Zum 50. und 60. Jubiläum der Bundesrepublik 1999 und 2009 erschienen viele Publikationen, die vor allem die Erfolgsgeschichte der bundesdeutschen Demokratie betonten. Tagungen und große Überblicke beschrieben damals den schwierigen Neuanfang nach dem Krieg und die Liberalisierung und Demokratisierung der Gesellschaft seit den 1960er Jahren – auch im Systemwettstreit mit der DDR. Die neuen Herausforderungen des vereinigten Deutschlands spielten kaum eine Rolle.
Im Lichte der neueren Forschung und Debatten dürfte eine Bilanz 2024 nach 75. Jahren deutlich anders ausfallen. Die west- und ostdeutsche Geschichte wird häufiger verschränkt und in internationalen Bezügen reflektiert. Beides verändert Bewertungen. Auch die großen Herausforderungen der Gegenwart lassen die Geschichte seit den 1950er Jahren in einem anderen Licht erscheinen und bringen neue Themen auf. Einstige Erfolgsnarrative, wie das Wirtschaftswunder und der wachsende Wohlstand, werden angesichts von Klimakrise, sozialer Ungleichheit, Rechtspopulismus und wachsender Demokratiefeindlichkeit anders bewertet.
Viele neuere Studien zeigen, wie lange autoritäre Traditionen nach 1949 fortwirkten. So wird die Bewertung der Demokratisierung stärker durch den restriktiven Umgang mit Minderheiten getrübt, etwa mit Migrant:innen und Homosexuellen. Auch die systematische Benachteiligung von Frauen im geteilten und vereinten Deutschland tritt deutlicher ins Blickfeld. Nicht zuletzt die Debatte über die folgenreichen Transformationsprozesse der 1990er Jahre vor allem in Ostdeutschland führt zu einer kritischen und vielschichtigen Neubewertung des geteilten und des vereinten Deutschlands.
Die Berliner Veranstaltung zum 75. Jubiläum der Bundesrepublik von Externer Link: ZZF und Externer Link: bpb greift aktuelle Herausforderungen auf, um deren Geschichte neu zu bewerten. Dabei geht es weniger um einzelne Regierungsphasen oder die Charakterisierung der verschiedenen Jahrzehnte als um grundlegende Probleme, die entweder lange Zeit übersehen wurden oder neu entstanden sind. Öffentliche Thesen, die oft exotisierend auf Ostdeutschland bezogen werden, sollen dabei gesamtdeutsch diskutiert werden. Die Vortragenden führen jeweils mit kurzen Diskussionsimpulsen zu unterschiedlichen Themen ein, um dann übergreifend Entwicklungslinien zu diskutieren.
Veranstaltungsort
bpb Berlin, Friedrichstraße 50 (Nähe Checkpoint Charlie, U-Bahn Stadtmitte und Kochstraße)
Programm
16.00-17.45 Uhr: Erste Debattenrunde:
Begrüßung: Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung
Die Bonner Republik im geteilten Deutschland
Impuls und Moderation: Prof. Dr. Frank Bösch (Potsdam)
Prof. Dr. Constantin Goschler (Bochum), Im Schatten der Vergangenheit
Prof. Dr. Rüdiger Graf (ZZF Potsdam), Umwelt und Energie
PD Dr. Maria Alexopoulou (ZfA Berlin/ Uni Mannheim), Migration und Rassismus
PD Dr. Winfried Süß (ZZF Potsdam), Soziale Ungleichheit
17.45-18.30 Uhr Empfang
18.30-20.15 Uhr: Zweite Debattenrunde
Das vereinte Deutschland
Moderation: Prof. Dr. Kerstin Brückweh (IRS Erkner/Viadrina Frankfurt)
Dr. Marcus Böick (Cambridge), Umbau der Wirtschaft
Prof. Dr. Dominik Geppert (Potsdam), Das vereinte Deutschland in Europa
Prof. Dr. Christiane Kuller (Erfurt), Familien- und Geschlechterordnungen
Dr. Ilko Sascha Kowalczuk (Berlin), Ost-West-Konfrontationen
Die Teilnahme ist kostenlos. Bitte
Buchtipp:
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