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1949: Ablenkung in schwieriger Zeit Sport, Kultur und Freizeit

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Zum 75 Jahrestag der Gründung von Bundesrepublik und DDR hat das Deutschland Archiv der bpb die Open-Air-Ausstellung „Gründungsgeschichten – 75 Jahre – 75 Orte – 75 Geschichten“ konzipiert, die seit Mai 2024 in Berlin und Bonn, später auch in Görlitz und Leipzig gezeigt wird. Eine mehrteilige Serie im Deutschland Archiv greift die wesentlichen Themen der Ausstellung auf und vertieft sie.

Das Foto zeigt eine Szene während der Dreharbeiten zum Film Die Mörder sind unter uns, Hildegard Knef (links) und Ernst Wilhelm Borchert, aufgenommen 1946.
Dreharbeiten zum Film "Die Mörder sind unter uns", Hildegard Knef (links) und Ernst Wilhelm Borchert, 1946 (© picture-alliance, Everett Collection)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist zunächst in allen vier Besatzungszonen jegliche Vereinstätigkeit verboten. Kultur- und Sportgeschehen ruhen weitgehend. Für die meisten Menschen geht es in dieser Zeit ohnehin zuerst darum, das schiere Überleben zu regeln: Nahrung und Kleidung zu beschaffen, sich ein Doch über dem Kopf zu organisieren und zu erfahren, was mit vermissten Angehörigen passiert ist. Schon 1946 aber organisieren sich die ersten Sportgemeinschaften: Es wird wieder Fußball gespielt, zunächst auf lokaler Ebene. Voraussetzung für die Bildung überregionaler Verbände sind politische Weichenstellungen. Der (West)Deutsche Fußballverband (DFB) etwa wird im Juli 1949 neugegründet: Zwei Monate zuvor ist das Grundgesetz verabschiedet worden. Zur Auflösung der Fußnote[1] In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) ist der Deutsche Sportausschuss (DS) seit 1948 tätig, Zur Auflösung der Fußnote[2] sodass wieder überregionale Begegnungen möglich sind. Ähnlich werden im Kultur- und Freizeitbereich die Weichen für Entwicklung in der Bundesrepublik und in der DDR mal früher, mal später gestellt.

Sport I

Die Neuorganisation des Sports in der SBZ ist grundlegend. Die Aufgaben der bis 1945 existierenden Vereine übernehmen nun Betriebe und Einrichtungen wie Militär und Polizei. Sport, und gerade Leistungssport, findet nun in den Betriebssportgemeinschaften (BSG) statt. Zur Auflösung der Fußnote[3] Damit einher geht eine breit propagierte ideologische Neubewertung: Gepriesen wird insbesondere der Erholungs- und Freizeitcharakter sportlicher Betätigung. Der Leistungssport hat in dieser Sichtweise vor allem die Aufgabe, die Kolleginnen und Kollegen der aktiven Sportlerinnen und Sportler zu unterhalten, ihnen Ablenkung vom Arbeitsalltag zu bieten. Zur Auflösung der Fußnote[4]

Die BSG werden von den jeweiligen Betrieben finanziert; diese sind auch für die erforderliche Infrastruktur verantwortlich. Die Sportlerinnen und Sportler der verschiedenen Disziplinen gelten in erster Linie als Werktätige, die für Veranstaltungen und Wettkämpfe freigestellt werden, ihre sportliche Betätigung ist demgegenüber zweitrangig. Es gibt eine klare Abgrenzung gegenüber dem (kapitalistischen) Profisport, wie er in der Bundesrepublik betrieben wird – selbst wenn diese Abgrenzung zunehmend eher auf dem Papier steht, als dass sie dem Alltag der Sportlerinnen und Sportler entspricht. In der Bundesrepublik ist Sport ebenfalls nicht nur eine Sache von privat organisierten Vereinen: Einige Großbetriebe unterhalten seit Jahrzehnten eigene Werksvereine, und auch die Polizei sowie später die Bundeswehr errichten eigene Leistungssportzentren. Zur Auflösung der Fußnote[5] Passend zur Anbindung an die Betriebe wird ab Sommer 1949 jährlich um den Pokal des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB-Pokal) gespielt. Zur Auflösung der Fußnote[6] Welchen nicht eben hohen Stellenwert dieser Pokal zumindest in der Anfangszeit besitzt, verdeutlicht eine Episode aus dem Jahr 1949. Für den August haben der DS und der DFB eine Begegnung zwischen dem westdeutschen Meister und dem Ostzonenmeister geplant.

