Ostdeutsche „Soft Power“
Die schwierige „Völkerfreundschaft“ an DDR-Universitäten. Am Beispiel von Studierenden aus Asien in Leipzig.
Clémence Andréys Myriam Renaudot
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Im Kalten Krieg entwickelte die DDR das Ausländerstudium als ein Instrument ihrer "Soft Power". Clémence Andréys und Myriam Renaudot beleuchten die Umsetzung der „Völkerfreundschaft“ und den Umgang mit dem Fremdsein an der Karl-Marx-Universität in Leipzig am Beispiel von Studierenden aus Asien in der DDR vor Mauersturz und Wiedervereinigung. Inhaltlich erwies sich der Begriff "Völkerfreundschaft" allerdings eher als propagandistische Floskel, das interkulturelle Miteinander hielt sich in Grenzen.
Leipzig war zur Zeit des Kalten Krieges ein wichtiger internationaler Treffpunkt. In der ostdeutschen geschlossenen Gesellschaft repräsentierte diese Stadt, die zweimal im Jahr eine internationale Messe ausrichtete, ein Tor zur Welt, wie nirgendwo anders in der DDR. Dort wurde auch das Herder Institut, das als Institut für Ausländerstudium an der Karl-Marx-Universität (KMU) fungierte, gegründet. Dieses Institut nahm circa 30.000 der 35.000 ausländischen Studierenden auf, die sich zwischen 1951 und 1990 in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) aufhielten. Nach einem meistens einjährigen sprachlichen und fachlichen Vorbereitungsstudium am Herder Institut wurden Studierende den unterschiedlichen Fach-, Hoch- und Ingenieurschulen der DDR zugeteilt. Darunter nahm die Interner Link: KMU in Leipzig die größte Zahl ausländischer Studierende auf.
Aufgabe der Universität als Ausbildungsstätte war aus ihnen ideologisch gradlinige Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft zu formen. Sie sollten von der Überlegenheit des sozialistischen Weltsystems überzeugt werden. Die auszubildenden Akademikerinnen und Akademiker, die zugleich potenzielle Angehörige ausländischer Eliten waren, sollten auch zu „Freunden“ der DDR werden und nach ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer dort den „Sozialismus Berliner Prägung“, der sich als getreue Version des Moskauer Sozialismus verstand, verbreiten. Im Kontext des Alleinvertretungsanspruchs wirkte die Ausbildung ausländischer Bürgerinnen und Bürger als ostdeutsche Soft Power.
Die ersten Studierenden, die im Rahmen von staatlichen Verträgen in die DDR kamen, stammten aus Asien. Schon am Anfang der 1950er-Jahre nahm die DDR sowohl vietnamesische als auch koreanische und chinesische Studierende auf. Die DDR öffnete auch schnell nichtsozialistischen Ländern die Türen ihrer Universitäten. Nichtsdestotrotz bildeten koreanische Studierende bis 1959 die größte Gruppe ausländischer Studierenden in der DDR. 1958 gab es unter den 1.197 ausländischen Studierenden 349 Studentinnen und Studenten aus Nordkorea, aber nur 205 aus China. Die Chinesinnen und Chinesen waren bis 1967 anwesend, dann kehrten sie in die Heimat zurück, um sich der Kulturrevolution anzuschließen. Die Gruppe der vietnamesischen Studierenden nahm ihrerseits stetig zu, besonders ab Mitte der 1960er-Jahre: von der ersten Studiendelegation von vier Studenten im Oktober 1953 bis zu mehr als 1.000 im Jahre 1990. Im Gegensatz zu manchen Studierenden aus Osteuropa hatten asiatische Studierende nur selten Deutsch in ihrer Heimat gelernt, weshalb sie am Vorbereitungsstudium am Herder Institut teilnehmen mussten. Aufgrund ihrer geopolitischen Lage empfand die DDR eine gewisse Nähe mit den vietnamesischen und koreanischen Studierenden.
Außerdem waren innerhalb des „Friedenslagers“ die Demokratische Koreanische Volksrepublik und die DDR jeweils die am weitesten östlich und am weitesten westlich gelegenen Länder. Ihrerseits sollen sowohl vietnamesische als auch koreanische Studentinnen und Studenten das ostdeutsche Regime anlässlich des Mauerbaus unterstützt haben. Die „Völkerfreundschaft“ war kein unbekannter Begriff für die ostdeutschen Studentinnen und Studenten, die schon in der Schule Spenden im Namen der „internationalen Solidarität“ gesammelt hatten. Im Studium traten sie nun in direkten Kontakt mit Ausländerinnen und Ausländern. Auf etwas Abstraktes, auf einen Begriff, folgte die Wirklichkeit der Begegnung, die Annäherung Deutscher und Nicht-Deutscher und die Möglichkeit eines interkulturellen Austausches.
