Vorgeschichte
Google, MySpace, YouTube: Hinter vielen Erfolgsgeschichten des Internets steckt ein Zweigestirn, und wie in vielen großen Geschichten endet die Zweisamkeit oft im Bruderzwist. Bei der freien Online-Enzyklopädie "Wikipedia" hören die zerstrittenen Brüder auf die Namen Jimmy Wales und Larry Sanger. Jimmy Wales ist heute Vorsitzender der WikiMedia-Stiftung, die die Wikipedia trägt, und hat als solcher die letzte Autorität in allen Streitfällen. Larry Sanger war bis 2002 "Chefredakteur" der Wikipedia – und zählt heute zu ihren prominentesten Kritikern.
2000 wurde Sanger, damals noch Philosophie-Doktorand, von Jimmy Wales als Chefredakteur in das 1999 gestartete "Nupedia"-Projekt geholt. Getragen wurde die Nupedia durch kalifornische Dotcom-Unternehmen Bomis. Sanger erarbeitete mit Wales die Grundideen dieser ersten freien Online-Enzyklopädie, installierte einen Beirat aus Wissenschaftlern, der in den nächsten Monaten ein siebenstufiges Prüfverfahren für Artikel entwickelte, und rekrutierte interessierte Teilnehmer – am Ende waren es rund 2.000, die den späteren Grundstock der Wikipedia-Community bildeten.
Vor allem wegen des Prüfverfahrens kam Nupedia nur schleppend voran – bis Ende 2000 hatte das Projekt rund 250.000 US-Dollar "verbrannt" und etwa 20 Artikel online. Wales und Sanger suchten daher nach Alternativen und entschieden sich, parallel zu Nupedia eine radikal vereinfachte Fassung mit der damals jungen "Wiki"-Technologie ins Netz zu stellen.
Im Januar 2001 ging Wikipedia online und wuchs explosionsartig. Die Nupedia versandete gleichzeitig langsam. Ende 2001 standen dort etwa 25 Artikel online (150 weitere steckten in verschiedenen Stufen des Prüfverfahrens), während Wikipedia bereits 18.000 Artikel zählte. 2002 stieg Sanger aus seiner offiziellen Position bei Wikipedia und Nupedia aus, da Bomis ihn nicht weiter bezahlen konnte.
Alles Weitere ist Geschichte: Wikipedia kommt heute (Januar 2007) auf über sechs Millionen Artikel in 250 Sprachen, davon allein eine halbe Million Artikel in ihrer deutschen Version. Etwa 27.000 "Wikipedianer" schreiben weltweit aktiv mit. Dazu hat das Muttergewächs zahlreiche Sprösslinge unter dem Dach der WikiMedia Stiftung ausgebildet; mit dem Wikipedia-Prinzip erstellen sie freie Wörterbücher (Wiktionary), Bücher (WikiBooks) und Kinderbücher (Wikijunior), Zitatenschätze (WikiQuotes), Nachrichtenseiten (Wikinews), Multimedia-Sammlungen (WikiCommons) oder eine Universität (Wikiversity). "Campaigns Wikia" will sozialen und politischen Bewegungen helfen, sich per Wiki selbst zu organisieren. Und die eigene Parodie wird mit ebenso großem Fleiß betrieben: Die Externer Link: "Uncyclopedia" zählt über 20.000 Artikel.
Der enorme Erfolg blieb nicht ohne Kritik. Während Hochschulen und Schulen klagen, dass ihre Schülerinnen, Schüler und Studierenden die eigene geistige Arbeit mit Copy&Paste aus Wikipedia ersetzen, sahen klassische Enzyklopädien (wie die Encyclopedia Britannica oder der Brockhaus) schlicht ihre Existenz bedroht und wiesen auf die mangelnde Qualität und Verlässlichkeit der Wikipedia hin.
Als etwa das renommierte englische Wissenschaftsjournal "Nature" im Dezember 2005 eine Externer Link: eigene Studie veröffentlichte, der zufolge die Qualität von 42 im Blindtest von Experten geprüften naturwissenschaftlichen Artikeln in Wikipedia und der Encyclopedia Britannica in Sachen Genauigkeit durchaus vergleichbar seien, lieferten sich Britannica (in einer Externer Link: langen Gegendarstellung) und Nature (in ihrem Externer Link: Editorial) einen mehrrundigen Schlagabtausch.