Das Foto zeigt die Tribüne. Nach einem 3:2 Sieg nach Verlängerung gegen Borussia Dortmund am 10. Juli 1949 in Stuttgart überreicht DFB Präsident Dr. Peco Bauwens den Spieler des VfR Mannheim die Meisterschale.

Nach einem 3:2 Sieg nach Verlängerung gegen Borussia Dortmund am 10. Juli 1949 in Stuttgart überreicht DFB Präsident Dr. Peco Bauwens den Spieler des VfR Mannheim die Meisterschale. (© picture-alliance/dpa)

Der westdeutsche Meister ist im Juli 1949 vor 80.000 Zuschauerinnen und Zuschauern im Stuttgarter Neckarstadion ermittelt worden. Überraschend hat sich der VfR Mannheim gegen die favorisierte Borussia aus Dortmund behauptet. Zu den Meisterschaftsfeiern in Mannheim hat die ganze Stadt einen Tag frei bekommen, die Innenstadt ist bei der Begrüßung des heimkehrenden Teams ohnehin völlig verstopft.

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Sehr zum Ärger der ostdeutschen Seite wird die Ost-West-Begegnung jedoch durch den DFB wegen terminlicher Probleme abgesagt. Weder Mannheim noch ersatzweise der Vizemeister Dortmund können zum angesetzten Termin in Chemnitz anreisen. Eine grobe „Verletzung des sportlichen Anstands“ sei dies, schimpft die BZ am Abend. Zur Auflösung der Fußnote[7] Ersatzweise findet in Halle (Saale) ein Spiel zwischen dem Gesamt-Berliner Meister BSV 92 aus Berlin-Wilmersdorf und der Zentralsportgemeinschaft Zur Auflösung der Fußnote[8] Union Halle statt. Das Berliner Team setzt sich durch – bemerkenswert und bezeichnend ist aber vor allem, dass über diese völlig bedeutungslose Ost-West-Begegnung in der ostdeutschen Presse ausführlicher berichtet wird als über das erstmals ausgetragene Endspiel um den FDGB-Pokal: Im Kalten Krieg besitzt das sportliche Kräftemessen zwischen beiden Seiten stets eine herausgehobene Rolle. Nur eher beiläufig wird berichtet, dass die BSG Waggonbau Dessau mit dem 1:0 gegen die BSG Gera Süd der erste Pokalsieger in der Sowjetischen Zone wird. Zur Auflösung der Fußnote[9] Eine Ausnahme bildet lediglich die in Halle erscheinende Freiheit. Zur Auflösung der Fußnote[10]

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Die Angliederung an Großbetriebe hat durchaus Vorteile: So wechselt die BSG im erzgebirgischen Aue 1950 vom dort ansässigen Pneumatikwerk zur wesentlich mächtigeren Wismut AG, die für den Uranbergbau in der DDR zuständig ist. Innerhalb von nur vier Monaten schafft es dieser Betrieb, ein neues, größeres Stadion für den Verein zu bauen. Das Otto-Grotewohl-Stadion wird am 20. August 1950 in Anwesenheit des Ministerpräsidenten mit einem Freundschaftsspiel gegen die BSG Waggonbau Dessau eingeweiht (Endstand 3:3). Zur Auflösung der Fußnote[11] In diesem Stadion setzt sich der rasante Aufstieg der Elf fort. Die BSG Wismut wird insgesamt 40 Jahre in der DDR-Oberliga spielen – länger als jedes andere Team.

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Sport II

Doch auch in der entstehenden Bundesrepublik läuft die Organisation des Fußballs auf überregionaler Ebene alles andere als reibungslos. Besonders schwierig ist die Nachkriegszeit für die Fußballvereine im Saarland. Hier versucht die französische Besatzungsmacht, die Region, wenn nicht an Frankreich anzugliedern, so doch zumindest ihre Integration ins Bundesgebiet zu verhindern. Das Saarland wird schon Ende 1946 aus der französischen Besatzungszone herausgenommen. Mit der Annahme einer eigenen Verfassung im Dezember 1947 gilt das Saarland zwar als autonomes Gebiet, steht jedoch faktisch unter französischem Protektorat. Ziel bleibt der wirtschaftliche Anschluss an Frankreich, die Kohle aus den saarländischen Gruben wird schon 1949 ausschließlich nach Frankreich geliefert.

