1. Einleitung: Software und Informationsgesellschaft
Das Fundament zur Informationsgesellschaft wird wesentlich durch Softwareentwicklung gelegt. Software ist es, die unsere Datenströme lenkt, die jenen Prozess am Leben erhält, in dem "der menschliche Verstand eine unmittelbare Produktivkraft und nicht nur ein entscheidendes Element im Produktionssystem"
Die instantane Kommunikation in globalisierten Märkten, wie wir sie von den Börsentickern im Fernsehen oder den Auktionen bei Ebay kennen, ist ohne Software nicht denkbar. Aber auch die Kommunikation mit unseren Freunden und Verwandten in aller Welt erfolgt mit Unterstützung von Software: Telefongespräche werden im Telefonnetz durch Software vermittelt; die Briefe werden bei der Post von Maschinen sortiert, die von Software gesteuert werden; das Internet, das unsere Emails transportiert, läuft mit Software. Kurz gesagt, Software ist unverzichtbarer Teil des sozialen Gebäudes, das wir Informationsgesellschaft nennen.
Damit kommt der Informationstechnologie im Allgemeinen und der Software im Besonderen eine vergleichbare Rolle zu wie den Sklaven in der antiken Sklavenhaltergesellschaft, Land in der Agrargesellschaft, Rohstoffen und Energie in der modernen Industriegesellschaft: Software ist strategische Ressource und die Kontrolle über ihren Besitz und ihre Verteilung entscheidet über Macht und Reichtum.
Software gewinnt dergestalt eine politische Dimension und die Auseinandersetzungen um große Softwarehersteller – IBM in den 1960er und 1970er Jahren, Microsoft seit den 1990er Jahren – finden quasi automatisch im politischen Raum statt. Es geht darin um mehr als Marktanteile und Wettbewerbsregeln, macht Software die Informationsgesellschaft doch nicht nur möglich, sondern auch verletzlich.
Dort, wo Daten Kapital repräsentieren, entstehen neue Abhängigkeiten, wenn diese Daten in Datenformaten gespeichert und verarbeitet werden, die einer Fremdkontrolle unterliegen. Solche Abhängigkeiten können nicht nur teuer werden, wo es um den Einkauf von Lizenzen für entsprechende Software geht. Sie werden aus der Sicht der Datenbesitzer zu einer Existenzfrage, wenn die Verfügbarkeit der Daten und Programme der eigenen Einflusssphäre weitgehend entzogen ist. Die unternehmerische Freiheit findet dann ihre Grenzen in der Produktpolitik eines Softwareherstellers und nicht mehr nur in der Verfassung.
Die ökonomischen Besonderheiten von Netzwerkgütern,
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich neben proprietärer Software eine andere Art von Software einen Platz im Softwareuniversum erobert: Freie und Open-Source-Software, kurz FOSS.
Der Aufstieg von FOSS ist eng verknüpft mit dem Aufstieg des Internets. FOSS steuert das Internet zu erheblichen Teilen,
Knappheit am Informationsgut ist, abweichend von den üblichen Theorien zum geistigen Eigentum,
Für wohl die meisten akademischen Ökonomen stellt das FOSS-Paradoxon eine echte Herausforderung dar: Wieso funktioniert das FOSS-Modell? Wie kann man mit etwas Geld verdienen, das niemandes exklusives Eigentum ist? Oder etwas allgemeiner gefragt: Wie lassen sich Ressourcen effizient und nachhaltig bereitstellen und bewirtschaften, wenn diese nicht ihrem Wesen nach knapp sind? Müssen öffentliche Güter
Der vorliegende Aufsatz geht diesen Fragen nach und sucht Antworten auf die Frage nach dem Verhältnis von FOSS, Unternehmen und dem Markt. Dabei wird ausgehend von den ökonomischen Randbedingungen diskutiert, auf welchem Fundament FOSS seit über zwei Jahrzehnten wächst und gedeiht. Statt einer "Tragödie der Allmende" (Hardin) erleben wir eine "Kommödie der Allmende" (Carol Rose).
