Schönheit ist das Ergebnis von erworbenem Wissen und daraus resultierendem Verhalten. Wissen darüber, was zum Hauttyp, zur Augen- und Haarfarbe, zu Schuhen und Tasche, zum Alter und Körperbau, zur Tageszeit und zum Anlass passt, was „adäquat“ ist. Doch die Vorstellung, was genau richtig ist, ist nicht naturgegeben, und das Wissen, was ein „Makel“ ist und wie diesem begegnet werden kann, unterliegt einem ständigen Wandel. Schönheitspraktiken zu erforschen bedeutet demgemäß, eine „Geschichte der physischen Anverwandlung gesellschaftlicher Ordnungsmodelle“ zu schreiben, das heißt zu fragen, wie Menschen sich eine soziale Ordnung einverleiben und wie sie ihre soziale Position verkörpern. Denn die „vermeintlich äußere Körperarbeit“ ist „immer und unausweichlich Arbeit am sozialen Selbst“. Wir können also viel über eine Gesellschaft lernen, wenn wir untersuchen, was sie als adäquat und attraktiv erachtet. Denn Schönheitspraktiken zu erforschen bedeutet auch, nach den politischen und sozialen Kontexten sowie den wirtschaftlichen Bedingungen von Schönheitshandeln zu fragen, nach den Wissensarchiven, aus denen sich die unterschiedlichen Akteur*innen bedienten, nach Denkfiguren, die ihr Handeln leiteten, nach Instanzen der Regulierung, Legitimierung und Popularisierung von Idealen und Praktiken und schließlich nach Inklusion und Exklusion anhand äußerlicher Merkmale.
Im Nationalsozialismus war der Köper „Träger der NS-Biopolitik, Visualisierung der NS-Macht, Projektionsfläche kollektiver Ängste vor ‚Minderwertigkeit‘ und für die Sehnsüchte nach dem ‚neuen Menschen‘“. Äußerliche Merkmale dienten dazu, Menschen als „anders“ zu markieren – vielfach mit der Folge, sie nicht nur auszugrenzen, sondern sie zu töten. Auch für die zweite ideologische Großordnung des 20. Jahrhundert, den Kommunismus, war der menschliche Körper von zentraler ideologischer Bedeutung. Die Vermittlung von Schönheitsidealen – und damit dem Wissen darüber, was akzeptiert ist – gehörte zum Projekt einer „Modernisierung von oben“ und erlebte in der Sowjetunion vor allem während des Stalinismus ihre Hochzeit; die zugrundeliegende „Idee der Neugestaltung des Menschen“ war Teil des kommunistischen Transformationskonzeptes. Sie war zugleich geprägt von einem spezifischen Zeitgeist, der vielerorts in Europa die Körperpolitik ins Zentrum staatlichen Handels rückte, da eine gesunde Bevölkerung als bedeutsame wirtschaftliche und militärische Ressource galt. Im Folgenden soll das Verhältnis von Körperpolitik und Konsum in der DDR erkundet und danach gefragt werden, in welchem Maße Schönheitsideale auch Auskunft über die (Selbst-)Verortung zwischen Ost und West geben können.
Mode und Make-up nach Moskauer Art?
„Schön sein – welche Frau möchte es nicht!“, behauptete das Neue Deutschland im Sommer 1955. „Das ist in Paris nicht anders als in Berlin. Es ist in New York ebenso wie in Wien und auch in Moskau“, wusste die Zeitung zu berichten. Doch obwohl Frauen in Ost und West gleichermaßen nach Schönheit strebten, seien zugleich systemspezifische Unterschiede erkennbar: Im Westen würden „zahlreiche Kosmetikfabrikanten“, unterstützt durch „eine ungeheure Reklamemaschine“, aus „einer kleinen weiblichen Schwäche mit Tausenden Wunder versprechenden ‚Heilmitteln‘ ihre Profite schlagen“ und „Modeärzte das schwache Geschlecht mit Versprechungen auf den Operationstisch locken“. Im Moskauer Institut für Medizin und Kosmetik hingegen versuche man, Menschen zu dienen, „deren Beruf ein anständiges Äußeres erfordert“. Der Artikel verdeutlicht die Positionierung der DDR zwischen Ost und West, wobei Moskau als Vorbild und Westdeutschland als Referenzpunkt für eine klare Abgrenzung diente. Dennoch beschreibt er Frauen in Ost und West gleichermaßen als eitel, schwach und verführbar und spiegelt damit zeitgenössische Vorstellungen von Weiblichkeit in beiden deutschen Staaten. Darüber hinaus zeigt der Text, dass die Abgrenzung vom Westen weniger über die Propagierung eigener Schönheitsideale erfolgte, sondern über die Behauptung, im Sozialismus sei Schönheit nicht länger ein Privileg der Wohlhabenden.
