"Die Akkreditierung ausländischer Publikationsorgane und ihrer Korrespondenten ..."
Ministerium für Staatssicherheit
Hauptabteilung II
Dokumentation der HA II: "Korrespondenten imperialistischer Massenmedien – vorgeschobene Posten des Feindes im Kampf gegen den Sozialismus"
Sprecher
Die Akkreditierung ausländischer Publikationsorgane und ihrer Korrespondenten in der DDR nimmt einen bedeutsamen Platz im Gesamtsystem der Beziehungen zwischen unserer Republik und anderen Staaten ein. Die Gewährung des Aufenthaltes und der Tätigkeit ausländischer Korrespondenten in der DDR ist unverzichtbarer Bestandteil der offensiven Außenpolitik der DDR. Sie dient der Politik des Dialogs und dem Abbau von Spannungen zwischen Ost und West.
Eine bedeutsame Aufgabe des MfS besteht darin, die friedens- und verständigungsfördernde Funktion ausländischer Korrespondenten in der DDR aktiv zu unterstützen, den davon bestimmten Handlungsspielraum bürgerlicher Korrespondenten in der DDR zu fördern und gefährdenden Auswirkungen journalistischer Tätigkeit von Korrespondenten imperialistischer Publikationsorgane auf die staatliche Sicherheit der DDR entschlossen entgegenzutreten.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß Korrespondenten imperialistischer Publikationsorgane mit dazu beizutragen haben, Klassen- und Profitinteressen des Feindes zu verwirklichen und dass daraus resultierend ihr der Völkerverständigung und der sachlichen Berichterstattung über den Sozialismus in der DDR dienender Auftrag gebrochen wird.
Claus Richters "negative Berichterstattung"
Und das wird deutlich, wie der in der DDR akkreditierte ständige ARD-Korrespondent und Leiter des ARD-Studios RICHTER, CLAUS, seinen Auftrag als BRD-Korrespondent in der DDR formulierte:
"Wir Fernsehkorrespondenten von ARD und ZDF schaffen für die DDR bisweilen so etwas wie ein Kontrastprogramm zu den staatlich kontrollierten Massenmedien. Das Bild der DDR-Bürger von ihrem eigenen Land wird wesentlich mitbestimmt von den Berichten in der 'tagesschau' oder 'heute'".
RICHTER, Jahrgang 1948, war von 1981 bis 1984 als Fernsehkorrespondent der ARD in Warschau und von 1984 bis 1987 in den USA, in New York, akkreditiert.
Operativen Erkenntnissen der polnischen Sicherheitsorgane zufolge stimmten die Informationsinteressen von Richter während seiner Tätigkeit in der Volksrepublik Polen insbesondere zum ökonomischen Bereich mit den Auftragsstrukturen imperialistischer Geheimdienste im wesentlichen überein.
Richter bemühte sich vorrangig Informationen aus politischen und ökonomischen Bereichen zu sammeln, wobei er diesen Informationen in der Regel Sensationscharakter verlieh. Zur Informationserlangung schuf er sich stabile Abschöpf- und Einflußkontakte.
In einigen Fällen gewannen diese Kontakte nach Einschätzungen des polnischen Bruderorgans "den Charakter geselligen Umgangs".
Mehrfach bezahlte er seine Kontaktpartner oder Vermittler, die ihm den Zugang zu Informationen erleichterten.
Richter unterhielt stabile Verbindungen zu Vertretern der polnischen Opposition, darunter auch zu [Lech] Walesa.
1982 wurde Richter wegen "zu negativer Berichterstattung" über die Entwicklung in der Volksrepublik Polen vom polnischen Außenministerium verwarnt.
Bei seiner Akkreditierung in der DDR äußerte Richter gegenüber dem MfAA [Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR], daß er "guten Journalismus machen und ein realistisches DDR-Bild vermitteln" wolle.
Und seinen Worten läßt Richter Taten folgen.
Sprecherin:
Brandenburger Tor, 19. 6. 1988
Der Journalist Richter und weitere Korrespondenten beim sogenannten "Machen von gutem Journalismus und Vermittlung eines realistischen DDR-Bildes".
Richter und weitere Korrespondenten, aber auch Diplomaten aus NATO-Staaten, sind immer dann "vor Ort" präsent, wenn nach ihren Informationen etwas passieren soll oder wenn sich Ereignisse nach ihrer Auffassung für eine spektakuläre Berichterstattung über die DDR eignen.