Die USA und Großbritannien akzeptieren das französische Vorgehen zwar zunächst, sprechen sich aber dafür aus, dass eine endgültige Regelung der „Saarfrage“ erst nach Abschluss eines Friedensvertrages erfolgen kann. Zwischen der Bundesrepublik und Frankreich bleibt der Status des Saarlandes umstritten. Der Sonderstatus führt dazu, dass das Saarland sogar eine eigene Fußballnationalmannschaft hat, die an der Qualifikation zur Fußballweltmeisterschaft 1954 teilnimmt. Erst nachdem 1955 eine deutliche Mehrheit der saarländischen Bevölkerung für einen Beitritt zum Bundesgebiet votiert, wird das Saarland am 1. Januar 1957 Teil der Bundesrepublik Deutschland. Zur Auflösung der Fußnote[12]

Auch für die Fußballer des FC Saarbrücken hat der saarländische Sonderstatus gravierende Folgen: Die Mannschaft ist zu gut für die unmittelbaren Nachbarn, Spiele in der Ehrenliga Saarland scheinen wenig sinnvoll. Reisen etwa nach Kaiserslautern oder Mannheim aber sind ab 1947 mit enormem Aufwand verbunden: An der Grenze zwischen dem Saarland und den westlichen Besatzungszonen der späteren Bundesrepublik finden strenge Kontrollen statt. So spielt der Fußballclub in der Saison 1948/49 als FC Sarrebruck in der zweiten französischen Liga und wird – allerdings nur inoffiziell – Tabellenzweiter; in offiziellen Statistiken taucht der Verein nicht auf. Um den sportlichen Anschluss nicht zu verlieren, organisiert der FC Saarbrücken von 1949 bis 1951 den Wettbewerb um den „Internationalen Saarlandpokal“. 1950 gewinnt der Club im Endspiel mit 4:0 gegen den französischen Erstligisten Stade Rennes. Zur Auflösung der Fußnote[13]

Für den FC ist die saarländische Sonderstellung nicht nur wegen seiner Leistungen ärgerlich. Auch die bis zu 35.000 Fans, die zu den Heimspielen ins Stadion kommen, wollen ihren Verein ebenfalls am deutschen Ligabetrieb teilnehmen sehen. 1951 ist es dann endlich so weit und 1952, bei seiner zweiten Teilnahme an den deutschen Meisterschaften, wird Saarbrücken sogar Vizemeister. Das Team unterliegt erst im Endspiel gegen den VfB Stuttgart.

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Sport III

60 Teilnehmer starten Anfang September 1949 zur ersten Ostzonenrundfahrt am Brandenburger Tor – und fahren gleich nach dem Start durch den zu West-Berlin gehörenden Bezirk Wedding, der unter französischer Besatzung stand. Das Neue Deutschland unkt, dass die West-Berliner Polizei sich wahrscheinlich zu Störmanövern werde hinreißen lassen, doch tatsächlich passiert nichts Gravierendes. Zur Auflösung der Fußnote[14] Stattdessen geht es weiter bis nach Rostock, von da aus in mehreren Etappen über Thüringen zurück nach Ost-Berlin. Zieleinlauf ist am sowjetischen Ehrenmal in Treptow. Die ostdeutsche Presse verfolgt die Rundfahrt detailliert und würdigt damit auch den enormen Aufwand, den das Rennen erfordert. Die Preise wirken im Vergleich zu heute üblichen Prämien eher bescheiden – den Zeitgenossinnen und -genossen erscheinen sie aber durchaus üppig. Der Sieger in der Gesamtwertung erhält einen Maßanzug, eine Kiste Sekt, eine Ledertasche, einen Fotoapparat, eine Goethe-Ausgabe in drei Bänden, ein Radio, einen Trainingsanzug, ein Paar Rennschuhe und ein Trikot. Zur Auflösung der Fußnote[15] Indes gehört es nicht nur zum Selbstbild des DDR-Leistungssports dieser Jahre, dass den Gewinnern eher bescheidene Prämien winken – der Sport selbst und nicht die damit verbundenen Gewinnmöglichkeiten sollen im Zentrum stehen. Auch in der Bundesrepublik sind die Siegprämien in dieser Zeit nicht üppig. Zur Auflösung der Fußnote[16]