Anhand der Akten aus dem Universitätsarchiv Leipzig, dem Stasi Unterlagen-Archiv Leipzig und Berlin, dem Sächsischen Staatsarchiv und dem Archivgut der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv wollten wir verstehen, ob die „fremden Freunde“ durch die Erfahrung an der Universität einen anderen Status erhielten. Ziel unseres Beitrages ist es, die Umsetzung der „Völkerfreundschaft“ an der Universität zu erläutern und die Grenzen dieses staatlichen Projekts herauszustellen.
Zunächst wird gezeigt, wie die Universität am Aufbau des sozialistischen Bewusstseins beteiligt war: In der Tat sollte ja eine internationale Arbeiterklasse im und neben dem Studium aufgebaut werden. Dann wird die „Völkerfreundschaft“ an der Universität als Mittel zur Verankerung des internationalen Prestiges der DDR untersucht: Wie wurde Sympathie für das ostdeutsche Regime erregt, damit die zukünftigen Eliten auch in ihren Heimatländern der DDR treu blieben? Die Analyse widmet sich also dem Spannungsverhältnis zwischen dem projizierten Ideal der Partei, die die Studierenden als Vertreterinnen und Vertreter ihrer Heimat betrachtete, und der Reaktion auf eine Freundschaft „per Dekret“ , die auf die Ebene der Individuen verweist.
1. Ausländische Studierende zu „Freunden“ des Sozialismus ausbilden
Das Ausländerstudium hatte ein klares politisch-ideologisches Ziel: Im Rahmen des „proletarischen Internationalismus“ verpflichtete sich die DDR, Genossinnen und Genossen anderer Schwesterparteien oder -organisationen auszubilden und ihnen eine Erfahrung des „wahren“ Sozialismus zu ermöglichen. Die ausländischen Studierenden wurden als Vertreter und Vertreterinnen von Bruderstaaten oder potenzielle Mitglieder des sozialistischen Lagers aufgenommen.
1.1. Die Integration in die sozialistische Gemeinschaft
Die DDR versuchte zunächst einmal eine horizontale Beziehung zwischen den Studierenden aufzubauen: Egal ob sie aus der DDR oder aus dem Ausland stammten, sie wurden der gleichen Disziplinarordnung unterworfen. Schon im Jahre 1953 wurden Landsmannschaften, später auch Nationale Hochschulgruppen, gegründet, die die Interessen der ausländischen Studierenden vertraten und dazu beitragen sollten, mit Hilfe der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der Freundschaftsgesellschaften, der Universitätsparteileitung, der Universitätsgewerkschaftsleitung und der Protektorate ihr gesellschaftliches Leben zu gestalten. Ihre Teilnahme an unterschiedlichen Besprechungen und Komitees, beispielsweise an den Heimkomitees, ist das Zeichen eines gewissen Mitspracherechtes. Asiatische Landsmannschaften, die seit den 1950er-Jahren existierten, sollen aktiv zu Diskussionen und Veranstaltungen beigetragen haben.
Zu den Aufgaben des Internationalen Komitees für Frieden und Völkerfreundschaft am Herder Institut gehörten, einen „Beitrag zur politisch ideologischen Erziehung der Studierenden zu leisten, die Gedanken des weltweiten „Friedenskampfes“ zu verbreiten, solidarisches Handeln anzuregen, im Sinne des proletarischen Internationalismus das Denken und Handeln [der] Studierenden zu fördern und Klarheit über die führende Rolle der Sowjetunion sowie über das Wirken des Sozialismus zu schaffen“. Im Kalender des Komitees spiegelten sich die Grundsätze der sozialistischen Ideologie und der „Völkerfreundschaft“ wider: Der November 1969 war der „Monat der Weltfriedensbewegung“, der April 1970 der „Lenin Monat“ oder der Januar/Februar/März 1972 wurden dem „Sozialistische[n] Friedensprogramm und [der] antiimperialistischen Kampfbereitschaft“ gewidmet. Dieses Internationale Komitee unterstützte Solidaritätsaktionen, da die „Völkerfreundschaft“ auch auf die Solidarität gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Imperialismus baute.
Was die asiatischen Studierenden angeht, wurde vor allem die Solidarität mit den Vietnamesen durch Veranstaltungen und Subbotniks unterstrichen. Der Geist der „Völkerfreundschaft“ sollte auch in der Bestätigung der Einheit des Ostblocks an der Universität sichtbar werden. Ein Wohnheim wurde „Heim der Freundschaft“ getauft, „Feste der Völkerfreundschaft“, „Tage und Feste der Freundschaft“ wurden organisiert. Nationalfeiertage und Meilensteine des internationalen Sozialismus, wie der Tag des Kampfes der Jugend gegen den Kolonialismus (24. April), der Tag der Befreiung vom Faschismus (8. Mai), die Weltstudentenwoche (10-17. November) wurden feierlich als sozialistische Feiertage begangen. Es waren lauter Anlässe, die Ideen des „proletarischen Internationalismus“ hervorzuheben.
Die ausländischen Studierenden wurden regelmäßig geehrt: auf Veranstaltungen über das Ausländerstudium, aber auch auf Veranstaltungen anlässlich des zehnten Jahrestages der Namensgebung der Karl Marx Universität oder bei der Leistungsschau zu Ehren des 20. Jahrestages der DDR.