Informationen erhalten sie durch ihre intensive Kontakttätigkeit gegenüber feindlich negativen Kräften, die auf Informationsgewinnung zur Einschätzung und Bewertung derartiger Veranstaltungen und zur Gewinnung von Hinweisen auf geplante Aktivitäten der inneren Feinde abzielt. Feindliche DDR-Bürger suchen aber auch zielgerichtet den Kontakt zu Korrespondenten, um beabsichtigten, provokativen Handlungen über eine breite Publizierung in westlichen Medien eine große Öffentlichkeitswirksamkeit zu verleihen.
Korrespondenten gehen bereitwillig auf diese Hinweise und Angebote ein, wirken auf die inhaltliche Gestaltung ein und achten darauf, daß sie bestmöglich in den Medien verarbeitet werden können. Sie betätigen sich faktisch als Regisseure der feindlichen Aktion!
Gleichzeitig stimmen die Korrespondenten untereinander weitgehend den Trend ihrer Berichterstattung ab. Um von ihnen erwartete spektakuläre Ereignisse sich nicht entgehen zu lassen und das Auftreten sowie Reaktionen der Schutz- und Sicherheitsorgane umfassend zu dokumentieren gehen sie arbeitsteilig vor. Sie organisieren präzise vorbereitete Schichtwechsel an vermuteten neuralgischen Punkten, arbeiten nach Einsatzplänen, insbesondere die elektronischen Medien ARD und ZDF[,] und tauschen sich ständig über den Verlauf der Veranstaltungen aus. Korrespondenten und Journalisten realisieren teilweise eine regelrechte "Frontberichterstattung".
"Diese journalistischen Aktivitäten der Korrespondenten ..."
Sprecher:
Diese journalistischen Aktivitäten der Korrespondenten zeigen, dass es sich bei der politisch-ideologischen Diversion nicht um irgendeine Form der ideologischen Auseinandersetzung sondern um eine subversive Methode handelt, die auf die Untergrabung und Destabilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse in den sozialistischen Staaten ausgerichtet ist.
Das "Haus des Rundfunks" in West-Berlin
in der Dokumentation der HA II. (© BStU, ZA, MfS, HA II/Vi/105.)
Das "Haus des Rundfunks" in West-Berlin
in der Dokumentation der HA II. (© BStU, ZA, MfS, HA II/Vi/105.)
Ein Beispiel dafür ist die vom Feind betriebene weitere Profilierung Westberlins zu einem Feindzentrum, von dem noch stärkere politisch-ideologische Angriffe gegen die DDR-Bevölkerung durch den Ausbau imperialistischer elektronischer Massenmedien ausgehen sollen.
Das sei, so der Regierende Bürgermeister von Westberlin, [Eberhard] DIEPGEN, wörtlich, unter dem Aspekt der "kulturellen Einheit Deutschlands" von besonderer Bedeutung.
Diesen Worten folgen Taten wie u. a. die weitere Ausrichtung bestimmter Sendungen von ARD und ZDF zur direkteren ideologischen Einwirkung auf DDR-Bürger beweisen. Diese Feindeinrichtungen erhalten in Westberlin Verstärkung durch die Etablierung des kommerziellen BRD-Satellitenfernsehens SAT 1 und des Senders 100,6 mit seiner Sendereihe "Radio Glasnost", die wesentlich mitgestaltet wird von solchen Feinden, wie den ehemaligen DDR-Bürgern [Roland] JAHN und [Jürgen] FUCHS. Das ist ein Gesicht der Konterrevolution, und der Feind hegt schon weitergehende Absichten im ideologischen Krieg, so mit der Einrichtung des RIAS-Fernsehsenders in Westberlin.
Sprecherin:
Die "Abendschau" des Senders Freies Berlin (SFB) berichtet über "Radio Glasnost". Filmstill aus der Dokumentation der HA II. (© BStU, ZA, MfS, HA II/Vi/105.)
Die "Abendschau" des Senders Freies Berlin (SFB) berichtet über "Radio Glasnost". Filmstill aus der Dokumentation der HA II. (© BStU, ZA, MfS, HA II/Vi/105.)
