"Wenn ein Mitarbeiter Blumen riecht ..."
Der Journalist und Geheimdienstkritiker Hans Halter hat den Beschäftigten von Nachrichtendiensten generell eine paranoide Sicht der Welt attestiert: "Wenn ein Mitarbeiter Blumen riecht, dann schaut er sich nach einem Sarg um", zitiert Halter einen früheren CIA-Direktor.
An diese Einschätzung muss man unweigerlich denken, wenn man sich die vorliegende Wahrnehmung der bundesdeutschen Korrespondenten und ihrer Arbeit durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) aus dem Jahr 1988 anschaut. Insbesondere die schlichte Gleichsetzung der journalistischen Arbeit mit geheimdienstlicher Tätigkeit zeugt von einer erheblichen "déformation professionelle" und der fehlenden Fähigkeit, die Normen und Logik liberaler Mediensysteme nachzuvollziehen.
Medienverständnis
Gleichwohl würde es zu kurz greifen, dieses Dokument nun retrospektiv und aus westlicher Sicht schlicht als Ausdruck einer verfehlten Realitätswahrnehmung und ideologischer Deformation einer dogmatischen marxistisch-leninistischen Weltsicht abzutun. Denn es verweist einerseits auf ein anderes, im 20. Jahrhundert nicht nur in den sozialistischen Diktaturen weit verbreitetes, politisch-instrumentelles Medienverständnis und zum anderen auf einen jener Widersprüche, die der Soziologe Detlef Pollack als konstitutionell für die Gesellschaft der DDR bezeichnet hat, in diesem Fall das fast schon dialektisch zu nennende Verhältnis von Öffnung und Abschottung nach außen.
Eine tägliche Herausforderung stellten in diesem Kontext die Radio- und Fernsehprogramme der Bundesrepublik dar, da sie die Bemühungen der SED um eine effektive Abgrenzung vom "kapitalistischen Klassengegner" auch nach dem Bau der Mauer unterliefen. Alle Versuche, dies durch Störsender und andere Maßnahmen zu verhindern, zeigten auf Dauer wenig Effekt.
Das Verständnis von Massenmedien durch die kommunistischen Parteien war bis zum Zusammenbruch des Staatssozialismus eng mit ihrem eigenen Aufstieg verknüpft. Die Einbeziehung immer weiterer Teile der Bevölkerung in politische Diskurse seit dem späten 19. Jahrhundert im Allgemeinen und die Entstehung revolutionärer Massenbewegungen im Speziellen fußte maßgeblich auf dem Durchbruch der Massenpresse. Nach Lenins Auffassung stellte sie das ideale Mittel dar, um den Klassenfeind zu bekämpfen und dem in unverschuldeter Unmündigkeit verharrenden Proletariat im Sinne der Avantgardepartei zu mobilisieren und ihm zur Erkenntnis seiner "objektiven" Interessen zu verhelfen. Dahinter stand die zeitgenössische Vorstellung linearer, starker Medienwirkungen und der einfachen Manipulierbarkeit der Massen, was Propaganda zu einem vermeintlich mächtigen gesellschaftlichen Steuerungsinstrument machte.
Diese kanonischen Annahmen zur Medienwirkung aus dem frühen 20. Jahrhundert wurden auch zu DDR-Zeiten nie prinzipiell in Frage gestellt und stattdessen auf die audiovisuellen Medien übertragen. Wenn es möglich war, der Bevölkerung durch Agitation und Propaganda den richtigen Klassenstandpunkt zu vermitteln, dann konnte der Klassenfeind auch das Gegenteil erreichen. Schutz gegen die negativen Einflüsse des Gegners boten nach Meinung der SED-Spitze nur ein fester Klassenstandpunkt und bedingungsloses Vertrauen in die Richtigkeit ihrer Politik. War beides brüchig geworden, so die Vorstellung, würde der betreffende Mensch indifferent oder gar"feindlich-negativ" werden – durch den Einfluss der westlichen Medien. Das MfS erfand für diese vermeintlichen negativen Einflüsse von außen den Begriff der "politisch-ideologischen Diversion" (PID). Dieser entgegenzutreten war eine der zentralen Aufgaben des MfS.
"Freie Information und Berichterstattung"?
Vor diesem Hintergrund stellte jede Öffnung ob kulturell, ob ökonomisch oder politisch für die SED ein Risiko, einen destabilisierenden Faktor dar. Doch die gewaltsame vollständige Abgrenzung der DDR stieß nicht nur an praktische Grenzen, sie gefährdete die Machtbasis der Staatspartei ebenfalls, da sie einerseits die wirtschaftliche und kulturelle Stagnation verstärkte, andererseits sowohl innen- als auch außenpolitisch erhebliche Legitimitätsprobleme schuf. Nicht zuletzt stand sie dem Streben der DDR nach internationaler Anerkennung entgegen.
Als Mitte 1972 die Verhandlungen zum Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR begannen, wurde von Anfang an auch über eine Regelung zur Betätigung von Journalisten im jeweils anderen Staat verhandelt, darauf bestand die westdeutsche Seite.
"Frontberichterstattung"
Mit dem Jahreswechsel 1972/1973 begann zudem bei der Hauptabteilung II des MfS, die für Spionageabwehr zuständig war, eine Arbeitsgruppe mit den Überlegungen zur Überwachung der zukünftigen Korrespondenten. Diese Überlegungen mündeten in den Befehl 17/74 des Ministers für Staatssicherheit Erich Mielke, der ab März 1974 die Grundlage aller Aktivitäten des MfS gegen die Journalisten bildete. Mit diesem Befehl wurde eine Abteilung 13 innerhalb der Hauptabteilung II des MfS gebildet, die Ende der 1980er-Jahre 65 hauptamtliche Mitarbeiter zählte und allein gegen die ARD-Korrespondenten in 15 Jahren über 100 inoffizielle Mitarbeiter (IM) eingesetzt hat.