Diese Feierlichkeiten sollten zeigen, wie gut die ausländischen Studierenden integriert waren und dass sie mit ihren ostdeutschen Genossen und Genossinnen eine Gemeinschaft bildeten. Sie erinnerten auch an die führende Rolle der DDR in der Ausbildung der jungen Sozialistinnen und Sozialisten auf der Welt. Diese Veranstaltungen waren in gewisser Weise performative Akte: Indem die Einheit des sozialistischen Lagers inszeniert und gefeiert wurde, existierte sie. Jedoch verliefen die Festigung der sozialistischen Gemeinschaft und die Förderung der „Völkerfreundschaft“ nicht reibungslos. Da sie als privilegierte Ansprechpartnerinnen für die Universitätsinstanzen fungierten, bedauerte die KMU zum Beispiel die fehlende Zusammenarbeit der Nationalen Hochschulgruppen bei der Bildung des Internationalen Komitees für Frieden und Völkerfreundschaft. Der Vorsitzende des Komitees kritisierte die fehlende oder zu langsame Reaktion der Hochschulgruppen auf die Aufforderungen des Komitees, jeweils ein Mitglied als Vertreter oder Vertreterin zu entsenden.
Individuell oder durch persönliche Anfragen von Dozentinnen und Dozenten hatten sich ausländische Studierende doch angemeldet. Die schwierige Mitarbeit mit den Nationalen Hochschulgruppen, die sich als Kollektiv von ausländischen Studierenden kaum für die Förderung der „Völkerfreundschaft“ engagierten, wurde hervorgehoben. Die jungen Ausländerinnen und Ausländer fühlten sich als Studierende und nicht als Genossen und waren mehr besorgt um die Probleme ihrer Heimatländer als um die Festigung der Bande der sozialistischen Gemeinschaft.
Die Universität war ein Mikrokosmos, in dem sich die Beziehungen zwischen den Staaten auf der Makroebene widerspiegelten. Die Aufnahme von Studierenden aus Volksdemokratien, aber auch aus nicht-sozialistischen Staaten oder sogar aus kapitalistischen Ländern implizierte die Koexistenz von unterschiedlichen Weltanschauungen, die die Studierenden vertraten und über welche sie diskutierten. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) überwachte diese Ideenaustausche und versuchte, darüber die Oberhand zu behalten, denn sie sah eine Gefahr in der Verbreitung anderer politischen Modelle, die die jungen „Freundinnen und Freunde“ vom „echten“ Sozialismus ablenken konnten.
1.2. Das Abbröckeln der sozialistischen Einheit durch den chinesisch-sowjetischen Konflikt
Die am Ende der 1950er-Jahre begonnenen Spannungen zwischen der Sowjetunion und der Volksrepublik China (VRC) wurden auch an der KMU und am Herder Institut spürbar. Die chinesischen Studierenden traten tatsächlich für die ideologische Wende der chinesischen kommunistischen Partei ein. Sie benutzten unterschiedliche Feiertage, Ausspracheabende, Versammlungen, Foren oder Ausflüge und verteilten ohne Genehmigung Material, mit dem die chinesische Botschaft in der DDR sie versorgte. Sie verteidigten die Politik ihrer Heimat in der indirekten Austragung des Konflikts zwischen Albanien und Jugoslawien: Sie attackierten den „Revisionismus“ Jugoslawiens, während die DDR als treuer Vasall der Sowjetunion das jugoslawische Regime unterstützte. Sie distanzierten sich von der ostdeutschen beziehungsweise sowjetischen Version der Kubakrise und ergriffen öffentlich die Partei Chinas im Grenzkonflikt zwischen China und Indien. Es kam zu Konflikten in den Internaten, da indische und chinesische Studierende auf dem gleichen Korridor wohnten. Ab 1962 erkannten die jungen Chinesinnen und Chinesen nicht mehr die führende Rolle der Sowjetunion an und beanspruchten stattdessen die führende Rolle Chinas.
Der Höhepunkt der Spannungen wurde 1966 erreicht, als die Kulturrevolution in China einsetzte. Die chinesischen Studierenden, die das maoistische Regime unterstützten, nahmen in den Augen der DDR eine „provokatorische“ Haltung ein. Sie stellten die „Völkerfreundschaft“ klar in Frage: Sie rebellierten gegen alle Veranstaltungen, die vom Komitee des Friedens und Völkerfreundschaft organisiert wurden.
Den Inhalt der Sprachkurse am Herder Institut benutzten sie als Vorwand für Proteste. Auf der einen Seite leisteten sie „passiven Widerstand“ und auf der anderen Seite trugen sie Mao-Abzeichen, lasen und zitierten in aller Öffentlichkeit Maos Bücher. Sie nutzten vor allem Veranstaltungen innerhalb der Internate der KMU, um ihre Ideen zu verbreiten. Sie zogen sogar die Einhaltung von Studienregeln und die Verwaltungsfragen ins Lächerliche. Oder sie versuchten eine andere Taktik und legten ein vorbildliches Benehmen an den Tag, um ihre Position zurückzugewinnen. Bei diesen Studierenden siegte der Pro-Mao-Nationalismus über dem „proletarischen Internationalismus“.