Jährlich führen ca. 5.700 Reisekorrespondenten aus über 80 Ländern und Westberlin zeitlich begrenzte journalistische Vorhaben in der DDR durch. Davon sind über
4.600 Journalisten aus kapitalistischen Ländern
davon wiederum über
1.800 aus der BRD und
900 aus Westberlin.
Hinzu kommt eine noch höher liegende Anzahl von Journalisten, die zum touristischen Aufenthalt, zum Privatbesuch bei Verwandten und Bekannten einreisen. Diese Journalisten geben häufig ihren Beruf bzw. ihre Tätigkeit nicht an, um das Interesse der Sicherheitsorgane an ihrer Person nicht hervorzurufen und um die rechtlichen Bestimmungen zur Tätigkeit von Korrespondenten in der DDR zu umgehen.
Die Tätigkeit von Korrespondenten in der DDR ist gegenwärtig durch die "Verordnung über die Tätigkeit von Publikationsorganen anderer Staaten und deren Korrespondenten in der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Februar 1973" und deren Durchführungsbestimmung vom 11. April 1979 rechtlich geregelt.
Zur Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit erhalten akkreditierte Korrespondenten vom MfAA der DDR u. a. einen mit Lichtbild versehenen Presseausweis und auf Antrag eine Grenzempfehlung für bestimmte Grenzübergangsstellen, die zur bevorzugten Grenzabfertigung berechtigt. Reisekorrespondenten erhalten vom MfAA eine auf Person, Ort und Zeit begrenzte Pressekarte.
"Abschöpfung der Kontaktpartner"
Sprecher:
Die aktuellen Informationsinteressen imperialistischer Geheimdienste belegen, daß der Feind die Beschaffung von Informationen aus politischen und ökonomischen Bereichen der DDR stets der aktuellen Lage anpaßt und mit ihrer Realisierung bestrebt ist, möglichst vorausschauend strategisch bedeutsame Entwicklungen aufzuklären.
Dabei hat die Quelle Mensch für die Geheimdienste trotz einer zunehmenden perfektionierten Nutzung technischer Spionagemethoden und -mittel weiterhin einen hohen Stellenwert.
Die legalen Basen des Feindes, Korrespondenten und Diplomaten in der DDR, sind fest in das Gesamtsystem der Informationsbeschaffung integriert und nutzen rigoros alle gebotenen Arbeitsmöglichkeiten zur Abschöpfung und Eigenerkundung. Insbesondere die gesamte Breite der Kontaktpartner der legalen Basen stellt für die Geheimdienste ein großes Reservoir menschlicher Quellen dar.
Sprecherin:
Die Kontakttätigkeit der legalen Basen ist die Hauptmethode zur Schaffung und Nutzung von Abschöpf- und Einflußkontakten. Die Kontakttätigkeit dient
1. der Gewinnung von Informationen aus allen gesellschaftlichen Bereichen der DDR mittels Abschöpfung der Kontaktpartner bis hin zu deren direkter Befragung;
2. der gezielten Lancierung von Informationen, Meinungen und Haltungen politischer Führungskräfte und gegnerischer Einrichtungen an Kontaktpartner in der DDR zur Beeinflussung von Entscheidungen und Prozessen in der DDR;
3. der permanenten politisch-ideologischen Einflußnahme auf Kontaktpartner im Sinne politisch-ideologischer Diversion;
4. der Inspirierung der Kontaktpartner zu gesetzwidrigen und insbesondere staatsfeindlichen Handlungen. Diese Zielrichtung wurde beispielsweise beim Vorgehen des ZDF-Korrespondenten [Dietmar] BARSIG gegenüber dem DDR-Bürger Telschow bei dessen Hungerstreik besonders deutlich.
Diese Angriffe werden komplex und in enger Wechselwirkung vorgetragen.
Die Korrespondenten streben einen solchen Umfang von Kontakten zu DDR-Bürgern an, der es dem MfS unmöglich machen soll, den Überblick zu wahren und eine wirksame Kontrolle auszuüben. Dabei unterhalten sie oft neben langjährigen Verbindungen auch zahlreiche Kontakte zu DDR-Bürgern, die nur zeitweilig bestehen. Die Intensität der Kontakte wird durch den unmittelbaren Nutzen für die Korrespondenten bestimmt, soweit es sich nicht um gute Bekannte oder Verwandte handelt. Nutzen bedeutet für sie dabei Wert des Kontaktes für die Erfüllung ihrer journalistischen Tätigkeit, subversive und andere feindliche Aktivitäten oder für die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse, wobei die Grenzen fließend sind.