2. Was ist FOSS?
Die Andersheit von FOSS gegenüber proprietärer Software ruht auf drei Pfeilern:
einer rechtlichen Konstruktion, dem sog. "Copyleft",
dem Vertrieb von FOSS im Quellcode und
dem Community-basierten Entwicklungsmodell, das sich vom Firmen-zentrierten Entwicklungsmodell für proprietäre Software unterscheidet.
FOSS im Recht
Historischer Ausgangspunkt für die gesetzliche Behandlung von Software war ihre Eigenschaft, die darin verkörperten Ideen als Text darzustellen.
Software ist an eine Maschine gerichtete Information, die textuell repräsentiert ist.
Die Tatsache, dass es sich um Ideen verkörpernde Texte handelt, ist von entscheidender juristischer Bedeutung, denn Texte unterliegen dem Schutz des Urheberrechts:
"Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: 1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme".
Den gemeinsamen Rahmen für alle Softwaremodelle bildet also das Urheberrecht,
Die Übertragung von urheberrechtlichen Befugnissen erfolgt bei Software entweder auf individueller Vertragsbasis oder durch Standardlizenzen. Individuelle Verträge kommen üblicherweise bei Individualsoftware, Standardlizenzen bei Software für den Massenmarkt zum Einsatz. Proprietäre Software und FOSS unterscheiden sich lizenzrechtlich in der Hauptsache dahingehend, dass bei FOSS weitergehende Rechte eingeräumt werden. Das Konzept dahinter nennt sich Copyleft, in Anlehnung an das angloamerikanische Gegenstück zum Urheberrecht, das "Copyright".
Eine dem Copyleft-Gedanken folgende Lizenz für eine Software gestattet jeder und jedem, die Software zu vervielfältigen, Kopien lizenzkostenfrei weiter zu verbreiten, die Software für beliebige eigene Zwecke zu nutzen und zu bearbeiten. Software unter einer FOSS-Lizenz entbindet die Anwender von aufwendigen Verhandlungen über die Nutzungsrechte an der erworbenen Software. Sinn und Zweck des Copyleft ist es, auf der Basis gemeinsamer Interessen von Entwicklern und Anwendern die Kooperation zwischen ihnen zu fördern sowie die Integration fremder und eigener Leistungen möglichst unaufwändig zu gestalten.
Demgegenüber reservieren Lizenzen für proprietäre Software praktisch alle weitergehenden Rechte – über das der einfachen Nutzung hinaus – für den Eigentümer der Software. Die Integration fremder und eigener Leistungen soll so erschwert werden, um dem Eigentümer ein Alleinstellungsmerkmal im Softwaremarkt zu garantieren, aus dem dieser Kapital schlagen kann.
An dieser Stelle ist auf einen wichtigen Unterschied zwischen Freier und Open-Source-Software hinzuweisen: Bei Freier Software wird das Copyleft "vererbt", das heißt, jede Version, die in Umlauf gebracht wird, muss ihrerseits mit denselben Befugnissen ausgestattet werden, auch wenn sie bearbeitet wurde. Paradigmatisch ist die GNU General Public License (GPL). Die GPL wird als "viral" bezeichnet, weil jeder aus GPL-Code abgeleitete Code ebenfalls unter der GPL zu lizenzieren ist. GPL-Software "vererbt" in diesem Sinne die an sie gekoppelten Rechte und Pflichten. Bei Open-Source-Software kommen liberalere Lizenzen zum Einsatz, die zum Teil die Privatisierung bearbeiteter Versionen nicht ausschließen.
Quellcode versus Binärcode
Software entsteht als Text. In speziellen Programmiersprachen von Menschen verfasst, werden die Programmtexte – die Quellcodes – von anderen Programmen übersetzt, in die Maschinensprache des jeweiligen Mikroprozessors. Erst in dieser Form, praktisch nicht mehr für den Menschen verständlich, werden die Informationen aus den Programmtexten für die Computer interpretierbar. Hierin gleichen sich proprietäre und Freie bzw. Open-Source-Software.