Die SED-Parteileitung und die FDJ an der KMU waren wegen des Einflusses der chinesischen Propaganda auf andere ausländische Studierende besorgt. Die Universität versuchte die „Darlegung der außenpolitischen Ansichten der chinesischen Parteiführung durch die chinesischen Aspiranten“ zu vermeiden, da es die friedliche Koexistenz verletzen konnte. Der Slogan „Ihr könnt euch immer auf das 650-Millionen-Volk der Chinesen verlassen. Wir stehen in aller Konsequenz auf Eurer Seite“ hätte tatsächlich Erfolg bei asiatischen, afrikanischen und arabischen, und zum Teil bei lateinamerikanischen Studierenden gehabt.
Unter den asiatischen Studierenden war insbesondere die vietnamesische Hochschulgruppe den chinesischen Studierenden sehr nah. Die SED-Kreisleitung sah in dem „volle[n] Verständnis“ der Vietnamesen mit der chinesischen Gruppe ein Zeichen, dass sie sich „mit denen auch von der Rasse her eng verbunden fühl[t]en“. Unter dem Einfluss ihrer Botschaft weigerten sich manche vietnamesischen Studentinnen und Studenten, an Wahlveranstaltungen und am marxistisch leninistischen Grundstudium teilzunehmen.
Eine Gruppe von vietnamesischen Studierenden sang Lieder zu Ehren Maos mit und betrachtete die DDR öffentlich als revisionistisch. Andere, im Gegenteil, fürchteten sich vor einer „Abberufung“ vom Studium in der DDR und vor einer Rückreise, „da sie dort mit ihrer physischen Liquidierung rechnen müssten“. Die vietnamesische Regierung, die für China Partei ergriffen hatte, hielt nun die DDR für einen Feind.
Dass die chinesischen Positionen durch die chinesischen Studierenden und nicht offiziell in der ostdeutschen Presse verbreitet wurden, führte schon 1963 dazu, dass andere ausländische Studierende den Mangel an objektiven Informationen in der DDR kritisierten. Am Herder Institut verlangten die Studentinnen und Studenten aus anderen Ländern bei Diskussionen „nunmehr klare Antworten auf ihre Fragen“ und machten sich „über die Politik in China ihre eigenen Gedanken“. Nach den Quellen soll eine „große Gruppe“ ausländischer Studierende unter chinesischem Einfluss die Friedenspolitik der sozialistischen Länder für „antirevolutionär und bourgeois“ gehalten haben. Die chinesischen Studierenden versuchten weiterhin am Herder Institut, „ihre Politik als [die] Richtigste zu verbreiten“, auch wenn sie die nötigen Genehmigungen nicht hatten.
Gegen diese befürchtete Infragestellung der Rolle der Sowjetunion, der sozialistischen Einheit und der „Völkerfreundschaft“ durch die Propagandaarbeit der chinesischen Studierenden versuchte die SED-Parteileitung der KMU zunächst mit Vertretern der chinesischen Landmannschaft zu diskutieren und sie an den gesetzlichen Rahmen zu erinnern, was sich aber als vergeblich erwies. Weiterhin bemühte sie sich, die chinesische Position zu widerlegen und brandmarkte sie als „gelbe Gefahr“, „feindlichen Einfluss“.
Die chinesischen Studierenden wurden für ihre mangelhafte Argumentation sowie ihr hysterisches Verhalten kritisiert. Ihnen wurde vorgeworfen, Kontakte und Hilfe von westlichen Ländern zu erhalten, das kommunistische Lager zu schwächen und den Frieden zu gefährden. Um ihrer Propaganda entgegenzuwirken wurde ihnen vom Protektorat für Studienangelegenheiten auch verboten, am Ernteeinsatz teilzunehmen. Darüber hinaus hatte die Universität Schwierigkeiten, manche chinesischen Veröffentlichungen schnell zu kontern, da das chinesische Propagandamaterial in andere Fremdsprachen übersetzt und verteilt wurde und somit ausländische Studierende schneller erreichte als das ostdeutsche Material.
Die Universität bemühte sich, den Einfluss der chinesischen Propaganda auf andere ausländische Studierende zu begrenzen und die chinesischen Studierenden zu isolieren, ohne sie jedoch in ihre Heimat zurückzuschicken, im Gegensatz zur Sowjetunion. Die VRC entschied 1967 selbst, die Austausche mit der DDR zu stoppen und ihre Studierenden im Namen der kulturellen Revolution zurückzurufen. Mit der Unterstützung des chinesischen Erziehungsministeriums beantragten 1967 19 Chinesinnen und Chinesen eine Beurlaubung vom Studium an der KMU.
