Um zu verstehen, was Verwertungs- gesellschaften eigentlich sind, muss man ungefähr wissen, wie das Urheberrecht in Deutschland aufgebaut ist und funktioniert. Das Urheberrechtsgesetz gibt den Urhebern das alleinige Recht zu entscheiden, was mit ihren Werken passiert. Ein Schriftsteller schreibt also einen Text, ein Musiker komponiert ein Lied oder ein Künstler malt ein Bild, veröffentlicht die jeweilige Arbeit und bekommt im Idealfall dafür Geld, etwa von einem Verlag oder einer Plattenfirma.
Die Werke sind nun in den Buchhandlungen und Plattenläden, aber auch in Bibliotheken, werden ausgeliehen und kopiert, im Radio gesendet oder an öffentlichen Orten gespielt. Nach dem Gesetz haben jedoch die Urheber Anspruch darauf, dass sie jedes Mal gefragt und vergütet werden, wenn ihre Werke kopiert, veröffentlicht, öffentlich aufgeführt, gesendet oder ausgestellt werden.
Das ist für den einzelnen Urheber in den meisten Fällen aber nur schwer zu kontrollieren. Wie soll eine Band nachprüfen, auf welchem Radiosender ihre Lieder gespielt werden, damit sie bei jedem Abspielen eine Rechnung schicken kann?
Bild: dieSachbearbeiter.de, cc by-nc-nd/2.0/de (bpb, Bild: dieSachbearbeiter.de, cc by-nc-nd/2.0/de ) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de
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Noch schwieriger ist das bei privaten Kopiervorgängen. Grundsätzlich dürften Nutzer nämlich nicht einmal für private Zwecke Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken herstellen – also von allen persönlichen geistigen Schöpfungen "der Literatur, Wissenschaft und Kunst", wie es das Urheberrechtsgesetz definiert. Da das jedoch sehr schwierig (bis unmöglich) zu kontrollieren wäre und dazu noch den Umgang mit Texten, Musik, Filmen und Bildern unnötig erschweren würde, hat der Gesetzgeber sogenannte Schranken des Urheberrechts eingeführt.
Schrankenbestimmungen
In ihnen werden im Sinne der Nutzer Ausnahmen geschaffen, wann, zu welchen Bedingungen und zu welchen Zwecken Nutzungen erlaubt sind, für die man normalerweise eine Einwilligung des Urhebers einholen müsste. Ausnahmen gelten zum Beispiel für Bibliotheken, Schulen und andere Bildungseinrichtungen sowie behinderte Menschen. Eine der wichtigsten Schrankenbestimmungen ist die Privatkopie-Schranke, die in Paragraph 53 unter der Überschrift "Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch" geregelt ist.
Die Privatkopie-Schranke erlaubt einzelne Vervielfältigungen eines Werkes zum privaten Gebrauch. Das bedeutet, dass man für sich selbst, für Freunde und Verwandte in gewissem Rahmen Kopien von Musik-CDs, Filmen oder Büchern anfertigen darf. Auch dabei gibt es Einschränkungen – so darf man keinen Kopierschutz umgehen, was das Kopieren von Filmen auf DVD fast unmöglich macht, und auch Kopien von unrechtmäßig hergestellten Vorlagen sind verboten –, aber im großen und ganzen sind private Kopien erlaubt.
Der Urheber hat allerdings auch hier das Recht, an jeder Nutzung, in diesem Fall also dem Vervielfältigungsvorgang (so nennt sich im juristischen Jargon das Kopieren), finanziell beteiligt zu werden. Wie aber soll er an sein Geld herankommen? Wie soll er wissen, was von wem in welchem Umfang privat kopiert wurde? Hier kommen die Verwertungsgesellschaften ins Spiel.
Endlich: Was machen die Verwertungsgesellschaften?
Sie nehmen im Namen von Urhebern – zum Beispiel Autoren, Komponisten, bildenden Künstlern, Fotografen, Musikern – und Rechteverwertern (Plattenfirmen, Musikverlagen) die sogenannten "sekundären" Verwertungsrechte wahr. Das sind neben den privaten Vervielfältigungen zum Beispiel die Sendung im Rundfunk, aber auch das Ausleihen in der Bibliothek (und noch einige andere Zwecke).
All diese Nutzungshandlungen müssen vergütet werden, was auf unterschiedliche Art und Weise geschieht. Einige dieser Vergütungsansprüche können überhaupt nur über Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden. Das heißt, dass Urheber, die nicht Mitglied einer Verwertungsgesellschaft sind, auch kein Geld für die Nutzungen bekommen.
Die ersten Verwertungsgesellschaften entstanden Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts: 1903 wurde die Anstalt für musikalische Aufführungsrechte (AFMA) von der Genossenschaft Deutscher Tonsetzer (GDT) gegründet. Es folgten in den Jahren danach noch weitere Gesellschaften, etwa der Verband zum Schutze musikalischer Aufführungsrechte 1916 oder die Staatlich genehmigte Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte (STAGMA) 1933.