Als Voraussetzung dafür erachtete man eine Veränderung der Bedingungen für die individuelle Schönheitsarbeit. Enteignungen, Verstaatlichungen und der Übergang zur Planwirtschaft wirkten sich auch auf die Möglichkeiten zur Arbeit am Selbst aus. Künftig sollte weitgehend zentral bestimmt werden, welche Produkte und Dienstleistungen wem, wo, zu welchem Preis, in welcher Währung und in welchem Umfang zur Verfügung stehen würden. Ein 1952 gegründetes Institut für Bekleidungskultur – später in Modeinstitut umbenannt – sollte künftig geschmacksbildend wirken und den Menschen beibringen, was in der neuen sozialistischen Gesellschaft schick und schicklich ist, was „kulturvoll“ ist. Das Wort verwies auf das russische „kul‘turnost‘“ und ein spezifisches Verständnis von Kultur als eine Art Wert, „der akkumuliert und zielgerichtet auf breitere Bevölkerungsgruppen übertragen und von diesen erworben werden“ könne. Das Ergebnis dieses Prozesses sei eine kultivierte Persönlichkeit. Bereits beginnend in den 1920er-Jahren zielten sowjetische Kampagnen darauf, eine neue Lebensweise zu vermitteln und die Bevölkerung zu disziplinieren. Doch der in revolutionären Zeiten propagierte asketische Lebensstil wurde in den 1930er-Jahren zunehmend verdächtigt und konnte gar als Zeichen politischen Sektierertums gedeutet werden.
Stattdessen galten bald ein gepflegtes Erscheinungsbild und ein kultiviertes Verhalten als sichtbarer Nachweis der Transformation zu einem „neuen Menschen“. Der Konsum bestimmter Waren und Erlebnisse sollte das kulturelle Niveau der Menschen erhöhen. Zugleich galt das Konsumieren dieser Waren und spezifischer Dienstleistungen als Ausdruck von Kultiviertheit. Der Besuch eines Kosmetiksalons, regelmäßige Maniküre und Pediküre oder Dauerwelle symbolisierten den sozialen Aufstieg.
In Moskau eröffnete 1944 das Allunions-Haus der Bekleidungsmodelle, rasch folgten weitere Modehäuser in den Sowjetrepubliken und sozialistischen Staaten. Die Eröffnung eines Instituts für Bekleidungskultur in der DDR war demnach Teil jenes Prozesses, der als „Sowjetisierung“ bezeichnet wird. Als Mitglied des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) nahm die DDR künftig an Kongressen, Modeschauen und Leistungsvergleichen der sozialistischen Staaten teil und war in den transnationalen Austausch über die jeweils aktuelle „Modelinie“ eingebunden. Dass sowjetische Vorstellungen einen Einfluss auf Schönheitspraktiken in der frühen DDR hatten, überrascht kaum, wenn man den Weg verfolgt, den gesundheitspolitische Vorstellungen und das Wissen über Hygiene in den Jahrzehnten zuvor zurückgelegt hatten: Zum einen erachteten einige zeitgenössische Beobachter*innen die Sowjetunion (trotz der prekären Realität) gerade auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik als vorbildlich, zum anderen griff das sowjetische Volkskommissariat für Gesundheitswesen Konzepte der deutschen Sozialhygiene auf, und es entstand ein reger Expert*innen-Austausch. Einige der Protagonist*innen, die den Aufbau des DDR-Gesundheitswesens prägten, hatten eine Zeit ihres Lebens in der Sowjetunion verbracht, unter ihnen Jenny Matern und Erwin Marcusson. Beide kehrten nach Kriegsende aus dem sowjetischen Exil zurück und engagierten sich in den 1950er-Jahren unter anderem dafür, dass der Beruf der Kosmetikerin als medizinischer Beruf anerkannt wurde. Erstmals konnten am 1. September 1958 fünf Frauen eine Ausbildung an der Hautklinik der Charité beginnen. Bald öffneten Salons in Berlin, Halle, Leipzig und andernorts ihre Pforten. Sogar eine Kostenübernahme für ästhetische Chirurgie wurde beschlossen – allerdings aus finanziellen Gründen nie beworben.