Das Verhalten und der Bewusstseinsstand der chinesischen Studierenden sorgten für Aufmerksamkeit in den Universitätsinstanzen, stellten eine Gefahr für die sozialistische Einheit dar und brachten die Grenzen der internationalen Öffnungspolitik ans Licht. In der Tat kann der Freund, wenn er zum Feind wird, anderen Freunden Misstrauen einflößen, was einem anderen wichtigen Ziel der „Völkerfreundschaft“ zuwiderlief: Mit ausländischen Studierenden sollten nachhaltige freundschaftliche Bande gefestigt werden.
2. Ausländische Studierende zu Vermittlern der DDR ausbilden
Das Ausländerstudium in der DDR bedeutete nicht nur, ausländische Studierende „zu ausgezeichneten Fachleuten“ auszubilden, sondern sie auch „zu Freunden der DDR“ zu erziehen, „die die besondere Gefährlichkeit des westdeutschen Imperialismus erkannt ha[tt]en“. Nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat sollten sie, indem sie dort Schlüsselpositionen einnähmen, dazu beitragen, die Beziehungen zwischen der DDR und ihrem Ursprungsland zu entwickeln, und sollten sich persönlich für die DDR einsetzen.
2.1. Kontakt und Kontrolle
Um den ausländischen Studierenden zu helfen, sich schon zu Beginn ihres Aufenthaltes in der DDR zurechtzufinden, die Kurse besser zu verstehen und sich besser zu integrieren, wurde vom Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen ein breites Betreuungssystem eingerichtet. Während des Vorstudiums am Herder Institut sollten die Betreuerinnen und Betreuer der Seminargruppen den Besuch der Lehrveranstaltungen und die Leistungen kontrollieren, die Studienbedingungen in den Internaten beachten, Hilfe in der Gestaltung der Freizeit anbieten oder auch einen guten Einfluss auf das Studium ausüben.
In der Theorie war dann im Studium an der KMU eine Einzelbetreuerin oder ein Einzelbetreuer für jede Ausländerin und jeden Ausländer geplant beziehungsweise gewünscht, das heißt eine ostdeutsche Studentin oder ein ostdeutscher Student fungierte als Patin oder Pate, die oder der sorgfältig durch die FDJ ausgesucht werden sollte. Von solchen FDJ Betreuerinnen und -Betreuern wurde zunächst einmal erwartet, dass sie die Ausländerinnen und Ausländer dabei unterstützen, gute Studienergebnisse zu erreichen. Auch manchmal „Zweitbetreuer“ genannt sollten sie zudem helfen, die Lehrstuhlleiter zu entlasten.
Über diese pädagogische Unterstützung hinaus bestand die wichtigste Aufgabe dieser studentischen Betreuerinnen und Betreuer in der außerunterrichtlichen Arbeit mit den ausländischen Studierenden. An manchen Fakultäten der KMU, wie an der Landwirtschaftlichen Fakultät und zum Teil auch am Germanistischen Institut, war sogar nur diese außerunterrichtliche Betreuung möglich, da ostdeutsche und ausländische Studierende in gesonderte Seminargruppen aufgeteilt wurden. Ziel dieser Hauptaufgabe war es, die „gültigen Lebensgewohnheiten“ in der DDR zu präsentieren, den Ausländerinnen und Ausländern das politisch-kulturelle und wirtschaftliche Leben der DDR näherzubringen und sie „mit Fragen der historischen Entwicklung, bes. nach 1945“ bekannt zu machen.
Um diese Betreuung am besten durchzuführen sollten die Ausländerinnen und Ausländer sowie ihre Betreuerinnen und Betreuer möglichst gemeinsam im Internat leben. So konnten die ostdeutschen Studentinnen und Studenten bei „d[en] kleinen Dinge[n] des Alltags“ helfen, was Anlass zur politisch ideologischen Arbeit geben sollte. Diese Tandems sollten auch so viel Freizeit wie möglich zusammen verbringen, um zu vermeiden, dass ausländische Studierende unter schlechten Einfluss gerieten: Beim Besuch von Kneipen und Lokalen könnten sie „nicht die wertvollsten Menschen“ treffen.
Auch bei Exkursionen, die für ausländische Studierende organisiert wurden, wurde die Begleitung durch die Betreuerinnen und Betreuer gewünscht. Die FDJ war bestrebt, mit den ausländischen Studierenden möglichst lange in Kontakt zu bleiben, jeden zu erreichen und sie somit besser zu kontrollieren. Diese Betreuung stellte offiziell „einen winzigen aber nicht unwesentlichen Teil der außenpolitischen Wirksamkeit der DDR“ dar. In dieser Hinsicht wurden Schulungen für alle Betreuerinnen und Betreuer veranstaltet, um ihnen einerseits die Bedeutung des Ausländerstudiums in der DDR und ihre Rolle und Verantwortung in diesem Rahmen zu vermitteln und um ihnen andererseits mit den Spezifitäten der Herkunftsländer vertraut zu machen.