Nach 1945 änderte die STAGMA ihren Namen um in GEMA ("Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte"), die heute noch die Zweitverwertungsrechte für Komponisten, Textdichter und Musikverlage wahrnimmt. Aber erst das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz von 1965 regelte die Aufgaben und Pflichten der Verwertungsgesellschaften im heutigen Sinne.
Dieses Gesetz legt etwa fest, dass Verwertungsgesellschaften, die eigentlich privatwirtschaftliche Organisationen sind, der Aufsicht öffentlicher Stellen (genauer dem Deutschen Patent- und Markenamt) unterliegen, da sie Aufgaben übernehmen, die im Urheberrechtsgesetz festgeschrieben sind. Nicht jeder kann einfach so eine Verwertungsgesellschaft gründen – man braucht eine Erlaubnis des Patent- und Markenamts. Außerdem müssen ihre Einnahmen nach einem öffentlichen Verteilungsplan ausgeschüttet werden, der "kulturell bedeutende Werke und Leistungen" fördert.
Welche Verwertungsgesellschaften gibt es?
Verwertungsgesellschaften haben häufig ein faktisches Monopol in ihrem Bereich: Will etwa ein Journalist jemanden beauftragen, seine Rechte aus der Kopiervergütung wahrzunehmen, da er es selbst nicht kann, bleibt ihm keine andere Wahl als zur VG Wort (das VG steht für Verwertungsgesellschaft) zu gehen. Diese ist zuständig für Autoren, Übersetzer und Verleger von schöngeistigen und dramatischen, journalistischen und wissenschaftlichen Texten.
Für Komponisten, Textdichter und Musikverlage gibt es die GEMA. Sie hat im Jahr 2006 874,4 Millionen Euro erwirtschaftet
Dazu kommen Radio- und Fernsehsender, die für jedes gespielte Stück ebenfalls GEMA-Gebühren zahlen. Zudem nimmt die GEMA die "mechanischen Vervielfältigungsrechte" der Musikurheber und -verlage wahr, also das Recht, Musikwerke auf Tonträger wie CDs zu speichern und diese dann zu verkaufen. Um als Komponist oder Textdichter an diesen Geldkuchen ranzukommen, muss man GEMA-Mitglied werden und seine veröffentlichten Stücke anmelden. Ernste Musik wird dabei nach einem höheren Schlüssel verrechnet als sogenannte U-Musik, Unterhaltungsmusik. Die Komponisten von ernster Musik bekommen also verhältnismäßig mehr Geld als die von U-Musik.
Ausübende Musiker, die ihre Musik nicht selbst komponieren, wenden sich an die GVL – Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten. Solche Leistungsschutzrechte bestehen an "Darbietungen von geschützten Werken", werden also etwa Musikern, Schauspielern, Synchronsprechern oder Quizmastern gewährt. Neben den ausübenden Musikern haben schließlich auch Tonträgerhersteller – vor allem Musikproduzenten – Leistungsschutzrechte.
Die VG Bild-Kunst nimmt Rechte der bildenden Künstler, Fotografen und Filmschaffenden wahr und nimmt die Vergütungen ein, die ihnen zustehen. Ihre Einnahmen kommen zum Einen aus pauschalen Urheberrechtsabgaben, wie zum Beispiel der Privatkopievergütung aus Leermedien- und Geräteabgaben, Bibliotheks- und Pressespiegeltantiemen (die auch an die anderen Verwertungsgesellschaften verteilt werden); zum Anderen aus den Zahlungen für Reproduktionen einzelner Bilder. So verwaltet die VG Bild-Kunst die Rechte, wenn man zum Beispiel ein Bild auf einem Plakat oder in einem Buch abdrucken möchte.
Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Verwertungsgesellschaften für Film, Fernsehen, Werbung, Musikeditionen und so weiter. Eine Liste der wichtigsten findet sich im Rahmen rechts neben dem Artikel.
Einnahmen der Verwertungsgesellschaften
Das Geld, das die Verwertungsgesellschaften an die Urheber ausschütten, kommt aus mehreren Quellen. Einige sind schon erwähnt worden, etwa die Tantiemen für die Bibliotheksausleihe und GEMA-Gebühren für die öffentliche Aufführung von Musik; weitere sind Abgaben für Pressespiegel oder für den Gebrauch im Unterricht an Schulen und Hochschulen.
Die Geräte- und Leermedienabgabe wurde 1965 in Deutschland eingeführt, um einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass durch die technische Entwicklung immer mehr private Kopien von urheberrechtlich geschütztem Material gemacht werden konnten. Sie wird pauschal auf Geräte erhoben, die zum Kopieren genutzt werden können, egal, ob der einzelne Nutzer sie dafür wirklich gebraucht oder nicht. Deshalb wird sie auch als "Pauschalabgabe" bezeichnet. Leermedien wie CD- und DVD-Rohlinge, Tonbänder, Audio- und Videokassetten oder DATs (Digital Audio Tape) fallen – neben den Kopiergeräten – auch unter die Vergütungspflicht.