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Sport IV

Besonders widersprüchlich und kaum einlösbar scheint dieser Anspruch im Bereich des Pferderennsports, dessen Veranstaltungen ja auch (und gerade) davon leben, dass sich die Reichen und Schönen blicken lassen. Die Galopprennbahn in Hoppegarten in Brandenburg, direkt an der Grenze zu Ost-Berlin, ist bis in die 1940er-Jahre hinein solch ein Ort – schon gegen Kriegsende aber flüchten die vermögenden Rennstallbesitzer mit ihren Pferden und Jockeys vor der anrückenden sowjetischen Armee Richtung Westen. Der Union-Klub, dem die Rennanlage gehört, wird direkt nach dem Krieg enteignet. Kurzzeitig überlegt die Sowjetische Militäradministration (SMAD), das Rennbahngelände zur landwirtschaftlichen

Das Foto zeigt den Sieger des Narzissen-Rennen in Hoppegarten (Brandenburg) am 8. Mai 1948 nach dem zweiten Rennen. aus der Originalbildunterschrift: Die Siegerin Meta 2 (Gestüt Buschhof) mit Kaiser

Originalbildunterschrift: "Galopprennen in Hoppegarten am 8. Mai 1948. 2. Rennen - Narzissen-Rennen: Die Siegerin "Meta" 2 (Gestüt Buschhof) mit Kaiser" (© Bundesarchiv, Vitanova, o. Angaben)

Nutzfläche umzuwandeln. Doch trotz des Mangels an Vollblutpferden und Reitern entscheidet man sich dagegen und versucht, einen regulären Rennbahnbetrieb aufzubauen. Tatsächlich kommen schon am 14. August 1949 weit über 10.000 Besucherinnen und Besucher nach Hoppegarten, um das Rennen um den „Großen Preis der sowjetischen Besatzungszone“ zu sehen. Zur Auflösung der Fußnote[17] Um das Publikum aus West-Berlin nicht abzuschrecken, werden die ab Sommer 1948 üblichen Personenkontrollen an der Grenze von Berlin nach Brandenburg an den Renntagen ausgesetzt. Die wirklich bedeutenden Rennen aber finden zu diesem Zeitpunkt bereits in den westlichen Besatzungszonen statt – und an diesen Rennen nehmen kaum Pferde aus ostdeutschen Ställen teil. Im Sommer 1949 tritt der in Hoppegarten sehr erfolgreiche Hengst Lysander in Hamburg an und schneidet so enttäuschend ab, dass das Neue Deutschland im Nachhinein nach Entschuldigungen sucht. Zur Auflösung der Fußnote[18]

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Kultur I

Das Foto zeigt den Schriftsteller Thomas Mann mit Ehefrau Katja während des Festaktes in der Paulskirche in Frankfurt am Main. Er war der Goethepreisgewinner der Stadt Frankfurt im Jahr 1949. Aufgenommen wurde das Foto am 27.07.1949.

Originalbildunterschrift: "Der Schriftsteller und diesjährige Goethepreisgewinner der Stadt Frankfurt, Thomas Mann mit Ehefrau Katja während des Festaktes in der Paulskirche in Frankfurt, aufgenommen am 27.07.1949." (© picture-alliance/dpa)

An anderer Stelle ist eine direkte Konfrontation zwischen Ost und West kaum zu vermeiden: Sowohl die Stadt Weimar als auch Frankfurt am Main planen für den 28. August 1949, den 200sten Geburtstag Johann Wolfgang von Goethes, umfangreiche Feiern. Der Rückbezug auf die deutsche Klassik ist – angesichts des moralischen Versagens von Künstlerinnen und Künstlern im Nationalsozialismus – populär, und der „Dichterfürst“ gilt in der sowjetischen ebenso wie in den westlichen Besatzungszonen als sakrosankt. Zur Auflösung der Fußnote[19] Auf beiden Seiten des entstehenden „Eisernen Vorhangs“ wünscht man sich als würdigen Festredner den deutschen Nobelpreisträger, Antifaschisten, Emigranten und berühmten Schriftsteller Thomas Mann. Er macht früh klar, dass er sich für keine politische Seite einspannen lassen möchte und findet einen Weg, seine Verbundenheit mit Deutschland zu zeigen, ohne Partei zu ergreifen.

DAs Foto zeigt den Schriftsteller Thomas Mann in Weimar beim Verlassen des Goethehauses. Die Aufnahme ist auf den 1. August 1949 datiert.