Aber in der Wirklichkeit stießen diese erwünschten direkten Kontakte zwischen ausgewählten deutschen Betreuerinnen und Betreuern und ausländischen Studierenden im Namen der „Völkerfreundschaft“ auf Schwierigkeiten, die die „gute[n] Ausbildungsergebnisse ausländischer Studierender“ und somit das Ansehen der DDR im Ausland gefährdeten. Die Betreuerauswahl verlief an manchen Fakultäten zu „schleppend“ oder zu „schematisch“, oder den angeworbenen Betreuerinnen und Betreuer mangelte es an Kenntnissen, Erfahrung und Vorbereitung.
Alles was zum Wechsel der Betreuerinnen und Betreuer führen konnte, sollte vermieden werden, um ihre „Erziehungsarbeit“ nicht zu erschweren. Im Laufe der 1960er- und 1970er-Jahre wurde folglich ständig die Schaffung eines echten Betreuungssystems beziehungsweise einer Verbesserung des Systems an der KMU angestrebt. Eine größere Teilnahme des Lehrkörpers an der Auswahl der Betreuer und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Vertretern des Lehrkörpers und den FDJ-Leitungen wurden erwünscht. Erst im Jahr 1975 wird nach unseren Quellen die tatsächliche Einrichtung des Betreuungssystems für die Studierenden des ersten Jahres vom Direktorat für Internationale Beziehungen der KMU bestätigt.
Manche Ausländerinnen und Ausländer lehnten ihre Betreuerin oder ihren Betreuer ab, unter anderem, weil sie sich „bevormundet und kontrolliert“ fühlten. Ungeduld und fehlende Empathie wurden den deutschen Betreuerstudierenden vorgeworfen. In einem Internat, wo deutsche und koreanische Studierende untergebracht waren, hatten sich die Beziehungen zwischen den beiden Gruppen im Vergleich zur anfänglichen Begeisterung wegen Missverständnissen über das Verhalten der einen oder der anderen Gruppe verschlechtert.Die Losung der „Völkerfreundschaft“ führte nicht unbedingt zu einer erfolgreichen interkulturellen Begegnung.
Ein großes Hindernis für die Verwirklichung der politisch-ideologischen Aufgabe der Betreuerinnen und Betreuer an der KMU stellte der Platzmangel in den Internaten dar. In sieben Internaten in Leipzig wurden 1968 insgesamt 477 Plätze angeboten. 80 Prozent dieser Plätze wurden von ausländischen Studierenden oder Aspiranten der KMU belegt, aber nur vier Prozent von deutschen Studierenden, Absolventen oder sonstigen Bürgern. Die meisten Deutschen, die in diesen Wohnheimen lebten, waren Ehegatten und Ehegattinnen von Ausländerinnen und Ausländern, und in einem geringeren Umfang ihre Betreuerinnen und Betreuer.
Der Platzmangel sowie auch der schlechte Zustand des Internats in der Nürnberger Straße zum Beispiel, obwohl es erst in den 1950er-Jahren gebaut worden war, führten dazu, dass 101 ausländische Studierende in Privatzimmern wohnten. Dass die Ausländerinnen und Ausländer „keinesfalls würdig und sozialistischen Verhältnissen entsprechend untergebracht“ wurden und dass sie in Privatzimmern völlig außer Kontrolle der Universität waren und etwas anderes erleben würden, als das, was sie an der Universität lernten, stellte eine doppelte Gefahr für die KMU im Sinne der „Völkerfreundschaft“ dar.
Trotz aller Bemühungen, Kontakte zwischen deutschen und ausländischen Studierenden durch das Betreuungssystem zu organisieren, musste die FDJ-Kreisleitung feststellen und bedauern, dass meistens (laut der FDJ in mehr als 90 Prozent der Fälle) kein echtes Vertrauens- und Freundschaftsverhältnis zwischen Ausländerinnen und Ausländern und deutschen Betreuerinnen und Betreuern entstand. So stieß sich die „Völkerfreundschaft per Dekret“ an der Lebenswirklichkeit, das heißt an unterschiedlichen Individuen, die sich von der „Völkerfreundschaft“ nicht angesprochen fühlten, und an einem Mangel an staatlichen finanziellen Mitteln, um die erwünschte Betreuungspolitik an der Universität umsetzen zu können.
Stets war man an der Universität bemüht, für die DDR einen guten Ruf als Aufnahmeland aufzubauen. In den 1950er-Jahren, als noch wenig ausländische Studierende in der DDR empfangen wurden, wurde das Wohlbefinden der „koreanischen Freundinnen und Freunde“ besonders beachtet. Die SED-Bezirksleitung zeigte Anpassungsfähigkeit und Respekt vor dem Anderssein und schlug zum Beispiel vor, dass Heime und Mensen sich mehr nach koreanischen Essgewohnheiten richten und mehr Reis, Gemüse und Obst anbieten sollten.
Das Prorektorat für Studienangelegenheiten der KMU war über die Versorgungssituation und den Gesundheitszustand der ausländischen Studentinnen und Studenten besonders besorgt, weil es die Versorgungsprobleme der DDR kannte und verhindern wollte, dass daraus ein schlechtes Bild der DDR entstehen konnte. Eine „vorbildliche Gastfreundschaft“ war geboten.