Die Höhe der Abgabe wird im Urheberrechtsgesetz – in der Anlage zu Paragraf 54 d Absatz 1
Für Videorekorder etwa gehen 9,21 Euro des Verkaufspreises an die Verwertungsgesellschaften, für Kassettenrekorder 1,28 Euro, DVD-Brenner 9,21 Euro, CD-Brenner 7,50 Euro, Festplattenrekorder 12,00 Euro, MP3 Player mit Aufnahmefunktion mit auswechselbarem Speicher 1,28 Euro, mit fest eingebautem Speicher 2,56 Euro. Die Gebühren für Analogkopierer, Faxgeräte, Scanner bewegen sich je nach Leistungsfähigkeit zwischen 10,23 und 613,56 Euro.
Die Abgaben auf Leermedien beziehen sich jeweils auf eine Stunde Spieldauer. Leerkassetten, Tonbänder, DATs, Minidisks und CDs schlagen mit 0,061 Euro zu Buche, Videokassetten und DVDs mit 0,087 Euro je Stunde. Auf einen üblichen DVD-Rohling mit rund 4,70 Gigabyte und einer Spielzeit von 120 Minuten wird also eine Abgabe in Höhe von rund 17 Cent erhoben. Für Data-CDs werden 0,072 Euro pro Spielstunde fällig, allerdings nur auf 30 Prozent der verkauften Exemplare, da sie auch für andere, nicht urheberrechtlich relevante Kopien genutzt werden.
Eingesammelt und verwaltet wird all dieses Geld von der ZPÜ – der Zentralstelle für private Überspielungsrechte, einem Zusammenschluss der Verwertungsgesellschaften für Musik, Text, Bild und Film. Die ZPÜ verteilt das Geld dann nach einem bestimmten Schlüssel and die jeweiligen Verwertungsgesellschaften, die es wiederum an ihre Mitglieder weitergeben.
Verwertungsgesellschaften contra Geräteindustrie
Für welche Geräte und Leermedien Abgaben in welcher Höhe gezahlt werden sollen, ist ein heiß diskutiertes Thema. Die Verwertungsgesellschaften verlangen, dass auf alle Geräte, die zum Kopieren genutzt werden, Abgaben bezahlt werden, während die Gerätehersteller meinen, dass das ihre Produkte so verteuern würde, dass sie weniger verkaufen würden.
Auch die großen Plattenfirmen würden es nach einigen Aussagen vorziehen, wenn Pauschalabgaben – und die Privatkopie – ganz abgeschafft würden und jede einzelne Nutzungshandlung bezahlt würde. Technisch soll das über so genanntes Digital Rights Management (DRM) bewerkstelligt werden. So könnte man unterbinden, dass CDs kopiert werden können, und damit wäre auch die Pauschalabgabe hinfällig.
Schon seit mehreren Jahren schwelt zum Beispiel der Streit, ob für PCs eine Abgabe gezahlt werden soll und wenn, wie hoch sie ausfallen soll. Anfang August 2007 hat das zuständige Schiedsgericht des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) entschieden, dass 15 Euro pro PC angemessen
Sofort protestierte der Verband der IT-Branche, BITKOM, und kündigte an, dass seine Mitglieder nicht zahlen würden. Die BITKOM argumentiert, dass schon für CD- und DVD-Brenner Abgaben anfallen, so dass die sogenannte PC-Gebühr zu einer unangemessenen, doppelten Belastung führen würde
In der aktuellen Urheberrechtsreform, dem sogenannten Zweiten Korb, der Anfang Juli vom Bundestag und Ende September 2007 vom Bundesrat verabschiedet wurde, wird die Höhe der Abgaben nicht mehr per Gesetz festgelegt, sondern soll zwischen den verschiedenen Parteien – also den Verwertungsgesellschaften und der Geräteindustrie – gemeinsam festgelegt werden. Damit will der Gesetzgeber vermeiden, dass es bei Einführung neuer Geräte und Medien zu jahrelangen Auseinandersetzungen kommt, ob und wie hoch diese belastet werden sollen. Wie erfolgreich diese Verhandlungen bei den verhärteten Fronten sein werden, bleibt abzuwarten.
Eine weitere Neuerung des Zweiten Korbes liegt darin, dass die Vergütungshöhe mehr als bisher danach berechnet wird, ob und in welchem Umfang mit dem jeweiligen Gerät oder auf dem jeweiligen Medium urheberrechtlich relevante Kopien angefertigt werden. Der Umfang solcher Nutzungen soll durch Marktstudien und Verbraucherbefragungen herausgefunden werden.