Originalbildunterschrift vom 1. August 1949: "Thomas Mann in Weimar beim Verlassen des Goethehauses." (© Bundesarchiv, Zentralbild, Illus-Bilderdienst, Walter Heilig)

Er reist im Juli 1949 in die Bundesrepublik und nimmt in der Frankfurter Paulskirche den Goethepreis entgegen. Von dort aus fährt er weiter nach Weimar, wo er mit dem Goethe-Nationalpreis ausgezeichnet wird. Die Reden, die der Geehrte zu beiden Anlässen hält, sind weitgehend identisch – und Thomas Mann betont mehrfach, dass seine Reise ganz Deutschland gelte. Dass er sich auf keine Seite ziehen lässt, macht er schon dadurch sichtbar, dass er am 28. August weder in Ost- noch in Westdeutschland ist, sondern in den USA. Dort äußert er seine Bedenken und seinen Unmut darüber, dass viele Deutsche darüber klagten, dass sie heute schlechter lebten als „unter Hitler“ – sich aber nicht fragten, wer Krieg und Elend verursacht habe. Zur Auflösung der Fußnote[20]

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Kultur II

In der Bundesrepublik gibt es durchaus negative Stimmen zu Thomas Mann – so nimmt man ihm seine anhaltende kritische Distanz Deutschland gegenüber übel. Zur Auflösung der Fußnote[21] Derartige Stimmen sind in der SBZ nicht zu hören – hier überwiegt die Genugtuung darüber, dass der berühmte Schriftsteller aus den USA anreist, selbst wenn er nicht dauerhaft dorthin zurückkehrt. Manns älterer Bruder Heinrich stirbt, bevor er seinen Plan, in die DDR zu ziehen, in die Tat umsetzen kann. Zahlreiche Autorinnen und Autorinnen aber entscheiden sich nach 1945 bewusst dafür, in der DDR zu leben, weil sie hier eine Chance sehen, ein neues, anderes Deutschland aufzubauen: Bertold Brecht, Zur Auflösung der Fußnote[22] Anna Seghers, Zur Auflösung der Fußnote[23] Stefan Heym, Zur Auflösung der Fußnote[24] Friedrich Wolf, Zur Auflösung der Fußnote[25] Johannes R. Becher, Zur Auflösung der Fußnote[26] Ludwig Renn, Zur Auflösung der Fußnote[27] Arnold Zweig Zur Auflösung der Fußnote[28] und andere. Zur Auflösung der Fußnote[29] Die politische Führung setzt diese Remigration (durchaus erfolgreich) zu ihrer politischen Legitimation und Ansehenssteigerung im Ausland ein.

Kultur III

Das Foto zeigt die Schriftsteller Heinrich Böll und Günther Eich und in der Mitte die Schriftstellerin Ilse Aichinger. Das Foto wurde 1951 während der Tagung der Gruppe 47 aufgenommen.

v.l.: Heinrich Böll, Ilse Aichinger und Günther Eich 1951 während der Tagung der Gruppe 47. (© picture-alliance/dpa)

Die Fremdheit zwischen jenen, die in die „innere Emigration“ gegangen waren und jenen, die aus Deutschland hatten flüchten müssen, war in den Nachkriegsjahren beträchtlich – das zeigt sich auch in der Zusammensetzung der „Gruppe 47“. Diese geht aus einem Treffen junger Menschen um die Schriftsteller Hans Werner Richter Zur Auflösung der Fußnote[30] und Alfred Andersch Zur Auflösung der Fußnote[31] hervor, deren Ziel eigentlich die Gründung einer neuen Literaturzeitschrift als vermittelnde Stimme zwischen Ost- und Westdeutschland ist. Dies scheitert am Veto der amerikanischen Besatzungsmacht. Doch aus der Initiative entsteht die „Gruppe 47“, in der sich junge deutsche Intellektuelle zusammenfinden, die durch ihr Aufwachsen im Nationalsozialismus geprägt sind und nach einer neuen Literatur für das neue Deutschland suchen. Rückkehrenden aus der Emigration steht der Kreis eher ablehnend gegenüber, Zur Auflösung der Fußnote[32] aufgeschlossener ist insbesondere Richter gegenüber jungen Männern und Frauen, die hier ihre (ersten) Texte vortragen und sich anschließend der manchmal harschen Kritik der anderen stellen müssen – ohne selbst das Wort ergreifen zu dürfen. Zur Auflösung der Fußnote[33] Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern geht es darum, die Sprache auf das Notwendigste zu reduzieren und auf eine kulturelle Neuorientierung hinzuwirken. Politische Diskussionen hingegen sind unerwünscht – eine Haltung, die denen, die ins Exil gezwungen worden sind, mehr als fragwürdig scheint. Zu den Autorinnen und Autoren, deren Karriere mit einer Lesung vor dieser Gruppe beginnt, gehören Heinrich Böll, Zur Auflösung der Fußnote[34] Günter Grass, Zur Auflösung der Fußnote[35] Hans Magnus Enzensberger, Zur Auflösung der Fußnote[36] Ilse Aichinger Zur Auflösung der Fußnote[37] und Ingeborg Bachmann. Zur Auflösung der Fußnote[38]