Darüber hinaus wurde von der KMU, und insbesondere vom Herder Institut und von allen Gesellschaften, Komitees oder Klubs, die sich mit ausländischen Studierenden beschäftigten, aktiv und kollektiv für die DDR, ihre Landschaften, ihre Kultur, ihre politische und historische Entwicklung, sowie ihre Einwohner geworben. Kulturelle und sportliche Ausflüge wurden von der Liga für Völkerfreundschaft und vom Herder Institut, in Zusammenarbeit mit Institutionen wie die Ortsauschüsse für Jugendweihe, die FDJ oder Oberschulen organisiert.
Jedem ausländischen Studierenden wurde auch die Möglichkeit gegeben, einen mindestens 14 tägigen Ferienplatz „in einer landschaftlich schönen Gegend der DDR, möglichst an der Ostsee, zu belegen“. Diese „Gemeinschaftserlebnisse zur Herstellung von Kontakten mit der Bevölkerung der DDR“ wurden bevorzugt, indem sie eine politisch-ideologische Arbeit ermöglichten. Da sie auf die Steigerung der Beliebtheit der DDR unter den ausländischen Studierenden abzielten, spielten sie auch eine außenpolitische Rolle.
Um aus der KMU und aus der DDR einen Geselligkeitsort zu machen, setzten sich die staatliche Leitung, die gesellschaftlichen Organisationen und die Universität selbst die kulturelle Betreuung der ausländischen Studierenden als politisches Ziel. Am Anfang der 1960er-Jahre gab es ein reges soziales Leben dank des Klubs des Herder Instituts, der „für die politischen und kulturellen Bedürfnisse der ausländischen Studierenden“ vorgesehen war. Während des Semesters wurden Filmvorführungen, Lichtbildvorträge, Quiz- und Tanzabende und Konzerte organisiert.
Diese Veranstaltungen sollten auch eine Annäherung mit den ostdeutschen Studierenden fördern. Parallel dazu wurden ausländische Studierende ermuntert, an Veranstaltungen zu politischen Themen, Debatten und Ausspracheabenden beispielsweise über die 15. Generalversammlung der Vereinten Nationen, die Staatsratserklärung oder später über den Verfassungsentwurf der DDR teilzunehmen. Damit konnten sie einen Einblick in die inneren Angelegenheiten der DDR gewinnen. Es war ein Mittel, Verständnis für das ostdeutsche Regime und Loyalität diesem gegenüber zu wecken. Die Hochschulgruppen Chinas, Koreas und Vietnams erschienen regelmäßig bei solchen Gesprächsabenden.
All diese Veranstaltungen hatten einerseits zum Ziel, den ausländischen Studentinnen und Studenten die deutsche Kultur zu vermitteln und andererseits sie zu unterhalten. Es ging darum, die ausländische Jugend für die DDR zu begeistern und sie zu kontrollieren, damit sie nicht sich selbst überlassen würden und „in schlechte Umgebung“ kämen.
Ob das Ziel, die Freundschaftsbande nach der Rückkehr der Studierenden in ihr Ursprungsland zu erhalten, erreicht wurde, ist anhand unserer Quellen kaum zu ermessen. Tatsache ist, dass in den 1980er-Jahren mehrere Chinesinnen und Chinesen sich direkt oder über ihre Botschaft an die KMU wandten, um nach einer Kopie ihrer während der Kulturrevolution verschwundenen Zeugnisse oder Diplome zu fragen, da diese Unterlagen ihr Studium und Diplom in der DDR bewiesen. In diesem Rahmen erwähnte ein ehemaliger chinesischer Student der KMU, der 1961 die DDR verlassen hatte und nun beim Institut zur Herausgabe und Übersetzung der Werke von Marx, Engels, Lenin und Stalin in Beijing arbeitete, dass er sich bemühen würde, „für die Entwicklung der Freundschaft und der gegenseitigen Verständigung zwischen unseren beiden Völkern weiter zu arbeiten“.
In den 1980er-Jahren intensivierte das Komitee für Angelegenheiten ausländischer Studierender in der DDR, ein Organ des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, seine Arbeit an der Knüpfung von Nachkontakten mit ausländischen Absolventen, indem es in Berlin ein „Begegnungszentrum für ausländische Absolventen von Bildungseinrichtungen der DDR“, den Herder-Club gründete. Der Absolventenklub entsprach dem Bedürfnis, die ausländischen Studierenden besser zu kontrollieren. Dieser Club wurde auch Herausgeber einer „Dialog mit der DDR“ genannten Zeitschrift für Nachkontaktpflege. Wenn diese Zeitschrift „das Gefühl der freundschaftlichen Verbundenheit mit der DDR“ bei ausländischen Absolventen erhalten sollte, sollte sie auch „einen Beitrag zur Förderung der ökonomischen Interessen der DDR“ leisten. Sie kam 1986 zum ersten Mal heraus und wurde als Konkurrenzzeitschrift zu ähnlichen westlichen Publikationen konzipiert, die sich an die gleiche begehrte Zielgruppe der ausländischen Absolventen der DDR wandten.