Die Besonderheit von solchen Programm-Texten liegt darin, dass sie in Verbindung mit entsprechender Hardware Wirkungen
Das Recht des geistigen Eigentums kennt eine Dichotomie zwischen ungeschützten, abstrakten Ideen und ihren schutzfähigen Ausdrucksformen (Urheberrecht) bzw. angewandten Wirkmechanismen (Patentrecht
Der beschriebene Ablauf bei der Softwareentwicklung, wo die im Quelltext konkret ausgedrückten Ideen maschinell in einen nur noch maschinenlesbaren Text übersetzt werden, führt diesen Grundgedanken der freien Verbreitung von ungschützten Ideen ad absurdum. Praktisch niemand ist in der Lage, aus dem Binärcode eines Programmes die ihm zu Grunde liegenden Ideen zu extrahieren.
FOSS entspricht diesem Bedürfnis nach Zugang und kommt entweder unmittelbar als Quelltext zum Anwender, der den Prozess der Übersetzung dann selbst initieren muss, um ein ablauffähiges Programm zu erhalten. Oder der Quelltext wird, falls FOSS zur Entlastung der Anwender im Binärcode verbreitet wird, zusätzlich auf Abruf zur Verfügung gestellt. Damit bilden Quelltext und FOSS-Lizenz zwei Seiten einer Medaille, deren Besitz Freiheiten schenkt, die im proprietären Softwaremodell unbekannt sind. Die Nutzung dieser Freiheiten hat zur Herausbildung einer aktiven Gemeinschaft von Softwareentwicklern, -vermarktern und -anwendern geführt, die schlicht als "Community" bezeichnet wird.
Die FOSS-Community und der FOSS-Prozess
Industrielle Produktion von Gütern findet in einem arbeitsteiligen Prozess statt, dessen wesentliche Träger in der Marktwirtschaft Unternehmen – Firmen – sind, die über den Markt miteinander und mit den Konsumenten der Güter im Austausch stehen. Proprietäre Software bildet da keine Ausnahme.
Eine Firma ist ein Zusammenschluss von Menschen, die miteinander überwiegend in vertraglich fixierten, auf längere Dauer angelegten, hierarchischen Beziehungen verbunden sind. Der Zweck des Zusammenschlusses ist die Produktion und Vermarktung von Waren im weitesten Sinne mit dem Ziel der Erwirtschaftung von Profiten. Um die Profite zu maximieren, versucht die Firma, unnötige Ausgaben zu vermeiden. Die Grenzen der Firma werden maßgeblich dadurch bestimmt, dass die zur Wertschöpfung notwendigen Schritte im Rahmen der Firma kostengünstiger ausgeführt werden können als über den Markt.
Die Entwicklung von FOSS findet, wie erwähnt, in einer Community statt,
Vorherrschend sind in der FOSS-Community Ad-hoc-Beziehungen aus der Beteiligung von Anwender-Entwicklern, wobei die individuelle Position von der Bedeutung der eigenen Beiträge für das jeweilige Projekt abhängt (Meritokratie). Die Bewertung erfolgt dabei durch die anderen Projektteilnehmer. Dieser Bewertungsprozess wird häufig mit dem aus der Wissenschaft bekannten Peer-Review-Verfahren verglichen, bei dem die Beurteilung der individuellen Leistungen von Wissenschaftlern durch deren Kollegen erfolgt. Der offene Peer-Review-Prozess der FOSS-Community findet im Internet statt
Die Projektführung liegt in den Händen charismatischer Persönlichkeiten mit hoher Reputation innerhalb der Community. Deren Autorität beruht auf der Duldung durch die Projektmitglieder, besonders durch die Mitglieder eines engeren Zirkels ("peers"). Solange der oder die Projektführer konform mit den Auffassungen einer Mehrheit von Mitgliedern im Hinblick auf das Projekt sind, behalten sie ihre Rolle. Verstoßen sie jedoch dagegen, laufen sie Gefahr, ihre Position zu verlieren.