Sanger selbst fiel im Dezember 2004 mit einem Beitrag auf der populären Technologie-Webseite Externer Link: "Kuro5hin" in den Chor der Kritiker ein. Bereits damals schrieb er, wenn die Wikipedia ihren "Anti-Elitismus" nicht überwinde – also ausgewiesenen Experten nicht größere Autorität beim Bearbeiten von Artikeln zubillige –, würde ein Wikipedia-"Ableger" nötig, der genau dies tue. Er wiederholte seine Idee in mehreren anderen Externer Link: Online-Beiträgen und setzte sie schließlich in die Tat um: Im September 2006 verkündete Sanger auf der Konferenz Externer Link: Wizards of OS 4 in Berlin den Start des Projekts Externer Link: "Citizendium".
Herr Sanger, hier auf "Wizards of OS 4" haben sie den Start des "Citizendiums" angekündigt. Worum geht es da?
Das "Citizendium" ist das "Citizen's Compendium", zu deutsch etwa "Bürgers Handbuch". Mit der Zeit wird es sich hoffentlich des Wortes "Enzyklopädie" würdig erweisen. Zunächst werden wir es einen "experimentellen Arbeitsraum" nennen, und es wird ein "Fork", ein Ableger der Wikipedia sein, das heißt, eine Kopie aller Artikel der Wikipedia, die dann in einem neuen Wiki bearbeitet werden können.
Sobald jemand Artikel des Citizendiums bearbeitet, werden diese nicht mehr mit der Wikipedia abgeglichen, während alle anderen Artikel, die noch nicht bearbeitet wurden, regelmäßig mit der neuesten Fassung der Wikipedia aktualisiert werden. In diesem Sinne ist es also ein progressiver, schrittweiser Ableger.
Sie sind Mitgründer der Wikipedia, die heute als eine der großen Erfolgsgeschichten des Web 2.0 und der kollaborativen Produktion im Internet gilt. Warum also starten Sie einen Ableger?
Auf Externer Link: www.citizendium.org habe ich einen Artikel, der eine Reihe von Kritikpunkten auflistet – ich könnte sie hier einfach herunterlesen: Erstens setzt die Community ihre eigenen Regeln nicht effektiv oder konsistent durch. Zweitens zieht die weitgehende Anonymität Menschen an, die einfach nur Ärger machen wollen – in anderen Worten, das Troll-Problem. Drittens klagen viele, dass die führenden Köpfe der Wikipedia sich abgeschottet haben, wodurch es für Leute, die noch nicht Teil der Community sind, zunehmend schwierig wird, wirklich voll aufgenommen zu werden. Und schließlich wirkt diese dysfunktionale Community extrem abstoßend auf einige der potentiell wertvollsten Mitarbeiter, nämlich Akademiker.
Was werden die Hauptunterschiede zur Wikipedia sein?
Die wichtigsten Unterschiede zwischen meinem vorgeschlagenen Projekt – jetzt und hier existiert das Wiki ja noch nicht – und der Wikipedia sind folgende: Zum einen wird es eine neue Rolle im System geben, die der "Editoren"; das werden ausgewiesene Experten sein, die im System einige Rechte erhalten, die normale Autoren nicht haben. Diese Experten sind immer noch angehalten, Seite an Seite mit den anderen Autoren zusammenzuarbeiten, und nicht, deren Arbeit von oben herab zu kontrollieren. Aber sie werden Entscheidungen über inhaltliche Streitigkeiten treffen und diese Entscheidungen auf der "Diskussionsseite" eines Artikels formulieren können. Auch werden sie Artikel als "geprüft und anerkannt" einstufen können. All das wird in der gleichen, radikal unkontrollierten Bottom-up-Manier geschehen, die man auch in der Wikipedia findet.
Zum Beispiel werden sich Editoren selbst zu "Editoren" erklären; es wird kein Komitee nötig sein, um jemanden als Editor anzuerkennen. Sondern wenn jemand die nötigen Zeugnisse hat, geht er oder sie einfach auf die eigene Nutzerseite auf der Webseite, gibt seine Qualifikation dort an, verlinkt online auf Belege und erklärt sich anschließend zum Editor. Dafür wird keine technische Unterstützung jenseits der Software benötigt, die jetzt schon die Wikipedia betreibt. Die Veränderung ist in dieser Hinsicht eine soziale Veränderung, keine technische. Sie verändert die Kernfunktion des Wikis – das, was die Wikipedia funktionieren lässt – in keiner Weise.