Die Arbeiterin, die nicht nach Arbeit aussieht
Wenn angeblich jeder Mensch die Möglichkeit hat, unabhängig von seinem sozialen Status das Beste aus sich zu machen, wird die eigene Attraktivität zu einer Frage der Selbstdisziplin. Auch die DDR-Ratgeberliteratur betonte dies immer wieder: „Schönheit ist selten eine Gabe, fast immer ein Verdienst.“ Der programmatische Titel eines Ratgebers „Schönheit für alle!“ enthielt demgemäß sowohl ein Versprechen – alle können es sich gleichermaßen leisten, das eigene Äußere zu optimieren – als auch eine Verpflichtung – alle müssen an ihrem Äußeren arbeiten und den Erfolg des Sozialismus verkörpern. Dabei wurden an Frauen andere und vor allem deutlich umfangreichere Erwartungen herangetragen als an Männer. „Es gibt keine häßlichen Frauen. Es gibt nur solche, die es nicht verstehen, sich schön zu machen“, behauptete der Ratgeber Schön und gesund im Jahr 1984.
Dies stehe nicht im Widerspruch zu den staatlichen Maßnahmen für Gleichstellung, sondern sei ein Resultat dessen: „In unserem Staat stehen der Frau alle Wege offen“, betonte ein weiterer Ratgeber Ende der 1950er-Jahre und verband damit eine besondere Verpflichtung der Frau im Sozialismus: „Aber sie muß sie auch beschreiten, muß ihre Rechte wahrnehmen, muß die Stellen besetzen, die ihr in der kapitalistischen Zeit vorenthalten waren. Das erfordert nicht nur eine gewandelte innere Einstellung, sondern zugleich eine sorgfältige Pflege des Körpers, der äußeren Erscheinung.“
Nach der doppelten deutschen Staatsgründung hatten sich die Frauenbilder in Ost- und Westdeutschland auseinanderentwickelt. Während in der Bundesrepublik weibliche „Berufstätigkeit immer stärker in den Hintergrund“ gedrängt wurde, blieb die DDR-Wirtschaft auf sie angewiesen. Laut Verfassung waren Frauen und Männer zwar gleichberechtigt, allerdings musste die Gleichstellungspolitik mit tradierten Vorstellungen über Geschlechterrollen austariert werden. Bis in die 1960er-Jahre spiegelten DDR-Publikationen die Sorge, eine Frau könne infolge ihrer Berufstätigkeit „vermännlichen“. Um dem entgegenzuwirken, entwickelten DDR-Verlage eine rege Publikationstätigkeit: die zitierten Ratgeber sowie Broschüren und Zeitschriften und später auch TV-Sendungen vermittelten ein Idealbild der Frau im Sozialismus und erklärten, wie diesem entsprochen werden könne.
Ein „Schönheitsprogramm“ für den Mann beschrieben nur wenige Publikationen. Es fiel zudem deutlich weniger umfangreich aus und konzentrierte sich weitestgehend auf die grundlegende Körperhygiene inklusive Rasur und einer gesunden Ernährung.
Obwohl sich Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit über die Jahre wandelten, blieb eine Überwindung des binären Geschlechtersystems unerwünscht. Stattdessen prognostizierte das Modeinstitut noch in den 1980ern: Nicht der soziale Status, sondern die „Sichtbarmachung des Geschlechts“ werde „wichtigstes Gruppenmerkmal der Bekleidung sozialistischer Menschen“ bleiben: Auch wenn mit „bestimmten überholten Traditionen gebrochen wird“, so werde es „im Sozialismus zu keiner Aufhebung von Gestaltungsunterschieden der Bekleidung für Mann und Frau kommen“.