Ein FOSS-Prozess (Projekt) kann auf unterschiedliche Weise begründet werden. Um die Endpunkte des Spektrums zu skizzieren: Es kann sein, dass ein individueller Entwickler zur Lösung eines individuellen Problems Software schreibt, deren Quellcode unter einer FOSS-Lizenz im Internet veröffentlicht und zur Mitarbeit einlädt.
Mit der Initiierung ist der Erfolg eines FOSS-Projekts noch nicht garantiert, aber eine unabdingbare Voraussetzung geschaffen. Über den Erfolg entscheiden letztlich, wie im Markt, die Abnehmer, d.h. die Anwender. Bedient die Software weit verbreitete Bedürfnisse, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich um die Software eine Anwender-Entwickler-Community bildet und deren Entwicklung aktiv vorantreibt. Die Entstehung einer Community ist jedoch eher unwahrscheinlich, wenn es sich um eine Spezialsoftware mit sehr engem Anwendungsbereich handelt.
Anwender spielen im FOSS-Modell eine besondere Rolle. Dort, wo es im proprietären Modell Konsumenten gibt, deren Einfluss auf die Produktgestaltung von Massenmarktsoftware eher marginal ist, steht im FOSS-Modell der Anwender-Entwickler, dem die FOSS-Lizenz das Recht und der Quellcode die praktische Möglichkeit geben, eigene Vorstellungen in ein Produkt hineinzuprogrammieren. Über das Internet stehen verschiedene Wege zur Kommunikation mit dem Projekt, d.h. anderen Anwender-Entwicklern offen. Der Anwender-Entwickler ist der Schlüssel des FOSS-Prozesses. Statt bloß als Abnehmer aufzutreten, wird er Akteur des Entwicklungsprozesses.
Strukturell handelt es sich bei der FOSS-Community als Ganzem um ein Netzwerk aus Netzwerken (kleineren Communities), wie sie für die Informationsgesellschaft als typisch angesehen werden.
Große FOSS-Projekte, wie der Betriebssystemkern Linux oder der Webserver Apache, differenzieren im Laufe ihrer Evolution Subnetzwerke zur Lösung von Detailproblemen aus. Das können Hardwaretreiber im Fall von Linux oder Module zur Anbindung von Datenbanken im Fall von Apache sein. Das Internet liefert die logistische Grundlage und hat mit seinen niedrigen Kommunikationskosten entscheidend zum Erfolg des FOSS-Modells beigetragen. Die Kommunikation selbst findet zwischen den Mitgliedern der Community unmittelbar
Die Ursprünge der FOSS
An dieser Stelle soll kurz auf die historischen Hintergründe der FOSS-Bewegung eingegangen werden.
Will man FOSS nicht bloß als konsequente Übertragung des von der Wissenschaft entwickelten Entdeckungsmodells auf die Software verstehen, lässt sich die erste Hacker-Community im Umfeld des Labors für künstliche Intelligenz am MIT ausmachen. Dort nutzten zu Beginn der 1960er Jahre Studenten, Mitarbeiter und ihre Kinder den liberalen Umgang der Laborleiter um erste Erfahrungen mit der interaktiven Programmierung von Computern zu sammeln.
Zu diesem Zeitpunkt war interaktive Programmierung praktisch unbekannt, es herrschte der sogenannte Batch-Betrieb mit Großrechnern vor. Der Zugang zu den Großrechnern war streng hierarchisch organisiert. Software wurde mit Papier und Bleistift entwickelt, dann in Lochkarten gestanzt und den Systemverwaltern übergeben, die den Computer damit fütterten. Der Programmierer selbst kam mit dem Computer kaum in Berührung, durfte sich nur irgendwann die Rechenergebnisse abholen.
Gegen dieses Klima der Technikkontrolle rebellierten einige bastelfreudige Individualisten, überwiegend Studenten, und eroberten sich ungenutzte "Kleincomputer", die sie für ihre Zwecke in Beschlag nahmen. Sie programmierten Betriebssysteme, Assembler und erste Computerspiele, deren Code sie untereinander austauschten und freigiebig an Interessenten außerhalb des Labors weitergaben.
