Ich bin von der Kleistcasinosache mit humanitärer Lebensgestaltung, Tanz und Bar alles andre als entzückt [...] Bewegung und Amüsiererei müssen [...] aufs rigoroseste auseinandergehalten werden.“ Der im Londoner Exil lebende Schriftsteller Kurt Hiller ist sich sicher: Der Kampf gegen die Stigmatisierung homosexueller Männer müsse stets seriös sein. Kartenspielen und unterhaltende Abende, wie sie der Frankfurter „Verein für humanitäre Lebensgestaltung“ organisiert, gehören ganz sicher nicht dazu. Nicht nur in den Augen Hillers bieten solche Veranstaltungen Angriffsfläche für all jene, die von einer Gleichberechtigung oder auch nur Akzeptanz anderer Lebensformen wenig halten.
An einem Abend im Jahr 1949 umstellen Polizisten das Kleistcasino und nehmen die Personalien aller Anwesenden auf. Das ist der Auftakt zu einer ersten Welle der Homosexuellenverfolgung nach dem Krieg. Die Polizei gewinnt den minderjährigen Prostituierten Otto Blankenstein als Denunzianten. Als „Lockvogel“ spricht er gezielt Männer an. Wer sich auf ihn einlässt, gerät ins Visier der Polizei. Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln gegen mehr als 200 Männer. 75 von ihnen werden in den Frankfurter Homosexuellenprozessen 1950 angeklagt und zu Gefängnisstrafen zwischen drei und zehn Monaten verurteilt. Mindestens zwei der diffamierten Männer nehmen sich das Leben. Der „Verein für humanitäre Lebensgestaltung“ verliert fast alle Mitglieder und gibt das Kleistcasino auf. Seine neue Heimat werden Räume in der Bockenheimer Landstraße 35.
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Christian Könne: