. Das wäre ein großer Nachteil vor allem für Urheber und Privatnutzer. Die Urheber erzielen zu geringe Vergütungen oder müssen Jahre darauf warten. Die Privatnutzer wiederum sind auf ein effizientes Vergütungssystem angewiesen. Auch wenn sie es in der Regel nicht wissen werden, ist ein solches Garant und unbedingte Voraussetzung für die Privatkopieschranke selbst. Ohne angemessene Vergütung (und effiziente Systeme, die eine solche gewährleisten) wäre die Nutzungsfreiheit verfassungswidrig und müsste abgeschafft werden.
Freiheiten für Bibliotheken
Ein weiteres wichtiges Thema des Zweiten Korbes betraf die Frage, ob und unter welchen Umständen Bibliotheken Privilegien genießen sollen, wenn sie geschützte Werke verwenden. Bibliotheken könnten gerade in Zeiten des Internet viel leisten. Sie besitzen einen unschätzbaren Fundus an Büchern, Musik, Filmen und Fotos. Im Zweiten Korb ging es nun um die Frage, ob und inwieweit sie sich zukünftig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben moderner Technologien behelfen dürfen und was das Urheberrecht dafür tun kann.
Hierfür wären Gesetzesänderungen notwendig. Denn während es schon immer erlaubt war, ein Buch in die Bibliothek zu stellen und an Leser zu verleihen, braucht eine Bibliothek entweder eine neue gesetzliche Befugnis oder eine Erlaubnis vom Verlag, wenn sie das gleiche Buch einscannen und ins Internet stellen will. Die Erlaubnisse von jedem einzelnen Rechteinhaber durch Verträge einzuholen, ist einer Bibliothek nicht möglich, der Aufwand wäre viel zu groß und nicht zu finanzieren.
Der Gesetzgeber hatte also einen Interessenkonflikt zu regeln, was immer sehr schwierig ist. Er musste sich entscheiden, ob und inwieweit neue Möglichkeiten für Bibliotheken geschaffen werden müssen, digitale Technologien zu nutzen, wenn sie ihren öffentlichen Auftrag erfüllen. Hierbei geht es um viel, letztlich um die Funktion von Bibliotheken in der Informationsgesellschaft. Gegen solche gesetzlichen Befugnisse für Bibliotheken und andere Wissensinstitutionen (wie Museen, Archive und so weiter) zu schaffen, stehen die Interessen der Rechteinhaber, zum Beispiel der Verlage. Sie wollen mit den Institutionen generell lieber Verträge schließen und dabei bessere Konditionen aushandeln, als bei einer gesetzlichen Vergütung zu erwarten wäre.
Der Gesetzgeber musste also einen Kompromiss suchen. Und der ist aus der Sicht der Bibliotheken (und damit der Allgemeinheit, die sie nutzt) ernüchternd ausgefallen. Zwar wurden zwei neue Ausnahmen für Bibliotheken im Zweiten Korb geschaffen. Diese gestatten aber nur sehr wenig. Eine Regelung, nach der die Bibliotheken ihre Bestände ins Netz stellen dürften, ohne Nutzungsrechte zu erwerben, wurde nicht eingeführt. Stattdessen wurden nur eingeschränkt Möglichkeiten für den digitalen Kopienversand und digitale Leseplätze innerhalb von Bibliotheken und anderen Institutionen geschaffen.
Die "Subito-Schranke"
Subito ist ein Dienst der öffentlichen Bibliotheken, bei dem sich jeder registrieren und Kopien aus Büchern oder Zeitschriften bestellen kann. Über Subito kann man sich also mit Literatur versorgen, die nicht in der örtlichen Bibliothek zu bekommen ist. Das war in analogen Zeiten auch relativ günstig. Ließ sich eine Privatperson einen vierzigseitigen Beitrag aus einer teuren Fachzeitschrift kopieren und per Mail schicken, musste sie 7,50 Euro bezahlen. In kommerziellen Verlagsangeboten waren dies weitaus teurer, die Rede war von Preisen bis zu vierzig Euro für einen einzigen Artikel-Download.