Der zweite große Unterschied ist die Verabschiedung einer Community-Charta, und die ausdrückliche Erwartung, dass Leute, die sich an der Community beteiligen, die Charta unterstützen. Sie werden "gute Bürger" in einer neuen Online-Politik. Und es wird einen fairen und offenen Prozess geben, über den die Regeln des Projekts durchgesetzt werden. Es sollte nicht zu viele Regeln geben, denn die Vermehrung von Regeln verwirrt Leute nur, und sie fangen an, die Regeln zu ignorieren.
Eines der Probleme, die ich mit der Wikipedia hatte, ist, dass ihre Regeln in vielen Fällen nicht ernst genommen werden. In dem Moment, in dem ich das sage, weiß ich, dass viele Menschen denken werden, dass ich für "Recht und Ordnung" und "Kontrolle" und so weiter bin – das ist nicht der Fall. Denken Sie daran, ich bin der Mitgründer der Wikipedia. Ich bin für ein sanft kontrolliertes Chaos, zu einem gewissen Grad. Das ist es, weshalb Wikipedia und offene Zusammenarbeit funktionieren.
Nein, ich bestehe deshalb darauf, dass Menschen einmal akzeptierte Regeln eines Projektes ernst nehmen, weil diese Regeln das Projekt definieren. Wenn man sich zum Beispiel an dem Projekt beteiligen möchte, eine neutrale Enzyklopädie aufzubauen, dann muss man Neutralität ernst nehmen. Andernfalls arbeitet man nicht mit an dem Projekt, das man überhaupt erst unterstützen wollte.
Welche Kriterien muss man erfüllen, um so ein "Editor" zu werden?
Die genauen Kriterien müssen noch festgelegt werden. Ein Weg, eine Liste von Kriterien aufzustellen, wäre vielleicht zu fragen: Was sind die Minimalkriterien, die eine Berufungskommission einer Hochschule oder eines Forschungsinstituts für die Besetzung eines Lehrstuhl anlegen? Das käme für akademische Wissensgebiete in Frage.
Da es aber Themen in einer Enzyklopädie gibt, deren Hauptexperten keine Akademiker sind, würden die Kriterien bei diesen Themen natürlich andere sein. Das könnte die Veröffentlichung einer bestimmten Zahl von Publikationen einer bestimmten Art beinhalten, gehaltene Vorträge, organisierte Workshops, etwas in der Art. Es wird etwas sein, das objektiv ist, etwas, wofür man Belege sehen kann.
Der Grund, diese Kriterien objektiv zu halten, ist, dass wir diesen Vorgang nicht politisieren wollen, denn er wird sehr schnell und leicht politisiert. Ich kenne viele Leute, die sagen, dass das einfach "Zeugnis-Fetischismus" sei. Nun, wenn man Menschen dazu einladen will, in einem System als Experten zu fungieren, und wenn man die im Kern politischen Debatten vermeiden möchte, die nun mal mit dem Einstellen und Entlassen von Experten verbunden sind, geht das nur, indem man sich auf die gleiche Art von ganz konkreten Zeugnissen verlässt, auf die sich Berufungskommissionen verlassen – und dann die Berufungskommissionen selbst los wird.
Aber ist das Aufstellen von Kriterien nicht schon eine politische Entscheidung? Handeln Sie nicht politisch, indem Sie vorweg entscheiden, wer ein Editor sein darf?
Wenn jemand das sagen würde, würde ich zurückfragen, was er damit meint. In anderen Worten, wenn Sie die Behauptung aufstellen würden, dass man keinen Doktor der Philosophie braucht, um Editor im Gebiet der Philosophie zu sein, würde ich fragen: Warum glauben Sie das? Die Beweislast liegt bei denen, die behaupten, die Wege, über die unsere Gesellschaft Experten beglaubigt, sei politisch, und das in allen möglichen Wissensgebieten, nicht nur beim Doktortitel.
Trotzdem: Wo die Grenze ziehen? Muss man einen Doktortitel haben? Oder einen Lehrstuhl? Ist das nicht eine Entscheidung, die viele schon als politisch ansehen?