Diese Charmeoffensive der DDR durch die „Völkerfreundschaft“ lag tatsächlich immer im Schatten des Westens beziehungsweise der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Schon in seinen ersten Jahren wurde das zukünftige Herder Institut als Konkurrent zum Goethe-Institut in München dargestellt, dessen „Positionen […] in aller Welt“, besonders in asiatischen und arabischen Ländern, unterstrichen wurden.
Durch Publikationen und Beiträge über das Ausländerstudium in der BRD oder die Tätigkeit des Goethe-Instituts, die das Herder Institut vom Volkseigenen Betrieb (VEB) Zeitungs-Ausschnittdienst Globus erhielt, informierten sich der Direktor und die Lehrkräfte des Herder Instituts regelmäßig über das Ausländerstudium, die Bildungs- und Kulturpolitik und die Hochschulprobleme der BRD. Somit glaubte die DDR, der Attraktivität des Westens für ausländische Studierenden entgegenwirken zu können, obwohl diese an den materiellen Bedingungen und an der Beliebtheit der westlichen Kultur lag.
Die FDJ stellte fest und bedauerte, dass die Mehrzahl der ausländischen Studierenden den „westlichen Imperialismus“ zwar verbal verurteilten, aber dass es sie nicht hinderte, nach Westdeutschland oder Westberlin zu fahren, westdeutsche Zeitungen zu lesen oder westdeutsche Rundfunksender zu hören. Im Laufe der 1970er/1980er-Jahre wurde immer klarer, dass die „Freunde“ der DDR auch Freunde von Feinden der DDR geworden waren. Zum Beispiel schickte der chinesische „Freund“, mit dem die Beziehungen seit 1961 nachgelassen hatten aber in den späten 1980er Jahren wieder anliefen, Studierende in das andere Deutschland. Der Begriff der „Völkerfreundschaft“ verlor immer mehr an Bedeutung.
Die Analyse der Umsetzung der „Völkerfreundschaft“ an der KMU Leipzig erlaubte es uns, verschiedene Facetten der „Völkerfreundschaft“ ans Licht zu bringen. Zwar war die Praxis der „Völkerfreundschaft“ durch die SED utilitaristisch, aber sie entsprach auch einer Lebenswirklichkeit. Im Namen der „Völkerfreundschaft“ begegneten tatsächlich ausländische Studierende jungen Ostdeutschen an den Universitäten und andersrum. Das Beispiel der asiatischen Studierenden an der KMU Leipzig zeigte dabei aber auch die Kehrseite der Öffnungspolitik der „Völkerfreundschaft“: Durch die chinesische Dissidenz wurden die ausländischen und die deutschen Studierenden mit anderen Auffassungen des Sozialismus konfrontiert. Die durch die „Völkerfreundschaft“ begehrte sozialistische Einheit drohte zu zerbröckeln.
In unserem Aufsatz konnten auch manche Aspekte des Umgangs und der Kontakte mit Fremden in der DDR hervorgehoben werden. Die ritualisierte Freundschaft führte aber meistens zu einem Nebeneinander, selten zu einem Miteinander. Der Fremde, selbst wenn er ein Freund war, blieb vor allem fremd und die „Völkerfreundschaft“ an der Universität hauptsächlich eine Floskel: Eine interkulturelle Begegnung fand selten statt. Anhand anderer Quellen, wie Interviews oder Zeugnissen, wäre es in zukünftigen Forschungen möglich zu zeigen, inwiefern die Erfahrung mit der Alterität an den ostdeutschen Universitäten das Selbstbild der damaligen Studierenden doch hatte beeinflussen können.
Zitierweise: Clémence Andréys und Myriam Renaudot, "Ostdeutsche „Soft Power“, www.bpb.de/552789, Deutschlandarchiv vom 31.10.2024. Alle Beiträge im Deutschland Archiv sind Recherchen und Sichtweisen der jeweiligen Autoren und Autorinnen, sie stellen keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar. (hk)
Clémence Andréys hat 2011 an der Université Lumière Lyon 2 zu Qingdao, der deutschen Kolonie in China promoviert. Seit 2013 ist sie Associate Professor für Deutschlandstudien an der Université de Franche-Comté. Ihre Forschungsthemen umfassen die deutsch-chinesischen Beziehungen, die Kolonialgeschichte und ihre Aufarbeitung. Zusammen mit Myriam Renaudot forscht sie nach dem Ausländerstudium im Kalten Krieg.
Myriam Renaudot hat 2010 an der Université Lumière Lyon 2 zum Thema Aufarbeitung der DDR Vergangenheit in Deutschland zwischen 1990 und 2006 promoviert. Sie ist seit 2011 Associate Professor für Deutschlandstudien an der Université de Lorraine in Nancy. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der DDR und der 17. Juni 1953 in der Erinnerungskultur nach 1990. Zusammen mit Clémence Andréys forscht sie nach dem Ausländerstudium im Kalten Krieg.
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