Kopienversanddienste waren nach altem Recht zulässig, soweit sie die Kopien analog per Fax oder Post verschicken. Das hatte der Bundesgerichtshof Ende der 1990er Jahre entschieden. Natürlich ist die Versendung per Mail wesentlich günstiger, praktischer und schneller. Der analoge Versand wird daher kaum noch nachgefragt. Ob digital versendet werden darf, war jahrelang umstritten und auch Gegenstand von Gerichtsverfahren. Das Oberlandesgericht München hatte dann entschieden, dass der digitale Kopienversand von den bestehenden Regelungen nicht mehr gedeckt war. Also musste der Gesetzgeber entscheiden.
Die Antwort, die im Zweiten Korb gegeben wurde, war uneindeutig. Subito und andere Kopienversanddienste sollen zwar nach der neuen Regelung grundsätzlich auch digital versenden dürfen. Aber zum einen nur noch an Wissenschaftler und Lehrpersonal, zum anderen nur, wenn der jeweilige Artikel nicht auch von den Verlagen elektronisch angeboten wird. Letzteres bedeutet Konkurrenzschutz für kommerzielle Anbieter. Ob sie die Bibliotheken auf dem Markt für die digitale Distribution von Kopien mitspielen lassen, hängt damit mehr oder weniger von ihrer eigenen Entscheidung ab.
Nach Einführung der neuen Regelung haben große Kopienversanddienste (wie Subito) entschieden, dass sie nicht ausreicht und zu große Unsicherheiten mit sich bringt. Über den digitalen Kopienversand haben sie dann doch Verträge mit den Verlagen geschlossen. In der Folge sind die Preise dann stark angestiegen.
Fortsetzung folgt: im Dritten Korb
Wer die Debatten über Gesetzgebungsverfahren verfolgt, wird schon bald ein Naturgesetz kennenlernen: Am Ende sind nie alle zufrieden. Wer die politischen Auseinandersetzungen über das Urheberrecht beobachtet, lernt sogar, dass die Negativbilanz hier sogar noch schlechter ausfällt: Keiner ist zufrieden. So war es beim Ersten Korb, so ist es auch beim Zweiten Korb. Unmittelbar nachdem der Bundestag seine Entscheidung über die letzte Fassung verkündet hatte, wurde gefordert, einen Dritten Korb zu flechten. Hier sollte es dann nach Meinung der einen darum gehen, die gefundenen Kompromisse im Hinblick auf die Belange von Wissenschaft und Bildung wieder zu korrigieren. Andere wollen noch weitere Einschränkungen der Privatkopie diskutieren oder sie vielleicht doch gleich ganz abschaffen. In der darauffolgenden Legislaturperiode (die 2013 endet) ist aus dem Dritten Korb nichts geworden. Es wurde zwar viel diskutiert über das Urheberrecht, aber wenig gehandelt. Die bislang einzige konkrete Maßnahme (Stand: Mai 2013) war, dass ein so genanntes Leistungsschutzrecht für Presseverleger (LSR) eingeführt wurde. Dieses war so umstritten, dass sich die Debatte fast über drei Jahre hinzog. Am Ende hat es der Gesetzgeber eingeführt, obwohl annähernd alle objektiven Beobachter, die "Internet-Gemeinde", Experten und mehr oder weniger die gesamte deutsche Wirtschaft (außer natürlich den Presseverlagen) davon abgeraten haben.
Immerhin ist von den ursprünglichen Ideen (dem Wunschzettel der Presseverleger) kaum noch etwas übrig geblieben, das die Bezeichnung "Leistungsschutzrecht" verdient. Was ursprünglich vor allem als Mittel gedacht war, den Presseverlegern ein neues Geschäftsmodell für das Internet in Form einer gesetzlich verordneten Zwangsabgabe zu verschaffen, wird sich im Zweifel als zahnloser Tiger herausstellen. Der Schutzbereich des LSR ist so gering, dass sich die Frage stellt, ob er überhaupt vorhanden ist. Noch haben die Verleger jedoch offensichtlich die Hoffnung von Google und anderen Suchmaschinenbetreibern sowie Informationsaggregatoren, Geld dafür zu bekommen, dass dort auf ihre Inhalte verwiesen wird. Ob sich das wirklich realisiert, bleibt abzuwarten.
Spannend bleibt auch, ob und wann der Dritte Korb angegangen wird. Es gibt noch viel anzupassen und neu zu regeln. Große Reformen wären im Urheberrecht eigentlich unumgänglich. Ob sie in der nächsten Legislaturperiode angegangen und umgesetzt werden, ist aber ebenso fraglich, wie, was dabei herauskommen wird.