Interner Link: Bildmontage vom Treffen der Gruppe 47 in Marktbreit >>

Kultur IV

Ost- und westdeutsche Theater zeigen in den ersten Nachkriegsjahren gern Klassiker auf der Bühne – im sowjetischen Sektor etwa wird schon im September 1945 die Premiere einer Neuinszenierung von Lessings „Nathan der Weise“ gefeiert. Ebenfalls beliebt ist Thornton Wilders Drama „Unsere kleine Stadt“. Das Stück erlebt seine deutsche Erstaufführung fast zeitglich am Deutschen Theater in Ost-Berlin und in den Münchner Kammerspielen im August 1945. Zur Auflösung der Fußnote[39] Gezielt anspruchsvolle Gegenwartsstoffe kommen in den Hamburger Kammerspielen auf die Bühne, die die Schauspielerin und KZ-Überlebende Ida Ehre (1900-1989) 1945 wieder eröffnet. Das Gebäude in der Hartungstraße wurde bis zu seiner Zwangs-„Arisierung“ 1941 vom Jüdischen Kulturbund genutzt. Die Kammerspiele entwickeln sich unter Ehres Leitung

Das Foto zeigt die österreichisch deutsche Schauspielerin, Regisseurin und Theaterleiterin Ida Ehre (links), Hamburg 1950er-Jahre.

Die österreichisch deutsche Schauspielerin, Regisseurin und Theaterleiterin Ida Ehre (links), Hamburg 1950er-Jahre. (© picture-alliance, United Archives, Siegfried Pilz)

zu einem führenden deutschen Theater. Dort inszeniert Wolfgang Liebeneiner 1947 das zeitkritische Drama „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert. Dessen Untertitel lautet „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“. Dennoch findet die Geschichte eines traumatisierten Kriegsheimkehrers, der sich im Nachkriegsdeutschland nicht zurechtfindet, zunächst zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer. Das westdeutsche Publikum ist beeindruckt – allerdings lässt das Interesse an diesem Stück (und vergleichbaren Stoffen) bereits 1949 nach. Zur Auflösung der Fußnote[40]

Interner Link: Zur Bildmontage zu den Hamburger Kammerspielen >>

Kultur V

Das Foto zeigt die junge Hildegard Knef bei den Dreharbeiten zu Die Mörder sind unter uns (1946, Regie: Wolfgang Staudte). Der Film wurde am 15. Oktober 1946 als erste DEFA-Produktionim Admiralspalast im sowjetisch besetzten Teil Berlins uraufgeführt.

Hildegard Knef bei den Dreharbeiten zu "Die Mörder sind unter uns" (1946, Regie: Wolfgang Staudte). Der Film wurde am 15. Oktober 1946 als erste DEFA-Produktion im Admiralspalast im sowjetisch besetzten Teil Berlins uraufgeführt. (© picture-alliance)

Ähnlich verhält es sich mit den „Trümmerfilmen“, einem Genre, dessen Auftakt der in Potsdam gedrehte Film „Die Mörder sind unter uns“ von Wolfgang Staudte 1946 macht. Auch im Kino gibt es einen kurzen Boom von Filmen, die sich kritisch mit der unmittelbaren Gegenwart auseinandersetzen. Bald schon aber ist es damit vorbei: Insbesondere nach der Währungsreform im Juni 1948 möchten die Kinobesucherinnen und -besucher in Westdeutschland lieber unterhaltsame Filme sehen als solche, die den ohnehin noch meist grauen Alltag spiegeln. Insofern bewahrheitet sich – wenn auch mit Verzögerung – Borcherts Untertitel. In den westzonalen Kinos laufen insbesondere Filme aus amerikanischer Produktion. und wenige zeitkritische Neuproduktionen wie „... und über uns der Himmel“ (1947). Ergänzt wird dieses Angebot bis 1949 durch jene unterhaltenden Filme aus der Produktion von vor 1945, die die Alliierten für politisch unbedenklich halten, etwa Dreiviertel der Gesamtproduktion der NS-Zeit. „Die Frau meiner Träume“, ein 1943 gedrehter und 1944 uraufgeführter Farbfilm mit viel Musik und Marika Rökk, ist so ein Film. 1949 übernimmt die „Freiwillige Selbstkontrolle“ in der westdeutschen Filmwirtschaft die Überprüfung und Freigabe von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus; zahlreiche Filme dürfen nun wieder ohne Auflagen gezeigt werden. Gerade der nationalistische Tenor vieler Filme wird in der Bundesrepublik ausgeblendet oder kaum wahrgenommen. Zur Auflösung der Fußnote[41]