In den 1970er Jahren war Richard Stallman einer der aktiven Hacker dieser Community. Er musste miterleben, wie Kontroll- und Eigentumsdenken immer mehr auch im AI-Labor des MIT um sich griffen. Passwörter wurden eingeführt und Software wurde privatisiert (viele Hacker gingen in die Industrie, gründeten eigene Softwareunternehmen).
Die historische Erfahrung des Zusammenbruchs der Hacker-Bewegung lehrte Stallman, dass Softwareentwicklung unter puren Laissez-faire-Bedingungen allzu leicht ein Opfer der "Tragödie der Allmende" werden kann: Alle mit Zugang zum Code können sich diesen aneignen und profitabel verwerten, und überwiegend werden sie genau das tun, wenn sie nicht durch entsprechende institutionelle Rahmenbedingungen daran gehindert werden. Den entnommenen Code werden sie dann als ihr Eigentum betrachten, weiterentwickeln und exklusiv vermarkten.
Software sollte frei sein, war das Motto der Hacker und Stallman glaubte daran. Ende der 1970er Jahr war er praktisch "der letzte der wahren Hacker" (Steven Levy) und beschloss 1983, das MIT zu verlassen:
"Aber er verließ das MIT mit einem Plan: eine Version des populären Betriebssystems UNIX zu schreiben und an alle zu verteilen, die daran Interesse hätten."
Er nannte sein geplantes System GNU, ein Akronym für "Gnu is Not Unix". Schritt für Schritt entwickelte Stallman, unzweifelhaft einer der besten Softwareentwickler der Welt, die zu einem UNIX-System
Der Erfolg eines Softwaremodells, das den freien Umgang mit dem Quellcode gestattete, erforderte jedoch die Schaffung von spezifischen institutionellen Rahmenbedingungen, die den Raubbau an der "Code-Allmende" verhindern. Um zu garantieren, dass die von ihm und seinen Mitstreitern geschriebene Software auch wirklich frei blieb, entwickelte er die erste Lizenz für freie Software, die GNU General Public License (GPL).
Anfang der 1990er Jahre waren die Entwicklungsarbeiten weit forgeschritten, es fehlte praktisch nur noch der Betriebssystemkern. Dessen Platz sollte innerhalb kurzer Zeit Linux ausfüllen, das seit 1991 unter Leitung des finnischen Studenten Linus Torvalds im Internet entwickelt und von diesem unter der GPL lizenziert wurde. Mitte der 1990er Jahre war die Kombination aus GNU und Linux reif genug für erste geschäftskritische Anwendungen und der Apache Webserver machte sie in aller Welt bekannt.
Der Erfolg Freier Software weckte das Interesse von Unternehmern und man begann, vorrangig in den USA, darüber nachzudenken, wie man damit Geld verdienen könnte. Das philosophische Grundkonzept der GPL mit seinem radikalen Freiheitsbekenntnis wurde als zu strikt angesehen und von einer Gruppe von Leuten um Eric S. Raymond modifiziert. Statt von Freier Software wollte man zukünftig von Open-Source-Software sprechen und eigene Lizenzen entwickeln, die weniger Freiheit auch zulassen würden.
Praktisch alle großen Softwareanbieter bieten inzwischen (2005) Teile ihres Produktportfolios für FOSS-Betriebssysteme oder als FOSS an und selbst Microsoft wagt erste Schritte auf die Community zu.
3. FOSS, Firmen und der Markt
FOSS-Prozesse und auch der "Markt" für FOSS entstehen aus der Summe individueller Kosten-Nutzen-Erwägungen und strategischer Überlegungen, die im einzelnen gar nicht objektiv richtig sein müssen, in ihrer Gesamtheit jedoch ein Wechselspiel von Nachfrage und Angebot hervorbringen, das sich gar nicht so sehr von anderen Märkten unterscheidet. FOSS-Prozesse treten an die Stelle des Marktes, wo diese Organisations- und Produktionsweise vergleichsweise Kostenvorteile zu bieten hat. Viele Firmen haben das begriffen und bemühen sich um eine eigenständige Open-Source-Strategie, um das Beste aus beiden Welten - Markt und Community - für sich nutzbar zu machen.