Körperpolitik, Konsum und Kalter Krieg
Die Versuche, auf die äußere Erscheinung der Menschen Einfluss zu nehmen, waren auch durch den Wunsch motiviert, die Überlegenheit des Sozialismus zu demonstrieren. Am westlichen Rand der sowjetischen Einflusssphäre gelegen und vor dem Hintergrund der deutschen Teilung, hielt die DDR eine Abgrenzung zum Westen für entscheidend, vor allem, als der sogenannte Eiserne Vorhang noch im Begriff war, sich zu senken. „Spielt in unserer Bekleidung die Mode nicht eine positive Rolle, so wird man verächtlich über uns sprechen, man wird sagen, ‚die können sich noch nicht einmal richtig anziehen und wollen dabei den Sozialismus aufbauen‘.“ Mit diesen Worten erinnerte Walter Kahl, Direktor des Modeinstituts, auf der Gesamt-Textilfachlichen Tagung der Kammer der Technik 1958 in Leipzig die Anwesenden an die repräsentative Funktion der äußeren Erscheinung im Kontext der Systemkonkurrenz. Könne die DDR dem Bedürfnis der Menschen nach einem attraktiven Äußeren nicht adäquat begegnen, würden „Millionen von unserem Geld illegal nach Westberlin oder Westdeutschland abwandern“. Das rege Treiben in den Einkaufsstraßen an der Berliner Sektorengrenze, zum Beispiel in der Badstraße, zeugte täglich von dieser Konkurrenz. Der Mauerbau 1961 unterband zwar bedingt das grenzübergreifende Shopping, nicht aber den Einfluss der westdeutschen Medien auf ästhetische Präferenzen im Osten.
Im Herbst des Jahres 1961 setzte sich ein Arbeitskreis des Modeinstituts damit auseinander, wie eine modischere Gestaltung von Konsumgütern künftig helfen könne, „den Beweis der Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaft [zu] erbringen“. Die Expert*innen waren sich einig, dass im Wettstreit der Systeme die Mode ein wichtiges Element der Kulturpolitik sei. Zugleich stellten sie fest, dass das derzeitige Warenangebot weder aus ästhetischer noch aus ökonomischer Sicht zufriedenstellend und der Bundesrepublik – von Frankreich und Italien gar nicht erst zu sprechen – weit unterlegen war. Die Verfügbarkeit von Waren blieb ein heikles politisches Thema. Die Behauptung, dass eine modische Erscheinung nicht länger ein Privileg der Wohlhabenden sei, wurde konterkariert durch ein neues System von Privilegien. Wer Wert auf ein modisches, individuelles Äußeres legte, musste über die nötigen Ressourcen verfügen: über ein gutes Einkommen, über Westverwandtschaft und/oder Westgeld, über Kontakte, Zeit und Kreativität. Dem wachsenden Kaufkraftüberhang und der immer größeren Frustration über das Warenangebot wurde unter anderem mit immer mehr Exquisit-Boutiquen begegnet sowie mit der Eröffnung weiterer Intershop-Filialen, in denen jedoch nur mit konvertibler Währung bezahlt werden konnte, was die soziale Ungleichheit im Land verstärkte und damit neuen Unmut hervorrief. Die oft kritisierte Versorgung mit Waren und Dienstleistungen darf jedoch nicht zu der Vermutung verleiten, in der DDR habe sich keine Konsumgesellschaft entwickelt. Schon in den 1960er-Jahren stellte das Institut für Marktforschung fest, dass die Menschen über ausreichend Bekleidung verfügten, weshalb sie Käufe hinauszögerten, wenn das Angebot nicht ihren Wünschen entsprach; zum anderen deckten sie ihren Bedarf aus verschiedenen Quellen: aus „Maßschneiderei, Selbstfertigung, Vererbung, Gebrauchtwarenkäufe[n] und Geschenksendungen“. Auch wurde erkannt, dass soziale Unterschiede durchaus das Kaufverhalten prägten: Mit dem Einkommen stieg der Textilverbrauch, und die Nutzungsdauer der Waren sank deutlich; auch der Konsum von Kosmetika variierte nicht nur nach Geschlecht und Alter, sondern auch nach Berufstätigkeit und Einkommen. Als ursächlich für diese Entwicklung deuteten die Leipziger Expert*innen die Eingliederung von Frauen in die Arbeitswelt und ihren beruflichen Aufstieg. Steigende Einkommen, mehr soziale Kontakte in der Freizeit und der wachsende Einfluss der Mode vor allem auf die dekorative Kosmetik würden das Konsumverhalten in Ost und West ebenso prägen wie ein höherer Wohnkomfort.
Doch verbesserte Lebensbedingungen konnten die Planwirtschaft auch vor neue Herausforderungen stellen: Als infolge des Wohnungsbauprogramms immer mehr Menschen über ein eigenes Badezimmer verfügten, stieg die Nachfrage nach Pflegeprodukten rapide, womit jedoch niemand gerechnet hatte, weshalb es zu Versorgungsengpässen kam. Das Beispiel zeigt zugleich, dass die Arbeit am Selbst zu etwas Genussvollem geworden war, trotz des häufig für Frust und Unmut sorgenden Warenangebots.