Auch der Film "Korrespondenten imperialistischer Massenmedien – Vorgeschobene Posten des Feindes im Kampf gegen den Sozialismus" geht auf den Befehl 17/74 und die Aktivitäten der HA II/13 zurück. Dabei handelt es sich offenbar um Schulungsmaterial für inoffizielle Mitarbeiter, "fachfremde" Abteilungen des MfS oder andere Sicherheitsorgane denen die Gefahren verdeutlicht werden sollten, die nach Ansicht der Spionageabwehr von den westlichen und insbesondere den bundesrepublikanischen Korrespondenten für die DDR ausgingen.
Bereits die ersten Szenen zeugen von der widersprüchlichen Situation, in der die Staatssicherheit angesichts der Öffnung nach außen und dem damit einhergehenden Willen zur möglichst umfassenden Kontrolle nach innen agieren musste. So wird die Anwesenheit von Korrespondenten zunächst als "unverzichtbar" für die "offensive Außenpolitik [...] des Dialogs" der DDR erklärt. Offene Repressionen scheiden demnach nach dem Willen der SED aus. Im Gegenteil, das MfS soll die "ausländischen Korrespondenten in der DDR aktiv unterstützen" und den "Handlungsspielraum bürgerlicher Korrespondenten [...] fördern". Dem kam man durch mit viel Liebe zum Detail inszenierte Reisen von Korrespondenten durch die DDR nach, die nur die Hochglanzseite des Arbeiter- und Bauernstaats zeigen sollten.
Zugleich wird aber postuliert, dass von Journalisten "imperialistischer Publikationsorgane" "gefährdende Auswirkungen [...] auf die staatliche Sicherheit der DDR" ausgingen. Da im Ideologiegebäude der DDR unabhängige Journalisten nicht vorkommen, werden sie konsequent zu Agenten des Klassenfeindes stilisiert. Korrespondenten, die berufsbedingt Informationen sammeln und auswerten, arbeiten demnach innerhalb von "Auftragsstrukturen imperialistischer Geheimdienste". Damit wird jeder Austausch mit den Kollegen zu einem Abstimmen der "Frontberichterstattung", jedes Gespräch mit einem Bekannten zu einem "Abschöpf- und Einflusskontakt", der letztlich auf die "Untergrabung und Destabilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse in den sozialistischen Staaten ausgerichtet ist." Das MfS projiziert damit seine eigene konspirative Denk- und Arbeitsweise auf den vermeintlichen Gegner. Bemerkenswert ist, dass die größte Sorge nicht der eigentlichen Berichterstattung gilt, sondern der "Abschöpf- und Einflussposition" und der "Inspirierung der Kontaktpartner zu gesetzwidrigen und staatsfeindlichen Handlungen". Der Korrespondent als potentieller Spion – dies war die Sicht, die die Mitarbeiter der Abteilung 13 ihrem Publikum vermitteln wollten.
Auch hinsichtlich der ästhetischen und bildlichen Gestaltung hinterlässt der Film beim heutigen Betrachter Befremden. So wirkt die Bebilderung des Textes amateurhaft und rein illustrativ. Mehrmals werden kurze Mitschnitte aus westdeutschen Nachrichtensendungen eingeblendet, die die Korrespondenten oder Teile von deren Berichten zeigen. Diese Einblendungen erfolgen auch bei wörtlichen Zitaten ohne Ton, sodass Bilder und Kommentarton auseinanderfallen. Dieser bleibt damit der eigentliche Träger aller inhaltlichen Aussagen. Er wird abwechselnd von einer weiblichen und einer männlichen Stimme vorgetragen, deren fast mechanisch anmutenden Tonlage und Sprachmelodie an die "Aktuelle Kamera" des DDR-Fernsehens erinnern. Die erwähnten Ausschnitte aus ARD- und ZDF-Sendungen werden – vermutlich aus Mangel an geeignetem Bildmaterial zu den Korrespondenten – mehr oder minder wahllos mit Fotos und Archivbildern aus Restaurants und Bars, Stadtansichten sowie gestellt wirkenden oder eventuell versteckt gefilmten Szenen mit unbekannten Menschen kombiniert. Von einer klaren Bildaussage kann daher keine Rede sein.
Der Film gibt somit keine Auskunft über die tatsächliche Arbeit der Korrespondenten, sondern stellt in erster Linie ein eindrucksvolles Dokument für das reproduzierte Weltbild der Staatsschützer und ihr anhaltendes Denken in dichotomischen Mustern des Klassenkampfes kurz vor dem Ende des Kalten Kriegs dar. Das manichäische Freund-Feind-Denken scheint ungebrochen, und es gebiert eine umfassende Überwachungs- und Verfolgungslogik. So versuchte man ein Problem zu bekämpfen, dass sich die DDR gerade deshalb selbst ins Land geholt hatte, weil sich eine auf konsequente Abgrenzung basierende Politik längst als illusorisch erwiesen hatte: Auf der Agenda der 1970er- und 1980er-Jahre standen bekanntlich blockübergreifende diplomatische Anerkennung und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westen. Das Dokument liefert freilich keinerlei Hinweis darauf, dass man auf Seiten der Staatssicherheit diesen Widerspruch als solchen erkannt hätte.