Interner Link: Zur Bildmontage und Geschichte zu Potsdam-Babelsberg >>

Nicht nur bleiben in der DDR viele dieser Filme weiter auf dem Index. Es entstehen hier, in den Filmstudios in Potsdam, zunächst einige Filme, die sich differenziert mit der jüngsten Vergangenheit und der schwierigen Gegenwart auseinandersetzen, wie „Irgendwo in Berlin“ (1946), „Ehe im Schatten“ (1947) und „Affaire Blum (1948). Zur Auflösung der Fußnote[42] Parallel werden Filme gedreht, bei denen zunächst eine problematische Situation aufgezeigt wird, die dann durch die sozialistische Neuorganisation gelöst werden kann. Zur Auflösung der Fußnote[43] Neben diesen Filmen kommen in der SBZ und DDR Filme aus sowjetischer Produktion in die Kinos.

Kultur VI

Auch in der bildenden Kunst muss ein Neuanfang gewagt werden. Viele der erfolgreichen Künstlerinnen und Künstler haben Deutschland nach 1933 verlassen müssen, ihre Werke wurden als „entartet“ diffamiert. Andere sind durch ihre Arbeit im Dienste der NS-Führung kompromittiert. Willy Baumeister ist einer von denen, deren Kunst verfemt worden ist und der seine Professur verloren hat, der sich aber dennoch entschieden hat, weiter in Deutschland zu leben. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründet er, nun wieder Professor für Malerei in Stuttgart, einen Zirkel von Künstlerinnen und Künstlern, die sich die „Gegenstandslosen“ nennen.

Das Foto zeigt den deutschen Maler Willy Baumeister. Aus der Originalbildunterschrift:  (...), einer der führenden Vertreter der abstrakten Kunst. (Undatierte Aufnahme). Er wurde am 22. Januar 1889 in Stuttgart geboren und starb ebenda am 31. August 1955.

Original Bildunterschrift: "Der deutsche Maler Willy Baumeister, einer der führenden Vertreter der abstrakten Kunst. (Undatierte Aufnahme). Er wurde am 22. Januar 1889 in Stuttgart geboren und starb ebenda am 31. August 1955." (© picture-alliance/dpa, Castagne)

Die abstrakte Kunst ist für sie ein Aufbruchssignal für den künstlerischen und moralischen Neuanfang. Mit dieser Einschätzung sind sie auf einer Linie mit den Kulturinitiativen der USA in Deutschland, die zuvor schon Ausstellungen abstrakter Kunst initiiert haben. Beim deutschen Publikum stößt diese Kunst auf Skepsis oder Ablehnung. Den „Freunden der gegenstandslosen Kunst soll man ihre Freude lassen. Aber die Künstler sollen ihr Wesen nicht für das Heil der Welt halten“, urteilt der in Konstanz erscheinende Südkurier im Mai 1950 über eine Ausstellung der Gruppe, die nun den Namen ZEN 49 trägt. Zur Auflösung der Fußnote[44] Auf diesen Namen haben sich die Mitglieder nach langen Diskussionen geeinigt, er erscheint ihnen repräsentativ. Zur Auflösung der Fußnote[45] Und so schreibt der Kritiker des Südkuriers, große europäische Kunst sehe gewiss anders aus als diese Werke. Dennoch: Die Verantwortlichen sehen die Kunstrichtung auch als Bekenntnis für den Westen. In der sowjetischen Zone und in der DDR wird abstrakte Kunst – den Vorgaben aus der Sowjetunion folgend – ab 1948/49 entschieden als Ausdrucksform des Imperialismus, als Zeichen des „Verfalls“ und als „Formalismus“ bekämpft. Zur Auflösung der Fußnote[46] In den frühen 1950er-Jahren wird dort eine regelrechte Kampagne gegen abstrakte Kunst geführt. Zur Auflösung der Fußnote[47]