Um 1980 stammte im Schnitt ein Drittel der Kleidungsstücke einer DDR-Bürgerin aus Einzelanfertigung, das heißt sie waren entweder selbst genäht oder gestrickt oder bei einer Schneiderin in Auftrag gegeben worden; weitere zehn bis 15 Prozent stammten aus Geschenksendungen aus dem Westen und aus Intershop-Käufen. Das Modeinstitut warnte: Sollte das Warenangebot nicht endlich den „höheren Ansprüchen Rechnung tragen“, werde sich dies „negativ und mit hoher politischer Brisanz, auf die Zufriedenheit der Bevölkerung“ auswirken. Die Bedürfnisbefriedigung werde „zum Gradmesser für die Leistungsfähigkeit des Sozialismus“.
Die Arbeit am Selbst: vom Staatsideal zur Selbstoptimierung?
In der DDR war die Arbeit am eigenen Körper unter anderem von Vorstellungen über Schönheit, Gesundheit und Geschlecht geprägt sowie durch den Zugang zu Ressourcen und der Systemkonkurrenz im Kalten Krieg. Die „neue“ Frau sollte Fortschritt und Wohlstand und somit die Überlegenheit des Sozialismus verkörpern. Einerseits bot der Staat eine umfassende Infrastruktur, darunter Schönheitssalons, Friseurläden und Boutiquen, die es den Menschen ermöglichen sollten, unabhängig von ihrem sozialen Status an ihrem Körper zu arbeiten. Andererseits verstärkten diese Angebote Ungleichheiten, zum Beispiel durch ein spezifisches System von Privilegien und die Aufrechterhaltung von Geschlechternormen. Der Staat spielte eine entscheidende Rolle bei der Legitimierung bestimmter Formen der Arbeit am Selbst – etwa über die Regulierung des Preises und des Zugangs.
Medial vermittelte Ratschläge, was der Schönheit dienlich sei, wandelten sich über die Jahre und so lässt sich eine Institutionalisierung und Verwissenschaftlichung der Schönheitsarbeit feststellen sowie eine wachsende Abkehr von tradierten Schönheitsrezepten und damit einhergehend eine Kommerzialisierung und Technisierung. Auch die Wahrnehmung des Körpers veränderte sich. Lange Zeit galt er als nicht verlässlich, musste kontrolliert, diszipliniert, trainiert und durch kaltes Wasser abgehärtet werden. Erst in den 1980er-Jahren konnte die Arbeit am Selbst auch „Wellness“ sein. Zugleich erfolgte ab den 1970er-Jahren eine Ausdifferenzierung der Lebensstile und eine zunehmende Entideologisierung des Themas Schönheit: Wer sich in den 1980er-Jahren schön machte, tat dies primär für sich. Die zunehmende Betonung der Freiwilligkeit markiert zugleich eine gestiegene Bedeutung von Selbstdisziplin, Selbstmanagement und Selbsterziehung – was emanzipatorisch gedeutet werden kann, aber auch eine Internalisierung beziehungsweise Anverwandlung von Werten und Normen bedeutet und jeden Makel als persönliche Schwäche erscheinen ließ.
In der „Wendezeit“ kam der äußeren Erscheinung eine neue Bedeutung zu. Vielfach wurden ostdeutsche Frauen „anhand ihrer Kleidung, ihres Make-ups, ihrer Frisur, ihrer Accessoires, ihrer Körperbehaarung, ihrer Zahnpflege oder ihres Hautbildes“ als „anders“ gedeutet. Ihr Aussehen wurde als Beweis angeführt, dass sie nicht wüssten, was angemessen ist, und deshalb immer „zu wenig“ oder „zu viel“ tun würden. Einige ostdeutsche Medien reagierten auf dieses „Othering“ mit einer doppelten Abgrenzung: zum einen gegenüber dem östlichen Europa, das als arm und rückständig dargestellt wurde, und zum anderen gegenüber dem Westen, der als oberflächlich und unauthentisch beschrieben wurde.
Zitierweise: Stefanie Eisenhuth, „"Schönheit für alle!“ Die äußere Erscheinung als Staatsangelegenheit in der DDR“, in: Deutschland Archiv, 14.02.2024, Link: www.bpb.de/545334.
Ein Beitrag zur Underground-Mode in der DDR: Interner Link: Die Freiheit der Distanzierten – die alternative Modeszene der DDR Interview mit Andrea Prause