Das Spektrum der Kontaktpersonen ist breit gefächert und durch zwei extreme Pole gekennzeichnet[:]
auf der einen Seite Bürger der DDR mit klarer marxistisch-leninistischer Weltanschauung, die von einer eindeutigen Klassenposition an den Kontakt mit dem Korrespondenten herangehen;
auf der anderen Seite innere Feinde der DDR.
Zwischen diesen beiden Polen ist die große Mehrheit der Kontaktpartner zu finden.
Dies ist auch dem Korrespondenten bekannt, und er versucht entsprechend differenziert und geschickt zur Erreichung seines Zieles vorzugehen.
Sprecher:
Bei den Kontaktpartnern ist eine Vielfalt von politischen Anschauungen und individuellen Motiven anzutreffen.
Schwankende politische Positionen, Wirkungen der politisch-ideologischen Diversion, eine bestimmte Neugierde auf den Korrespondenten oft in Verbindung mit einem verschwommenen Feindbild sind begünstigende Bedingungen für die Kontaktbestrebungen.
Manch ein Kontaktpartner bekennt sich zwar zur DDR, lebt aber mit unbeantworteten Fragen oder Unverständnis über einzelne politische Entwicklungen. Personen mit Ärger über betriebliche Entscheidungen, ungelöste persönliche Probleme bedürfen oft nur eines geringen Anstoßes, um mal so richtig Luft abzulassen. Und diese Situation wird durch den Korrespondenten raffiniert und psychologisch geschickt gefördert und genutzt.
Sprecherin:
Die Informationsgewinnung mittels Abschöpfung der Kontaktpartner bis hin zu abgedeckt ... [fehlt im Original] interessierenden Probleme ist für die legalen Basen eine besonders typische Methode. Dabei ist ihr Vorgehen in erster Linie auf die Schaffung qualitativ hochwertiger Spitzenquellen gerichtet.
Charakteristisch für diesen Abschöpfungsprozeß ist
- das Wecken, Fördern beziehungsweise Vertiefen einer allgemeinen Auskunftsbereitschaft und persönlichen Aufgeschlossenheit bei den DDR-Kontaktpartnern;
- die Herstellung einer vertraulichen Atmosphäre, die auch die Bindung des Kontaktpartners an den Korrespondenten stärken soll;
- die sorgfältige, oft sehr geschickte Konspirierung der Informationsabsicht und eine dementsprechende Legendierung des Vorgehens;
- der enge Zusammenhang zwischen der Abschöpfung der Kontaktpartner und den Aktivitäten zur Eigenerkundung der DDR.
Ist nach Wertung des Korrespondenten der Kontakt ausbaufähig und bedeutungsvoll, so wird durch eine permanente politisch-ideologische Einflußnahme und oftmals auch durch materielle Zuwendungen der Kontaktpartner weiter stimuliert. Nicht selten versuchen sie, diesen Kontakten den Anschein einer echten Freundschaft zu geben und intensiv in der privaten Sphäre zu pflegen. Sie sind dabei bemüht, ihren Kontaktpartner systematisch aufzubauen.
Sprecher:
Die operative Praxis zeigt, daß der Gegner die Gesprächsaufklärung zu einer Hauptmethode der Erkundung der politischen und ökonomischen Lage der DDR entwickelt hat. Der subversive Hintergrund bei der Suche nach Wirkungsfeldern der politisch-ideologischen Diversion und der offensiven Einwirkung auf die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR ist für den einzelnen Gesprächspartner oft schwer erkennbar. Für den Gegner stellt sich die Gesprächsaufklärung effektiv dar und birgt ein relativ geringes Risiko in sich.
Der breite Kreis der Gesprächsaufklärer und die umfassende Nutzung bestehender vielfältiger Kontakte ermöglicht es dem Gegner zugleich, umfangreiche Erkenntnisse zu DDR-Bürgern zusammenzutragen, die durch imperialistische Geheimdienste in einer exakten Dossierarbeit aufbereitet werden und Grundlage für weitere subversive Aktivitäten bis hin zur Werbung zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit bilden.
© 1988.