Die Nachfrageseite
Auf der Nachfrageseite findet man potentiell jedes Unternehmen, dessen Wertschöpfungskette zumindest in Teilen auf dem Softwareeinsatz beruht. Auch Behörden, Bildungseinrichtungen, Privatanwender usw. zählen zu den Nachfragern.
Aus Unternehmenssicht ist die Effizienz der Wertschöpfungskette ausschlaggebend für die Erreichung der Unternehmensziele. "Die Informationstechnik durchdringt die Wertschöpfungskette an jedem Punkt und verändert radikal Wertschöpfungsaktivitäten und zwischen ihnen bestehende Verkettungen. Sie beeinflußt aber auch die Wettbewerbsbreite und die Art und Weise, wie ein Produkt die Wünsche des Konsumenten befriedigt. Diese grundlegenden Effekte erklären, warum die Informationstechnik strategische Bedeutung hat und sich darin von vielen anderen Technologien für kommerzielle Anwendungen unterscheidet." (Michael Porter und Victor E. Millar)
Je softwareintensiver die Wertschöpfungskette ist, desto stärker fallen die Kostenfaktoren Lizenzierung/Entwicklung und Wartung von Software ins Gewicht. Jedes Softwaremodell, das in der Summe niedrigere Kosten für die Wertschöpfungskette verspricht, wird daher von Firmen auf lange Sicht bevorzugt werden. Das FOSS-Modell leistet das, indem die Entwicklung und Wartung der Software zumindest teilweise außerhalb der Firma stattfindet, ohne dass dafür Lizenz- oder Servicekosten anfallen. So ist es nur allzu verständlich, dass viele Firmen Kosteneinsparungen als eines ihrer wichtigsten Motive für den Einsatz von Open-Source-Software in ihrer Wertschöpfungskette nennen. Weitere wichtige Motive sind u.a.:
Open-Source-Software unterstützt die Innovation in kleinen Unternehmen.
Die Beiträge und Unterstützung aus der Community sind hilfreich beim Finden und Beseitigen von Fehlern.
Open-Source-Software ist zuverlässig und von hoher Qualität.
Effektiv handelt es sich für viele Unternehmen um das Auslagern von Teilen der Wertschöpfungskette, wenn sie auf FOSS zurückgreifen oder selbst FOSS bereitstellen: Ehemals private Kosten für Entwicklung und Wartung (des Unternehmens) werden sozialisiert, wohingegen die Abschöpfung des Profits aus der gesamten Wertschöpfungskette überwiegend beim Unternehmen verbleibt. Eine fundamentale Kapitalismusfeindlichkeit, wie gelegentlich unterstellt, wohnt dem FOSS-Modell keinesfalls inne.
Die Anbieterseite
Auf der Anbieterseite ist potentiell jedes Unternehmen zu finden, das entweder Software oder Produkte, die Software enthalten, vermarktet. Dazu kommen andere Organisationen mit eigener Softwareentwicklung und Privatleute, die im Internet FOSS zur Verfügung stellen. Ein Teil der Nachfrage nach reiner Software wird bereits durch deren Angebote bedient, so dass spezialisierte Softwarehersteller partiell entbehrlich werden.
Reine Software und kombinierte Angebote
Aus der Perspektive von mehr oder weniger reinen Softwareanbietern stellt sich die Lage im Hinblick auf FOSS am schwierigsten dar. Dort ist die Wertschöpfungskette stark auf die Softwareentwicklung und den Softwarevertrieb im Lizenzgeschäft fokussiert, deren Voraussetzung die Knappheit an Code ist. Diese Bedingung ist bei FOSS nicht erfüllt.