Nicht im relevanten Sinne. Es ist nicht politisch in dem Sinne, dass der Entscheidungsprozess, wer ein Editor wird und wer nicht, nicht davon abhängt, ob man mit den persönlichen Ideologien und theoretischen Ansätzen der Berufungskommission übereinstimmt. Das Feld der möglichen eigenen Ansichten wird so weit sein, wie es bei Besitzern von solchen Zeugnissen der Fall ist, und das ist in der wissenschaftlichen und akademischen Gemeinschaft wirklich ein weites Feld. Selbst wenn es große Mehrheiten bestimmter Ansichten gibt, gibt es einen enormen "long tail" an vielfältigen Ansichten in vielen Disziplinen, und wir werden offen für diese Vielfalt sein. Das ist der Punkt.
Wie legt man solche Standards in Wissensgebieten fest, für die es noch keine akademischen Abschlüsse gibt?
Es wird sehr spannend sein zu sehen, wie das funktionieren wird, und das ist ganz eindeutig etwas, wo wir den Input von Menschen aus den betreffenden Wissensgebieten brauchen werden. Ingenieurstechnik ist ein gutes Beispiel. Professoren der Ingenieurswissenschaften sind nicht unbedingt die besten Leute, um zu beurteilen, was ein lesbarer Enzyklopädie-Artikel über technische Themen ist. Dann gibt es alle möglichen Spiel- und Hobby-Themen, wo niemand existiert, der darüber in Fachzeitschriften schreibt, einfach, weil es keine Fachzeitschriften gibt. Kaum jemand an der Hochschule untersucht diese Dinge, und die sachkundigsten Personen könnten Leute sein, die überhaupt keinen akademischen Abschluss haben.
Um diesen Vorgang relativ objektiv und möglichst unempfänglich für Politisierung zu machen, wird es wichtig sein, eine andere Form von Zeugnissen oder Nachweisen zu finden, wobei man die Begriffe jetzt sehr weit fassen muss. Um ein anderes Beispiel zu geben: Einige der führenden Experten in traditioneller irischer Musik haben nie Bücher oder wissenschaftliche Aufsätze zum Thema geschrieben, sie haben keinerlei Abschluss in Musik, und doch sind sie die wirklichen Quellen unseres Wissens über diese Art Musik.
Wird die Definition dieser Kriterien ein offener Prozess sein?
Ja, das trifft absolut zu. Und ich möchte dazu anhalten, sich klarzumachen, dass das beim Citizendium im Allgemeinen immer der Fall sein wird. Die ganze Idee ist, dass die Entwicklung von Regeln offen sein wird. Aber wir werden uns auf einige sehr endgültige, klare Regeln festlegen.
Und wer wird diese Regeln festlegen?
Meine jetzige Vorstellung – und ich bin da sehr offen für Diskussion – ist, dass es einige öffentliche Mailinglisten geben wird – tatsächlich existieren bereits ein halbes Dutzend Mailinglisten –, und jeder, der Interesse hat, kann zur Diskussion auf diesen Mailinglisten beitragen. Diese Diskussion werden entscheidend dafür sein, die Regeln festzulegen. Ich sehe es als meine Aufgabe als Chefredakteur des Citizendiums an, dann den Konsens zu formulieren.
Zusätzlich werden wir ein beratendes Gremium einrichten, zusammengesetzt aus führenden Denkern in relevanten Feldern – Open Source-Softwareentwicklung, Open Access-Publikationen –, und einigen technikaffinen Experten aus verschiedenen Wissensgebieten. Nach einiger Debatte und hoffentlich mehreren Face-to-Face-Treffen werden wir einen verfassungsgebenden Konvent abhalten. Wir werden uns tatsächlich hinsetzen, nach dem viele Themen ausdiskutiert wurden, den letzten Feinschliff hinzufügen und eine Community-Charta verabschieden.
Das ist etwas, was meines Wissens noch nie auf diese Weise gemacht wurde. Aber so funktioniert die physische Welt, der Meatspace, und so wird es als richtig und gerecht im Meatspace angesehen. Warum sollte es also online nicht auch recht und billig sein?