Interner Link: Bildmontage zum ersten Ausstellungsort von ZEN 49 in München >>

Fazit

Womit die Menschen in West- und Ostdeutschland ihre Freizeit verbringen, unterscheidet sich in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wenig. In der SBZ wie in den Westzonen ist die Freude groß, als endlich wieder „richtige“ Fußballwettkämpfe stattfinden dürfen. Ob Kunstausstellungen oder Theater- und Filmaufführungen: Der Hunger nach Kultur und Ablenkung aus dem meist eher tristen Alltag ist groß. Kompromisse und Abstriche nimmt man in Ost wie West hin: Karge Bühnenbilder passen zu modernen Theaterstücken und kaum beheizte Kinosäle fallen angesichts des allgemeinen Mangels an Heizmaterial kaum ins Gewicht.

In den Fußballstadien wird improvisiert, wie auch bei anderen Sportveranstaltungen. Ganz selbstverständlich beziehen die Menschen allerdings die durch das NS-Regime errichtete Infrastruktur in ihre Freizeitgestaltung mit ein. In der zum Olympiagelände von 1936 gehörenden Waldbühne werden Boxkämpfe und politische Veranstaltungen abgehalten, nur den Namen Dietrich-Eckhart-Freilichtbühne (nach dem NS-Vordenker) benutzt man nicht mehr. Dass auch die eindeutig propagandistischen Filme aus der Zeit vor 1945 weiter gezeigt werden, verhindern zunächst die Alliierten; sobald die Aufsicht bei der westdeutschen FSK liegt, werden die Verbote gelockert. Das Publikum ist „seinen“ Stars ohnehin treu geblieben. So jubelt das West-Berliner wie das westdeutsche Publikum 1949 wieder der von den Nazis geförderten schwedischen Filmdiva Zarah Leander zu. Die ostdeutsche Presse kritisiert diese Begeisterung und weist ausführlich auf die bedeutende Rolle der Schauspielerin in der NS-Propaganda hin. Zur Auflösung der Fußnote[48] Ab Anfang der 1960er-Jahre werden die Bedenken gegenüber den Filmen aus der NS-Zeit in der DDR stillschweigend beiseitegelegt: In der Fernsehreihe „Willy Schwabes Rumpelkammer“ werden wöchentlich entsprechende „Filmklassiker“ anmoderiert. Zur Auflösung der Fußnote[49] Für die Menschen auf beiden Seiten des sich senkenden „Eisernen Vorhangs“ gilt bis zur Währungsreform im Juni 1948, dass sie, selbst wenn sie Geld in der Tasche haben, sich für dieses Geld wenig kaufen können. Ohne die erforderlichen Marken sind auch Grundnahrungsmittel nicht zu bekommen. Auf dem Schwarzen Markt hingegen, wo es (fast) alles gibt, ist mit den Geldscheinen wenig anzufangen – hier braucht man Devisen oder Tauschware. Kino und Theater jedoch gibt es ohne Marken. Und solange das Geld nichts wert ist, scheint es hier gut aufgehoben. Das ändert sich fast schlagartig im Juni 1948 Theater und Kino werden nun vor allem in den Westzonen zum teuren Vergnügen. Zur Auflösung der Fußnote[50]

Dass sich Kultur und Sport in den entstehenden deutschen Staaten in unterschiedliche Richtungen entwickeln, wird schon in den ersten Nachkriegsjahren deutlich. Diese Unterschiede machen sich, was den Sport anbelangt, vor allem an organisatorischen Fragen fest, etwa bei der ausschließlichen Angliederung des Leistungssports an Betriebe und Institutionen in der DDR. In der bildenden Kunst werden – auch durch politische Vorgaben – sehr unterschiedliche Wege eingeschlagen. Eine Besonderheit des ostdeutschen Weges tritt gerade im Sport schon sehr früh zutage: Der stete Vergleich mit den Sportlerinnen und Sportlern im Westen bleibt die eigentliche Herausforderung. Das verdeutlicht exemplarisch der Sieg des „Eisernen Hans“ Robak gegen den westdeutschen Box-Champion Albert Westphal im Dezember 1953. Ein Star ist Robak schon vor diesem Kampf, durch den Sieg wird er zur ostdeutschen Legende. Zur Auflösung der Fußnote[51]

Zitierweise: Elke Kimmel, "1949: Ablenkung in schwieriger Zeit – Sport, Kultur und Freizeit", in: Deutschland Archiv, 2.7.2024, Link: www.bpb.de/550071.

Fussnoten

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