Kostengünstige oder lizenzkostenfreie Konkurrenz – nicht nur auch aus der FOSS-Community – gefährdet praktisch die gesamte Wertschöpfungskette solcher Unternehmen. Sollte es ihnen nicht gelingen, durch technologische oder rechtliche
Die durch Urheber- und Patentrecht gesicherten exklusiven Eigentumsrechte ermöglichen es einem Hersteller proprietärer Software, Profite zu erzielen, indem potentielle Konkurrenten daran gehindert werden, durch einfaches Kopieren ein konkurrenzfähiges Produktes auf den Markt zu bringen, ohne dafür selbst Entwicklungskosten tragen zu müssen. Andernfalls könnte der Plagiator leicht die Preise unterbieten und so das Geschäft des ursprünglichen Anbieters untergraben.
FOSS ermöglicht es aber gerade auch potentiellen Konkurrenten, Software zu kopieren, zu variieren und zu vermarkten. Das steigert auf der einen Seite das Angebot, schmälert aber auf der anderen Seite die potentiellen Profite des eigentlichen Entwicklers. Sinken die Profite dadurch soweit, dass die ursprünglichen Produktionskosten nicht amortisiert werden können, ist zu erwarten, dass die Softwareproduktion eingestellt wird.
FOSS-Anbieter standen hingegen von Anfang an vor der Aufgabe, ohne Lizenzeinnahmen wirtschaften zu müssen. Die Lizenzen der Software, die sie vertrieben, folgten praktisch ausschließlich dem Copyleft-Gedanken, was Lizenzgebühren (nicht aber Gebühren für die Distribution) ausschließt.
Ob für die Entwicklung und Vermarktung von Massenmarktsoftware FOSS eine nachhaltige Grundlage bilden kann, bleibt nach aktuellem Kenntnisstand eine nicht eindeutig zu beantwortende Frage. Als Präzedenzfälle kann man vorrangig die Linux-Distributoren heranziehen, die seit mehreren Jahren im Geschäft sind. Deren Profitmargen bleiben auf der einen Seite (wie zu erwarten) deutlich hinter denen der großen Anbieter proprietärer Software zurück.
Auf der anderen Seite ist es ihnen gelungen, durch differenzierte Angebote und insbesondere durch komplementäre Dienstleistungen im Markt zu bestehen. Praktisch alle Linux-Distributoren bieten ihre Produkte mit unterschiedlichem Ausstattungsgrad zu unterschiedlichen Preisen an, und daran anschließend Dienstleistungen wie Auftragsentwicklung, Systeminstallation und -integration sowie Wartung. Für ihren Geschäftserfolg ist der Mix der Angebote aus FOSS-Basiskomponenten und individuellen Komplementärleistungen entscheidend. Als reiner Softwareanbieter hat sich keiner von ihnen durchgesetzt.
Während die Distributoren den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf Produkte legen, agieren große und kleine FOSS-Dienstleister im Markt, deren Leistung in der Anpassung von Standard-FOSS-Paketen an individuelle Anforderungen bestehen. Sie unterscheiden sich nicht wesentlich von Systemintegratoren, die mit proprietärer Software arbeiten. Bezahlt wird die Lösung, nicht die Software, wobei unter einer Lösung in der Regel eine Kombination aus Hardware, Software und Dienstleistung zu verstehen ist.
Auftragsentwicklung
Für kleine Unternehmen mit einem Leistungsportfolio, das individuelle Auftraggeber anspricht, erleichtern FOSS den Marktzutritt und die Innovationsaktivitäten erheblich:
Eingesparte Lizenz- und Entwicklungskosten können in niedrigere Preise an den Auftraggeber weitergegeben werden, was den potentiellen Markt vergrößert.
Es gelingt in kürzerer Zeit, Entwicklungskosten zu amortisieren, wenn man auf einem großen vorhandenen Bestand an Software aufbauen kann.
Ein fehlendes Lizenzgeschäft stellt kein Problem dar, da in der Regel Einnahmen aus Werkverträgen existieren, die reale Kosten abbilden. Die Notwendigkeit, hohe Entwicklungskosten auf zahlenmäßig viele Anwender verteilen zu müssen, entfällt.