Das wird eine Frage von Verfassungsexperten an ihr Projekt sein: Noch wichtiger als die Regeln ist der Prozess, über den festgelegt wird, wie neue Regeln entstehen und wer am Ende Entscheidungen trifft. Wird dieser Prozess Verfassungsbildung selber demokratisch und offen sein, wie es die UN zum Beispiel mit dem "Multi-Stakeholder"-Ansatz beim Weltgipfel zur Informationsgesellschaft versucht hat?
Allgemein gesprochen, stimme ich völlig mit dieser Offenheit überein, und wie jeder weiß, der mit der Geschichte der Wikipedia vertraut ist, bin ich diesem Ratschlag und dieser Erwartung – vielleicht fälschlicherweise – bei der Entwicklung der Wikipedia gefolgt. Aber der Prozess muss irgendwie begonnen werden, richtig? Es ist wichtig, dass man mit einem klaren Konzept anfängt, um das sich viele Menschen sammeln können, so dass sich eine selbst-auslesende Community formen kann. Man kann nicht einfach sagen: "Ich werde einen Ableger der Wikipedia machen", und dann jeden, der diese eine Idee irgendwie attraktiv findet, mit herumpfuschen lässt, wie dieser Ableger nun aussehen soll – das ist einfach zu vage.
Deshalb habe ich eine Reihe von anderen Regeln formuliert, die im Wesentlichen das Projekt definieren. Als nächstes frage ich die Leute, die dieses Set, oder das Meiste an diesem Set aus Regeln mögen: "Kommt und helft mir, mit dem hier als Anfangspunkt, etwas zu entwickeln, dem die größtmögliche Menge der Menschen, die den Vorschlag generell mögen, zustimmen kann." Einige Parameter des Projekts müssen im Voraus formuliert werden, oder man bekommt nie eine Community in Gang.
Was sollte jemand dazu bringen, von der Wikipedia zum Citizendium zu wechseln, oder beim Citizendium mitzumachen, wenn er nicht bei der Wikipedia mitgemacht hat?
Da würde ich wieder auf die Hauptunterschiede zwischen den Projekten verweisen, denn die erklären die Gründe, an dem einen Projekt statt am anderen teilzunehmen. Ich glaube, dass die meisten Menschen es vorziehen würden, Seite an Seite mit wohlwollenden, nicht-kontrollierenden Experten an Artikeln zu arbeiten, deren Thema ihnen wichtig ist. Alles wird ein bisschen besser, wenn man einen erfahrenen Älteren an seiner Seite hat, der behutsam Ratschläge zum Vorgehen gibt. Das ist, glaube ich, viel attraktiver für jeden, als einfach in einem wilden Gerangel zu arbeiten, wo Menschen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, ein bestimmtes Thema zu erforschen, genau so behandelt werden wie jeder andere auch, selbst wenn sie über genau dieses Thema schreiben.
Ein weiterer Grund, warum Leute vom Citizendium angezogen sein könnten, ist, dass es für einige sehr anstrengend geworden ist, in der Wikipedia-Community zu arbeiten. Es braucht eine bestimmte Art von Person, um sich wirklich mit den Administratoren und regelmäßigen Beiträgern der Wikipedia anzulegen, die ziemlich schwierig sein können, auf verschiedene Weisen.
Die Hoffnung ist: Wenn wir von den Leuten verlangen, dass sie sich mit ihren wirklichen Namen einloggen und einer gemeinsamen Charta – einem sozialen Vertrag – zustimmen, und wenn es Menschen gibt, die als Durchsetzer dieser Übereinkunft respektiert werden – dass das Ergebnis dann ein sozial angenehmerer Ort zum Arbeiten ist. Das ist die Hoffnung. Und natürlich werden wir zusammenarbeiten müssen, um die tatsächlichen Parameter zu definieren, was diese Community angenehm und produktiv macht.
Ich glaube nicht, dass es angenehm ist, Administratoren zu haben, die einem dauernd im Nacken sitzen. Das ist nicht, was ich vorschlage. Tatsächlich scheint es mir, dass genau das in der Wikipedia momentan ziemlich oft geschieht. Die "Wachtmeister" – ich schlage bewusst einen neuen Namen für diese Rolle vor –, werden angewiesen sein, so zurückhaltend wie möglich zu handeln. Aber wenn sie einmal einbezogen werden, haben sie die Autorität, schnell und entschieden zu handeln.
Interview und Übersetzung aus dem Englischen: Sebastian Deterding