Im Fall von Software stimuliert FOSS die Aktivitäten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und beseitigt Disparitäten zu großen Herstellern, die über einen eigenen Bestand an Quellcodes verfügen. Konsequenterweise kann man regional ein Wachstum von industriellen FOSS-Strukturen besonders im KMU-Segment beobachten.
Eingebettete Systeme
Eingebette Systeme sind jene kleinen Computer, die unsere Waschmaschinen, Digitalkameras, Fahrscheinautomaten und Autos steuern. Sie tragen unterstützend zur Gesamtfunktion eines Produktes bei, wir erwerben sie nicht separat.
Eingebettete Systeme kommen in den unterschiedlichsten Zusammenhängen zum Einsatz, entsprechend heterogen sind die Anforderungen an die Software. Ohne Anpassungen lässt sich praktisch kein Code verwenden, sei er proprietärer Natur oder FOSS. Was vor allem zählt, ist Flexibilität. Das betrifft sowohl die Technik als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen.
FOSS hat in diesem Umfeld schnell Fuß gefasst, wofür ein Gemenge aus unterschiedlichen Motiven verantwortlich ist.
FOSS in eingebetteten Systemen bringt für den Anbieter den Vorteil mit sich, dass die Softwarekosten im Preis für das Gesamtprodukt berücksichtigt werden können. Physische Produkte lassen sich im Unterschied zu Software nicht kostenfrei reproduzieren. Das Bündeln von Software mit physischen Produkten ermöglicht daher ein profitables Geschäftsmodell, selbst wenn die Software als FOSS freigegeben wird.
4. FOSS: Perspektiven jenseits klassischer Eigentumsverhältnisse
FOSS ist eine Kombination aus Technik, Recht und sozialen Prozessen zur arbeitsteiligen Produktion von Software in der Informationsgesellschaft.
Aus der Hackerbewegung der 1960er Jahre enstanden, hat sich mit FOSS ein Modell herausgebildet, das die Bedürfnisse der vernetzten Informationsgesellschaft an kostengünstigem und flexiblen Zugang zu zuverlässiger Software erfüllt. Für Entwicklungs- und Schwellenländer mit einer dynamisch wachsenden IT-Infrastruktur und hohen Lizenzkosten für importierte Software aus den Industrieländern bietet sich das FOSS-Modell sogar als industriepolitisches Förderinstrument an.
Das Gesamtangebot an verfügbarer Software wächst mit FOSS. Der frei verfügbare Quellcode ermöglicht neuen Unternehmen einen kostengünstigen Zutritt zum Markt, was Konzentrationstendenzen entgegenwirkt. Stattdessen wird der Markt anbieterseitig fragmentiert, lokale werden Strukturen gestärkt. Der so verschärfte Wettbewerb zwingt Hersteller proprietärer Softwareprodukte zur Anpassung des Angebots an die Nachfrage, sowohl bei Preisen als auch bei der Leistung.
Profitabilität hängt bei FOSS von der geschickten Kombination unterschiedlicher Wertschöpfungsaktivitäten im Geschäftsmodell zusammen. Dienstleistungen und integrierte Lösungen statt reiner Softwareprodukte tragen den wesentlichen Anteil zum Geschäft bei.
FOSS und Marktwirtschaft sind offensichtlich keine Gegensätze, obwohl die Eigentumsrechte am Code keineswegs den klassischen kapitalistischen Verhältnissen entsprechen. Wie am Beispiel von FOSS sichtbar wird, stärken schwache Eigentumsrechte an Informationsartefakten den Markt für Integrations- und Dienstleistungen mit diesen Artefakten. Eine künstliche Verknappung durch starke Rechte aus geistigem Eigentum ist im Fall von Software keine allgemein notwendige Bedingung für die Schaffung von Anreizen zur Produktion.
In der Informationsgesellschaft wird die Rolle der Community als einer Quelle des gesellschaftlichen Reichtums gestärkt. In der Community werden Informationsgüter in Teilen gemeinschaftlich verwaltet – als Allmenden.
Beitrag aus: Hofmann, Jeanette (Hg.):